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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
AVG §71 Abs1 Z1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident DDr. Jakusch und die Hofräte Dr. Kail, Dr. Pallitsch, Dr. Waldstätten und Dr. Moritz als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Gubesch, über die Beschwerde des Dipl. Ing. Johann Haumer in Wien, vertreten durch Dr. Gottfried Forsthuber, Rechtsanwalt in 2500 Baden, Kaiser-Franz-Joseph-Ring 5, gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 2. Mai 2005, Zl. RU1-BR-29/001-2003, betreffend Wiedereinsetzung in den vorigen Stand in einer Bausache (mitbeteiligte Parteien: 1. Marktgemeinde Maria Taferl,
2. Austria AG, Gemeinnützige Wohnbaugesellschaft in 2340 Mödling, Bahnhofplatz 1), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Land Niederösterreich Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Marktgemeinde vom 30. Dezember 2002 wurde der zweitmitbeteiligten Partei eine Baubewilligung erteilt. Der dagegen erhobenen Berufung des Beschwerdeführers wurde mit Bescheid des Gemeindevorstandes der Marktgemeinde vom 24. Oktober 2003 keine Folge gegeben. Dieser Bescheid wurde dem Beschwerdeführer am 5. November 2003 zugestellt.
Mit dem am 1. Dezember 2003 zur Post gegebenen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, verbunden mit einer Vorstellung gegen den Bescheid des Gemeindevorstandes der mitbeteiligten Marktgemeinde vom 24. Oktober 2003, beantragte der Beschwerdeführer die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Erhebung des außerordentlichen Rechtsmittels der Vorstellung gegen den vorgenannten Bescheid der mitbeteiligten Marktgemeinde und führte hiezu aus, er habe den nunmehrigen Beschwerdeführervertreter zur Erhebung der Vorstellung beauftragt. Der Beschwerdeführervertreter habe diese Vorstellung am 17. November 2003 seiner Mitarbeiterin diktiert und den geschriebenen Schriftsatz sodann zwecks Korrektur in seinen Handakt gegeben, welchen er zu einer Tagung nach Salzburg mitgenommen habe. Bedingt durch Gesprächstermine im Laufe des 18. November 2003 sei es dem Beschwerdeführervertreter erst am 19. November 2003 möglich gewesen, den Akt nochmals zu studieren und das vorbereitete Rechtsmittel zu überprüfen. Als für den Beschwerdeführervertreter absehbar gewesen sei, dass seine Anwesenheit in Salzburg bis in die frühen Abendstunden dauern werde, habe er nach dem Mittagessen dem Prokuristen der Raiffeisenbank B., Herrn H.B., das Kuvert samt Rechtsmittel mit dem Ersuchen übergeben, die Sendung beim nächst gelegenen Postamt eingeschrieben zur Post zu geben; die Erledigung des Ersuchens habe ihm Herr H.B. versprochen. Diesem sei jedoch der Fehler unterlaufen, dass er erst am Morgen des 20. November 2003, bemerkt habe, dass er das ihm anvertraute Kuvert noch immer in seiner Sakkotasche getragen und vergessen habe, das Rechtsmittel tatsächlich am 19. November 2003 zur Post zu geben. Herr H. B. habe daraufhin unverzüglich den Beschwerdeführervertreter angerufen und diesem von seinem Fehler Mitteilung gemacht. Der Beschwerdeführervertreter habe sich auf den zuverlässigen H.B. als Boten verlassen können. Sowohl das Verhalten des Beschwerdeführervertreters als auch das Verhalten des Prokuristen H.B. stelle sich für den Beschwerdeführer als unvorhergesehenes Ereignis dar, wodurch er gehindert gewesen sei, das Rechtsmittel der Vorstellung fristgerecht zur Post zu geben. Den Beschwerdeführervertreter treffe kein Verschulden. Der Fehler sei nämlich erst am 20. November 2003 dem Beschwerdeführervertreter bekannt geworden.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wurde der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand als unbegründet abgewiesen (Spruchpunkt I.) und die Vorstellung als verspätet zurückgewiesen (Spruchpunkt II.). Hinsichtlich der Beurteilung, ob ein minderer Grad des Versehens vorliege, sei im Falle der Beurteilung eines Wiedereinsetzungsantrages an berufliche rechtskundige Parteienvertreter ein strengerer Maßstab anzulegen als an rechtsunkundige oder bisher noch nie am Verfahren beteiligte Personen. Sei die Versäumung voraussehbar gewesen und hätte sie durch ein den Parteienvertreter zumutbares Verhalten abgewendet werden können, sei die Wiedereinsetzung zu verweigern. Wer beauftragt werde, einen Brief zur Post zu geben, sei Bote. Sein Verschulden treffe nicht den Auftraggeber, dieser sei jedoch für eine zumutbare, der Sachlage nach gebotene Überwachung verantwortlich. Der Beschwerdeführervertreter habe auf eine Kontrolle der Umsetzung des erteilten Auftrages verzichtet, obwohl es weitab jeder herkömmlichen Ablauforganisation einer Anwaltskanzlei liege, Poststücke durch - wenn auch persönlich bekannte - Tagungsteilnehmer zur Post zu geben. In einer solchen, von der normalen Postabfertigung in einer Kanzlei abweichenden, außergewöhnlichen Situation hätte sich der Beschwerdeführervertreter jedenfalls vergewissern müssen, ob der als Bote verwendete Prokurist den ihm erteilten Auftrag auch tatsächlich erfüllt habe, dies nicht zuletzt deshalb, weil die Aufgabe von Briefen im Allgemeinen nicht zu den für einen Prokuristen persönlich wahrzunehmenden Tätigkeiten zähle. Dass der Beschwerdeführervertreter es unterlassen habe, sich zumindest telefonisch bei dem via Mobiltelefon erreichbaren Boten über die Durchführung seines Auftrages zu erkundigen, stelle ein Verschulden dar, das über einen minderen Grad des Versehens hinausgehe. Bei einer rechtzeitigen Kontrolle hätte die Fristversäumung vermieden werden können. Die Vorstellung sei deshalb auch als verspätet zurückzuweisen gewesen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in welcher Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht wird. Der Beschwerdeführer erachtet sich in seinem Recht auf Bewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Erhebung der Vorstellung gegen den Bescheid des Gemeindevorstandes der mitbeteiligten Marktgemeinde vom 24. Oktober 2003 verletzt. Dem Beschwerdeführervertreter sei kein Verschulden anzulasten. Der von ihm mit der Aufgabe des Rechtsmittels beauftragte Prokurist sei eine verlässliche Person, die beruflich als Bankbediensteter stets mit wirtschaftlichen und rechtlichen Angelegenheiten zu tun habe und ein erhebliches Maß an Verantwortung trage. Der Beschwerdeführervertreter habe, nachdem er erkannt hatte, dass er aller Voraussicht nach das Rechtsmittel nicht mehr rechtzeitig zur Post bringen werde können, das einzig Richtige getan und eine zuverlässige Person mit der Postaufgabe des Rechtsmittels beauftragt. Der Beschwerdeführervertreter habe zu Recht davon ausgehen können, dass seinem Ersuchen um fristgerechte Postaufgabe entsprochen werde, zumal er die beauftragte Person als zuverlässig und vertrauenswürdig gekannt habe. Es sei Parteienvertretern im Allgemeinen nicht zumutbar, selbst diejenigen Aufgaben zu erfüllen, für deren Besorgung er sich der Mithilfe von Kanzleikräften bediene. Eine von ihm angeordnete Postaufgabe müsse von ihm auf ihr tatsächliches Stattfinden nicht kontrolliert werden. Solange er nicht durch Fälle von Unzuverlässigkeit zur persönlichen Aufsicht und zur Vornahme von Kontrollmaßnahmen genötigt werde, könne er sich darauf verlassen, dass sein Kanzleipersonal eine ihm aufgetragene Weisung auch befolge. Die belangte Behörde habe sich mit der vorgelegten eidesstattlichen Erklärung des Boten nicht auseinandergesetzt. Die belangte Behörde hätte feststellen müssen, dass es dem Beschwerdeführervertreter in der Zeit, wo die Postämter noch geöffnet hatten, nicht möglich gewesen wäre, mit dem Prokuristen in Kontakt zu treten.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 71 Abs. 1 Z. 1 AVG ist gegen die Versäumung einer Frist oder einer mündlichen Verhandlung auf Antrag der Partei die durch die Versäumung einen Rechtsnachteil erleidet, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn die Partei glaubhaft macht, dass sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert war, die Frist einzuhalten oder zur Verhandlung zu erscheinen und sie kein Verschulden oder nur ein minderer Grad des Versehens trifft.
Soweit sich eine Partei im Verfahren eines Rechtsvertreters bedient, ist ihr ein Verschulden dieses Vertreters wie eigenes Verschulden zuzurechnen. Im Falle einer Fristversäumung hängt die Bewilligung der Wiedereinsetzung diesfalls davon ab, dass weder die Partei noch den bevollmächtigen Rechtsanwalt ein Verschulden trifft, das über einen minderen Grad des Versehens hinausgeht. Wer lediglich beauftragt wird, einen Brief zur Post zu geben, ist Bote und nicht Rechtsvertreter. Sein Verschulden trifft den Auftraggeber nicht; dieser ist allerdings für eine zumutbare und der Sachlage nach gebotene Überwachung verantwortlich (vgl. die bei Walther/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze I2 (1998), Seite 1561 f, dargestellte Judikatur).
Im vorliegenden Fall hat sich der Beschwerdeführervertreter für die Postaufgabe des außerordentlichen Rechtsmittels einer Vorstellung eines Boten bedient, der jedoch vergessen hat, diesem Ersuchen zu entsprechen.
Wie in dem mit hg. Erkenntnis vom 15. September 2004, Zl. 2004/04/0126, entschiedenen Beschwerdefall hätte es auch im vorliegenden Fall einer Kontrolle des Beschwerdeführervertreters bedurft, ob der dem Boten erteilte Auftrag auch tatsächlich ausgeführt wurde, weil es sich um eine weitab jeder herkömmlichen Organisation einer Anwaltskanzlei liegende Vorgangsweise handelt, eine kanzleifremde Person mit der Aufgabe von Poststücken zu betrauen. In einer solchen, von der üblichen Postabfertigung in einer Rechtsanwaltskanzlei abweichenden, außergewöhnlichen Situation hätte sich der Beschwerdeführervertreter jedenfalls vergewissern müssen, ob der als Bote verwendete Prokurist einer Bank dem erteilten Auftrag, einen Brief zur Post zu bringen, auch tatsächlich entsprochen hat. Da der Beschwerdeführervertreter jegliche Vergewisserung betreffend die Erfüllung des Auftrages zur Postaufgabe durch den Boten unterlassen hat, ist im vorliegenden Fall von einem Verschulden, das über einen minderen Grad des Versehens hinausgeht, auszugehen.
In seinem Wiedereinsetzungsantrag hat der Beschwerdeführer nicht behauptet, sein Vertreter hätte versucht, sich von der rechtzeitigen Aufgabe des Rechtsmittels zu vergewissern. Das diesbezügliche Sachverhaltsvorbringen in der Beschwerde stellt sich demnach als eine nicht beachtliche unzulässige Neuerung im Sinne des § 41 Abs. 1 VwGG dar. Ausgehend davon, dass der Beschwerdeführervertreter verpflichtet war, sich von der rechtzeitigen Postaufgabe des Schriftstückes durch den Boten zu vergewissern, bedurfte es daher keiner weiteren Auseinandersetzung der belangten Behörde mit dem Vorbringen in der eidesstattlichen Erklärung des Prokuristen.
Die Beschwerde war aus diesen Gründen gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 2003/333.
Wien, am 20. September 2005
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2005:2005050155.X00Im RIS seit
26.10.2005