Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Samsegger als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schobel, Dr. Melber, Dr. Schlosser und Dr. Redl als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei A*** u. B*** B*** m.b.H., Spittal an der Drau, vertreten durch
Dr. Hannes Hammerschmidt, Rechtsanwalt in Spittal an der Drau, wider die beklagte Partei G*** T***, vertreten durch Dr. Hans Paternioner, Rechtsanwalt in Klagenfurt, wegen 370.571,17 S samt Nebenforderungen, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgerichtes vom 3. April 1986, GZ 3 R 41/86-43, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt vom 19. Dezember 1985, GZ 26 Cg 177/85-38, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluß
gefaßt:
Spruch
Der Revision wird stattgegeben. Das angefochtene Urteil und das Urteil erster Instanz werden aufgehoben. Die Rechtssache wird zur Ergänzung der Verhandlung und neuerlichen Entscheidung an das Prozeßgericht erster Instanz zurückverwiesen.
Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind Kosten des zu ergänzenden Verfahrens.
Text
Begründung:
Die Klägerin ist eine Baugesellschaft, die Beklagte eine Kärntner Ortsgemeinde.
Die Beklagte verfolgte im Jahre 1979 ein Straßenbauvorhaben und veranstaltete eine entsprechende Ausschreibung. Nach den Ausschreibungsunterlagen bezeichnete sich die Beklagte nicht nur als Bauherr, sondern auch selbst als mit der "Ausschreibung und Bauleitung" befaßt. Ihr damaliger Bürgermeister war hauptberuflich Angestellter des Baudienstes der Verwaltungsgemeinschaft der Gemeinden des politischen Bezirkes. Aufgrund dieser Fachkenntnisse verfaßte der Bürgermeister - wie schon bei früheren Bauvorhaben der Gemeinde - das Leistungsverzeichnis zur Ausschreibung. Nach dem Inhalt der Ausschreibungsunterlagen sollte eine als Güterweg bezeichnete Straße auf einem näher beschriebenen etwa 0,5 km langen Stück mit einer durchschnittlichen Fahrbahnbreite von 2,5 m bis 2,8 m ausgebaut werden. Dazu hieß es im Text des von den Anbietern zu verwendenden (und von der Beklagten vorformulierten) Anbotschreibens: "Die Erweiterung des Fahrbahnkörpers soll im wesentlichen dadurch erfolgen, daß talseitig der bestehenden Wegtrasse ein Damm aufgebaut wird und mit max. Böschungsneigung 4:5 eine Fahrbahnverbreiterung auf netto mind. 4 m erreicht wird."
Weiters wurde im Text des Anbotschreibens festgelegt: "Als Grundlage von Kalkulation und Bauausführung gelten: Musterleistungsverzeichnis der Abt.19 des Amtes der Kärntner Landesregierung aus dem Jahre 1977 sowie die in Verwendung gebrachten ÖNORMEN in der derzeit geltenden Fassung. Die angebotenen Einheitspreise sind Fixpreise. Minder- oder Mehrleistungen innerhalb der jeweiligen LV-Pos. berechtigen nicht zur Änderung des Einheitspreises." Das zitierte Musterleistungsverzeichnis sieht zur Lieferung von Schüttmaterial eine detaillierte Beschreibung nach der Güte des Materials, seiner Gewinnung, seines Ladens, seines Transportes und Abladens und der Angabe vor, daß das Material vom Auftraggeber beigestellt werde oder vom Auftragnehmer zu liefern sei. In inhaltlicher Abweichung von diesem Musterleistungsverzeichnis enthielt das vom Bürgermeister abgefaßte Leistungsverzeichnis unter der Position 6 nur folgenden
Text:
"Dammkörper schütten (max. Einbautiefe pro Lager 0,5 m)"
Die veranschlagte Menge war mit 7.000 m3 ausgewiesen. In den unmittelbar folgenden Positionen des vom Bürgermeister abgefaßten Leistungsverzeichnisses lautete die Leistungsbeschreibung zur Frostschutzschichte und zur mechanisch stabilisierten Tragschichte ausdrücklich "liefern und einbauen". In der letzten Position wurde zur Herstellung der Rasenbankette ausgeführt, daß sie "bei der Herstellung des Fahrbahnkörpers auf die jeweilige Höhe mitzuziehen sind, durchschnittlich 50 cm breit."
Die öffentliche Bekanntmachung der Ausschreibung erfolgte durch eine Einschaltung in der am 24.August 1979 ausgegebenen Nr.34 der "Kärntner Wirtschaft". In dieser Bekanntmachung wurden die Arbeiten als "Straßenasphaltierungsarbeiten" bezeichnet. Eine Veröffentlichung in der Kärntner Landeszeitung unterblieb. Nach der Veröffentlichung in der Kärntner Wirtschaft waren die Ausschreibungsunterlagen ab Montag, dem 27.August 1979 beim Gemeindeamt erhältlich, die Anbotseröffnung war bereits für den darauf folgenden Montag, dem 3.September 1979 vorgesehen. Sechs Bauunternehmungen erhielten von der Beklagten die Ausschreibungsunterlagen.
Der vom Amt der Landesregierung beauftragte Beamte, der das Bauvorhaben auf Zweckmäßigkeit, Effektivität und Sparsamkeit zu prüfen hatte, nahm mit dem Bürgermeister in dieser Angelegenheit erstmals zu einem Zeitpunkt Kontakt auf, als die Ausschreibungsunterlagen bereits an Interessenten ausgegeben waren. Die Empfehlungen an den Bürgermeister gingen dahin, zur Kostensenkung die vorgesehene Fahrbahnbreite von 5 m auf 3 m bis 4 m herabzusetzen. Damit hätte die Kubatur der Dammschüttung wesentlich vermindert werden können. Überdies regte der Beamte an, zur Kosteneinsparung eine Materialentnahmestelle nächst der Baustelle zu wählen.
Unter den Interessenten befand sich auch die Klägerin. Wegen der Unklarheiten über den Leistungsumfang zu der oben wörtlich wiedergegebenen Position 6 des Leistungsverzeichnisses fragte der Geschäftsführer der Klägerin beim Bürgermeister der Beklagten an, wer das Schüttmaterial beizustellen habe. Der Bürgermeister erteilte daraufhin die Auskunft, daß das Material durch die Gemeinde beigestellt würde. In diesem Sinne wurden auch die übrigen Interessenten, die Ausschreibungsunterlagen begehrt hatten, fernmündlich in Kenntnis gesetzt. Eine schriftliche Benachrichtigung erfolgte nicht. Der Geschäftsführer der Klägerin besichtigte noch vor der Anbotslegung mit dem Bürgermeister die für die Entnahme des Dammschüttmaterials vorgesehene Stelle. Diese Stelle lag rund 1 km von der Einbaustelle entfernt.
Unter den sechs Interessenten, deren Anbote bei der Anbotseröffnung am 3.September 1979 vorlagen, war die Klägerin mit einer Anbotssumme von rund 2,434.000 S Bestbieter.
In der Sitzung des Gemeindevorstandes vom 19.September 1979 berichtete der Bürgermeister über das Ergebnis der Anbotseröffnung. Er erläuterte, daß der Gemeinde im laufenden Jahr 1979 für die Verbauung ein Betrag von 1 Mio. S zur Verfügung stünde und daß die Kronenbreite gegenüber der Ausschreibung von 5,5 m auf 4,5 m verringert werden sollte, woraus sich eine Kostenverringerung ergäbe. Darüber, daß das Material zur Dammschüttung auf die mit dem Geschäftsführer der Klägerin besprochene Art von der Gemeinde zur Verfügung gestellt werde, unterrichtete der Bürgermeister die übrigen Mitglieder des Gemeindevorstandes nicht. Der Gemeindevorstand war damit einverstanden, daß die Straßenbauarbeiten von der bauausführenden Unternehmung bereits vor einer Beschlußfassung des Gemeinderates über die Auftragsvergabe in Angriff genommen werden sollten. Die Gemeindevorstandsmitglieder bekundeten nach dem Sitzungsprotokoll übereinstimmend die Auffassung, die im laufenden Jahr beabsichtigten Baumaßnahmen gleich an die bestbietende Klägerin und die Bauaufsicht der Verwaltungsgemeinschaft der Gemeinden - Baudienst - zu übertragen. Noch vor dem Beginn der Bauarbeiten erzielte der Bürgermeister mit der Klägerin Einigung darüber, daß die Kronenbreite der neuen Straßentrasse gegenüber der Ausschreibung vermindert werde. Die Klägerin begann mit den Straßenbauarbeiten am 8.Oktober 1979. Sie wußte davon, daß der Gemeindevorstand die Vergabe der Arbeiten an sie gebilligt hatte. Dazu führte das Prozeßgericht erster Instanz aus, es habe nicht festgestellt werden können, ob der Klägerin in concreto bekannt gewesen sei, daß noch kein Gemeinderatsbeschluß (über die Auftragsvergabe an sie) vorgelegen sei. Andererseits legte das Erstgericht seiner rechtlichen Beurteilung zugrunde, der Klägerin sei bei Baubeginn klar gewesen, daß ein Gemeinderatsbeschluß fehlte.
Die Klägerin kannte die verbreitete Übung von Gemeinden, Bauaufträge bereits vor einer entsprechenden Beschlußfassung zu erteilen, insbesondere bei dringend erscheinenden Arbeiten. Die Klägerin erachtete ein Zuwarten mit dem Beginn des Baues bis zu einer Beschlußfassung im Gemeinderat für unvertretbar, wenn die Hauptarbeiten noch im laufenden Jahr 1979 fertiggestellt werden sollten.
Am ersten Arbeitstag wurde bereits der Hang zur Herstellung der erforderlichen Dammaufstandsfläche abgegraben. Dadurch ergab sich auf einer längeren Strecke eine praktisch senkrecht abfallende 6 m bis 7 m hohe Böschung. Die Straße war für den Verkehr nicht gesperrt. Am folgenden Tag legte die Klägerin auf dem ihr zur Materialentnahme bezeichneten Grund Probeschlitze an. Dabei stellte sie fest, daß infolge einer überreichen Humusschichte, die als Schüttmaterial nicht verwendet werden durfte, eine Entnahme von Bodenmaterial zu Schüttzwecken untunlich war. Die Klägerin teilte ihre Feststellung dem Bürgermeister mit. Dieser wies die Klägerin an, sie möge sich eine andere Entnahmestelle suchen. Sowohl dem Bürgermeister als auch der Klägerin war eine im Gemeindegebiet befindliche Sandgrube bekannt, die jedoch gegenüber der ursprünglich vorgesehenen Entnahmestelle einen um etwa 2 km längeren Transportweg zur Baustelle erforderlich machte. Die Klägerin erklärte dem Bürgermeister, daß sich die Baukosten erhöhen würden. Daraufhin sagte der Bürgermeister zu, daß die nachgewiesenen Mehrkosten vergütet würden.
Bereits am folgenden Tag begann die Klägerin mit der Materialentnahme aus der erwähnten Sandgrube. Sie zahlte dafür an den Pächter der Grube einen Preis von 35 S je Kubikmeter losen Schotters. Die Klägerin stellte für die Ausführung der Straßenverbreiterungsarbeiten insgesamt rund 4.200 m3 Schottermaterial bei, davon ließ sie 3.900 m3 durch fremde Frächter zuführen.
Die für das Jahr 1979 vorgesehenen Arbeiten beendete die Klägerin gegen Ende Oktober 1979. Erst nach diesem Zeitpunkt verfaßte sie das mit 8.November 1979 datierte Nachtragsanbot über die Mehraufwendungen durch die Entnahme von Schottermaterial aus der Grube. Dieses Nachtragsanbot übergab die Klägerin dem Bürgermeister direkt, es gelangte nicht in die Einlaufstelle der Beklagten. Das Nachtragsanbot enthielt den Einheitspreis von 35 S je Kubikmeter losen Materials und Transportkosten von 40 S je Kubikmeter beförderten Materials, einen üblichen Firmenzuschlag von 15 % und eine mengenmäßige Umrechnung von verfestigtem zu losem Material im Verhältnis 10 : 13. Der Geschäftsführer der Klägerin verhandelte mit dem Bürgermeister am 10.November 1979 über dieses Nachtragsanbot. Der Bürgermeister machte geltend, daß das verrechnete Aufladen des Materials auch an der ursprünglichen Entnahmestelle notwendig gewesen wäre und daher keine Mehraufwendungen darstellte, ebenso daß in Ansehung der Transportkosten nur die zusätzliche Beförderugnsstrecke von 2 km Mehraufwendungen verursacht haben könnte. In diesem Sinne einigten sich der Geschäftsführer der Klägerin und der Bürgermeister auf einen Preis von 73,60 S je Kubikmeter (anstelle des im Nachtragsanbot ausgewiesenen Preises von 112,13 S je Kubikmeter).
In der Sitzung des Gemeinderates vom 27.November 1979 berichtete der Bürgermeister über die im Rohbau bereits ausgeführten Arbeiten zur Straßenverbreiterung, über den Auftragswert der bereits ausgeführten Leistungen von rund 950.000 S und über die mit etwa 600.000 S zu veranschlagenden restlichen Ausbaukosten. Der Bürgermeister verschwieg die Tatsache, daß die Klägerin das Schüttmaterial aus der Grube entnommen und dazu ein Nachtragsanbot gelegt hatte. Auch die Frage einer Übertragung der Bauaufsicht an die Verwaltungsgemeinschaft der Gemeinden - Baudienst - blieb unerörtert. Der Gemeinderat beschloß einhellig, die Vergabe der ausgeschriebenen Straßenbauarbeiten an die Klägerin nachträglich zu genehmigen.
Die Klägerin legte über ihre Leistungen bis 30.November 1979 die mit 3.Dezember 1979 datierte erste Teilrechnung. Auf Anweisung des Bürgermeisters überwies die Gemeinde bereits eine Woche später eine Akontozahlung von rund 900.000 S an die Klägerin. Weitere Teilrechnungen legte die Klägerin am 4.Juni, 12.August und 19. November 1980. Der Kontrollausschuß der beklagten Gemeinde forderte am 4.Juli 1980 die Übergabe der Teilrechnungen. Diesem Ersuchen kam der Bürgermeister am 16.Oktober 1980 nach. Durch die Einsicht in die Teilrechnungen nahm der Kontrollausschuß zum ersten Mal Kenntnis vom Vorliegen eines Nachtragsanbotes. Der Obmann des Kontrollausschusses berichtete in der Sitzung des Gemeinderates vom 17. November 1980 über Unklarheiten in der Abrechnung. Am 22.Dezember 1980 beschloß der Gemeinderat eine Überprüfung durch den Baudienst. Die Klägerin legte am 20.Mai 1981 ihre Schlußrechnung. Diese wies unter Anrechnung der Akontozahlungen von insgesamt 1,366.634 S eine offene Forderung von 787.788 S aus. Die Beklagte zahlte auf die Schlußrechnung zunächst einen weiteren Betrag von 400.000 S und im Sinne einer Überprüfung durch den Baudienst am 29.Januar 1982 als Rest auf die anerkannte Summe einen Betrag von 6.939,03 S. Der Gemeinderat beschloß in der Sitzung vom 8.März 1982, das Nachtragsanbot (genauer die Annahme dieses Anbotes) nicht zu genehmigen.
Die Klägerin mahnte den offenen Rechnungsbetrag mehrmals ein, dabei stellte sie in Aussicht, ab 1.September 1981 bankmäßige Zinsen zu berechnen. Sie arbeitet mit einem 400.000 S übersteigenden Bankkredit, den sie mit 9,75 % im Jahr zu verzinsen hat. Mit der im Oktober 1982 angebrachten Klage begehrte die Klägerin die Bezahlung des offenen Rechnungsbetrages zuzüglich 13,75 % Zinsen ab 1.September 1981. Nach der Einschränkung ihres Begehrens um 10.277,80 S in der Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung vom 23. Juni 1983 hielt sie ihr Zahlungsbegehren im Ausmaß von 370.571,17 S samt Nebengebühren aufrecht. Dabei handelte es sich um die in der Schlußrechnung geltend gemachte Teilforderung für das aus der Grube (anstatt aus der ursprünglich bezeichneten Stelle) entnommene Schüttmaterial im angegebenen Ausmaß von 4.266,90 m3 zu dem vom Bürgermeister herabgesetzten Einheitspreis von 73,60 S/m3 (= 314.043,84 S) zuzüglich 18 % Umsatzsteuer (= 56.527,89 S), also um 370.571,73 S (die Abweichung im Groschenbetrag beruht auf einer Ungenauigkeit in der Berechnung des Klagsbetrages). Die Klägerin vertrat zur Zahlungspflicht der Beklagten im wesentlichen den Standpunkt, ihr Anbot sei im Sinne der mündlichen Klarstellung durch den Bürgermeister dahin festgelegt gewesen, daß sie das Schüttmaterial nicht auf ihre Kosten beizustellen gehabt, sondern lediglich aus dem ihr an Ort und Stelle angewiesenen Grund zu gewinnen und zu transportieren gehabt hätte. Als sich im Zuge der Bauarbeiten die Unbrauchbarkeit des aus der bezeichneten Stelle förderbaren Materials herausgestellt habe, habe sie dies der Beklagten, und zwar ihrem Bürgermeister, unverzüglich mitgeteilt und von diesem das Einverständnis erhalten, gegen Vergütung der - ziffernmäßig damals nicht berechneten - Mehrkosten das erforderliche Schüttmaterial aus einer näher bezeichneten Grube zu beziehen. Über die damit verbundenen Mehrkosten habe sie nach Ausführung der Arbeiten ein Nachtragsanbot erstellt, deren Ansätze der Bürgermeister herabgesetzt, im berichtigten Umfang aber anerkannt habe. Dementsprechend sei das nun strittige Entgelt (von einer mengenmäßigen Abweichung in der Schlußrechnung abgesehen) bereits in der ersten Teilrechnung ausgewiesen und in alle folgenden Teilrechnungen übernommen worden. Erst lange nach dem Ablauf der Frist zur Prüfung der Schlußrechnung habe die Beklagte erstmals erklärt, der Gemeinderat erteile dem Nachtragsanbot (d.h. einer Abänderung des Bauvertrages im Sinne dieses Anbotes) die Zustimmung nicht. Diese Erklärung habe den vorangegangenen Erklärungen des Bürgermeisters widersprochen, der in dieser Funktion sowie als sachkundiger Techniker und Bearbeiter der Bauangelegenheit der Beklagten diese vertreten habe. Die (nachträgliche) Genehmigung der Erteilung des Bauauftrages an die Klägerin durch den Gemeinderatsbeschluß bestätige, daß dieses Organ - bis zur nachträglichen Verweigerung der Zustimmung zum Nachtragsanbot - in jedem Falle mit den Maßnahmen und Vereinbarungen des Bürgermeisters einverstanden gewesen sei.
Die Beklagte wies zunächst auf eine Formungültigkeit der vom Bürgermeister gegenüber der Klägerin abgegebenen Rechtsgeschäftserklärungen hin, woraus sie allerdings insoweit keine Folgerungen zog, als der nachträgliche Zustimmungsbeschluß des Gemeinderates reiche. Dieser Beschluß habe die im Nachtragsanbot enthaltenen Leistungen nicht erfaßt. Der Bürgermeister allein sei zu einem Vertragsabschluß im Umfang des Nachtragsanbotes nicht ermächtigt gewesen. Die unklar formulierte Leistungsbeschreibung in dem vom Bürgermeister abgefaßten Leistungsverzeichnis zur Dammschüttung sei objektiv dahin zu verstehen gewesen, daß das Schüttmaterial vom Unternehmer beizustellen gewesen wäre. Der Sache nach stelle das Nachtragsanbot eine verdeckte Erhöhung des Anbotes der Klägerin dar.
Das Erstgericht gab dem (eingeschränkten) Klagebegehren statt. Das Berufungsgericht änderte dieses Urteil im Sinne einer Klageabweisung ab.
Das Erstgericht folgerte in rechtlicher Beurteilung zur Zurechnung der Erklärungen und des Verhaltens des Bürgermeisters gegenüber der Klägerin als Vertragspartnerin der Beklagten:
Ursprung der Meinungsunterschiede sei die unklare Fassung der die Dammschüttung betreffenden Position in dem vom Bürgermeister verfaßten Leistungsverzeichnis, das ein wesentlicher Bestandteil der von der Gemeinde zu ihrem Straßenbauvorhaben veranstalteten Ausschreibung gewesen sei. Diese Unklarheit ginge zu Lasten der Beklagten. Die Klägerin habe die Mehrdeutigkeit erkannt und um Aufklärung ersucht. Die erteilten Auskünfte des Bürgermeisters hätten eine Klarstellung der zweifelhaften Auslegung des Leistungsverzeichnisses bedeutet. Die Klägerin habe die für das Jahr 1979 vorgesehenen Teilleistungen im Sinne der Ausschreibung erbracht, obwohl ihr klar gewesen sei, daß ein entsprechender Beschluß des Gemeinderates noch ausgestanden sei, aber doch in dem Bewußtsein, daß der Gemeindevorstand dem Vorhaben zustimmend gegenübergestanden sei, und in der nach allgemeiner Übung berechtigten Erwartung, der Gemeinderat werde nachträglich der Auftragsvergabe an die Klägerin zustimmen. Die Klägerin habe auf einen solchen nachträglichen positiven Beschluß des Gemeinderates umso mehr vertrauen dürfen, als der Gemeindevorstand die Ausführung des Vorhabens bereits gutgeheißen gehabt habe und der "fachkundige Bürgermeister federführend" gewesen sei. Tatsächlich habe der Gemeinderat am 27.November 1979 den der Klägerin erteilten Bauauftrag nachträglich genehmigt. Dieser sei gegenüber den ausgeschriebenen Leistungen im Umfang eingeschränkt gewesen. Wenn der Bürgermeister den Gemeinderat über die Notwendigkeit zusätzlicher Arbeiten und das Nachtragsanbot nicht unterrichtet habe, hätte die Klägerin darauf keinen Einfluß geübt. Der Rückgriff auf die formelle Rechtslage des Fehlens eines die Leistungen nach dem Nachtragsanbot deckenden Gemeinderatsbeschlusses grenze an Sittenwidrigkeit. Soweit die Vereinbarungen über das Nachtragsanbot nicht ohnedies durch die in der Allgemeinen Gemeindeordnung (AGO) in der Fassung des Jahres 1979 geregelte Notfallskompetenz (§ 62; nunmehr § 73 AGO 1982) gedeckt gewesen sei, habe die Klägerin zumindest auf eine im Sinne des § 1029 ABGB zu vermutende Vollmacht des Bürgermeisters vertrauen dürfen.
Demgegenüber verneinte das Berufungsgericht in Ansehung des Nachtragsanbotes die Zurechenbarkeit der vom Bürgermeister gegenüber der Klägerin abgegebenen Rechtsgeschäftserklärungen an die Beklagte.
Dabei folgte das Berufungsgericht folgendem Gedankengang:
Gemäß § 867 ABGB seien vor allem die Regelungen der AGO in der im Jahre 1979 geltenden Fassung bedeutsam. Danach sei "die Kompetenz zur Erteilung des in die Privatwirtschaftsverwaltung fallenden Bauauftrages an die klagende Partei grundsätzlich beim Gemeinderat" gelegen gewesen. Eine die Zurechnung rechtsgeschäftlicher Erklärungen des Bürgermeisters an die Beklagte deckende Anscheinsvollmacht hätte vorausgesetzt, daß "der Gemeinderat als das geschäftsführungskompetente Organ" den Anschein seiner Beschlußfassung gesetzt hätte. Das Vertrauen auf eine in der Baubranche übliche Vorgangsweise, aber auch auf einen vom Bürgermeister selbst oder vom Gemeindevorstand geschaffenen oder geduldeten äußeren Tatbestand sei dabei unerheblich. Die Erwartung der Klägerin, daß der Gemeimderat den Nachtragsauftrag uneingeschränkt genehmigen werde, sei nicht schützenswert. Als der Bürgermeister gegenüber der Klägerin Erklärungen zum Nachtragsanbot abgegeben habe, sei noch nicht einmal zum Hauptanbot ein Gemeinderatsbeschluß vorgelegen. Tatumstände für die Annahme einer Anscheinsvollmacht des Bürgermeisters habe die Klägerin nicht konkret vorgebracht und erwiesen. Der einzige konkret behauptete Fall nachträglicher Genehmigung betreffe den Auftrag zu einem Bauvorhaben, dem der Gemeinderat erst im Jahre 1981 und damit erst lange Zeit nach dem hier zu beurteilenden Nachtragsauftrag im nachhinein zugestimmt habe. Der Fall einer Notfallszuständigkeit des Bürgermeisters sei schon deshalb ausgeschlossen, weil aus dem Zuwarten mit der Erteilung eines Auftrages im Sinne des Nachtragsanbotes während der Einberufungsfrist des Gemeinderates der Gemeinde kein Schaden hätte erwachsen können. Die Folgen eines Baustillstandes während dieser Zeit hätte die Klägerin zu tragen gehabt, weil es ihre Sache gewesen wäre, sich vor der Inangriffnahme der Arbeiten von der Tauglichkeit des auf dem ihr bezeichneten Platz zu gewinnenden Materials zur Verwendung als Schüttgut zu vergewissern. Wegen des Zustandes der Straße im Baubereich hätte die Beklagte mangels eines haftungsbegründenden Verschuldens keine Ersatzpflicht des Straßenerhalters treffen können. In die ordentliche Kompetenz des Bürgermeisters zur Führung der "laufenden Verwaltung" sei die Erteilung des Auftrages im Sinne des Nachtragsanbotes nicht gefallen. Mangels eines bereits gefaßten Gemeinderatsbeschlusses sei die Werkführung der Klägerin überhaupt noch keine Angelegenheit der Beklagten gewesen. Überdies könne eine Erhöhung des Auftragsvolumens um mehr als 20 % und um die im Verhältnis zum Gemeindebudget beträchtliche Summe von 370.000 S nicht mehr als Maßnahme der laufenden Verwaltung angesehen werden. Die Klägerin ficht das abändernde Berufungsurteil aus dem Revisionsgrund nach § 503 Abs.1 Z 4 ZPO mit einem auf Wiederherstellung des klagsstattgebenden Urteiles erster Instanz zielenden Abänderungsantrag und einem hilfsweise gestellten Aufhebungsantrag an.
Die Beklagte strebt die Bestätigung der angefochtenen Entscheidung an.
Die Revision ist berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
Die beklagte Kärntner Ortsgemeinde hat als selbständiger Wirtschaftskörper im Rahmen ihres eigenen Wirkungsbereiches durch eine öffentlich bekanntgemachte Ausschreibung zur Anbotslegung für ein Straßenbauvorhaben aufgefordert und die Klägerin hat sich neben fünf weiteren Interessenten um die Erteilung des Werkauftrages durch Einreichung eines Anbotes mittels der von der Gemeinde ausgegebenen Anbotsunterlagen beworben. Die Anbotsunterlagen hatte der Bürgermeister verfaßt. Dabei gebrauchte er in der Beschreibung einer in das Leistungsverzeichnis aufgenommenen Einzelleistung eine Formulierung, die nach allgemeinem Verständnis Zweifel darüber aufkommen ließ, ob das für die Leistung notwendige Material (nämlich die mit 7.000 m3 angenommene Schottermenge für die Errichtung eines Dammes) von der Beklagten als Auftraggeberin oder vom Unternehmer als Auftragnehmer beizustellen sein werde. Der Bürgermeister erklärte auf Anfrage der an der Anbotstellung interessierten Klägerin, daß das Material nicht vom Unternehmer beigestellt werden müsse, sondern von einem an Ort und Stelle bezeichneten Grund zu entnehmen sei. Diese Auslegung hält sich innerhalb der denkmöglichen Begriffsausfüllung der in der zweifelhaften Position des Leistungsverzeichnisses gebrauchten Formulierung. Diese Erläuterung des Bürgermeisters zu der im Namen der Gemeinde verfaßten und ausgegebenen Ausschreibungsunterlagen hatte sich die Gemeinde in gleicher Weise zurechnen zu lassen wie die Ausschreibung selbst. Der Bürgermeister hat nicht bloß für die Durchführung der Beschlüsse des Gemeinderates zu sorgen, ihm obliegt als Vollzugsorgan der Gemeinde auch die notwendige Vorbereitung solcher Rechtshandlungen und Rechtsgeschäftserklärungen, die einer Beschlußfassung des Gemeinderates vorbehalten sind. Er hat in diesem Sinne eine aus dem Gesetz ableitbare Verhandlungsvollmacht und die Gemeinde hat sich Erklärungen des Bürgermeisters in seiner Eigenschaft als ein jedenfalls zu Verhandlungen ermächtigtes Organ zurechnen zu lassen.
Der Gemeinderat hat nach der Erfüllung eines wesentlichen Teiles der nach der Ausschreibung angebotenen Leistungen durch die Klägerin dem dieser durch den Bürgermeister namens der Gemeinde erteilten Werkauftrag im Sinne des Anbotes nachträglich beschlußmäßig zugestimmt. Dieser Beschluß deckte auch die notwendigerweise und erkennbar durch den Bürgermeister gesetzten vorvertraglichen Erklärungen und Handlungen, auch wenn sie dem Gemeinderat bei seiner Beschlußfassung im einzelnen nicht bekannt gewesen sein sollten. Daß der Gemeinderat mit einer den Grundsätzen öffentlicher Ausschreibung widersprechenden Art von Auslegungserklärungen (einzelnen Interessenten gegenüber in mündlicher Form) nicht zu rechnen gebraucht hätte, könnte nach der objektiv vorgelegenen Unklarheit der Formulierung im Leistungsverzeichnung und der Kürze der Anbotsfrist von einer Woche der Gemeinde nicht zugute gehalten werden.
Die durch den Bürgermeister gegenüber der Klägerin ausgesprochene Auftragserteilung fand daher im nachträglichen Gemeinderatsbeschluß in dem Umfange Deckung, in dem der Auftrag nach der Erläuterung des Bürgermeisters von der Klägerin zu verstehen war, mit anderen Worten, daß die Klägerin als Anbotnehmerin die Schottermengen nicht beizustellen, sondern aus einem ihr bezeichneten Grundstück zu entnehmen gehabt hätte.
Dies erwies sich wegen der erst nach Anbringung von Probeschlitzen feststellbaren Bodenqualität als undurchführbar. Die Klägerin hatte die Probeschlitze erst nach Beginn der Arbeiten am Straßendamm selbst angebracht. Mehraufwendungen sind dadurch, daß die Klägerin nicht schon vor Beginn ihrer Arbeiten an der Straßenbaustelle selbst sich von der Qualität des als Schüttmaterial vorgesehenen Erdmaterials informierte, nicht entstanden, jedenfalls von der Klägerin der Beklagten nicht in Rechnung gestellt worden. Die Notwendigkeit, eine für Straßenbenützer gefährliche Straßenbaustelle so rasch wie möglich wieder zu bereinigen, ergab sich vom Standpunkt der Gemeinde als Tatsache unabhängig davon, ob bei früherer Bodenqualitätsprüfung durch die Klägerin ausreichend Zeit für die Prüfung und Billigung eines anderweitigen Materialbezuges durch die zuständigen Gemeindeorgane gewesen wäre. Bei richtigem Verständnis der der Gemeinde obliegenden Verpflichtungen, für die Sicherheit innerhalb ihres Gemeindegebietes zu sorgen, darf die Annahme einer Gefahr im Verzuge nicht bloß daran gemessen werden, ob die Gemeinde in einem möglichen Schadensfall eine Haftung oder sonstige Zahlungspflichten getroffen hätte, sondern es ist darauf abzustellen, ob aus der Aufrechterhaltung eines von der Gemeinde veranlaßten und von ihr beherrschbaren Zustandes Gefahr für Menschen oder Sachgüter drohte. Wenn der Bürgermeister in der dargelegten Lage als Vollzugsorgan der Gemeinde, die sich nach den Ausschreibungsunterlagen die Bauaufsicht selbst vorzubehalten erklärt hatte, mit der Klägerin hinsichtlich der zur Fortführung der Arbeiten unbedingt erforderlichen Schottermenge eine grundsätzliche Vereinbarung über die vorzunehmende Ersatzlösung getroffen hatte, handelte er ihm Rahmen der ihm obliegenden Vollziehung von Gemeinderatsbeschlüssen. Die nachträgliche Beschlußfassung ist auf den Zeitpunkt der durch den Bürgermeister ausgesprochenen Auftragserteilung rückzubeziehen. Solange sich der Bürgermeister im Rahmen der Vollziehung der (nachträglich) vom Gemeinderat beschlossenen Baumaßnahmen hielt, galt er auch zur Abgabe von rechtsgeschäftlichen Erklärungen bevollmächtigt, und zwar unabhängig vom Vorliegen eines Notstandsfalles im Sinne der AGO (§ 62 = § 73 AGO 1982). Eine solche Vollmacht bedurfte keiner ausdrücklichen Erklärung, weil sie sich aus der gesetzlichen Verpflichtung zur Vollziehung der Gemeinderatsbeschlüsse im Zusammenhang mit § 1029 ABGB ergibt. Davon abgesehen wäre auch ein Fall der Notstandskompetenz vorgelegen. Durch die anzunehmende Vollmacht war allerdings nur die Anordnung der als zweckmäßig erkannten Ersatzmaßnahme (Schotterbezug aus einer nahegelegenen Grube als zusätzliche Leistung zur Bewirkung des mit dem Straßenbauvorhaben angestrebten Erfolges) gedeckt, nicht auch die Anerkennung der damit verbundenen Mehrkosten, weil deren Bestimmung eine Differenzrechnung voraussetzte und damit die Bewertung der ersparten Leistungen, wie sie aufgrund des Werkauftrages geschuldet waren. Die Klägerin hatte ihre Ersatzleistungen nicht von einer ziffernmäßigen Abklärung dieser wertbestimmenden Faktoren abhängig gemacht, sich mit der grundsätzlichen Anerkennung eines Anspruches auf die Mehrkosten begnügt und diese erst nach der Erbringung ihrer Leistungen in einem Nachtragsanbot bekanntgegeben. Es stand dem Bürgermeister alleine nicht zu, diese Forderungen auch der Höhe nach anzuerkennen. Einerseits fehlte es nach der Ausführung der Arbeiten an der Dringlichkeit für die Inanspruchnahme der Notfallskompetenz, andererseits war nach der wirtschaftlichen Bedeutung der entfallenen und der zusätzlichen Leistungen im Verhältnis zum Gesamtauftrag eine inhaltlich derart bedeutende Vertragsabänderung vorgelegen, die nicht mehr von einer Vollmacht gedeckt sein konnte, die sich bloß aus der Übertragung der Geschäftsbesorgung zur Ausführung des Bauauftrages herleitet.
Im Ergebnis folgt daraus, daß die Beklagte grundsätzlich verpflichtet ist, der Klägerin die Mehrleistungen zu vergüten, die daraus erwuchsen, daß anstatt der anbotsmäßig unterstellten Entnahme des Schüttmaterials der Ankauf aus der Schottergrube erfolgte. Ob solche Mehrkosten entstanden sind und in welcher Höhe, ist im Rechtsstreit zu prüfen. Die Anerkennung einer entsprechenden Forderung durch den Bürgermeister vermochte die Beklagte noch nicht zu binden. Im Sinne der dargelegten Rechtsansichten liegen Feststellungsmängel vor, zu deren Behebung eine Ergänzung der Verhandlung in erster Instanz erforderlich erscheint. In Stattgebung der Revision waren daher die Urteile beider Vorinstanzen aufzuheben und die Rechtssache war zur Ergänzung der Verhandlung und neuerlichen Entscheidung an das Prozeßgericht erster Instanz zurückzuverweisen.
Die Entscheidung über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens beruht auf dem § 52 ZPO.
Anmerkung
E12580European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1987:0060OB00661.86.1126.000Dokumentnummer
JJT_19871126_OGH0002_0060OB00661_8600000_000