TE OGH 1987/11/19 8Ob36/87

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Veröffentlicht am 19.11.1987
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Stix als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kralik, Dr. Vogel, Dr. Kropfitsch und Dr. Zehetner als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Robert R***, Hotelangestellter, 6263 Fügen 80, vertreten durch Dr. Hans Rainer, Rechtsanwalt in Innsbruck, wider die beklagten Parteien 1) Anton F***, Pensionist, Eichenweg 4, 6060 Absam, und

2) V*** D*** Ö*** B***

V***-AG, p.Adr. Bozner Platz 7, 6020 Innsbruck, beide vertreten durch DDr. Jörg Christian Horwath und Dr. Hanns Forcher-Mayr, Rechtsanwälte in Innsbruck, die zweitbeklagte Partei auch durch Dr. Markus Baldauf, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen S 565.543,-- s.A. und Feststellung (S 100.000,--), Revisionsstreitwert S 664.543,--, infolge Revision der beklagten Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgerichtes vom 19. Februar 1987, GZ 2 R 334/86-24, womit infolge Berufung der beklagten Parteien das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 27. Juli 1986, GZ 17 Cg 173/85-14, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt und beschlossen:

Spruch

1) Die Revision wird, soweit sie sich gegen den Zuspruch eines Betrages von S 61.771,50 s.A. an den Kläger und die Stattgebung des von ihm gestellten Feststellungsbegehrens in Ansehung von 50 % seiner Unfallschäden richtet, zurückgewiesen.

2) Aus Anlaß der Revision werden das Urteil des Berufungsgerichtes und das von ihm vorangegangene Berufungsverfahren über die von Rechtsanwalt Dr. Markus B*** namens der zweitbeklagten Partei erhobene Berufung gegen das Urteil des Erstgerichtes als nichtig aufgehoben. Die von Rechtsanwalt Dr. Markus B*** namens der zweitbeklagten Partei erhobene Berufung gegen das Urteil des Erstgerichtes wird zurückgewiesen. Die Entscheidung über die Kosten des Berufungsverfahrens hat zu lauten:

Die beklagten Parteien sind zur ungeteilten Hand schuldig, der klagenden Partei die mit S 13.346,85 bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens (darin Umsatzsteuer von S 1.213,35, keine Barauslagen) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

3) Im übrigen wird der Revision nicht Folge gegeben. Die beklagten Parteien sind zur ungeteilten Hand schuldig, der klagenden Partei die mit S 17.910,42 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin Umsatzsteuer von S 1.628,22, keine Barauslagen) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Am 9. April 1983 ereignete sich gegen 10,30 Uhr in Innsbruck auf der Weiherburggasse auf Höhe des Hauses Nr. 4 ein Verkehrsunfall, an dem der Kläger als Lenker des Kleinmotorrades mit dem Kennzeichen T 148.709, der Erstbeklagte als Lenker des PKW mit dem Kennzeichen T 72.060 und Robert S*** als Lenker des Kombinationskraftwagens mit dem Kennzeichen T 90.042 beteiligt waren. Die Zweitbeklagte ist der Haftpflichtversicherer der beiden letztgenannten Kraftfahrzeuge. Der Erstbeklagte fuhr mit dem von ihm gelenkten PKW bergwärts unter Benützung der linken Fahrbahnhälfte an dem vor dem Haus Nr. 4 abgestellten KKW vorbei. Der mit dem Moped in der Gegenrichtung entgegenkommende Kläger bremste, kam zu Sturz und rutschte gegen den vom Erstbeklagten gelenkten PKW. Dabei wurde der Kläger verletzt. Wegen dieses Verkehrsunfalles wurde gegen den Erstbeklagten und Robert S*** zu 10 U 757/83 des Bezirksgerichtes Innsbruck ein Strafverfahren eingeleitet. Der Erstbeklagte wurde rechtskräftig des Vergehens der fahrlässigen Körperverletzung nach § 88 Abs. 4 erster Fall StGB schuldig erkannt; es wurde ihm zur Last gelegt, daß er entgegen der Vorschrift des § 17 Abs. 1 STVO an dem vor dem Haus Weiherburggasse 4 geparkten KKW vorbeigefahren und nicht unverzüglich wieder auf seine rechte Fahrbahnhälfte zurückgefahren sei. Der Erstbeklagte wurde im Adhäsionsverfahren zur Bezahlung eines Teilschmerzengeldbetrages von S 1.000,-- an den Kläger als Privatbeteiligten verurteilt. Robert S*** wurde rechtskräftig gemäß § 259 Z 3 StPO freigesprochen.

Im vorliegenden Rechtsstreit begehrte der Kläger aus dem Rechtsgrund des Schadenersatzes aus diesem Verkehrsunfall (unter Berücksichtigung von Akontozahlungen der Zweitbeklagten) die Verurteilung der Beklagten zur ungeteilten Hand zur Zahlung von zuletzt S 565.543,-- s.A.; überdies stellte er ein auf Feststellung der Haftung der Beklagten zur ungeteilten Hand (der Zweitbeklagten bis zur Höhe der Haftpflichtversicherungssumme) für künftige Unfallschäden gerichtetes Feststellungsbegehren. Dem Grunde nach stützte der Kläger sein Begehren im wesentlichen auf die Behauptung, daß der Erstbeklagte und Robert S*** diesen Unfall verschuldet hätten. Das Verschulden des Erstbeklagten ergebe sich aus seiner rechtskräftigen strafgerichtlichen Verurteilung; S*** habe das von ihm gelenkte Fahrzeug an einer unübersichtlichen und engen Fahrbahnstelle geparkt, obwohl er erkennen hätte können, daß dadurch jeglicher Verkehr nur mehr einbahnig möglich sei und das abgestellte Fahrzeug eine grobe Gefährdung für den gesamten vorbeifließenden Verkehr darstelle. Durch Parken an anderer Stelle, etwa 20 m weiter stadteinwärts, wäre diese Gefahrenquelle nicht entstanden. Die Zweitbeklagte habe als Haftpflichtversicherer der vom Erstbeklagten und von S*** gelenkten Fahrzeuge für das Verschulden dieser beiden Personen einzustehen.

Die Höhe der vom Kläger geltend gemachten Leistungsansprüche ist bis auf das Schmerzengeld nicht mehr strittig; auch das Feststellungsinteresse des Klägers ist unbestritten. Den geltend gemachten Schmerzengeldanspruch begründete der Kläger damit, daß er bei dem Unfall so schwere Verletzungen erlitten habe, daß ihm ein Schmerzengeld von S 600.000,-- gebühre.

Die Beklagten wendeten dem Grunde nach im wesentlichen ein, dem Erstbeklagten könne nicht angelastet werden, daß er nach dem Vorbeifahren an dem abgestellten Fahrzeug des S*** sein Fahrzueg nicht wieder sofort nach rechts gelenkt habe, da dies technisch nicht möglich gewesen wäre. Seine Fahrweise sei für den Unfall nicht ursächlich gewesen. S*** treffe kein Verschulden, weil er das von ihm gelenkte Fahrzeug nicht geparkt, sondern nur angehalten habe; er sei im Strafverfahren rechtskräftig freigesprochen worden. Das Verschulden an diesem Verkehrsunfall treffe allein den Kläger, weil er mit überhöhter Geschwindigkeit gefahren sei und als Folge dieser überhöhten Geschwindigkeit bei Ansichtigwerden des entgegenkommenden vom Erstbeklagten gelenkten PKW eine schreckhafte Schnellbremsung durchgeführt habe, wodurch er zu Sturz gekommen und verletzt worden sei. Angesichts der Enge der Straße wäre der Kläger verpflichtet gewesen, auf halbe Sicht zu fahren; dieser Verpflichtung sei er nicht nachgekommen.

Die Beklagten wurden im Verfahren erster Instanz zunächst durch die Rechtsanwälte DDr. H*** und Dr. F***-M*** vertreten, die sich im Sinne des § 30 Abs. 2 ZPO auf die ihnen von den Beklagten erteilte Vollmacht beriefen (ON 2). In der Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung vom 27. November 1985 wurde der Zweitbeklagten aufgetragen, bis zur nächsten Tagsatzung einen Vertreter, der sie in ihrer Funktion als Haftpflichtversicherung des Robert S*** vertrete, namhaft zu machen (ON 9 S 35). In der Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung vom 5. März 1986 (ON 13). schritt sodann für die Zweitbeklagte (außer ihren bisherigen Vertretern) Rechtsanwalt Dr. B*** ein, der sich gleichfalls im Sinne des § 30 Abs. 2 ZPO auf eine ihm erteilte Vollmacht berief.

Das Erstgericht verurteilte die Beklagten zur ungeteilten Hand zur Zahlung eines Betrages von S 564.543,-- s.A. und wies das auf Zahlung eines weiteren Betrages von S 1.000,-- gerichtete Mehrbegehren ab. Dem Feststellungsbegehren gab es statt, wobei es aussprach, daß die Zweitbeklagte nur bis zur Höhe der Haftpflichtversicherungssumme hafte.

Das Erstgericht stellte im wesentlichen folgenden für die im Revisionsverfahren noch strittigen Fragen bedeutsamen Sachverhalt fest:

Die Fahrbahn der Weiherburggasse ist im Unfallsbereich 4,2 m breit. Nach einem Bankett von 0,55 m Breite schließt sich in Fahrtrichtung des Klägers gesehen nördlich als rechte Straßenbegrenzung eine sichtbehindernde Stützmauer an. Südlich der Weiherburggasse verläuft ein Gehsteig, der 1,2 m breit ist. An diesen Gehsteig grenzt im Unfallsbereich das Haus Weiherburggasse 4. In Fahrtrichtung des Klägers weist die Weiherburggasse ein Gefälle von 14 % bis 15 % auf; im eigentlichen Unfallsbereich beträgt das Gefälle ca. 12 %.

Am 9. April 1983 lenkte Robert S*** den Rettungswagen der freiwilligen Rettung Innsbruck mit dem Kennzeichen T 90.042 auf der Weiherburggasse bergwärts. Im Rahmen der Aktion "Essen auf Rädern" wollte er gemeinsam mit einer Helferin einer im Haus Weiherburggasse 4 wohnhaften Person das Mittagessen bringen. Er fuhr zunächst am genannten Haus vorbei bis zur "Weiherburg", drehte dort um und fuhr die Weiherburggasse talwärts bis zum Haus Nr. 4 zurück, wo er am linken Fahrbahnrand mit dem linken Räderpaar auf den dort befindlichen Gehsteig fuhr, sein Fahrzeug anhielt und die Warnblinkanlage einschaltete. Während die Helferin ausstieg und das Essen in das Haus brachte, blieb Robert S*** in seinem Fahrzeug sitzen. 40 m südlich von dieser Halteposition verbreitet sich am südlichen Ende der Gehsteig zu einem 2,5 m breiten und 5 m langen Zwickel.

Mit Bescheid des Stadtmagistrates Innsbruck vom 20. August 1982, Zl. IV-2750/1982, wurde der freiwilligen Rettung Innsbruck zur leichteren Durchführung der Aktion "Essen auf Rädern" folgende Ausnahmen von Verkehrsgeboten und Verboten bewilligt:

"... Die Ausnahme von

a) der zeitlichen Parkbeschränkung im Parkverbot und Kurzparkzonen;

b) die Bewilligung zum Parken von Kraftfahrzeugen in sämtlichen Ladezonen auf Bundes-, Landes- und Gemeindestraßen im Gebiet der Landeshauptstadt Innsbruck sowie

c) die Bewilligung zum Abstellen von Kraftfahrzeugen in den im Bereich der Landeshauptstadt Innsbruck bestehenden Haltestellenbereichen für die Fahrzeuge ...".

Der Erstbeklagte fuhr mit dem von ihm gelenkten PKW auf der Weiherburggasse bergwärts. Vor dem Vorbeifahren an dem von Robert S*** abgestellten Rettungswagen bremste er sein Fahrzeug auf Schrittgeschwindigkeit (etwa 5 km/h) ab. Nachdem er sich vergewissert hatte, daß aus der Gegenrichtung kein Fahrzeug kam, blinkte er links und fuhr im ersten Gang auf etwa 25 km/h beschleunigend am Rettungswagen vorbei. Der Erstbeklagte fuhr in der Folge nicht wieder auf die rechte Fahrbahnhälfte zurück, sondern blieb auf der linken Fahrbahnhälfte und begann erst wieder nach links zu lenken, als er zumindest 2 Fahrzeuglängen am Rettungswagen vorbeigefahren war. 12 m nach dem Rettungswagen befand sich der Erstbeklagte mit seinem Fahrzeug noch immer zur Gänze auf der linken Fahrbahnhälfte.

Zur selben Zeit lenkte der Kläger sein Kleinmotorrad auf der Weiherburggasse talwärts. Welche Geschwindigkeit er dabei zunächst einhielt, steht nicht fest. Als er das Fahrzeug des Erstbeklagten wahrnahm, blockierte dieses den Fahrstreifen so, daß für den Kläger keine ausreichende Durchfahrtsbreite bestand. Der Kläger, der zu diesem Zeitpunkt noch 33 m vom entgegenkommenden PKW des Erstbeklagten entfernt war, bremste sein Kleinmotorrad so stark ab, daß es sich quer stellte und er zu Sturz kam und nach Hinterlassung seiner Bremsspur von 2,4 m gegen den PKW des Erstbeklagten schlitterte. Die Bremsausgangsgeschwindigkeit des Kleinmotorrades betrug etwa 40 km/h.

Der Erstbeklagte bremste bei Ansichtigwerden des entgegenkommenden vom Kläger gelenkten Kleinmotorrades sein Fahrzeug ab und war zum Zeitpunkt der Kollision bereits zum Stillstand gekommen oder noch mit ganz geringer Geschwindigkeit in Fahrt. Der Kläger stieß mit rund 10 bis 15 km/h gegen das Fahrzeug des Erstbeklagten. Die Kollision ereignete sich auf der Fahrbahnhälfte des Klägers.

Der Kläger hatte aus einer Position 21 m vor der Unfallstelle Sicht auf insgesamt 33 m (bei einem Seitenabstand von 1 bis 1,50 m zum rechten Fahrbahnrand); die frühestmögliche Sicht auf die spätere Unfallstelle aus der Fahrtrichtung des Erstbeklagten lag bei 45 m. Die maximal zulässige Geschwindigkeit, um auf Sicht zu fahren, betrug für beide Lenker im Unfallsbereich über 50 km/h. Der Unfallskontakt wäre vermieden worden, wenn der Kläger um etwa 2 bis 3 km/h langsamer gefahren wäre oder wenn der Erstbeklagte mit einer geringeren Geschwindigkeit (etwa 5 bis 15 km/h) gefahren oder aber mehrere Meter früher wieder auf den rechten Fahrstreifen zurückgekehrt wäre.

Die Fahrzeugbreite des Kleinmotorrades des Klägers beträgt 60 cm, die Breite des Fahrzeuges des Erstbeklagten 178 cm. Bei Bremsbeginn fuhr der Kläger gerechnet von der Reifenaufstandsfläche etwa 1,1 m vom rechten Fahrbahnrand entfernt. Unter Berücksichtigung des seitlichen Überhanges des Kleinmotorrades von 30 cm fuhr der Kläger zu diesem Zeitpunkt mit einem Abstand von 80 cm zum rechten Fahrbahnrand.

Durch das Anhalten des Rettungswagens entstand für den Erstbeklagten keine Sichtbehinderung. Der Erstbeklagte war jedoch gezwungen, zum Vorbeifahren die gesamte linke Fahrbahnhälfte zu benutzen.

Der Kläger erlitt durch diesen Unfall im wesentlichen folgende Verletzungen:

Schwerster Verrenkungsbruch zwischen 12. Brustwirbel und

1. Lendenwirbelkörper mit Zertrümmerung des 12. Brustwirbelkörpers und Quetschung des Rückenmarkes mit Zeichen einer zunächst vollständigen und dann subtotalen Querschnittslähmung ab TH 11 rechts und links. Es konnte in der Folge eine sehr günstige Aufrichtung der Wirbelsäule erreicht werden, doch verblieb eine beträchtliche Teilparese beider Beine. Neben einer Hautgefühlsstörung ab L 4 beidseits ergibt sich eine beträchtliche Beinmuskelschwäche ab L 4 links und L 5 rechts mit Verschmächtigung der Unterschenkelmuskulatur, geschwächter Kniebeugung bei kräftiger Streckbarkeit, einem Unvermögen, rechts den Fuß wesentlich zu beugen oder anzuheben, einer hochgradigen Beuger- und Heberschwäche des linken Fußes, was zu einem "Steppergang" führt, der durch das Tragen von Peronaeusschienen geringfügig gebessert werden kann. Ferner besteht eine neurogene Blasenentleerungsstörung, eine milde Form einer neurogenen Stuhlentleerungsstörung und eine neurogene Störung der Vita sexualis. Der Kläger kann, da durch die schlaffe Beckenbodenmuskulatur der äußere Schließmuskel der Blase gelähmt ist, nur mittels Bauchpresse urinieren, bleibt harnwegsinfektionsanfällig und entwickelt nur ein vages Stuhldranggefühl, jedoch kein Stuhlabgangsgefühl, sodaß er zwischen Wind und Stuhl nicht unterscheiden kann. Erektion und Samenausstoßung sind abgeschwächt.

Der Kläger hatte (komprimiert) 3 Wochen Schmerzen schweren Grades, 6 Wochen Schmerzen mittleren Grades und 5 Wochen Schmerzen leichten Grades bis zum 2. Dezember 1985 zu erdulden. Eine signifikante Besserung ist beim Kläger nicht mehr zu erwarten. Spätfolgen sind nicht auszuschließen.

Das gestörte Gangbild durch Tragen von ein oder zwei Peronaeusschienen ist entstellend.

Rechtlich beurteilte das Erstgericht den festgestellten Sachverhalt im wesentlichen dahin, daß sich das Verschulden des Erstbeklagten aus der Bindungswirkung des gegen ihn ergangenen strafgerichtlichen Erkenntnisses ergebe. Robert S*** falle ein Verstoß gegen § 24 Abs. 1 lit.b StVO zur Last. Es wäre ihm zumutbar gewesen, das Fahrzeug etwa 40 m weiter entfernt abzustellen, wo keinerlei Behinderung des Verkehrs mehr bestanden hätte. Für das Verschulden des Erstbeklagten und des S*** habe die (gemeinsame und für beide unfallsbeteiligte Fahrzeuge belangte) beklagte Haftpflichtversicherung einzustehen.

Dem Kläger könne hingegen ein Mitverschulden nicht angelastet werden, da nach den örtlichen Gegebenheiten ein Fahren auf halbe Sicht nicht geboten gewesen sei. Auch unter Berücksichtigung eines mit einer höchstzulässigen Breite von 2,5 m entgegenkommenden Fahrzeuges sei dem Kläger zur Fahrbahnmitte hin noch ein Zwischenraum von 30 cm übrig geblieben, sodaß er auch nicht verhalten gewesen sei, auf halbe Sicht zu fahren. Auch ein Reaktionsverzug könne dem Kläger nach den getroffenen Feststellungen nicht angelastet werden.

Die festgestellten Verletzungen und ihre Folgen rechtfertigten ein Schmerzengeld von S 600.000,--. Von diesem Betrag seien die im Strafverfahren dem Kläger als Privatbeteiligten aus diesem Titel rechtskräftig zuerkannten S 1.000,-- in Abzug zu bringen. Das Urteil des Erstgerichtes wurde an Dr. B*** am 13. August 1986 und an DDr. H*** am 14. August 1986 zugestellt. Es blieb in seinem klagsabweisenden Teil unbekämpft.

Am 18. September 1986 wurde eine von DDr. H*** und Dr. F***-M*** namens beider Beklagter eingebrachte Berufung beim Erstgericht überreicht, mit der beantragt wurde, das Urteil des Erstgerichtes dahin abzuändern, daß dem Kläger, nur ein Betrag von S 61.771,50 s.A. zugesprochen und seinem Feststellungsbegehren nur in Ansehung von 50 % seiner künftigen Schäden stattgegeben werde; hilfsweise wurde ein Aufhebungsantrag gestellt (ON 17). Am 23. September 1986 wurde eine von Dr. B*** namens der Zweitbeklagten eingebrachte Berufung beim Erstgericht überreicht, mit der beantragt wurde, das angefochtene Urteil dahin anzuändern, daß das Klagebegehren gegen die Zweitbeklagte als Haftpflichtversicherung für Robert S*** abgewiesen werde; hilfsweise wurde auch hier ein Aufhebungsantrag gestellt (ON 18). Das Berufungsgericht, das die Zweitbeklagte in ihrer Funktion als Haftpflichtversicherer des Erstbeklagten als zweitbeklagte Partei und in ihrer Funktion als Haftpflichtversicherer des Robert S*** als drittbeklagte Partei bezeichnete, gab mit dem angefochtenen Urteil beiden Berufungen keine Folge. Es bestätigte die Entscheidung des Erstgerichtes mit der Maßgabe, daß es im Rahmen des Abspruches über das Feststellungsbegehren die Haftung der Zweitbeklagten mit der Höhe der Haftpflichtversicherungssummen aus den Versicherungsverträgen bezüglich der Fahrzeuge mit den Kennzeichen T 72.060 und T 90.042 begrenzte. Das Berufungsgericht sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes, über den es entschieden hat, S 300.000,-- übersteigt.

Das Berufungsgericht führte, ausgehend von den unbekämpft gebliebenen Feststellungen des Erstgerichtes, rechtlich im wesentlichen aus, bei der Beurteilung der Frage, ob eine Straße eng im Sinne des § 24 Abs. 1 lit.b StVO sei, sei davon auszugehen, ob durch das Halten oder Parken der übrige Verkehr auf der Straße, insbesondere im Hinblick auf die Verkehrsbelastung, wesentlich behindert werde. Das Verbot des § 24 Abs. 1 lit.a und lit.b StVO diene nicht nur der Leichtigkeit und Flüssigkeit, sondern auch der Sicherheit des Verkehrs. Ziffernmäßig sei, ausgehend davon, daß der Fahrstreifen einer Fahrbahn durchschnittlich mit einer Breite von 2,5 m anzunehmen sei, eine Fahrbahnstelle dann eng, wenn neben dem abzustellenden Fahrzeug weniger als 2,5 m frei blieben. Im vorliegenden Fall stehe die Breite der Fahrbahn im Unfallsbereich mit 4,2 m fest. Weiters stehe fest, daß durch das Halten des Rettungswagens der Erstbeklagte gezwungen gewesen sei, zum Vorbeifahren die gesamte linke Fahrbahnhälfte zu benützen. Daraus folge zwingend, daß durch das Halten des Rettungswagens sich die dem übrigen Verkehr frei bleibende Fahrbahnbreite auf unter 2,5 m verengt habe, womit klargestellt sei, daß Robert S*** mit dem Rettungswagen an einer engen Stelle im Sinne des § 24 Abs. 1 lit.b StVO gehalten habe.

Dieses rechtswidrige und schuldhafte Verhalten des Robert S*** sei für das weitere Unfallsgeschehen kausal gewesen. Die Bestimmung des § 24 StVO stelle eine Schutznorm im Sinne des § 1311 ABGB dar. Es wäre daher die Zweitbeklagte dafür beweispflichtig gewesen, daß auch bei vorschriftgemäßem Verhalten des Robert S*** der Schaden in gleicher Weise und im gleichen Ausmaß eingetreten wäre. Ein solcher Beweis sei im erstinstanzlichen Verfahren aber nicht einmal angetreten worden.

Der Kläger sei auch nicht verhalten gewesen, auf halbe Sicht zu fahren. Eine derartige Verpflichtung bestehe immer dann, wenn die zur Verfügung stehende Fahrbahn nicht nur unübersichtlich, sondern auch so schmal oder durch die Verkehrslage so eingeengt sei, daß eine Begegnung mit anderen Fahrzeugen entweder unmöglich oder mit Gefahren verbunden sei und nur ein Aneinandervorbeitasten möglich sei. Zur Beurteilung dieser Frage sei einerseits die Breite der zur Verfügung stehenden Fahrbahn und andererseits die Fahrzeugbreite des eigenen und des entgegenkommenden Fahrzeuges entscheidend, wobei im letztgenannten Punkt auf die nach dem Gesetz höchstzulässige Breite eines Fahrzeuges abzustellen sei. Im vorliegenden Fall stehe die Geamtbreite der Fahrbahn mit 4,2 m und die Breite des Mopeds des Klägers mit 0,6 m fest. Auch unter der Annahme, daß aus der Gegenrichtung ein Fahrzeug mit der maximal zulässigen Breite dem Kläger im Unfallsbereich entgegengekommen wäre, wäre dadurch die Fahrbahn keineswegs so eingeengt worden, daß ein gefahrloses Begegnen nicht oder nur ein Aneinandervorbeitasten möglich gewesen wäre. Ob und in welchem seitlichen Abstand vom rechten Fahrbahnrand der Kläger gefahren sei, sei für die Beantwortung der Frage, ob für ihn ein Fahren auf halbe Sicht geboten gewesen sei, nicht entscheidend, da hiefür nur die vorangeführten Kriterien herangezogen werden könnten. Sei nämlich Fahren auf halbe Sicht geboten, so falle der Umstand, daß ein Lenker der Verpflichtung, so weit wie möglich am rechten Fahrbahnrand zu fahren, allenfalls nicht nachgekommen sei, nicht ins Gewicht. Ein Mitverschuldensvorwurf in der Richtung, daß der Kläger mit seiner Fahrweise dem Rechtsfahrgebot nicht entsprochen habe, sei überdies im erstinstanzlichen Verfahren nicht erhoben worden.

Angesichts der gegebenen Sichtverhältnisse, der Tatsache, daß im Unfallsbereich in Fahrtrichtung des Klägers gesehen ein Gefälle von rund 12 % bestanden und dies eine höhere Tendenz zum Ausbrechen des Fahrzeuges bewirkt habe, sei die vom Kläger eingehaltene Fahrgeschwindigkeit von etwa 40 km/h relativ überhöht gewesen. Angesichts des schwerwiegenden und als grob fahrlässig zu wertenden Fehlverhaltens des Erstbeklagten und des S*** trete aber das im Einhalten einer relativ überhöhten Geschwindigkeit gelegene Verschulden des Klägers derart in den Hintergrund, daß es vernachlässigt werden könne. Es könne keinem Zweifel unterliegen, daß die vom Erstbeklagten und von S*** verletzten Vorschriften im konkreten Fall eine für die Verkehrssicherheit ungleich größere Bedeutung hätten als das Einhalten einer um 2 bis 3 km/h überhöhten Geschwindigkeit; auch der Grad der vom Erstbeklagten und von S*** zu vertretenden Fahrlässigkeit sei ungleich schwerwiegender als das Verschulden des Klägers.

Daß der Kläger mit der von ihm gesetzten Bremshandlung überreagiert habe, könne ihm gleichfalls nicht als Verschulden angelastet werden, da ein Mitverschulden eines Verkehrsteilnehmers immer dann zu verneinen sei, wenn er bei einer plötzlich auftauchenden Gefahr - hier das Blockieren der gesamten dem Kläger vorbehaltenen Fahrbahnhälfte durch das Fahrzeug des Erstbeklagten -, zu schnellem Handeln gezwungen, rückschauend betrachtet eine unrichtige Maßnahme setze und falsch oder zu spät reagiere.

Auch die Bemessung des Schmerzengeldes mit S 600.000,-- sei nicht zu beanstanden.

Das Schmerzengeld sei die Genugtuung für alles Ungemach, das der Geschädigte infolge seiner Verletzungen und ihrer Folgen zu erdulden habe. Es solle den gesamten Komplex der Schmerzempfindungen unter Bedachtnahme auf Dauer und Intensität der Schmerzen nach ihrem Gesamtbild, auf die Schwere der Verletzungen und auf das Maß der physischen und psychischen Beeinträchtigung des Gesundheitszustandes abgelten, die durch die Schmerzen entstandenen Unlustgefühle ausgleichen und den Verletzten in die Lage versetzen, sich als Ersatz für die Leiden und anstelle der ihm entzogenen Lebensfreude auf andere Weise gewisse Annehmlichkeiten und Erleichterungen zu verschaffen. Hieraus folge einerseits, daß bei der Bemessung des Schmerzengeldes auf die Umstände des Einzelfalles abzustellen, andererseits aber zur Vermeidung einer Ungleichmäßigkeit in der Rechtsprechung ein objektiver Maßstab anzulegen sei. Grundsätzlich stelle das Schmerzengeld eine Globalabfindung für alle eingetretenen und nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge zu erwartenden körperlichen und seelischen Beeinträchtigungen durch die Unfallsfolgen dar. Für seine Bemessung sei das Gesamtbild der Verletzungsfolgen maßgebend. Im Vordergrund der Beurteilung im vorliegenden Fall stünden zunächst die schweren Verletzungen des Klägers, deren Behandlung mit größten Unannehmlichkeiten für ihn verbunden gewesen sei, ferner die schweren und lang andauernden Schmerzen, insbesondere aber die Tatsache, daß diese Verletzungen absolut nicht folgenlos ausgeheilt seien und den zum Unfallszeitpunkt 18jährigen Kläger nicht nur sein ganzes Leben lang an diesen Unfall erinnern würden, sondern ihn auch außerstande setzten, auch nur annähernd das Leben eines normalen Menschen zu führen. Der auffällige und hindernde "Steppergang", die Blasen- und Stuhlentleerungsstörungen, aber auch die Störung des Sexuallebens bedeuteten physische, vor allem aber auch psychische Belastungen, die praktisch nicht abgeschätzt werden könnten. Unter diesen Umständen sei im Zuspruch eines Schmerzengeldes von S 600.000,-- keine Fehlbeurteilung zu erblicken.

Das Urteil des Berufungsgerichtes wurde an Dr. B*** und an DDr. H*** am 12. März 1987 zugestellt.

Am 9. April 1987 wurden beim Erstgericht zwei getrennte Schriftsätze überreicht, mit denen einerseits von DDr. H*** namens beider Beklagter und von Dr.B*** namens der Zweitbeklagten das Urteil des Berufungsgerichtes mit Revision bekämpft wurde (ON 25 und 26). In beiden Schriftsätzen werden die Revisionsgründe der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung, in dem von DDr. H*** eingebrachten Schriftsatz überdies der Revisionsgrund der Aktenwidrigkeit geltend gemacht. In dem von DDr. H*** verfaßten Schriftsatz wird der Antrag gestellt, das angefochtene Urteil dahingehend abzuändern, daß auch das über die rechtskräftige Teilabweisung hinausgehende Klagebegehren gegen den Erstbeklagten und die Zweitbeklagte als dessen Haftpflichtversicherer abgewiesen werde. In dem von Dr. B*** verfaßten Schriftsatz wird der Antrag gestellt, das angefochtene Urteil dahin abzuändern, daß auch das über die rechtskräftige Teilabweisung hinausgehende Klagebegehren "gegen die drittbeklagte Partei V*** D*** Ö***

B*** V***-AG als Haftpflichtversicherer dos Robert

S***" abgewiesen werde. Hilfsweise wird in beiden Schriftsätzen

ein Aufhebungsantrag gestellt.

Der Kläger hat in zwei getrennten Schriftsätzen Revisionsbeantwortungen mit dem Antrag erstattet, die erhobenen Revisionen abzuweisen.

1) Die Revision der Beklagten (es handelt sich, wie noch darzustellen sein wird, um ein einheitliches Rechtsmittel) ist, soweit sie sich gegen den Zuspruch eines Betrages von

S 61.771,50 s.A. an den Kläger und die Stattgebung des von ihm gestellten Feststellungsbegehrens in Ansehung von 50 % seiner Unfallschäden richtet, zurückzuweisen. Denn in diesem Umfang wurde, wie gleichfalls noch darzustellen sein wird, die Entscheidung des Erstgerichtes in ihrem klagsstattgebenen Teil nicht durch ein zulässiges und rechtzeitiges Rechtsmittel bekämpft. Sie ist daher in diesem Umfang in Rechtskraft erwachsen und kann in diesem Umfang nicht mehr mit Revision bekämpft werden.

Der Kläger hat in seiner Revisionsbeantwortung ON 27 zutreffend auf diesen Zurückweisungsgrund hingewiesen.

Rechtliche Beurteilung

2) Aus Anlaß der vorliegenden Revision der Beklagten war von Amts wegen eine dem Berufungsgericht unterlaufene Nichtigkeit wahrzunehmen.

Die vom Kläger als Haftpflichtversicherer der vom Erstbeklagten und von S*** gelenkten Fahrzeuge aus dem Rechtsgrund des Schadenersatzes belangte Zweitbeklagte ist ein einziges Rechtssubjekt und damit eine einzige Partei (zum Parteienbegriff siehe Fasching, Zivilprozeßrecht Rz 319 ff). Daß gegen sie Ersatzansprüche daraus abgeleitet werden, daß bei ihr mehrere Kraftfahrzeuge haftpflichtversichert waren, deren Lenker für einen dem Kläger zugefügten Schaden einzustehen haben, ändert daran nichts. Die Zweitbeklagte ist eine einzige Prozeßpartei, gleichgültig aus welchem Grund gegen sie Ansprüche erhoben werden. Sicher steht es jeder Prozeßpartei frei, sich durch mehrere Prozeßbevollmächtigte vertreten zu lassen; sie muß aber dann im Sinnes des § 34 ZPO die Prozeßhandlungen jedes dieser Prozeßbevollmächtigten gegen sich gelten lassen.

Der Oberste Gerichtshof hat in ständiger Rechtsprechung die Rechtsansicht vertreten, daß jeder Partei nur eine einzige Rechtsmittelschrift zusteht und eine zweite Rechtsmittelschrift auch dann, wenn sie innerhalb der Rechtsmittelfrist eingebracht wurde, unzulässig ist (SZ 54/103; RZ 1982/40; RZ 1983/23 uva). Im Hinblick auf die durch die ZVN 1983 geschaffenen erweiterten Verbesserungsmöglichkeiten (§ 84 Abs. 3 ZPO) vertraten Fasching (Zivilprozeßrecht Rz 1693) und Konecny (JBl. 1984, 65, 69) die Auffassung, daß es im österreichischen Zivilprozeßrecht den Grundsatz der Einmaligkeit der Rechtsmittelhandlung nicht mehr gebe. Dem ist aber die Rechtsprechung nicht gefolgt. Der Oberste Gerichtshof vertritt vielmehr in nunmehr ständiger Rechtsprechung (1 Ob 545/86; 3 Ob 97/86; 2 Ob 714/86 ua) die Rechtsansicht, daß nur im Umfang der erweiterten Verbesserungsmöglichkeiten des § 84 Abs. 3 ZPO der Grundsatz der Einmaligkeit des Rechtsmittels nicht aufrecht erhalten werden kann, daß er aber ansonsten weiterhin Geltung hat. Dem schließt sich auch der erkennende Senat an. Daraus folgt, daß mit der Einbringung der von DDr. H*** namens beider Beklagter erhobenen Berufung (ON 17) das Rechtsmittelrecht der Beklagten verbraucht war. Im Sinne des § 84 Abs. 3 ZPO verbesserungsbedürftige Mängel enthielt dieser Schriftsatz nicht.

Die von Dr. B*** namens der Zweitbeklagten später erhobene Berufung (ON 18) war daher schon deshalb unzulässig, weil das Rechtsmittelrecht der Beklagten bereits verbraucht war. Im übrigen war sie aber auch verspätet. Es handelte sich im vorliegenden Fall um keine Ferialsache. Wurde in einer derartigen Rechtssache das Urteil innerhalb der Sommergerichtsferien zugestellt, dann endet die vierwöchige Berufungsfrist mit Ablauf des 22. September (SZ 57/65; RZ 1985/5 ua). Die Zustellung des Urteiles des Erstgerichtes an die Vertreter der Beklagten erfolgte innerhalb der Sommergerichtsferien 1986; die von Dr. B*** namens der Zweitbeklagten erhobene Berufung wurde aber erst am 23. September 1986 beim Erstgericht überreicht.

Die von Dr.B*** namens der Zweitbeklagten erhobene Berufung ON 18 war somit unzulässig und verspätet.

Die sachliche Erledigung einer unzulässigen und verspäteten Berufung durch das Berufungsgericht verstößt gegen die Rechtskraft der Entscheidung des Erstgerichtes und begründet insoweit die Nichtigkeit der Entscheidung des Berufungsgerichtes und des Berufungsverfahrens (Fasching Kommentar IV 302; SZ 22/173; EvBl. 1957/339; SZ 41/113; 8 Ob 100/75; 8 Ob 3/76 ua). Diese Nichtigkeit war aus Anlaß der vorliegenden Revision von Amts wegen wahrzunehmen. Das Urteil des Berufungsgerichtes und das ihm vorangegangene Berufungsverfahren über die von Dr. B*** namens der Zweitbeklagten erhobene Berufung gegen das Urteil des Erstgerichtes waren als nichtig aufzuheben; die von Dr. B*** namens der Zweitbeklagten erhobene Berufung gegen das Urteil des Erstgerichtes war zurückzuweisen.

Diese Änderung der Entscheidung des Berufungsgerichtes in der Hauptsache bedingt auch ihre Änderung im Kostenpunkt. Die Entscheidung über die Kosten des Berufungsverfahrens war nach den §§ 41, 50 und 51 ZPO unter Bedachtnahme darauf zu treffen, daß der Kläger den vorliegenden Nichtigkeits- bzw. Zurückweisungsgrund nicht geltend gemacht hat.

3) Da die von DDr. H*** und Dr. B*** eingebrachten Schriftsätze, mit denen namens der Beklagten Revision gegen das Urteil des Berufungsgerichtes erhoben wurde, beim Erstgericht am gleichen Tag überreicht wurden, kann hier vom Verbrauch des Rechtsmittelrechtes durch Überreichung eines dieser Schriftsätze nicht gesprochen werden. Die Schriftsätze sind als gleichzeitig racht anzusehen; eine Überprüfung, welcher Schriftsatz früher eingebracht wurde, wäre auf Grund der geltenden Vorschriften nicht möglich. Die in beiden Schriftsätzen ausgeführte Revision ist unter diesen Umständen als einziges einheitliches Rechtsmittel zu behandeln.

Es ist im bereits zu 1) erläuterten Umfang zurückzuweisen, weil in dem gegen die Entscheidung des Erstgerichtes erhobenen allein zulässigen und rechtzeitigen Rechtsmittel, nämlich der von DDr. H*** namens der beiden Beklagten erhobenen Berufung ON 17, die Entscheidung des Erstgerichtes in ihrem klagsstattgebenden Teil in Ansehung des Zuspruches eines Betrages von S 61.771,50 s.A. und der Stattgebung des Feststellungsbegehrens in Ansehung von 50 % der Unfallschäden des Klägers nicht bekämpft wurde und daher in diesem Umfang in Rechtskraft erwuchs.

Im übrigen ist die Revision zulässig, und zwar im Hinblick auf die Höhe des Streitgegenstandes, über den das Berufungsgericht entschieden hat, ohne die im § 503 Abs. 2 ZPO normierte Einschränkung der Revisionsgründe, sachlich aber nicht berechtigt. Die Revisionsgründe der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens und der Aktenwidrigkeit liegen nicht vor, was nicht näher zu begründen ist (§ 510 Abs. 3 ZPO).

In ihrer Rechtsrüge versuchen die Beklagten darzutun, daß den Erstbeklagten und S*** kein Verschulden an dem hier zu beurteilenden Unfall treffe und daß der Kläger diesen Unfall durch Fahren mit überhöhter Geschwindigkeit, Vernachlässigung seiner Verpflichtung zum Fahren auf halbe Sicht, Verletzung des Rechtsfahrgebotes und eine unsachgemäße Überreaktion allein verschuldet habe. Das dem Kläger gebührende Schmerzengeld sei nur mit höchstens S 300.000,-- zu bemessen.

All dem kann nicht gefolgt werden.

Das Verschulden des Erstbeklagten am Schaden des Klägers steht im Sinne des § 268 ZPO infolge seiner strafgerichtlichen Verurteilung für das Zivilgericht bindend fest. Die rechtliche Beurteilung des Erstgerichtes, daß auch S*** ein Verschulden an dem dem Kläger entstandenen Schaden treffe, wurde in dem gegen die Entscheidung des Erstgerichtes erhobenen allein zulässigen und rechtzeitigen Rechtsmittel, nämlich der von DDr. H*** namens der beiden Beklagten erhobenen Berufung ON 17, nicht bekämpft. In diesem Umfang lag somit im Berufungsverfahren keine gehörig ausgeführte Rechtsrüge vor; sie kann im Revisionsverfahren nicht nachgeholt werden (JBl. 1957, 100; JBl. 1959, 458 uva).

Es ist daher von einem Verschulden des Erstbeklagten und des Robert S*** an dem hier zu beurteilenden Verkehrsunfall auszugehen.

Ein dem Kläger anzulastendes Mitverschulden haben die Vorinstanzen im Ergebnis mit Recht verneint.

Bei der Beurteilung einer allfälligen Verpflichtung zum Fahren auf halbe Sicht (siehe dazu die bei Dittrich-Veit-Schuchlenz StVO3 in Anm. 41 zu § 20 zitierte Judikatur) ist von der Breite des eigenen Fahrzeuges und er Möglichkeit einer Begegnung mit einem Fahrzeug mit der nach § 4 Abs. 6 KFG höchstzulässigen Breite von 2,5 m auszugehen (zuletzt ZVR 1986/148). Da im vorliegenden Fall die Fahrbahn im Bereich der Unfallstelle 4,2 m breit war, der Kläger für sein Kleinmotorrad aber nur einen Platzbedarf von 60 cm hatte, war für ihn die gefahrlose Begegnung mit einem entgegenkommenden Fahrzeug mit einer Breite von 2,5 m ohne weiteres möglich, sodaß er nicht verpflichtet war, auf halbe Sicht zu fahren. Zieht man in Betracht, daß der Kläger nach dem Gutachten des Sachverständigen Dipl.-Ing. S***, das das Erstgericht den von ihm getroffenen Sachverhaltsfeststellungen zugrunde legte, mit seinem Kleinmotorrad eine Bremsverzögerung von 6 m/sec2 erreichen konnte, dann ist ihm auch eine Verletzung seiner aus § 20 Abs. 1 StVO abzuleitenden Verpflichtung zum Fahren auf Sicht nicht anzulasten, weil er im Unfallsbereich Sicht auf eine Entfernung von 33 m hatte, sein Anhalteweg aus der von ihm eingehaltenen Geschwindigkeit von 40 km/h bei Zubilligung einer Vorbremszeit von einer Sekunde aber nur rund 21,5 m betrug (siehe dazu Dittrich-Stolzlechner, StVO III Bremsweg 23). Hindernisse auf Grund von nicht rechtzeitig erkennbaren Verkehrswidrigkeiten anderer Verkehrsteilnehmer brauchte der Kläger bei der Wahl seiner Geschwindigkeit nicht zu berücksichtigen (ZVR 1972/141; ZVR 1973/26 uva). Unter diesen Gesichtspunkten ist in der Einhaltung einer Geschwindigkeit von 40 km/h durch den Kläger bei Annäherung an die Unfallstelle eine Übertretung von Straßenverkehrsvorschriften nicht zu erkennen. Es mag durchaus zutreffen, daß der Unfall unterblieben wäre, wenn der Kläger um 2 bis 3 km/h langsamer gefahren wäre; eine dahingehende Verpflichtung des Klägers bestand aber im Sinne der Vorschrift des § 20 StVO nicht.

Auch die Einhaltung eines Seitenabstandes von 80 cm zum rechten Fahrbahnrand durch den Kläger begründet kein Mitverschulden. Abgesehen davon, daß ein in dieser Richtung gehender Mitverschuldensvorwurf von den Beklagten in erster Instanz gar nicht erhoben wurde, wird in ständiger Rechtsprechung (ZVR 1984/260; ZVR 1985/153 mwN uva) auch bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 7 Abs. 2 StVO einem Kraftfahrzeuglenker die Einhaltung eines nach den Umständen des Falles angemessenen Sicherheitsabstandes zum rechten Fahrbahnrand zugestanden. Berücksichtigt man, daß bei der festgestellten Fahrweise des Klägers die Fahrbahn in einer Breite von 2,8 m für den Gegenverkehr freiblieb, dann kann die Einhaltung eines Seitenabstandes von 80 cm zum rechten Fahrbahnrand durch den Kläger auch bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 7 Abs. 2 StVO noch toleriert werden.

Der Kläger hat auf das auf seiner Fahrbahnseite entgegenkommende Fahrzeug des Erstbeklagten sofort nach dessen Erkennbarkeit durch Einleitung eines Bremsmanövers reagiert. Eine allfällige Überbremsung seines Fahrzeuges ist ihm nicht als Mitverschulden anzulasten. Es entspricht ständiger Rechtsprechung (ZVR 1983/326; ZVR 1984/209 mwN uva), daß einem Verkehrsteilnehmer, der bei einer plötzlich auftauchenden Gefahr zu schnellem Handeln gezwungen wird und unter dem Eindruck dieser Gefahr eine - rückschauend betrachtet - unrichtige Maßnahme trifft, dies nicht als Verschulden angerechnet werden kann.

Mit Recht haben unter diesen Umständen die Vorinstanzen eine Kürzung der Schadenersatzansprüche des Klägers wegen eines ihm anzulastenden Mitverschuldens abgelehnt.

Aber auch in der Bemessung des dem Kläger gebührenden Schmerzengeldes durch die Vorinstanzen ist ein Rechtsirrtum nicht zu erkennen. Das Berufungsgericht hat die für die Bemessung des Schmerzengeldes geltenden rechtlichen Grundsätze durchaus zutreffend dargelegt; es kann hier auf die diesbezüglichen Rechtsausführungen des Berufungsgerichtes verwiesen werden. Im Hinblick auf die Schwere der Verletzung des Klägers, die damit verbundenen Schmerzen und Unannehmlichkeiten und insbesondere im Hinblick auf die verbliebenen äußerst schwerwiegenden Dauerfolgen ist das dem Kläger zuerkannte Schmerzengeld von S 600.000,-- durchaus angemessen. Der Revision der Beklagten mußte daher im übrigen ein Erfolg versagt bleiben.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf den §§ 41, 50 ZPO. Der Kläger hat auf den vorliegenden Zurückweisungsgrund in seiner Revisionsbeantwortung hingewiesen; allerdings war die Erstattung der Revisionsbeantwortung in zwei getrennten Schriftsätzen nicht zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig (vgl. § 22 RATG).

Anmerkung

E12638

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1987:0080OB00036.87.1119.000

Dokumentnummer

JJT_19871119_OGH0002_0080OB00036_8700000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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