Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Prof. Dr. Friedl als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Gamerith, Dr. Kodek, Dr. Niederreiter und Dr. Redl als weitere Richter in den verbundenen Rechtssachen der klagenden Parteien
1.
Friedrich W*** Gesellschaft m.b.H. & Co KG, Singen, BRD,
2.
Firma Helmut W***, Tief-, Wasser-, Stahlbeton- und Spannbeton, Radolfzell, BRD, 3. Eugen S***, Kies-, Sand-, Splitt- und Transportbetonwerke, Mühlhausen-Ehingen, BRD, alle vertreten durch Dr. Peter Wagner, Rechtsanwalt in Linz, wider die beklagte Partei Gerhard S***, Sportplatzbauer, Linz-Ebelsberg, Auhirschgasse 52, vertreten durch Dr. Arno Figl, Rechtsanwalt in Linz, wegen DM 21.785,35 sA (Streitwert S 152.965,83) und DM 82.320,84 sA (Streitwert S 578.015,77) infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz, als Berufungsgerichtes vom 1. April 1987, GZ 2 R 268, 269/86-25, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes Linz vom 10. Juli 1986, GZ 5 Cg 181/83-19, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Der Beklagte ist schuldig, den Klägern die mit S 22.538,94 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (davon S 1.721,72 Umsatzsteuer und S 3.600,-- Barauslagen) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Der Bruder des Beklagten, Ing. Erwin S***, betrieb seit 1957 in Linz, Auhirschgasse 34, ein Unternehmen, das sich mit Gartengestaltung und Sportstättenbau befaßte und als Einzelfirma im Handelsregister des Landesgerichtes Linz eingetragen war. Der Beklagte betrieb - getrennt vom Unternehmen seines Bruders - ab 1965 ein Blumengeschäft. Seit 1967/1968 befaßte auch er sich mit der Gartengestaltung und erweiterte seinen Betrieb allmählich bis auf einen Stand von 80 Mitarbeitern und einen Umsatz von 25 Millionen Schilling jährlich (1980). Dieses Unternehmen wurde bisher im Handelsregister nicht eingetragen.
Cirka 1975 gründete Ing. Erwin S*** ein weiteres Unternehmen in Ottobrunn bei München/BRD, das am 6. September 1978 als Einzelfirma im Handelsregister des Amtsgerichtes München eingetragen wurde. Dieses Unternehmen bestand praktisch nur aus einem Büro und einem Verwaltungsapparat; es waren dort nur zwei oder drei Dienstnehmer beschäftigt. Die in der BRD durchzuführenden Arbeiten wurden von Angestellten und Arbeitern des österreichischen Unternehmens des Ing. Erwin S*** und auch vorwiegend mit Maschinen und Geräten seines österreichischen Unternehmens durchgeführt. Die Buchhaltung für beide Unternehmen wurde getrennt geführt. Für Arbeiten, die das österreichische Unternehmen des Ing. Erwin S*** für das deutsche Unternehmen leistete, wurden Rechnungen gelegt. Das deutsche Unternehmen unterhielt ein Konto bei der D*** B***. Die beiden Prokuristen dieses Unternehmens wurden von Linz aus tätig. Seit 21. April 1979 war Ing. Wilhelm S*** VON S*** Niederlassungsleiter des deutschen Unternehmens.
Im Jahre 1979 wurde Ing. Erwin S*** geisteskrank. Er erlitt einen schizophrenen Schub, der bis zum Frühjahr 1980 dauerte und danach in einen Defektzustand überging. Gegen Ing. Erwin S*** wurde ein Entmündigungsverfahren eingeleitet und Dipl.Kfm. Dr. Max T*** zum vorläufigen Beistand bestellt, der außerdem auf Grund eines pflegschaftsbehördlich genehmigten Bevollmächtigungs- und Verwaltungsvertrages mit der Führung der Unternehmen des Ing. Erwin S*** betraut wurde. Nach Einstellung des Entmündigungsverfahrens am 19. Februar 1980 bestätigte und ergänzte Ing. Erwin S*** diesen Bevollmächtigungs- und Verwaltungsvertrag. Im Frühjahr 1980 hatte Ing. Erwin S*** bei seiner Hausbank ca. S 10,000.000,-- Schulden. Wegen der hohen Verbindlichkeiten und seiner Erkrankung wünschten die Eltern der Brüder S***, daß der Beklagte die Unternehmen seines Bruders übernehme. Am 30. Mai 1980 schlossen Dipl.Kfm. Dr. Max T*** (namens des Ing. Erwin S***) und der Beklagte einen "Vorvertrag" folgenden Inhalts:
"Herr Gerhard S***, 4033 Linz-Ebelsberg, Auhirschgasse 52, kauft die protokollierten Unternehmen Ing. Erwin S***, Sportstättenbau, in 4033 Linz-Ebelsberg, Auhirschgasse 30-34, sowie D-8012 Ottobrunn, BRD, Rosenheimer Landstraße 82, bei Übernahme aller Geschäftsverbindlichkeiten inklusive Abfertigungsansprüche sowie Übernahme aller Arbeitnehmer dieser Firmen unter der Bedingung, daß das konsolidierte Minuskapital beider Unternehmen per 30. April 1980 S 6,000.000,-- nicht übersteigt, sowie daß der überwiegende Anteil der derzeitigen Belegschaft im Unternehmen verbleibt.
Herr Gerhard S*** verpflichtet sich seinerseits, die zu übernehmende Belegschaft unter Anrechnung ihrer Vordienstzeiten in sein Unternehmen zu übernehmen."
Dieser Vorvertrag, den auch Ing. Erwin S*** unterfertigte, enthält noch folgenden Zusatz über die vorläufige Bilanz per 30. April 1980:
"Kapital Österreich S - 5,802.608,52
Kapital BRD DM 51.974,03 = S + 374.213,01
Kapital konsolidiert S - 5,428.395,51"
Bei Abschluß dieses Vertrages gingen alle Beteiligten davon aus, daß das konsolidierte Minuskapital des deutschen und österreichischen Unternehmens S 6,000.000,-- nicht übersteigen werde. Dipl.Kfm. Dr. Max T*** wählte das Wort
"Vorvertrag", weil geplant war, diesen Vertrag noch von einem Juristen ausarbeiten zu lassen. Am 18. Juni 1980 begaben sich der gemeinsame Steuerberater des Beklagten und des Ing. Erwin S*** sowie Dipl.Kfm. Dr. Max T*** zu Rechtsanwalt Dr. Arno F***, der auf die Schwierigkeiten der Vertragsformulierung hinwies. Zum Abschluß eines weiteren Vertrages kam es nicht mehr. Der Beklagte meldete mit 1. Juni 1980 alle der cirka 20 bis 30 Angestellten des Ing. Erwin S*** auf sein Unternehmen um; einige Angestellte schieden nach kurzer Zeit aus. Das österreichische Unternehmen des Beklagten wurde in die Büroräume des Ing. Erwin S*** in Linz, Auhirschgasse 34, verlegt. Den österreichischen Auftraggebern des Ing. Erwin S*** teilte der Beklagte mit, daß er die von seinem Bruder begonnenen Arbeiten fertigstellen werde; den Auftragnehmern des deutschen Unternehmens teilte er dies nicht mit. Der Niederlassungsleiter Ing. Wilhelm S*** VON S*** teilte jedoch der Stadtgemeinde Göppingen mit, daß ein Wechsel in der Person des Firmeninhabers des deutschen Unternehmens stattgefunden habe. Nach dem 31. Mai 1980 bestand seitens des Beklagten die Weisung, nur sein Briefpapier zu verwenden. In bezug auf die BRD wurde diese Weisung später widerrufen.
Am 31. Mai 1980 waren noch einige Aufträge, die das deutsche Unternehmen des Ing. Erwin S*** entgegengenommen hatte, unerledigt. Der Beklagte stellte nach dem 31. Mai 1980 die von Ing. Erwin S*** erst begonnenen Baustellen Göppingen-Frauentau und Rielasingen-Worblingen fertig.
Zur Durchführung von Aufträgen hatte sich das deutsche Unternehmen des Ing. Erwin S*** auch schon vorher anderer Unternehmen bedient. Dies wurde so gehandhabt, daß Ing. S*** VON S*** mit den Auftragnehmern die Rahmenbedingungen aushandelte und dann er oder der auf der Baustelle anwesende Polier das Material abrief. Auch mit den klagenden Parteien wurden solche Rahmenvereinbarungen abgeschlossen. Im Sommer und Herbst 1980 rief der hauptsächlich auf den Baustellen des Beklagten in der BRD tätige Polier Johann L*** bei den klagenden Parteien die benötigten Lieferungen und Leistungen ab, ohne bekanntzugeben, daß eine Änderung in der Person des Firmeninhabers stattgefunden habe. Aus diesen Bestellungen resultieren die der Höhe nach außer Streit stehenden Forderungen der klagenden Parteien für die Beistellung von Baumaschinen, Transportarbeiten und Schotterlieferungen. Im Juni und Juli 1980 besuchte der Beklagte das Büro des deutschen Unternehmens in Ottobrunn und die Baustellen in der BRD; er stellte sich als neuer Chef vor und erklärte, daß von nun an seinen Anordnungen Folge zu leisten sei. Zwischen dem 29. Juli und dem 18. August 1980 entschloß sich der Beklagte, den deutschen Betrieb aufzulösen, weil ihm sein Steuerberater mitgeteilt hatte, daß die Überschuldung höher als ursprünglich angenommen sein werde. Am 18. August 1980 trug der Beklagte Ing. S*** VON S*** auf, das deutsche Unternehmen bis Ende 1980 aufzulösen.
Die Rechnungen aus den klagegegenständlichen Lieferungen wurden an das deutsche Unternehmen adressiert und von dort an das Unternehmen des Beklagten gesandt. Die Rechnungen der Kläger Friedrich W*** Ges.m.b.H. & Co KG und Firma Helmut W*** waren mit einer Ausnahme an den Beklagten unter der Adresse Ottobrunn, Rosenheimer Landstraße 82, adressiert.
Das Büro in der BRD wurde zum Jahresende 1980 geräumt. Der Beklagte transportierte die Büroeinrichtung und einen Kramer-Lader nach Linz, ließ die Gegenstände schätzen und verrechnete den Schätzwert mit dem von ihm an die "Firma S***" ausgestellten Rechnungen. Mit Kaufvertrag vom 16. Juli 1981 kaufte der Beklagte von seinem Bruder Ing. Erwin S*** dessen Betriebsliegenschaft in Linz, Ebelsberg (EZ 390 KG Posch) um einen Kaufpreis von S 5,934.000,--; die Bezahlung erfolgte durch Abdeckung von Darlehensschulden seines Bruders. Der Kaufvertrag wurde grundbücherlich durchgeführt. Ing. Erwin S*** ist von den Betrieben nichts verblieben.
Die erst- und die zweitklagende Partei begehrten vom Beklagten zuletzt Zahlung von DM 21.785,35 sA zur ungeteilten Hand, die drittbeklagte Partei zuletzt Zahlung von DM 82.320,84 sA. Ing. Erwin S*** habe in den gegen ihn geführten Prozessen vorgebracht, daß er sein Unternehmen schon im Mai 1980 an den Beklagten verkauft und die streitgegenständlichen Bestellungen nicht getätigt habe. Der Beklagte habe von seinem Bruder begonnene Arbeiten fertiggestellt und neue Arbeiten überhaupt erst begonnen. Er habe die gesamten in der BRD befindlichen Vermögenswerte des Unternehmens seines Bruders übernommen; außerdem habe er die Betriebsliegenschaft seines Bruders in Linz-Ebelsberg sowie die Arbeitnehmer seines Bruders übernommen. Er behaupte zwar, das Unternehmen seines Bruders nicht übernommen, sondern nur dessen Geschäfte abgewickelt zu haben, doch sei er als im eigenen Namen handelnd aufgetreten. Tatsächlich habe er das gesamte Unternehmen seines Bruders übernommen, dem davon nichts geblieben sei. Die Forderung der klagenden Parteien seien ihm bekannt gewesen.
Der Beklagte beantragte die Abweisung der verbundenen Klagebegehren. Die klagenden Parteien hätten ausschließlich Leistungen für das in der BRD protokollierte Einzelunternehmen seines Bruders erbracht. Der Vorvertrag vom 30. Mai 1980 sei nicht rechtswirksam geworden, weil das konsolidierte Minuskapital der beiden Unternehmen S 6,000.000,-- beträchtlich überschritten habe. Der Beklagte habe das Unternehmen seines Bruders in der BRD nicht übernommen, sondern im Auftrag seines Bruders wegen Konkursreife liquidiert. Er sei für einzelne noch fertigzustellende Baustellen in der BRD als Subunternehmer seines Bruders tätig geworden und habe seine Arbeitsleistungen mit seinem Bruder stundenweise abgerechnet. Seine Subunternehmerleistungen seien mit den übernommenen Gegenständen verrechnet worden.
Das österreichische Unternehmen seines Bruders sei Ende 1979 ebenfalls konkursreif gewesen. Er habe im Vertrauen auf die Richtigkeit der im Vorvertrag angeführten vorläufigen Bilanz unaufschiebbare Einzelhandlungen wirtschaftlicher Art treffen müssen. Als sich die Unerfüllbarkeit des Vorvertrages herausgestellt habe, sei eine Rückabwicklung nicht mehr möglich gewesen. Zur Abdeckung seiner Vorleistungen habe er dann die Liegenschaft seines Bruders erworben. Der Kaufpreis dieser Liegenschaft sei mit offenen Darlehens- und Kreditschulden sowie Kaufpreisrestschulden verrechnet worden. Er habe von den Forderungen der klagenden Partei keine Kenntnis gehabt und hafte als Erwerber nur bis zur Höhe des objektiven Wertes des übernommenen Vermögens.
Die klagenden Parteien erwiderten, daß der Beklagte bei ihnen durch seine Leute bestellt und Leistungen entgegengenommen und auch an seinen Auftraggeber weiterverrechnet habe. Er habe daher die Aufträge an sie direkt erteilt; auch hafte er aus dem Titel der Anscheinsvollmacht sowie nach § 25 HGB.
Das Erstgericht erkannte den Beklagten schuldig, der erst- und der zweitklagenden Partei zur ungeteilten Hand DM 21.785,35 sA und der drittklagenden Partei DM 82.320,84 sA zu zahlen, und wies das Zinsenmehrbegehren - insoweit unbekämpft - ab. Es stellte den bereits eingangs wiedergegebenen Sachverhalt fest, nahm jedoch nicht als erwiesen an, daß die Überschuldung der übernommenen Betriebe höher als ursprünglich angenommen war.
Rechtlich meinte das Erstgericht, daß "auf das vorliegende Rechtsgeschäft" gemäß § 36 IPRG deutsches Recht anzuwenden sei. Gemäß § 25 Abs 1 HGB hafte derjenige, der ein unter Lebenden erworbenes Handelsgeschäft unter der bisherigen Firma mit oder ohne Beifügung eines das Nachfolgeverhältnis andeutenden Zusatzes fortführt, für alle im Betrieb des Geschäftes begründeten Verbindlichkeiten des früheren Inhabers. Für diese Haftung komme es nicht auf die Rechtsbeziehungen zwischen dem alten und dem neuen Unternehmer an. Es sei unerheblich, ob das Verpflichtungsgeschäft und die Übertragungsakte zwischen Veräußerer und Erwerber rechtsgültig seien; nach der tatsächlichen Geschäftsübernahme könne sich der Erwerber nicht mehr unter Berufung auf eine Nichtigkeit des Übernahmevertrages oder durch dessen Anfechtung von der Haftung für die Geschäftsverbindlichkeiten befreien. Eine Firmenfortführung liege vor, wenn die Firma nach außen hin dauernd gebraucht werde. Der Beklagte habe mit seinem Bruder einen Vertrag (über die Übernahme des Unternehmens) unter aufschiebender Bedingung abgeschlossen, den Eintritt dieser Bedingung aber nicht abgewartet, sondern sofort Handlungen vorgenommen, die auf die Fortführung des Betriebes abzielten, so etwa die Vorstellung als neuer Chef, die Übernahme der Angestellten, die Erteilung von Anordnungen und die Zusage höherer Entlohnung. Ing. Erwin S*** hafte, wie hinsichtlich der Forderung der drittklagenden Partei vom Obersten Gerichtshof bereits rechtskräftig entschieden worden sei, direkt; der Beklagte hafte daher gemäß § 25 Abs 1 HGB für die Forderungen der klagenden Partei.
Der Beklagte hafte jedoch auch nach den Bestimmungen über die Stellvertretung. Auch diese Haftung sei gemäß § 49 Abs 2 und 3 IPRG nach deutschem Recht zu beurteilen; maßgeblich sei nämlich das Recht des Landes, in dem das Geschäft vorgenommen werde solle. Dem Geschäftspartner sei die Nachprüfung der Vollmacht nicht zuzumuten, wenn das Verhalten des Vertretenen nach der Verkehrsauffassung auf das Bestehen der Vollmacht schließen lasse. Der Beklagte habe es wissentlich geschehen lassen, daß seine Dienstnehmer für ihn Bestellungen vornahmen. Die Geschäftspartner hätten dieses Dulden dahin verstehen dürfen, daß die Handelnden bevollmächtigt waren. Der Beklagte hafte daher auch aus dem Grunde der Duldungsvollmacht. Das Berufungsgericht gab der Berufung des Beklagten nicht Folge und sprach aus, daß die Revision hinsichtlich der Forderung der erst- und der zweitklagenden Partei zulässig sei. Es stellte auf Grund einer Beweisergänzung fest, daß die Passiven des österreichischen Unternehmens des Ing. Erwin S*** zum 31. Mai 1980 S 8,474,870,85 betrugen. In dieser Bilanz wurde die Forderung des österreichischen Unternehmens gegen das Unternehmen in der BRD mit S 4,589.612,-- angesetzt; diese Forderungen waren uneinbringlich. Wertberichtigt betragen diese Forderungen S 3,600.000,--. Die Überschuldung des Ing. Erwin S*** aus seinen beiden Unternehmen betrug daher zum 31. Mai 1980 jedenfalls etwa S 7,500.000,-- und zum 30. April 1980 jedenfalls erheblich mehr als S 6,000.000,--. Der Steuerberater Z*** stellte schon ein bis zwei Monate nach der Erstellung des vorläufigen Status zum 30. April 1980 fest, daß das damals angenommene Minuskapital beider Unternehmen wesentlich höher als in diesem Status anzunehmen sein werde.
Rechtlich war die zweite Instanz der Ansicht, daß sich der Haftungsübergang bei der Vermögensübernahme nach dem für die Vermögensübernahme jeweils berufenen Recht richte. Der Beklagte habe jedenfalls ein Vermögen seines Bruders in Österreich (Betriebsliegenschaft in Linz) übernommen; der Haftungsübergang hinsichtlich dieses Vermögens sei daher nach österreichischem Recht zu beurteilen. Die Vermögensübernahme sei im Juli 1981 erfolgt, so daß § 1409 ABGB in der Fassung vor dem Insolvenzrechtsänderungsgesetzes 1982 und auch noch § 187 III. TN anzuwenden seien. Nach § 187 III. TN hafte der Übernehmer eines Vermögens oder Unternehmens, wenn er ein naher Angehöriger des Veräußerers (§ 32 KO) ist, den Gläubigern aus den zum Vermögen oder Unternehmen gehörigen Schulden unmittelbar und ohne Beschränkung auf den Wert des übernommenen Vermögens oder Unternehmens, wenn er nicht beweise, daß ihm die Schulden bei der Übergabe weder bekannt waren noch bekannt sein mußten. Der Beklagte sei als Bruder des Veräußerers ein naher Angehöriger.
Der zwischen den Streitteilen unter einer aufschiebenden Bedingung geschlossene "Vorvertrag" sei mangels Eintrittes der aufschiebenden Bedingung nicht wirksam geworden.
§ 1409 ABGB setze einen Veräußerungsvertrag voraus, die tatsächliche Vermögensübergabe genüge nicht. Es sei aber ausreichend, daß nach den Umständen des Falles auf die Übertragung des Vermögens oder Unternehmens in einer alle Zweifel ausschließenden Weise geschlossen werde könne. Der Beklagte habe jedenfalls mit Kaufvertrag vom Juli 1981 die Betriebsliegenschaften seines Bruders in Linz gekauft und den Kaufpreis von S 5,934.000,-- durch Abdeckung von Darlehensschulden gezahlt. Dieser Kauf sei auch grundbücherlich vollzogen worden. Damit liege der für die Vermögensübergabe im Sinne des § 1409 ABGB geforderte dingliche Erwerb der Betriebsliegenschaft durch den Beklagten vor. Eine Einzelsache von nicht unbedeutendem wirtschaftlichen Wert sei nach der Rechtsprechung nur dann ein Vermögen, wenn sie das im wesentlichen einzige und gesamte Eigentum des Überträgers bilde, das seinen Gläubigern für ihre Forderungen als Haftungsobjekt zur Verfügung gestanden war, und dies dem Übernehmer zum Übernahmszeitpunkt bekannt gewesen sei oder hätte bekannt sein müssen. Die Behauptungs- und Beweispflicht für das Gegenteil habe gemäß § 187 III. TN den Beklagten getroffen; er habe diesen Beweis nicht angetreten. Auch wenn nur ein Teil eines Vermögens oder eines Unternehmens übernommen werde, hafte der Übernehmer nach der Rechtsprechung für alle zum Vermögen oder Gesamtbetrieb gehörigen Schulden. Ing. Erwin S*** sei Geschäftsinhaber zweier protokollierter Einzelunternehmungen in Österreich und in der BRD gewesen. Rechtsobjekt und Träger von Rechten und Pflichten sei immer der damit gekennzeichnete Inhaber des Unternehmens. Den klagenden Parteien sei daher auch die Betriebsliegenschaft in Österreich als Haftungsobjekt zur Verfügung gestanden. Das gesetzliche Erfordernis der Zugehörigkeit der Schulden zu einem rechtsgeschäftlich erworbenen Vermögen sei entbehrlich, wenn dieses im wesentlichen das gesamte Vermögen des Überträgers sei. Der Beklagte hafte daher für die Schulden seines Bruders schon aus der Übernahme der Betriebsliegenschaft als des einzigen und wesentlichen Vermögens seines Bruders ohne Begrenzung auf den Wert des übernommenen Vermögens. Daß auch der Überträger des Vermögens den Gläubigern hafte, schade den klagenden Parteien nicht. Es komme nicht darauf an, ob der Beklagte die Unternehmen seines Bruders formell übernommen habe oder nur in dessen Namen stillegen wollte, ob er überhaupt ein "Aktivvermögen" übernommen habe und ob er bei der Anbahnung der Geschäftsverbindungen mit den klagenden Parteien oder beim Abruf der Baumaterialien und Leistungen in irgendeiner Weise in Erscheinung getreten sei. Infolge der Haftung des Beklagten nach § 1409 ABGB seien weitere Haftungsgründe (§ 25 HGB, Anscheins- oder Duldungsvollmacht) nicht mehr zu prüfen.
Der Beklagte erhebt Revision wegen Mangelhaftigkeit des Verfahrens und unrichtiger rechtlicher Beurteilung. Er beantragt, der Revision Folge zu geben und die Entscheidungen der Vorinstanzen dahin abzuändern, daß das Klagebegehren abgewiesen werde; hilfsweise stellt er einen Aufhebungsantrag.
Die Kläger beantragen, die Revision hinsichtlich der Forderung der erst- und zweitklagenden Partei zurückzuweisen und ihr im übrigen keine Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist auch bezüglich der Forderung der erst- und zweitklagenden Partei zulässig (§ 502 Abs 4 Z 1 ZPO), aber nicht berechtigt.
Die den Forderungen der Kläger zugrunde liegenden Bestellungen beziehen sich ausnahmslos auf das im Handelsregister des Amtsgerichtes München eingetragene Unternehmen des Ing. Erwin S***, das seinen Sitz in Ottobrunn/BRD hatte. Gemäß § 36 IPRG sind gegenseitige Verträge, nach denen die eine Partei der anderen zumindest überwiegend Geld schuldet, nach dem Recht des Staates zu beurteilen, in dem die andere Partei ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat. Schließt diese Partei den Vertrag als Unternehmer, so ist statt des gewöhnlichen Aufenthaltes die Niederlassung maßgebend, in deren Rahmen der Vertrag geschlossen wird. Da die klagegegenständlichen Verträge auf beiden Seiten im Rahmen der in der BRD liegenden Niederlassungen der Beteiligten geschlossen wurden, sind sie nach dem Rechte der BRD zu beurteilen. Daß die Parteien eine andere Rechtsordnung als maßgebend angenommen hätten (§ 35 Abs 1 IPRG), ist nicht hervorgekommen (anders für die Drittklägerin im Vorprozeß gegen Ing. Erwin S***, 1 Cg 237/81 des Landesgerichtes Linz = 1 Ob 578/85, in dem die Anwendung österreichischen Rechts im Berufungsverfahren außer Streit gestellt wurde). Das Recht der BRD gilt auch für die Beurteilung der Frage, ob der Beklagte beim Abschluß dieser Rechtsgeschäfte im eigenen Namen oder auf Grund gewillkürter Stellvertretung (§ 49 IPRG) für das Unternehmen des Ing. Erwin S*** aufgetreten ist: Eine Anknüpfung an die Rechtsordnung, die der Geschäftsherr in einer für den Dritten erkennbaren Weise bestimmt hat (§ 49 Abs 1 IPRG), kommt mangels Behauptung und Feststellung eines solchen Sachverhaltes nicht in Betracht. Dasselbe gilt für das Recht des Staates, in dem der Stellvertreter nach dem dem Dritten erkennbaren Willen des Geschäftsherrn regelmäßig tätig werden soll (§ 49 Abs 2 IPRG). Es bleibt daher nur die subsidiäre Anknüpfung an das Recht des Stattes, in dem der Stellvertreter tätig wird (das "Recht des Gebrauchsortes" gemäß § 49 Abs 3 IPRG), das auch für Fälle der Duldungsvollmacht und der Vertretung ohne Vollmacht gilt (Schwimann in Rummel, ABGB, Rz 4 zu § 49 IPRG; derselbe, Grundriß des IPR 94; 9 Ob A 45/87).
Die Forderungen der klagenden Parteien beziehen sich auf
Rechtsgeschäfte, die auf Grund eines vom Niederlassungsleiter des
Ing. Erwin S***, Wilhelm S*** VON S***, am 21. April 1980
geschlossenen Rahmenvertrages nach dem 1. Juni 1980 durch Bestellung
des damals beim Beklagten beschäftigten Poliers Johann L***
zustande kamen. Es geht daher nicht um die Frage, ob der Beklagte
für Schulden aus einer Vermögens- oder Unternehmensübernahme
(§ 1409 ABGB; § 419 BGB) haftet, sondern ob er bei jenen Geschäften,
die er nach der aufschiebend bedingten Unternehmensübernahme mit
Vertrag vom 30. Mai 1980 - unbeschadet einer weiteren Haftung des
Ing. Erwin S*** - abgeschlossen hat, im eigenen Namen aufgetreten
ist. Die Parteien des Vorvertrages vom 30. Mai 1980 haben die
Übernahme der Unternehmen durch den Beklagten von den Bedingungen
abhängig gemacht, daß "das konsolidierte Minuskapital ... per
30. August 1980 S 6,000.000,-- nicht übersteigt, sowie daß der
überwiegende Anteil der derzeitigen Belegschaft im Unternehmen
verbleibt." Dieses Rechtsgeschäft unterliegt als Vertrag zwischen
österreichischen Staatsbürgern über die gemeinsame Übernahme eines
österreichischen Unternehmens (Niederlassung Linz) und eines
Unternehmens in der BRD (Niederlassung Ottobrunn) österreichischem
Recht, weil die Übernahme des österreichischen Unternehmens durch
den Beklagten der wirtschaftliche Schwerpunkt des Vertrages war,
während das Unternehmen in Ottobrunn hingegen nur aus einem Büro und
dem Verwaltungsapparat bestand. Es ist damit auch offensichtlich,
daß die Parteien für das gesamte Rechtsgeschäft die österreichische
Rechtsordnung als maßgebend angenommen haben (§§ 35, 36 IPRG).
Dieses Rechtsgeschäft wurde unter aufschiebenden Bedingungen
abgeschlossen. Eine Bedingung, nämlich das überwiegende Verbleiben
der Belegschaft im Unternehmen, ist eingetreten; die andere Bedingung hatte ein bereits ausgefallenes Ereignis zum Gegenstand, über das aber bei den Parteien Ungewißheit bestand, so daß insoweit eine uneigentliche (aufschiebende) Bedingung vorlag (EvBl 1966/350; Rummel in Rummel, ABGB, Rz 3 zu § 897). Bei einem solchen Rechtsgeschäft tritt ein Schwebezustand nicht ein; es ist von Anfang an gültig oder ungültig (Rummel aaO).
Der Beklagte hat den Zeitpunkt, zu dem er Gewißheit darüber erlangen konnte, ob die Bedingung eingetreten war oder nicht, nicht abgewartet. Er hat vielmehr in der Erwartung, daß die Bedingung eingetreten sei, die Angestellten des Unternehmens seines Bruders sofort umgemeldet, sich im Büro des deutschen Unternehmens als neuer Chef vorgestellt, erklärt, daß von nun an seinen Anordnungen Folge zu leisten sei, die Baustellen in der BRD besichtigt und die Fertigstellung der begonnenen Arbeiten angeordnet (ohne dies den Auftragnehmern des deutschen Unternehmens mitzuteilen), sowie die (erst später widerrufene) Weisung erteilt, nur sein Briefpapier zu verwenden.
Ist strittig, ob ein Rechtsgeschäft im eigenen oder im fremden Namen vorgenommen worden ist, so ist derjenige beweispflichtig, der ein Vertretergeschäft behauptet (Palandt, BGB46 157; Thiele im Münch.Komm. Rz 117 zu § 164 BGB). Die Vorinstanzen haben die vom Revisionswerber gewünschte Feststellung, daß er bei der Fortführung und der schließlichen Liquidation des deutschen Unternehmens im Namen seines Bruders gehandelt habe, nicht getroffen. Das gesamte Verhalten des Beklagten spricht dafür, daß er im Vertrauen darauf, daß die den Schuldenstand betreffende Bedingung eingetreten sei, im eigenen Namen tätig geworden ist. Auch für die Zeit, nachdem er vom höheren Schuldenstand des Unternehmens erfahren hatte und die Anordnung erteilte, das deutsche Unternehmen aufzulösen, ist das Gegenteil - nämlich ein Handeln als direkter Stellvertreter des Ing. Erwin S*** - nicht erwiesen. Der Beklagte behauptete nämlich, daß er für einzelne noch fertigzustellende Baustellen in der BRD als Subunternehmer des Ing. Erwin S*** - und damit gegenüber den Klägern im eigenen Namen im Rahmen seines Unternehmens - tätig geworden sei. Damit kommt aber der auch in der deutschen Lehre und Rechtsprechung entwickelte Grundsatz, daß derjenige, der erkennbar "im Namen eines bestimmten Unternehmens" handelt, den jeweiligen Unternehmensträger verpflichte (Palandt aaO 157; Karsten Schmid, HR2, 95 ff; Steffen in BGB-RGRK12 § 164 Rdz 8; Thiele in Münch.Komm.
§ 164 Rz 23; BGHZ 64, 11, 15; BGHZ 62, 216, 220; aus der österr. Lehre und Rechtsprechung Hügel, Probleme des Offenlegungsgrundsatzes im Unternehmensbereich, JBl 1983, 454 f mwN aus der deutschen Rechtsprechung 523 FN 40; Peter Bydlinski, JBl 1983, 99; SZ 57/198 = JBl 1985, 616; WBl. 1987, 277) für die vom Beklagten veranlaßten, das Unternehmen seines Bruders betreffenden Fertigstellungsarbeiten nicht zum Tragen.
Der hauptsächlich auf den Baustellen in der BRD tätige Polier Johann L*** war sei 1. Juni 1980 Dienstnehmer des Beklagten. Die von L*** auf Grund der Anordnung des Beklagten gemachten Bestellungen sind daher dem Beklagten zuzurechnen, auch wenn die mit den Klägern geschlossenen Rahmenverträge, mit denen die Preise ausgehandelt wurden, noch aus der Zeit vor dem 1. Juni 1980 stammten. Daß daneben - wie der Oberste Gerichtshof in bezug auf die Forderung der drittklagenden Partei zu 1 Ob 578/85 erkannt hat, auch Ing. Erwin S*** haftet, weil den Klägern ein Wechsel in der Person des Unternehmensinhabers nicht mitgeteilt wurde, ändert an der Haftung des Beklagten, der objektiv im eigenen Namen aufgetreten ist, nichts.
Der Revision ist daher ein Erfolg zu versagen.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 41, 50 ZPO.
Anmerkung
E12791European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1987:0040OB00564.87.1130.000Dokumentnummer
JJT_19871130_OGH0002_0040OB00564_8700000_000