Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Friedl als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Gamerith, Dr. Kodek, Dr. Niederreiter und Dr. Redl als weitere Richter in der Familienrechtssache der Antragstellerin Theresia H***, Hausfrau, Telfs, Pfarrer-Gritsch-Straße 8 b, vertreten durch Dr. Michael Goller, Rechtsanwalt in Innsbruck, als Verfahrenshelfer, wider den Antragsgegner Walter H***, Pensionist, Linz, Weinheberstraße 7, vertreten durch Dr. Richard Larcher, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens und der ehelichen Ersparnisse, infolge Revisionsrekurses des Antragsgegners gegen den Beschluß des Landesgerichtes Innsbruck als Rekursgerichtes vom 25. August 1987, GZ. 1 b R 133/87-26, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Innsbruck vom 2. Juli 1987, GZ. 5 F 2/85-21, aufgehoben wurde, folgenden
Beschluß
gefaßt:
Spruch
Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.
Der Aufhebungsbeschluß des Rekursgerichtes wird aufgehoben und in der Sache selbst zu Recht erkannt:
"Der Antrag der Antragstellerin, ihr das ausschließliche Benützungsrecht am Hause Telfs, Pfarrer-Gritsch-Straße 8 b, zu übertragen und dem Antragsgegner aufzutragen, dieses Haus unverzüglich zu verlassen, sowie der Gegenantrag des Antragsgegners, ihm den ersten Stock dieses Hauses zur Benützung zuzuweisen, werden abgewiesen.
Die Verfahrenskosten werden gegeneinander aufgehoben."
Text
Begründung:
Vor ihrer Eheschließung am 28. Oktober 1961 erwarben die Streitteile aus gemeinsamen Mitteln das Grundstück EZ 1239 KG Telfs und errichteten darauf das Haus Pfarrer-Gritsch-Straße 8 b, in das die Antragstellerin und ihre uneheliche Tochter noch vor der Eheschließung der Streitteile einzogen. Das vor der Begründung der ehelichen Lebensgemeinschaft errichtete Haus stand ursprünglich im grundbücherlichen Alleineigentum des Antragsgegners. Im Jahre 1969 übertrug er der Antragstellerin im Wege einer Schenkung einen Hälfteanteil. Die Ehegatten benützten während der aufrechten Dauer ihrer Lebensgemeinschaft nur das Erdgeschoß des Hauses, bestehend aus Wohnzimmer, Schlafzimmer, Küche, WC, Bad und Hausflur als Ehewohnung, während die Zimmer im ersten Stock zum Teil an Fremde vermietet und zum Teil von der Tochter der Antragstellerin Maria R*** (bis zu ihrer Verehelichung im Jahre 1970) bewohnt wurden. Die eheliche Lebensgemeinschaft der Parteien ist seit September 1983 aufgelöst. Der Antragsgegner zog sich damals in eines der im ersten Stock gelegenen Zimmer zurück. Mit notariellem Schenkungsvertrag vom 10. Oktober 1983 übertrug die Antragstellerin ihren Hälfteanteil an ihre uneheliche Tochter; sie selbst behielt sich das lebenslängliche ausschließliche und unentgeltliche Fruchtgenußrecht an diesem Hälfteanteil der Liegenschaft vor. Mit Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 29. Oktober 1984 wurde die Ehe der Streitteile rechtskräftig aus dem Alleinverschulden des Antragsgegners geschieden. Die Antragstellerin benützt weiterhin nur die Erdgeschoßräume des Hauses zur Befriedigung ihres Wohnungsbedürfnisses. Der Antragsgegner hat das Haus vor mehreren Monaten verlassen und wohnt bei seiner Lebensgefährtin in Linz. Die Antragstellerin begehrt, ihr im Rahmen der nachehelichen Aufteilung das ausschließliche Benützungsrecht am Haus Telfs, Pfarrer-Gritsch-Straße 8 b, einzuräumen und dem Antragsgegner aufzutragen, das Haus unverzüglich zu verlassen. Sie sei auf die Weiterbenützung der Ehewohnung angewiesen; ein Zusammenleben mit dem Antragsgegner im selben Haus sei ihr aus gesundheitlichen Gründen unzumutbar.
Der Antragsgegner stellte den Antrag, die Nutzung der Liegenschaft in der Weise aufzuteilen, daß das Parterre der Antragstellerin und der erste Stock ihm zugewiesen werde. Über die Aufteilung des (sonstigen) ehelichen Gebrauchsvermögens haben sich die Parteien während des Verfahrens außergerichtlich geeinigt.
Das Erstgericht wies den Antrag der Antragstellerin ab, weil ihr auf Grund ihres Fruchtgenußrechtes an dem ihrer Tochter übertragenen Hälfteanteil der Liegenschaft ohnehin die (frühere) Ehewohnung im Erdgeschoß zur unentgeltlichen Benützung unumstritten zur Verfügung stehe. Eine darüber hinausgehende Benützung des gesamten Hauses widerspräche den Grundsätzen des § 83 EheG, da beide geschiedene Ehegatten je zur Hälfte Liegenschaftseigentümer gewesen seien und die Antragstellerin ihre Hälfte verschenkt habe. Über den Antrag des Ehemannes entschied das Erstgericht nicht.
Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Antragstellerin Folge und hob die Entscheidung, soweit damit über die Anträge der Ehegatten auf Regelung der Benützungsverhältnisse am Hause Telfs, Pfarrer-Gritsch-Straße 8 b, entschieden worden war, auf; es verwies die Rechtssache in diesem Umfang an das Erstgericht zurück und erklärte den Rekurs an den Obersten Gerichtshof für zulässig. Nach den im Rekursverfahren nicht mehr strittigen Feststellungen des Erstgerichtes sei nur das Erdgeschoß des Hauses als Ehewohnung zu qualifizieren. Ehewohnung iS des § 81 Abs 2 EheG seien nur jene Räume, in denen die Ehegatten zuletzt in gemeinsamem Haushalt gelebt hätten. Als gemeinsame Wohnung sei jene Einheit von Räumen anzusehen, in der sich der Schwerpunkt der gemeinsamen Lebensführung der Ehegatten befinde oder befunden habe. Das treffe nur für die von den Ehegatten gemeinsam bewohnten Räume im Erdgeschoß des Hauses zu. Die Räume im ersten Stock des Hauses seien als abgesonderte Wohneinheit aufzufassen und von den Ehegatten auch so behandelt worden. Dieser Teil des Hauses unterliege daher der nachehelichen Aufteilung nicht als Ehewohnung, sondern als Wertanlage. Da das Haus zwei Wohneinheiten habe und beide Ehegatten etwa gleichwertige Beiträge zur Anschaffung des Hauses erbracht hätten, komme grundsätzlich eine (uneinheitliche) Benützungsregelung, mit der einem Ehegatten das Erdgeschoß und dem anderen der erste Stock zugewiesen werde, in Betracht. Die Aufteilung müsse jedoch so vorgenommen werden, daß sich die Lebensbereiche der geschiedenen Ehegatten künftig möglichst wenig berührten. Eine Zuweisung der Räume im ersten Stock an den Antragsgegner sei nach diesem Grundsatz nur dann möglich, wenn diese Räume durch einfache bauliche Maßnahmen (etwa eine Außentreppe) abgesondert benützbar gemacht werden könnten und die uneheliche Tochter der Antragstellerin als nunmehrige Hälfteeigentümerin dieser Veränderung zustimme. Sollten diese Voraussetzungen nicht vorliegen, dann wäre der Antragstellerin das alleinige Benützungsrecht am Gebäude zuzuweisen, sie aber gleichzeitig zur Zahlung eines der Billigkeit entsprechenden Benützungsentgelts zu verpflichten. Die Klärung dieser Fragen erfordere weitere Beweisaufnahmen, so daß die Sache noch nicht entscheidungsreif sei.
Der Rekurs an den Obersten Gerichtshof sei zuzulassen, weil der Streitgegenstand an Geldeswert S 60.000,-- übersteige. Gegen diese Entscheidung richtet sich der Revisionsrekurs des Antragsgegners. Er beantragt, den Aufhebungsbeschluß des Rekursgerichtes dahin abzuändern, daß der Beschluß des Erstgerichtes wiederhergestellt werde.
Die Antragstellerin beantragt, dem Revisionsrekurs nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Aufhebungsbeschlüsse des Rekursgerichtes im Verfahren über die Aufteilung ehelichen Gebrauchsvermögens und ehelicher Ersparnisse (§§ 229 ff. AußStrG) sind gemäß § 232 Abs 1 AußStrG mit Revisionsrekurs anfechtbar, soweit es sich nicht um eine Aufhebung aus verfahrensrechtlichen Gründen handelt, deren Überprüfung infolge Beschränkung der Anfechtungsgründe durch § 232 Abs 2 AußStrG ausgeschlossen ist (SZ 54/44; EFSlg. 50.122 ua.). Da das Rekursgericht den Rekurs an den Obersten Gerichtshof für zulässig erklärt hat und der Antragsgegner unrichtige rechtliche Beurteilung iS des § 232 Abs 2 AußStrG geltend macht, ist sein Rechtsmittel zulässig.
Der Revisionsrekurs ist auch berechtigt, wenngleich nicht im Sinne der vom Rechtsmittelwerber in erster Instanz angestrebten Benützungsregelung.
Beide Parteien bekämpfen die auf tatsächlichen Feststellungen beruhende Ansicht des Rekursgerichtes, als Ehewohnung iS des § 81 Abs 2 EheG sei nur die Wohnung im Erdgeschoß des Hauses Telfs, Pfarrer-Gritsch-Straße 8 b, anzusehen, zumal die Parteien die Wohnung im ersten Stock selbst als abgesonderte Wohneinheit behandelt hätten, nicht. Obwohl die Räume im ersten Stock bis 1970 jedenfalls insoweit zur Ehewohnung gehört haben müßten, als sie von der im gemeinsamen Haushalt mit den Ehegatten lebenden Tochter der Antragstellerin bewohnt wurden, geht auch die Revisionsrekursgegnerin (jedenfalls für die Zeit nach der Verehelichung der Tochter) davon aus, daß das Rekursgericht "richtig festgestellt" habe, daß lediglich das Erdgeschoß des Hauses als Ehewohnung genutzt wurde, während die im ersten Stock gelegenen Räume primär der Fremdenzimmervermietung dienten (AS 128). Damit gehört aber - abgesehen von jenem Gebrauchsvermögen, über das sich die Streitteile bereits außergerichtlich geeinigt haben - nur die Ehewohnung zum ehelichen Gebrauchsvermögen. Für die Zugehörigkeit dieser Wohnung zum ehelichen Gebrauchsvermögen spielt es keine Rolle, daß die Ehegatten das Haus, in dem sich die Wohnung befindet, schon vor der Begründung der ehelichen Lebensgemeinschaft gebaut haben; die Ehewohnung ist nämlich in die Aufteilung auch dann einzubeziehen, wenn sie ein Ehegatte (oder beide) in die Ehe eingebracht haben (§ 82 Abs 2 EheG). Daß die Antragstellerin berechtigt sein soll, diese Wohnung auch weiterhin zu benützen, ist zwischen den geschiedenen Ehegatten nicht strittig. Auf die Frage, welche Auswirkungen die Übertragung des Hälfteanteils an der Liegenschaft der Antragstellerin an ihre Tochter unter Vorbehalt eines Fruchtgenußrechtes auf die nacheheliche Aufteilung hätte, braucht daher nicht eingegangen zu werden.
Entgegen der Ansicht des Rekursgerichtes sind aber die über die Ehewohnung hinausgehenden Rechte an der Liegenschaft nicht Gegenstand der nachehelichen Aufteilung. Insoweit liegen auch keine ehelichen Ersparnisse vor, weil Grundbesitz und Haus von den Ehegatten schon vor der Eheschließung aus gemeinsamen Mitteln angeschafft wurden. Die Liegenschaftshälfte der Antragstellerin wurde auch nicht dadurch Aufteilungsmasse, daß ihr der Antragsgegner diesen Anteil erst während der aufrechten Lebensgemeinschaft (1969) im Wege der Schenkung übertrug. Unter die Ausnahme des § 82 Abs 1 Z 1 ABGB ("Sachen, die ein Dritter einem Ehegatten geschenkt hat") fallen zwar nicht Sachen, die ein Ehegatte dem anderen geschenkt hat (EFSlg. 38.862; Pichler in Rummel, ABGB, Rz 10 zu §§ 81, 82 EheG), doch ist durch den erwähnten "Schenkungsvertrag" nur der den beiderseitigen Beiträgen zum Grunderwerb und Hausbau entsprechende Grundbuchsstand hergestellt worden. Diese Verfügung ändert daher nichts daran, daß beide Ehegatten Grund und Haus vor ihrer Eheschließung aus gemeinsamen Mitteln angeschafft haben. Damit unterliegt aber die Liegenschaft nur in bezug auf die Ehewohnung der nachehelichen Aufteilung nach den §§ 81 ff. EheG. Die von beiden Teilen angestrebte Benützungsregelung bezüglich der Räume im ersten Stock des Hauses kann somit im Rahmen des Verfahrens zur Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens und der ehelichen Ersparnisse nicht erfolgen. Die geschiedenen Ehegatten können derartige Ansprüche nur auf Grund ihrer Rechtsstellung als Miteigentümer bzw. Fruchtgenußberechtigte am Miteigentum (§§ 825 ff. ABGB) in dem hiefür vorgesehenen Verfahren verfolgen. Dem Obersten Gerichtshof ist es auch im Verfahren außer Streitsachen nicht verwehrt, an die Stelle des Aufhebungsbeschlusses des Rekursgerichtes jene Sachentscheidung zu setzen, die dieses zu treffen gehabt hätte (EFSlg. 47.130, 49.856 mwN). Da bei der Entscheidung über Rekurse gegen Aufhebungsbeschlüsse das Verbot der reformatio in peius nicht gilt, waren die Anträge beider Ehegatten abzuweisen.
Bei dieser Sachlage entspricht es dem billigen Ermessen, die Kosten gegeneinander aufzuheben (§ 234 AußStrG).
Anmerkung
E12554European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1987:0040OB00593.87.1130.000Dokumentnummer
JJT_19871130_OGH0002_0040OB00593_8700000_000