TE OGH 1987/11/30 4Ob393/87

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Veröffentlicht am 30.11.1987
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Prof.Dr. Friedl als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Gamerith, Dr. Kodek, Dr. Niederreiter und Dr. Redl als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei S*** G*** U*** W***, Wien 4., Schwarzenbergplatz 14, vertreten durch Dr. Walter Prunbauer, Dr. Friedrich Prunbauer und Dr. Marcella Prunbauer, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei H*** B*** Gesellschaft mbH, Gerasdorf, Brünner Straße 151, vertreten durch Dr. Daniel Charim, Rechtsanwalt in Wien, wegen Unterlassung und Urteilsveröffentlichung (Streitwert S 220.000,--), infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgerichtes vom 13. Juli 1987, GZ 6 R 134/87-22, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt vom 25. März 1987, GZ 21 Cg 162/86-17, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 7.928,25 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin S 720,75 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der klagende Verband hat unter anderem den Zweck, gegen unlauteren Wettbewerb einzuschreiten. Zu seinen Mitgliedern zählt das Landesgremium Kärnten für den Einzelhandel mit Blumen. Die Beklagte betreibt das Blumenbindergewerbe und den Einzelhandel mit Blumen in mehreren Filialen in Kärnten, darunter in Klagenfurt, Villacherstraße 127 und Völkermarkterstraße 75 sowie in Villach, Ossiacherzeile 84 und Ghonallee 2. Die Beklagte hatte ihre Filiale in Klagenfurt, Villacherstraße 127, an 13 Sonn- oder Feiertagen des Jahres 1986 zwischen 9.00 und 17.00 Uhr offengehalten; ihre Filiale in Klagenfurt, Völkermarkterstraße 75, war im Jahr 1986 an 3 Sonn- oder Feiertagen geöffnet. Die beiden Villacher Filialen hatte die Beklagte - im Lokal Ghonallee 2 von 2 Sonntagen und im Lokal Ossiacherzeile 84 von 4 oder 5 Sonntagen abgesehen - im Jahr 1986 an allen Sonn- und Feiertagen zwischen 8.30 Uhr und 20.00 Uhr geöffnet. In allen offengehaltenen Geschäften hat die Beklagte die Kunden betreut und ihnen Blumen verkauft. Das Geschäft in Klagenfurt, Villacherstraße 127, ist rund 400 m vom nächstgelegenen Friedhof entfernt. Zwischen dem Lokal in Klagenfurt, Völkermarkterstraße 75, und dem nächsten Krankenhaus liegt rund 1 km; die Entfernung zum nächsten Friedhof beträgt 750 m. Die Filiale Villach, Ghonallee 2, ist etwa 200 m vom Tor einer Gedächtnisstätte mit mehreren Grabanlagen entfernt. Von dem Geschäft in Villach, Ossiacherzeile 84, sind bis zum nächsten Krankenhaus 400 bis 500 m und bis zum nächsten Friedhof etwa 700 m zurückzulegen. Mit der Behauptung, die Beklagte verstoße mit ihren Öffnungszeiten gegen die Vorschriften des Sonn- und Feiertags-Betriebszeitengesetzes (BZG) und des Arbeitsruhegesetzes (ARG) sowie gegen die in der Arbeitsruhegesetz-Verordnung (ARG-VO) vorgesehenen Ausnahmebestimmungen und damit gleichzeitig gegen § 1 UWG, begehrt der Kläger, die Beklagte schuldig zu erkennen, im geschäftlichen Verkehr beim Handel mit Blumen in Kärnten es zu unterlassen, an Sonn- und Feiertagen Betriebsstätten offenzuhalten und/oder eine gewerbliche Tätigkeit auszuüben, soweit dies nicht gesetzlich zugelassen ist. Gleichzeitig wird ein Urteilsveröffentlichungsbegehren gestellt.

Die Beklagte beantragte die Abweisung der Klage. Soweit sie eine Betriebsstätte an nicht mehr als 6 Sonn- oder Feiertagen offengehalten habe, liege schon deshalb kein Verstoß gegen die Pflicht zur Sonn- und Feiertagsruhe vor; im übrigen seien die erwähnten Betriebsstätten bei Friedhöfen oder Krankenhäusern gelegen. Der Erstrichter gab der Klage statt. Zusätzlich zum eingangs wiedergegebenen Sachverhalt traf er noch folgende Feststellungen zur örtlichen Lage der Filialen:

a) Filiale Klagenfurt, Villacherstraße 127:

Das Geschäftslokal befindet sich im östlichsten Teil des Hauses, das südlich der Villacherstraße gelegen ist. Zwischen dem Haus und der Straße verläuft ein Gehsteig. Das Haus selbst erstreckt sich bis zur Einmündung der Josef-Gruber-Straße. Gegenüber dieser Straße setzt sich der Gehsteig in Richtung Steinerne Brücke fort. Rund 100 m westlich vom Geschäftslokal der Beklagten befindet sich südlich der Villacherstraße eine Autobushaltestelle, die nur dem stadteinwärts fahrenden Verkehr dient. Von dieser Haltestelle führt der Gehsteig in gerader Richtung weiter bis zur Kreuzung der Villacherstraße mit der Luegerstraße gegenüber der Steinernen Brücke; die Entfernung bis dahin beträgt 67 m. Von dort führt der Gehsteig östlich der Luegerstraße in südliche Richtung weiter; nach weiteren 147 m befindet man sich auf der Höhe der nordöstlichen Kante des Friedhofs. Der Friedhof selbst ist von einer Mauer umgeben. Er liegt westlich des westlichen Gehsteiges bei der Luegerstraße. Von dieser Stelle aus sind es weitere 75 m bis zum Eingang auf der östlichen Seite des Friedhofs St. Martin. Durchschreitet man von dieser Stelle aus den Schutzweg über die Luegerstraße zum Eingang, dann legt man weitere 18 m zurück. Die Strecke zwischen der gegenüber dem nordöstlichsten Punkt des Friedhofs St. Martin gelegenen Stelle über die Luegerstraße hin bis zur Nordostbegrenzung des Friedhofs beträgt 18 m. Entlang der Nordseite des Friedhofs verläuft eine Mauer und daneben ein unbenannter Weg. Von der Nordostkante des Friedhofs bis zu dem an der Nordseite gelegenen Eingang liegen weitere 68 m. Der Abstand zwischen der Steinernen Brücke und der Mitte der nördlich der Villacherstraße gelegenen Autobushaltestelle beträgt etwa 37 m. Diese Haltestelle dient dem stadtauswärts fahrenden Verkehr. Weder bei dieser noch bei der zuerst genannten Haltestelle findet sich ein Hinweis auf den Friedhof St. Martin. Ein Friedhofsbesucher, der mit einem stadteinwärts fahrenden Autobus bei der Haltestelle aussteigt, um sich Blumen aus dem Geschäft der Beklagten zu holen, muß weitere 100 m bis zu deren Filiale zurücklegen; insgesamt hat er demnach eine Wegstrecke von 500 m zu gehen. Steigt ein Friedhofsbesucher bei der Haltestelle für die stadtauswärts fahrenden Busse aus und geht er zum Geschäft der Beklagten, dann legt er zunächst eine Wegstrecke von etwa 200 m und sodann bis zum Friedhof weitere 400 m, insgesamt somit 600 m, zurück.

b) Filiale Klagenfurt Völkermarkterstraße 75:

Dieses Geschäft der Beklagten befindet sich nördlich der Völkermarkterstraße. Das Elisabethinen-Krankenhaus liegt rund 1 km westlich dieser Filiale. Östlich des Geschäftes liegt in einer Entfernung von 750 m südlich der Völkermarkterstraße ein Friedhof.

c) Filiale Villach, Ghonallee 2:

Im Osten des als Parkanlage benützten Grundstückes 43/6, das im Osten an die Ossiacherzeile und im Norden an den Draufluß angrenzt, liegt das Grundstück Nr. 43/9 mit einer Länge von 37 m und einer Breite von etwa 9 m. Im Westen ist es durch eine Thujenhecke und eine Mauer, im Süden durch eine Mauer gegenüber der Straße und im Osten und Norden bis zur Thujenhecke durch eine weitere durchgehende Steinmauer abgeschlossen. Von der im Süden des Grundstückes vorbeiführenden Straße gelangt man durch ein Tor auf das Grundstück 43/9. An der Mauer, die das Grundstück östlich und nördlich begrenzt, befinden sich mehrere monumentale Begräbnisstätten und Erinnerungstafeln, die an der Mauer angebaut oder in diese eingelassen sind. Anschließend an einen Platz vor dem südlichen Eingang befindet sich eine offene Grabkapelle mit einer Gruft in der Größe von etwa 2 x 5 x 3 m; dabei handelt es sich um die Grabstätte der Familie G***. Als letzte hat dort die am 2. Jänner 1964 verstorbene Maria G*** ihre letzte Ruhestätte gefunden. Im Anschluß daran sind in die Mauer in einer Länge von rund 4 bis 5 m mehrere Gedenktafeln eingebaut. In einer danach etwas vorspringenden Mauernische befindet sich ein weiterer Begräbnisstein. In die daran anschließende Mauer sind in einer Länge von ca. 11 m weitere Gedenktafeln eingelassen. Von einer Gedenktafel mit dem Hinweis auf die Familie R*** befindet sich ein kleines mit Blumen bepflanztes Hügelgrab. Nach den 11 m stehen zwei größere Grabkapellen. Bei der einen von ihnen scheint die letzte Eintragung der Gruft auf das Jahr 1952 zurückzugehen; es handelt sich um das Familiengrab der Familie T***-T***. Die letzte Grabkapelle weist auf die Ruhestätte der Familie S*** hin. An der Nordseite der Grundstücksfläche befindet sich ein Kreuz. An der Nordmauer sind 7 Gedenktafeln eingebaut. Bei dieser Anlage handelt es sich um eine Gedächtnisstätte, die teilweise besucht wird. Vom Tor aus gelangt man auf die südlich des Grundstückes 46/9 vorbeiführende Straße; von dort sind es 30 bis 40 m zur Ossiacherzeile, von der ein Gehsteig bis zur Kreuzung mit der Ghonallee führt. Der Kreuzung gegenüber liegt das Geschäftslokal der Beklagten, etwa 200 m vom Tor der Gedächtnisstätte entfernt. Ein anderes Blumengeschäft befindet sich dort nicht. Zumindest seit 1974 hat dort kein Begräbnis mehr stattgefunden. Angehörige, deren Verwandte in den Grüften bestattet sind, besuchen fallweise die Gedenkstätten.

d) Filiale Villach, Ossiacherzeile 84:

Dieses Geschäftslokal liegt 400 bis 500 m vom nächsten Krankenhaus, dem Landeskrankenhaus Villach, entfernt. Sein Abstand zum nächsten Friedhof, dem Zentralfriedhof Villach, beläuft sich auf etwa 700 m.

Rechtlich meinte der Erstrichter, die Vorschriften über die Sonn- und Feiertagsruhe seien wettbewerbsregelnde und nicht wertneutrale Normen; ein Verstoß dagegen sei ein sittenwidriges Verhalten, das geeignet sei, sich im Wettbewerb einen Vorsprung gegenüber den gesetzestreuen Mitbewerbern zu verschaffen. Damit würden die guten Sitten im Wettbewerb (§ 1 UWG) verletzt. Nach Punkt I Z 2 lit c der Anlage zur ARG-VO BGBl. 1984/149 sei in Betrieben der Bundesinnung der Gärtner und Blumenbinder die Betreuung der Kunden im Detailverkauf aa) bei Friedhöfen während der Öffnungszeiten und bei Krankenanstalten während der Besuchszeiten und bb) an 6 Sonn- oder Feiertagen im Jahr gestattet. Weder die Filialen in Klagenfurt noch jene in Villach, Ossiacherzeile 84, lägen bei einem Friedhof oder Krankenhaus. Das Wort "bei" solle ein örtliches Naheverhältnis des Geschäftes zu dem Friedhof oder zu einem Krankenhaus herstellen; es sei im Sinne der in der früher in Geltung gestandenen Verordnung des Landeshauptmanns von Kärnten LGBl. 1959/20 verwendeten Worte "in unmittelbarer Nähe von Friedhöfen oder Krankenanstalten" zu verstehen. Diese Voraussetzungen lägen aber nicht vor, wenn die Filialen 400 bis 500 m vom nächsten Friedhof oder rund 1 km vom Krankenhaus entfernt seien. Was die Filiale Klagenfurt, Villacherstraße 127, anlange, komme hinzu, daß die Autobushaltestellen keinen Hinweis auf einen Friedhof enthielten und die Käufer durch die entfernte Lage der Haltestellen vom Geschäftslokal noch einen weiteren Weg hätten, als wenn sie sich von der Haltestelle unmittelbar zum Friedhof begäben. Auch das Geschäftslokal in Villach, Ghonallee 2, befinde sich nicht in der Nähe eines Friedhofes. Nach § 17 Abs 2 des Kärntner Landesgesetzes vom 2. Juli 1971 LGBl. 61 über das Leichen- und Bestattungswesen fielen unter den Begriff der "Bestattungsanlagen" Friedhöfe zur Bestattung von Leichen oder Leichenasche, Urnenhaine sowie Sonderbestattungsanlagen. Da zumindest seit 1974 in der Anlage an der Ghonallee keine Bestattungen mehr vorgekommen seien und auch keine Öffnungszeiten bestünden, handle es sich bei dem Grundstück 43/9 nicht um einen Friedhof, sondern allenfalls um eine Sonderbestattungsanlage. Die beiden Villacher Filialen der Beklagten sowie ihr Geschäft in Klagenfurt, Villacherstraße 127, seien im Jahr 1986 an wesentlich mehr als an 6 Sonn- und Feiertagen geöffnet gewesen. Das Unterlassungsbegehren, das sich nicht auf bestimmte Betriebsstätten bezogen habe, sei daher begründet.

Auch das Veröffentlichungsbegehren sei berechtigt: Die Beklagte habe in den Jahren 1986 und 1987 mehrfach gegen die gesetzlichen Bestimmungen verstoßen und damit gesetzliche Vorschriften bewußt mißachtet. Dies fordere die nachhaltige und eindrückliche öffentliche Aufdeckung der unlauteren Wettbewerbshandlungen und die Aufklärung des Publikums über die wahre Sachlage.

Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil mit der Maßgabe, daß es dem Unterlassungsgebot folgende Fassung gab: "Die Beklagte ist schuldig, es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr beim Handel mit Blumen in Kärnten in ihren Betriebsstätten, die sich nicht bei einem Friedhof oder bei einer Krankenanstalt befinden, an mehr als 6 Sonn- oder Feiertagen im Jahr, insbesondere durch Offenhalten der Geschäftslokale, die Kundenbetreuung im Detailverkauf auszuüben." Es sprach ferner aus, daß der Wert des Streitgegenstandes S 300.000,-- übersteige. Das Gericht zweiter Instanz billigte die rechtliche Beurteilung des Erstrichters. Die Ausnahmeregelung des Punktes I Z 2 lit c der Anlage zur ARG-VO sei dahin zu verstehen, daß sie für jede einzelne Betriebsstätte (Filiale) gesondert gelte. Habe ein Unternehmen mehrere Betriebsstätten, so könne jede einzelne von ihnen an 6 Sonn- oder Feiertagen im Jahr (und an den in der genannten Verordnung aufgezählten Samstagen) und außerdem, wenn sie bei einem Friedhof oder einer Krankenanstalt liege, während der Öffnungs(Besuchs-)zeiten dieser Einrichtungen offenhalten. Dieser Ausnahmeregelung der ARG-VO, bei der es sich um keine wertneutrale Ordnungsvorschrift handle, habe die Beklagte dadurch zuwidergehandelt, daß sie ihre Filiale in Klagenfurt, Villacherstraße 127, im Jahr 1986 an 13 Sonn- und Feiertagen und die Filiale in Villach, Ossiacherzeile 75, im Jahr 1986 mit Ausnahme von 4 oder 5 Sonntagen an allen Sonn- und Feiertagen offengehalten und dabei die näher festgestellte gewerbliche Tätigkeit entfaltet habe. Dieses Verhalten wäre nämlich - vorbehaltlich der Frage, ob dabei die konkreten Öffnungszeiten der Friedhöfe (Besuchszeiten der Krankenanstalten) beachtet worden seien - nur dann durch die bestehende Vorschrift gedeckt, wenn sich die beiden Filialen bei einem Friedhof (einer Krankenanstalt) befänden, zumal mangels gegenteiliger Behauptungen ohne weiteres davon auszugehen sei, daß die in Betracht kommenden Friedhöfe und die Krankenanstalten den Besuchern an allen Sonn- und Feiertagen offenstünden. Entgegen der Ansicht der Beklagten lägen jedoch die beiden in Rede stehenden Filialen nicht bei einem Friedhof oder bei einer Krankenanstalt: Die Filiale in Klagenfurt, Villacherstraße 127, sei von den beiden Eingängen des nächstgelegenen Friedhofs St. Martin etwa 400 m, die Filiale in Villach, Ossiacherzeile 84, vom Landeskrankenhaus Villach 400 bis 500 m und vom nächsten Friedhof rund 700 m entfernt. Im Hinblick auf diese Distanzen fehle das durch das Vorwort "bei" nach dem allgemeinen Sprachgebrauch zum Ausdruck gebrachte unmittelbare örtliche Naheverhältnis. Gegenüber dem Wortlaut der bis 31. Dezember 1985 in Kärnten in Geltung gestandenen Verordnung LGBl. 1959/20 ("in unmittelbarer Nähe von Friedhöfen oder Krankenanstalten") sei keine Erweiterung eingetreten. Der Begriff "bei einem Friedhof (einer Krankenanstalt)" sei auf Grund der jeweiligen örtlichen Gegebenheiten auszulegen, ohne daß ein absolutes Maß statuiert werden könnte, innerhalb dessen ein Geschäftslokal noch oder nicht mehr als "bei einem Friedhof (einer Krankenanstalt)" gelegen anzusehen wäre. Betrage aber die Entfernung zwischen der Betriebsstätte und dem nächstgelegenen Friedhof (Krankenhaus) rund einen halben Kilometer oder mehr, dann könne ohne Vorliegen besonderer Umstände, die im Einzelfall eine solche Subsumtion etwa dennoch gerechtfertigt erscheinen ließen, kein örtliches Naheverhältnis mehr angenommen werden. Das Offenhalten der erwähnten Betriebsstätten sei demnach - von den hier nach dem Inhalt des Klagebegehrens nicht interessierenden Samstagen abgesehen - auf 6 Sonn- oder Feiertage im Jahr beschränkt gewesen. Dieses Limit habe die Beklagte in beiden Betriebsstätten im Jahre 1986 überschritten. Die Frage, ob die von der "Gedächtnisstätte" nur 200 m entfernte Filiale in Villach, Ghonallee 2, "bei einem Friedhof" liege, könne daher auf sich beruhen.

Werde bewußt über ein Gesetz (oder eine Verordnung) hinweggegangen, um im Wettbewerb einen Vorsprung gegenüber gesetzestreuen Mitbewerbern zu erlangen, dann liege ein Verstoß gegen § 1 UWG vor. Im übrigen wäre das Verhalten der Beklagten jedenfalls sittenwidrig, weil sie die geltende Rechtsordnung dauernd und planmäßig verletzt habe, um einen Vorsprung vor gesetzestreuen Mitbewerbern zu erlangen. Der Unterlassungsanspruch bestehe daher zu Recht. Das vom Kläger gestellte Unterlassungsbegehren sei jedoch zu weit gefaßt. Ein gerichtliches Unterlassungsgebot, das nur auf gesetzliche Bestimmungen verweise, entspreche nicht den Anforderungen des § 7 EO. Das Gericht könne jedoch dem Urteilsbegehren eine andere, dem klar erkennbaren Willen des Klägers entsprechende Fassung geben, sofern diese in den Klagebehauptungen eine eindeutige Grundlage finde und sich inhaltlich mit dem Begehren decke. Das Unterlassungsgebot sei daher neu zu fassen gewesen. Die Anordnung der Urteilsveröffentlichung sei durch § 25 Abs 4 UWG gedeckt. Die Veröffentlichung in 2 Tageszeitungen sei bei der Art des Wettbewerbsverstoßes der Beklagten und dem sich daraus ergebenden Interesse der Allgemeinheit, unlautere Wettbewerbshandlungen in aller Öffentlichkeit aufzudecken, nicht zu beanstanden.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der Beklagten wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung dahin abzuändern, daß das Klagebegehren abgewiesen werde; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt. Der Kläger beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Die Beklagte beharrt auf ihrem Standpunkt, der in der mehrfach erwähnten Verordnung gebrauchte Begriff "bei" (Friedhöfen oder Krankenanstalten) sei zweifellos weiter als der in der - außer Kraft getretenen - Verordnung LGBl. 1959/280 verwendete Begriff "in unmittelbarer Nähe". Zu letzterem Begriff habe der Oberste Gerichtshof ausgesprochen, daß ein Blumengeschäft, das 140 m vom Friedhofsende und 80 m von der Haltestelle eines zum Friedhof führenden öffentlichen Verkehrsmittels gelegen sei, sich in unmittelbarer Nähe des Friedhofs befinde. Die hier festgestellte Entfernung von 314 m zwischen dem Blumengeschäft in der Villacherstraße 127 und der Friedhofsmauer (nicht dem Friedhofseingang) rechtfertige daher, davon zu sprechen, daß der Blumenladen "bei" dem Friedhof gelegen sei. Die jeweiligen örtlichen Gegebenheiten, insbesondere die Verkehrsverhältnisse, seien zu berücksichtigen. Feststellungen darüber, in welcher Entfernung sich die nächstgelegenen Haltestellen der zum Friedhof führenden öffentlichen Verkehrsmittel befunden hätten, fehlten in den Urteilen der Vorinstanzen.

Diese Ausführungen sind nicht stichhältig.

Jede Gesetzesauslegung hat mit der Erforschung des Wortsinnes zu beginnen (Koziol-Welser8 I 20). Dabei ist grundsätzlich zu fragen, welche Bedeutung einem Ausdruck nach dem allgemeinen Sprachgebrauch oder nach dem Sprachgebrauch des Gesetzgebers zukommt (§ 6 ABGB; Bydlinski in Rummel, ABGB, Rz 17 zu § 6; Koziol-Welser aaO). Das Vorwort "bei" gehört der Alltagssprache an und hat auch in der Sprache des Gesetzgebers keine davon abweichende Bedeutung. Es dient - unter anderem - zur Angabe der räumlichen Nähe; ob damit eine besonders enge Nähe, eine lose Berührung oder gar nur der Hinweis auf etwas weiter entfernt Gelegenes gemeint wird, hängt jeweils von der Wortverbindung ab (vgl. Duden, Das große Wörterbuch der Deutschen Sprache in 6 Bänden, Band 1, 331; Duden, Bedeutungswörter2, 124 und die dort angeführten Beispiele). Wird etwa von einer Schlacht "bei" einer Stadt oder von einem (kleineren) Ort "bei" einer größeren Stadt gesprochen, so bedeutet das Wörtchen "bei" in diesem Zusammenhang nur den Hinweis auf die nächstgelegene größere oder bekanntere Stadt, mag diese auch etliche Kilometer weit entfernt liegen. Wird hingegen gesagt, daß ein Haus oder ein Teil des Hauses (eine Wohnung oder Geschäftsräume) "bei" einem bestimmten Objekt (zum Beispiel einer Kirche, einer Schule udgl.) liege, dann soll das Vorwort "bei" hier die unmittelbare Nähe zum Ausdruck bringen, also angeben, daß das Haus "dicht" an oder ganz nahe dem anderen Objekt sei. Auch in diesem Fall läßt sich aber die Berechtigung der Verwendung des Wortes "bei" nicht auf Grund allgemeiner Angaben über die Entfernung in Metern beurteilen: Liegt etwa ein Haus 200 m von einer Kirche entfernt, so wird man dann sagen können, es befinde sich "bei" der Kirche, wenn das Gelände zwischen Haus und Kirche unverbaut ist; sind aber zwischen das Haus und die Kirche mehrere andere Häuser eingeschoben, dann wäre die Beschreibung der Lage des erwähnten Hauses mit den Worten "bei der Kirche" eher irreführend.

Betrachtet man die - vom Erstrichter im einzelnen genau festgestellte - Lage des Blumengeschäftes der Beklagten in Klagenfurt, Villacherstraße 127, im Verhältnis zum Friedhof St. Martin, dann widerspräche es dem allgemeinen Sprachgebrauch, wollte man sagen, das Blumengeschäft befinde sich "bei" dem Friedhof. Das Geschäft ist nicht nur mehr als 300 m von der Friedhofsmauer und mehr als 400 m von jedem der beiden Eingänge des Friedhofs entfernt; es liegt auch in einer anderen Straße. Zwischen dem Haus und der Luegerstraße, von der aus man zu den beiden Friedhofseingängen gelangt, verläuft noch eine weitere Straße (die Josef-Gruber-Straße) (siehe Skizze auf der Rückseite der Beilage 1). Sowohl an der Josef-Gruber-Straße als auch an der Villacherstraße und an der Luegerstraße stehen Häuser (siehe Stadtplan Beilage 1). Vom Friedhof St. Martin aus kann man demnach das Haus mit der Filiale der Beklagten nicht sehen. Dieses Geschäftslokal ist zwar in der (näheren) Umgebung des Friedhofs, nicht aber bei dem Friedhof gelegen.

Auch wenn man aber die Ergebnisse der sprachlichen Auslegung für nicht eindeutig halten und daher die Mittel der objektiv-teleologischen Auslegung heranziehen wollte (Bydlinski aaO Rz 20), wäre für die Beklagte nichts zu gewinnen. Der offenkundige Zweck der hier anzuwendenden Bestimmung des Ausnahmekataloges zur ARG-VO Punkt I Z 2 lit c aa) liegt darin, all denen, die einen Friedhof während der Öffnungszeiten oder eine Krankenanstalt während der Besuchszeiten aufsuchen wollen, die Möglichkeit zu verschaffen, unmittelbar vor dem Besuch Blumen zu kaufen, und zwar auch dann, wenn der Besuch in eine Zeit fällt, zu der Wochenend- und Feiertagsruhe herrscht. Der Verordnungsgeber ist aber nicht so weit gegangen, zu diesem Zweck den Gärtnern und Blumenbindern ganz allgemein das Offenhalten auch an Sonn-, Feier- und Samstagen zu gestatten; er hat vielmehr die Ausnahmeregelung auf Betriebe dieser Geschäftszweige bei Friedhöfen und bei Krankenanstalten und überdies auch nur auf die Öffnungs- bzw Besuchszeiten dieser Einrichtungen beschränkt. Nach dem Zweck der Bestimmung mag allenfalls auch die Auffassung vertretbar sein, daß auch ein nicht ganz nahe und nicht in Sichtweite eines Friedhofs oder einer Krankenanstalt befindliches Blumengeschäft dann bei dem Friedhof (oder der Krankenanstalt) gelegen ist, wenn es sich auf dem Weg von der Ausstiegsstelle eines den Friedhofs-(Krankenanstalts-)Besuchern dienenden Massenbeförderungsmittels zum Friedhof (zur Krankenanstalt) befindet. Auch das trifft aber auf das Geschäftslokal der Beklagten in Klagenfurt, Villacherstraße 127, nicht zu. Dieses Geschäft liegt nämlich vom Friedhof weiter entfernt als beide hier in Frage kommenden Autobushaltestellen. Wer bei einer dieser Haltestellen ankommt, müßte, um Blumen für seinen Friedhofsbesuch bei der Beklagten zu kaufen, in jedem Fall einen Umweg machen. Daß es in Friedhofsnähe noch andere Haltestellen gäbe, hat die Beklagte nicht behauptet.

Die Beklagte hat somit zumindest diese Betriebsstätte an mehr als 6 Sonn- und Feiertagen Punkt I Z 2 lit c bb) der Anlage zur ARG-VO offengehalten, obgleich sie dort keine nach § 2 Abs 1 BZG zulässige Tätigkeit vorgenommen hat. Die Ausnahme des § 2 Abs 1 Z 1 lit a BZG, auf die sich die Beklagte berufen hat - daß sie nämlich eine Tätigkeit vornehme, zu deren Durchführung nach den arbeitsrechtlichen Vorschriften die Beschäftigung von Arbeitnehmern an Sonntagen und Feiertagen zulässig ist - , kann hier nicht zur Anwendung kommen, weil während der Wochenend- und Feiertagsruhe Arbeitnehmer nur die in der Anlage zur ARG-VO angeführten Tätigkeiten während der dort jeweils angeführten Zeiträume ausüben dürfen (§ 1 Abs 1 ARG-VO), der Betrieb der Beklagten aber - wie dargelegt - nicht unter diesen Ausnahmekatalog fällt. Die Beklagte hat demnach gegen § 2 Abs 2 BZG verstoßen. Daß sie dies in der Absicht getan hat, sich damit auf Kosten ihrer gesetzestreuen Mitbewerber einen Wettbewerbsvorsprung zu verschaffen, liegt auf der Hand; sie hat daher gegen die guten Sitten im Wettbewerb verstoßen (§ 1 UWG). Ob sie auch an anderen Betriebsstätten den Bestimmungen über die Sonn- und Feiertagsruhe zuwidergehandelt hat, ist nicht weiter zu untersuchen, weil schon auf Grund des Verstoßes an einer Betriebsstätte der angefochtene Unterlassungsausspruch gerechtfertigt ist.

Gegen den Ausspruch über die Urteilsveröffentlichung führt die Beklagte ins Treffen, daß die Veröffentlichung auch der Kostenentscheidung und der Entscheidung über die Ermächtigung zur Urteilsveröffentlichung nicht der Aufklärung des Publikums diene und überflüssig sei; nur der über das Unterlassungsbegehren ergangene Spruch sei zu veröffentlichen. Überdies hätte die Veröffentlichung in nur einer Zeitung ausgereicht. Dem ist nicht zu folgen:

§ 25 UWG sieht die Veröffentlichungen von Zivilurteilen nur insoweit vor, als sie über ein Unterlassungsbegehren absprechen (§ 25 Abs 3 UWG). Der Oberste Gerichtshof hat deshalb in der von der Beklagten angeführten Entscheidung ÖBl 1986, 77 das Veröffentlichungsbegehren, soweit es sich auf den Ausspruch über die Rechnungslegung bezogen hatte, abgewiesen. Für die Frage, ob auch die in Verbindung mit dem Unterlassungsausspruch stehende Kostenentscheidung sowie die Ermächtigung zur Urteilsveröffentlichung von der Veröffentlichungsbefugnis umfaßt sind, ist dieser Entscheidung aber nichts zu entnehmen. Der vom Gericht zweiter Instanz bestätigte Veröffentlichungsausspruch des Erstrichters steht mit der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes (ÖBl 1984, 135) in Einklang.

Da ein unbestimmter, zahlenmäßig aber gewiß nicht geringfügiger Personenkreis davon Kenntnis erlangt hat, daß die Beklagte ihre Betriebsstätte in Klagenfurt, Villacherstraße 127, an Sonn- und Feiertagen offengehalten hat, dient es der Aufklärung der Öffentlichkeit darüber, daß sich die Beklagte damit über das Gesetz hinweggesetzt hat (und nicht etwa nur kundenfreundlicher als ihre Mitbewerber ist), wenn das Urteil veröffentlicht wird. Die Veröffentlichung in zwei viel gelesenen Zeitungen ("Kurier" und "Kronen-Zeitung", jeweils Ausgabe für Kärnten) erscheint erforderlich, um mit möglichst großer Wahrscheinlichkeit jene Personen zu erreichen, die auch von dem Wettbewerbsverstoß erfahren haben.

Aus diesen Erwägungen war das angefochtene Urteil zu bestätigen. Der Ausspruch über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO.

Anmerkung

E12557

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1987:0040OB00393.87.1130.000

Dokumentnummer

JJT_19871130_OGH0002_0040OB00393_8700000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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