TE OGH 1987/11/30 4Ob610/87

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Veröffentlicht am 30.11.1987
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Prof. Dr. Friedl als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Gamerith, Dr. Kodek, Dr. Niederreiter und Dr. Redl als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Manfred B***, Handelsvertreter, Großamberg 184, vertreten durch Dr. Helfried Krainz und Dr. Bernhard Aschauer, Rechtsanwälte in Linz, wider die beklagte Partei Margarita Maria H***, Offizierswitwe, Eferding, Schloß Altau 5, vertreten durch Dr. Walter Rinner, Rechtsanwalt in Linz, wegen S 84.480,-- sA infolge ao. Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes vom 24.Juni 1987, GZ 2 R 327/86-29, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Kreisgerichtes Wels vom 24. Juli 1986, GZ 5 Cg 336/84-23, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Das angefochtene Urteil wird dahin abgeändert, daß es zu lauten hat:

"1.) Die Forderung des Klägers gegen die Beklagte in der Höhe von S 84.480,-- s.A. besteht zu Recht.

2.) Die Gegenforderungen der Beklagten gegen den Kläger in der Höhe des Klagebetrages und in der Höhe von S 89.086,30 bestehen bis zur Höhe der Klageforderung nicht zu Recht.

3.) Die Beklagte ist daher schuldig, dem Kläger S 84.480,-- samt 4 % Zinsen sowie die mit S 46.748,78 bestimmten Verfahrenskosten erster und zweiter Instanz (hievon S 3.963,53 Umsatzsteuer und S 3.150,- Barauslagen) binnen 14 Tagen bei Exekution zu zahlen."

Die Beklagte ist schuldig, dem Kläger die mit S 5.043,80 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (davon S 385,80 Umsatzsteuer und S 800,- Barauslagen) binnen 14 Tagen bei Exekution zu zahlen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Streitteile lebten von 1973 bis 1980 in Lebensgemeinschaft. Die Beklagte war Offizierswitwe mit einer monatlichen Pension von S 5.000,-- bis S 10.000,--. Sie besorgte für sich und den Kläger den Haushalt. Dieser war Handelsvertreter; sein monatliches Einkommen betrug zwischen S 20.000,-- und S 30.000,--. Die Streitteile wohnten zunächst in der Mietwohnung der Beklagten in Marchtrenk. Sie führten keine getrennte Rechnung. Der Kläger zahlte der Beklagten weder Miete noch Betriebskosten oder Strom. Einkäufe für den täglichen Bedarf bezahlte teils die Beklagte, teils der Kläger. Er half ihr mit Zahlungen aus, wenn ihr Geld knapp wurde; zum Beispiel bezahlte er fallweise Telefon- und Benzinrechnungen.

Im Jahre 1977 kaufte die Beklagte S*** A*** in Eferding, wo die Streitteile ab 1978 wohnten. Die Beklagte finanzierte den Ankauf dieser Liegenschaft aus dem Erlös des Verkaufes einer Eigentumswohnung und zweier weiterer Liegenschaften (S 1,130.000,--) und nahm zur Deckung des Kaufpreisrestes und der Instandsetzungskosten bei der S*** W*** nach und nach mehrere Hypothekarkredite auf (S 200.000,--, S 500.000,--, S 140.000,--, S 150.000,--), für deren Rückzahlung der Kläger die Bürgschaft übernahm. Der Kläger zahlte im Rahmen dieser Bürgschaft an die S*** W*** in der Zeit vom 8.5.1978 bis 5.9.1979 in sieben Teilbeträgen insgesamt S 84.480,--. Eine Ersatzleistung durch die Beklagte war nicht vereinbart, doch erbrachte der Kläger die Zahlungen in der Erwartung, daß die Lebensgemeinschaft Bestand haben werde. In der Folge löste die Beklagte die Lebensgemeinschaft auf. Der Kläger verließ am 23.6.1980 ihr Haus.

Der Kläger fordert von der Beklagten den Ersatz der auf Grund der übernommenen Bürgschaft an die S*** W*** geleisteten Zahlungen in der Höhe von S 84.480,-- sA.

Die Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens und wendete ein, sie habe den Kläger während der Lebensgemeinschaft mit den Dingen des täglichen Lebens (Wohnen, Verpflegung, Telefonbenützung) versorgt, so daß ihr eine den Klagebetrag übersteigende Gegenforderung zustehe. Außerdem habe sie für einen vom Kläger aufgenommenen Kredit bei der AVA-Bank die Bürgschaft übernommen und Rückzahlungen in Höhe von S 89.036,30 geleistet. Auch diese Gegenforderung wende sie aufrechnungsweise ein. Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab.

Es traf die eingangs wiedergegebenen Feststellungen, nahm jedoch nicht als erwiesen an, daß die Beklagte auf einen vom Kläger bei der AVA-Bank aufgenommenen Kredit (als Bürgin) Rückzahlungen geleistet habe.

Aus den während der Dauer der Lebensgemeinschaft von einem Lebensgefährten erbrachten Leistungen und Aufwendungen könne grundsätzlich kein Ersatzanspruch gegen den anderen Teil abgeleitet werden. Nur dann, wenn Leistungen und Aufwendungen in der dem Empfänger deutlich erkennbaren Erwartung einer in Aussicht gestellten Ehe, letztwilligen Zuwendung oder dauernden Versorgung gemacht worden seien, könne ein Kondiktionsanspruch gemäß § 1435 ABGB bestehen. Laufende Aufwendungen während der Lebensgemeinschaft für zum sofortigen Verbrauch bestimmte Anschaffungen seien für den betreffenden Zeitraum bestimmt und hätten daher - anders als Aufwendungen für Dauerinvestitionen - im Fall einer späteren Aufhebung der Lebensgemeinschaft ihren Zweck nicht verfehlt. Die vom Kläger gezahlten Zinsen für die Kreditverbindlichkeiten der Beklagten aus dem Kauf eines Hauses seien als Aufwendung für die gemeinsame Wohnung der Streitteile während der Lebensgemeinschaft anzusehen und daher nicht rückforderbar. Daß sich die Streitteile gegenseitig auch außergewöhnliche Zuwendungen gewährt hätten, die erkennbar in der Erwartung der Fortsetzung der Lebensgemeinschaft gemacht wurden, sei nicht hervorgekommen.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers nicht Folge, bestätigte das Ersturteil und sprach aus, daß die Revision nicht zulässig sei.

Die Kreditforderung der S*** W*** sei infolge Teilzahlung durch den Kläger in diesem Umfang auf ihn übergegangen; der Rückgriffsanspruch könne aber auf Grund des besonderen Verhältnisses zwischen dem Zahler und dem Hauptschuldner beschränkt oder auch ausgeschlossen sein. Der Kläger habe Teilbeträge der Kredite, die die Beklagte zum Erwerb und Ausbau des Hauses S*** A*** aufgenommen habe, in der Erwartung des Fortbestehens der Lebensgemeinschaft zurückgezahlt, was der Beklagten auch erkennbar gewesen sei. Da es sich um Aufwendungen für Dauerinvestitionen, nämlich Rückzahlungen für Kredite zum Erwerb und Ausbau des Hauses, gehandelt habe, sei durch die Auflösung der Lebensgemeinschaft eine Zweckverfehlung eingetreten; dabei sei jedoch nur der verbleibende Restnutzen durch den Hingabegrund nicht mehr gedeckt. Ein solcher Restnutzen bestehe hier nicht, da die Zahlung von S 84.480,-- nicht außerhalb jedes Verhältnisses zur Wohnmöglichkeit des Klägers im Hause S*** A*** durch fast drei Jahre gestanden sei. Auf Grund dieses besonderen Verhältnisses habe der Kläger als Bürge keinen Rückforderungsanspruch.

Der Kläger erhebt Revision wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung, behauptet das Vorliegen einer erheblichen Rechtsfrage des materiellen Rechtes iS des § 502 Abs 4 Z 1 ZPO und beantragt, das angefochtene Urteil dahin abzuändern, daß seinem Klagebegehren stattgegeben werde; hilfsweise stellt er einen Aufhebungsantrag. Die Beklagte beantragt, die Revision des Klägers mangels Zulässigkeit zurückzuweisen; für den Fall der Zulässigkeit möge ihr nicht Folge gegeben werden.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig, weil die Fragen,

a) ob die Inanspruchnahme aus einer Bürgschaft, die ein Lebensgefährte für den vom anderen zum Erwerb und zum Ausbau eines Hauses aufgenommenen Kredit erklärt hat, eine außergewöhnliche Zuwendung ist, die infolge der Auflösung der Lebensgemeinschaft ihren Zweck verfehlt hat, und

b) wie weit der Nutzen aus dieser Leistung die Auflösung der Lebensgemeinschaft überdauert hat,

Rechtsfragen von erheblicher Bedeutung iS des § 502 Abs 4 Z 1 ZPO sind.

Die Revision ist daher entgegen dem Antrag der Beklagten nicht zurückzuweisen; sie ist auch berechtigt.

Wie das Berufungsgericht zutreffend erkannte, hat der Bürge, der die Schuld auch nur teilweise abgetragen hat, im Umfang seiner Teilzahlung gegen den Hauptschuldner einen gesetzlichen Rückgriffsanspruch (Gamerith in Rummel, ABGB, Rz 4 zu § 1358 und Rz 3 zu § 1359), der nach Lage des Falles mit einem Anspruch auf Grund des besonderen Verhältnisses zwischen dem Hauptschuldner und dem Bürgen konkurriert, durch dieses besondere Verhältnis aber auch beschränkt oder überhaupt ausgeschlossen sein kann (Ohmeyer in Klang2 VI 231 f; Gamerith in Rummel aaO Rz 11 zu § 1358; Schwimann/Mader, ABGB V § 1358 Rz 9; JBl 1983, 36). Wer ein den gesetzlichen Rückgriffsanspruch ausschließendes besonderes Verhältnis behauptet, ist dafür beweispflichtig.

Die von einem Lebensgefährten während der Lebensgemeinschaft erbrachten Leistungen und Aufwendungen sind nach Lehre und ständiger Rechtsprechung in der Regel unentgeltlich und können daher grundsätzlich nicht zurückgefordert werden (Rummel in Rummel aaO Rz 8 zu § 1435; Koziol-Welser8 I 399; auch Schwimann/Honsell, ABGB V § 1435 Rz 8; SZ 19/302; RZ 1966,100; EFSlg 27.130, 36.266, 38.651; SZ 53/20; MietSlg 35.269 = EFSlg 43.574; EFSlg 43.573 ua). Allerdings wird § 1435 ABGB über seinen Inhalt hinaus als Grundlage für die Anerkennung einer Kondiktion wegen Wegfalles des Grundes oder Nichteintrittes des erwarteten Erfolges verwendet. Für einen solchen Rückgriffsanspruch ist es nicht erforderlich, daß die Leistung auf Grund einer bestehenden Verpflichtung erbracht wurde; er besteht vielmehr auch dann, wenn jemand dem anderen ohne Abschluß eines Vertrages etwas geleistet hat (EFSlg 36.268, 43.572 uva). Ein Rückforderungsanspruch wird daher etwa dann gewährt, wenn eine Leistung in der erkennbaren Erwartung des Fortbestehens der Lebensgemeinschaft unentgeltlich erbracht wurde (Koziol-Welser aaO 399; RZ 1966, 100; SZ 53/20; MietSlg 36.269 = EFSlg 43.574 ua). Nicht rückforderbar sind demnach Leistungen, die keinen weitergehenden Zweck verfolgen, also insbesondere laufende Zahlungen für gemeinsamen Unterhalt; sie sind ihrer Natur nach für den entsprechenden Zeitraum bestimmt und haben daher im Fall einer späteren Aufhebung der Lebensgemeinschaft ihren Zweck nicht verfehlt (EFSlg 43.575 = EvBl 1984/12). Außergewöhnliche Zuwendungen hingegen, zB für den Erwerb einer Wohnung, die erkennbar in der Erwartung des Fortbestehens der Lebensgemeinschaft gemacht wurden, sind bei Zweckverfehlung rückforderbar (Rummel in Rummel aaO Rz 8 zu § 1435, Schwimann/Honsell aaO § 1435 Rz 9). Der Geschäftszweck fällt aber nur bezüglich eines die Auflösung der Lebensgemeinschaft überdauernden Nutzens weg. Werden die zur gemeinsamen Verwendung angeschafften Sachen von den Lebensgefährten zunächst gemeinsam genutzt und fällt der Geschäftszweck erst später weg, dann kann nur der verbleibende Restnutzen zurückgefordert werden (iglS EFSlg 38.656).

Zutreffend hat die zweite Instanz angenommen, daß der Kläger seine Zahlungen in Höhe von S 84.480,-- für die Beklagte erkennbar in der Erwartung des Fortbestehens der Lebensgemeinschaft erbracht hat. Hingegen kann der Ansicht des Berufungsgerichtes, daß der Beklagten aus diesen Leistungen des Klägers - trotz ihres Dauercharakters - kein Restnutzen geblieben sei, weil der Betrag von S 84.480,-- ein Gegenwert für die dem Kläger im Haus der Beklagten eingeräumte Wohnmöglichkeit gewesen sei, nicht gefolgt werden. Der von der Beklagten aufgenommene Kredit in der Höhe von rund 1 Million S, für den der Kläger bürgte, war neben sonstigen Mitteln zum Ankauf einer Liegenschaft und zu deren Instandsetzung (Ausbau) bestimmt. Der Kläger zahlte auf Grund der übernommenen Bürgschaft auf diesen Kredit innerhalb von 16 Monaten in sieben Teilbeträgen insgesamt S 84.480,-- zurück. Auch wenn es sich bei dieser Leistung (zum Teil) um Zinsen gehandelt haben sollte, wurde die Beklagte von der Rückzahlung eines nicht unwesentlichen Teils dieses Bankkredites dauernd entlastet. Da der Kredit zur Schaffung langlebiger Investitionen bestimmt war, handelte es sich um eine außergewöhnliche Leistung, die der Kläger neben seinen Leistungen für den gemeinsamen Unterhalt (teilweise Bezahlung des Einkaufs für den täglichen Bedarf und fallweise Bezahlung von Telefon- und Benzinrechnungen) erbrachte. Bei der Beurteilung der Frage, ob der Beklagten aus der vom Kläger zurückgeforderten Zahlung ein Nutzen verblieben ist, ist auch auf den bisherigen Lebenszuschnitt der Streitteile während der Lebensgemeinschaft Bedacht zu nehmen. Gerade weil der Kläger während der Lebensgemeinschaft keine Miete zahlte, sondern zu den gemeinsamen laufenden Aufwendungen in anderer Weise beitrug, kann der von ihm innerhalb von 16 Monaten gezahlte zusätzliche Betrag von S 84.480,-- nicht als Gegenwert für die ihm gewährte Wohnmöglichkeit und damit der Nutzen dieser Leistungen als verbraucht angesehen werden. Im Hinblick auf die unbegrenzte Lebensdauer einer Liegenschaft und die lange Lebensdauer eines Gebäudes war die Verringerung des der Beklagten aus der Zahlung des Klägers bleibenden Restnutzens so gering, daß hiefür ein Abzug von der Forderung des Klägers nicht gerechtfertigt ist (§ 273 ZPO). Die außerordentlichen Leistungen des Klägers haben ihren Nutzen für die Beklagte nicht eingebüßt, weil sich dadurch ihre Kreditbelastung entsprechend verringert hat. Bei dieser Sachlage hat die Beklagte den Beweis, daß der Regreßanspruch des Klägers nach § 1358 ABGB auf Grund des besonderen Verhältnisses zwischen den Streitteilen weggefallen ist, nicht erbracht.

Die Gegenforderungen der Beklagten bestehen nicht zu Recht. Daß die Beklagte ihrerseits für einen vom Kläger bei der AVA-Bank aufgenommenen Kredit als Bürgin Rückzahlungen geleistet hätte, ist nicht erwiesen. Die laufenden Leistungen der Beklagten für die Versorgung des Klägers mit den Dingen des täglichen Lebens haben ihren Zweck nicht verfehlt und sind daher nicht rückforderbar. Der Revision ist daher Folge zu geben.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 41, 50 ZPO.

Anmerkung

E12552

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1987:0040OB00610.87.1130.000

Dokumentnummer

JJT_19871130_OGH0002_0040OB00610_8700000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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