TE OGH 1987/11/19 13Os159/87

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Veröffentlicht am 19.11.1987
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 19.November 1987 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Harbich als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Müller, Dr. Felzmann, Dr. Brustbauer und Dr. Massauer als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Mitterhöfer als Schriftführers in der Strafsache gegen Brigitte S*** und Rudolf Z*** wegen der Vergehen nach §§ 83, 88, 127 f. StGB. über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten Rudolf Z*** gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengerichts vom 21.April 1987, GZ. 4 b Vr 11.398/86-19, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil, welches im übrigen unberührt bleibt, im Schuldspruch C II wegen des Vergehens der fahrlässigen Körperverletzung nach § 88 Abs. 1 StGB. sowie in dem Rudolf Z*** betreffenden Strafausspruch (einschließlich der Vorhaftanrechnung) aufgehoben und die Sache in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht verwiesen.

Mit seiner Berufung wird Rudolf Z*** auf diese Entscheidung verwiesen.

Text

Gründe:

Rudolf Z*** ficht den oben bezeichneten Schuldspruch mit Nichtigkeitsbeschwerde aus § 281 Abs. 1 Z. 5 und 9 lit. b StPO. an. Das Erstgericht hat ihm einen (aus Bestürzung, Furcht oder Schrecken begangenen) Putativnotwehrexzeß angelastet, weil er in der irrigen Meinung, von Helmut B*** mit einem Messer angegriffen zu werden, nicht mit einem Zurückweichen bzw. Zurückgehen reagiert (S. 113, 116), sondern seinerseits gegen B*** einen Stich mit einem Messer geführt hat.

Rechtliche Beurteilung

Diese Ansicht des Schöffengerichts ist - wie die Beschwerde zutreffend aufzeigt - verfehlt (Z. 9 lit. b), weil einer in vermeintlicher Notwehr befindlichen Person jene Handlungen nicht angelastet werden, die einem in gleicher Lage tatsächlich Angegriffenen zustehen und die Frage, ob der (vermeintlich) Abwehrende aus Bestürzung, Furcht oder Schrecken reagiert hat, überhaupt erst relevant wird, wenn das "gerechtfertigte Maß der Verteidigung" überschritten ist oder eine unangemessene Verteidigung vorliegt (§§ 3 Abs. 2, 8 StGB.; vgl. SSt. 54/69).

Nach herrschender Judikatur ist das Recht nicht verhalten, dem Unrecht zu weichen, weshalb der rechtswidrig Angegriffene dem Angriff nicht ausweichen oder gar flüchten muß (LSK. 1982/20, 1985/57, EvBl. 1986 Nr. 42, 1987 Nr. 158 u.v.a.). Dies ist ebenso auf einen in vermeintlicher Notwehrlage handelnden Täter zu übertragen.

Das Landesgericht hat demzufolge eine Prüfung der Frage unterlassen, ob die Reaktion des Angeklagten - bei Berücksichtigung der hiermit bindend ausgesprochenen Rechtsansicht (§ 293 Abs. 2 StPO.), daß er zum Ausweichen nicht verpflichtet war - jenes Maß der Verteidigung überschritten hat, das unter seiner irrigen Annahme, von B*** mit dem Messer angegriffen zu werden, zur Abwehr notwendig war (§ 3 Abs. 1 und 2 StGB.).

Diese fehlende Antwort wird das Erstgericht im zweiten Rechtsgang zu geben haben. Eine Entscheidung des Obersten Gerichtshofs in der vorliegenden Sache selbst konnte noch nicht eintreten, weshalb der Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten sofort Folge zu geben und die Verfahrenserneuerung anzuordnen war (§ 285 e StPO.).

Anmerkung

E12465

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1987:0130OS00159.87.1119.000

Dokumentnummer

JJT_19871119_OGH0002_0130OS00159_8700000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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