TE OGH 1987/12/2 11Os142/87

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Veröffentlicht am 02.12.1987
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 2.Dezember 1987 durch den Präsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Melnizky als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kießwetter, Dr. Walenta, Dr. Felzmann und Dr. Rzeszut als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Samek als Schriftführer in der Strafsache gegen Dr. Rudolf J*** wegen des Vergehens der Vortäuschung einer mit Strafe bedrohten Handlung nach dem § 298 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 24.Juli 1987, GZ 1 d Vr 5.569/87-40, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, des Generalanwaltes Dr. Strasser, des Angeklagten und des Verteidigers Dr. Mayer zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Die Berufung wird zurückgewiesen.

Gemäß dem § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 27.November 1959 geborene Dr.jur. Rudolf J*** des Vergehens der Vortäuschung einer mit Strafe bedrohten Handlung nach dem § 298 Abs 1 StGB schuldig erkannt, weil er am 1.Dezember 1986 in Wien wider besseres Wissen eine Anzeige erstattete, daß ihm die Kennzeichentafeln seines Autos von unbekannten Tätern gestohlen worden seien.

Rechtliche Beurteilung

Gegen dieses Urteil meldete der Angeklagte rechtzeitig Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung an (ON 42), führte aber nur die Nichtigkeitsbeschwerde unter Anrufung der Nichtigkeitsgründe des § 281 Abs 1 Z 5, 9 lit a und inhaltlich auch 9 lit b StPO aus, wogegen Berufungsgründe weder bei der Anmeldung noch in der Rechtsmittelausführung substantiiert wurden, sodaß die "Straf-Berufung" (mit welcher der Angeklagte allein die Nichtanwendung des § 42 StGB reklamiert und seinen Freispruch gemäß dem § 259 Z 4 StPO begehrt) mangels Anführung der Punkte des Straferkenntnisses, durch welche sich der Angeklagte beschwert erachtet, zurückzuweisen war (§§ 294 Abs 2, 296 Abs 3 StPO). Nach den - zusammenfassend dargestellten - Urteilsfeststellungen verkaufte Robert K*** am 17.Oktober 1986 seinen PKW mit dem amtlichen Kennzeichen W 4.841 dem Angeklagten. Entgegen dem im Kaufvertragsentwurf noch vorhanden gewesenen Passus, wonach der Käufer die Abmeldung des Fahrzeuges am 20.Oktober 1986 unter Rückgabe der Kennzeichentafeln beim Verkehrsamt Wien durchzuführen habe (siehe hiezu Beil./B zu ON 39), wurde vereinbart, daß Dr. J*** zwar die Ummeldung unverzüglich vorzunehmen habe, sich aber bemühen werde, die Kennzeichen behalten zu können. Da das Verkehrsamt diesem Wunsch des Käufers nicht nachkam, unterließ Dr. J*** die Fahrzeugabmeldung; Robert K*** wurde vom Verkehrsamt ständig ermahnt, die Kennzeichentafeln abzugeben, welchem Auftrag er zunächst nicht nachkommen konnte, weil er keinen Kontakt mit dem Angeklagten herzustellen vermochte. Als K*** am 29.November 1986 zufällig den geparkten PKW sah, montierte er die Kennzeichentafeln ab und nahm am 1.Dezember 1986 am Vormittag unter Rückgabe der Kennzeichen die Abmeldung beim Verkehrsamt vor. Am selben Tag um ca. 19,45 Uhr rief Dr. J*** bei K*** an und wurde von K*** davon informiert, daß er die Kennzeichen abmontiert und dem Verkehrsamt abgeführt hat. In Kenntnis dieser Mitteilung erstattete der Angeklagte um 20,40 Uhr im Wachzimmer Stubenring die Anzeige, daß ihm durch unbekannte Täter die Kennzeichentafeln weggenommen worden waren. Es wurde hierauf eine Fahndung hinausgegeben, die später noch berichtigt werden mußte, weil sich herausgestellt hatte, daß Robert K*** Zulassungsbesitzer war (S 375 bis 377).

Diese Feststellungen stützte das Gericht auf die Aussagen des Zeugen Robert K*** sowie des Polizeibeamten Andreas W***, bei dem die Anzeige erstattet worden war, und dessen Kollegen Alois H***, anläßlich dessen Beanstandung am 7.Dezember 1986 der Sachverhalt aufgeklärt wurde. Die im Zuge des Verfahrens wechselnde, immer aber den Vorwurf nach § 298 Abs 1 StGB leugnende Verantwortung verwarf das Schöffengericht mit ausführlicher Begründung als unglaubwürdig (S 377 bis 383).

Diese Urteilsbegründung rügt der Beschwerdeführer als unzureichend, insbesonde aber als widersprüchlich und aktenwidrig (Z 5), legt diesen Begriffen aber nicht den ihnen nach ständiger Rechtsprechung innewohnenden Inhalt zugrunde (vgl. hiezu Mayerhofer-Rieder2 E 101 bis 105, 185 bis 190 zu § 281 Z 5 StPO), sondern versucht lediglich, seine - als unzutreffend abgelehnten - Einlassungen den belastenden Aussagen entgegenzusetzen und daraus Momente für deren mangelnde Beweiskraft zu gewinnen. In diesem Sinn kann ein Begründungsmangel in der Bedeutung des bezogenen Nichtigkeitsgrundes nicht mit dem Hinweis aufgezeigt werden, daß sich das Gericht bei der Feststellung von Zeit und Inhalt des Telefongespräches am 1.Dezember 1986 und der vorangegangenen Ereignisse auf die Aussagen des Zeugen K*** stützte, sich daneben aber auch auf eine (zumindest teilweise) zustimmende Einlassung des Angeklagten in der Hauptverhandlung (S 359 unten) berief. Ebenso verhält es sich mit den Konstatierungsgrundlagen für die Anzeigeerstattung am 1.Dezember und die Amtshandlung am 7. Dezember 1986, wobei es nicht entscheidungswesentlich ist, ob der Beschwerdeführer ausdrücklich anzeigte, daß ihm die Kennzeichentafeln "gestohlen" oder "weggenommen" wurden. Daß der Angeklagte aber durch die auf diesem Weg erlangte Verlustbestätigung die Weiterbenützung des Fahrzeuges im Sinn des § 51 Abs 3 KFG erreichen wollte (S 383), konnte das Gericht aus dem Verhalten anläßlich der Amtshandlung am 7.Dezember 1986 ohne Verstoß gegen die Denkgesetze folgern.

Die Mängelrüge erschöpft sich sohin weitgehend in einer unzulässigen Bekämpfung der Beweiswürdigung und meint überdies, durch eigenwillige Interpretation der kraftfahrrechtlichen Vorschriften dem Zeugen K*** unrichtige Aussagen unterstellen zu können, um seine Glaubwürdigkeit zu erschüttern.

Tatsächlich liegt aber der rechtlichen Beurteilung des Sachverhaltes durch das Erstgericht kein Irrtum zugrunde (Z 9 lit a), vielmehr verkennt die Beschwerde die Rechtslage. Der Beschwerdeführer betont nämlich, daß er zum Zeitpunkt der Demontage der Kennzeichen schon längst Eigentümer des Fahrzeuges geworden war, dieses auch tatsächlich bis zum 10.April 1987, als er den Zulassungsschein der Behörde abgab, formell zugelassen war (Beil. C zu ON 39), und will daraus ableiten, daß am 1.Dezember 1986 nur er berechtigt war, über das Fahrzeug zu verfügen. Er vernachlässigt hiebei aber den hier allein relevanten kraftfahrrechtlichen Begriff des Zulassungsbesitzers, dem das Recht zusteht, das Fahrzeug im Rahmen der bestehenden Vorschriften auf Straßen mit öffentlichem Verkehr zu verwenden oder anderen Personen zur Verwendung zu überlassen (vgl. Dittrich-Veit-Veit, Österreiches Straßenverkehrsrecht2 II. Teil Kraftfahrrecht Anm. zu § 37 Abs 2 KFG). Unbeschadet der Überlassung des Fahrzeuges zur sofortigen Benützung an den Angeklagten stand sohin Robert K*** als dem durch den Zulassungsschein ausgewiesenen Zulassungsbesitzer das Recht zu, die Kennzeichentafeln, die vom Angeklagten vereinbarungswidrig nicht dem Verkehrsamt übergeben wurden, selbst abzumontieren. Auf Grund der Bestimmungen des § 43 Abs 1, 2 und 4 lit c KFG oblag ihm die Pflicht, das Fahrzeug, dessen rechtmäßiger Besitzer er nicht mehr war, unter Vorlage der Kennzeichentafeln und des Zulassungsscheines abzumelden. In dem Verhalten des Zeugen K*** kann daher kein rechtswidriges Vorgehen, das eine polizeiliche Intervention erfordert hätte, schon gar nicht eine gerichtlich strafbare Handlung erblickt werden. Gerade eine derartige von Amts wegen zu verfolgende Straftat eines Unbekannten täuschte der rechtskundige Angeklagte im Bewußtsein vor, daß der Zulassungsbesitzer selbst die Kennzeichen zum Zwecke der ihm obliegenden Fahrzeugabmeldung an sich genommen hatte und die Zulassung nur deshalb durch diese Abmeldung noch nicht sofort erloschen war (§ 43 Abs 1 KFG), weil der Angeklagte weiterhin den Zulassungsschein bei sich behielt.

Das Vergehen der Vortäuschung einer (gerichtlich) strafbaren Handlung ist jedenfalls dann verwirklicht, wenn eine Straftat überhaupt nicht begangen wurde, also erfunden ist (SSt. 52/30), aber auch dann, wenn eine Tathandlung mit dem angegebenen Erfolg zwar tatsächlich begangen worden ist, in den Anzeigebehauptungen der Behörde gegenüber aber wesentliche Umstände verändert oder verschwiegen werden, sodaß statt des wirklichen Ereignisses faktisch und strafrechtlich ein "aliud" vorgetäuscht wird (JBl 1987, 194). Der Angeklagte hat nach den Urteilsfeststellungen wissentlich ein rechtmäßiges Verhalten einer ihm bekannten Person in eine strafbare Handlung eines Unbekannten umgedeutet. Dem Schöffengericht unterlief sohin kein Rechtsirrtum, wenn es dieses Verhalten dem Tatbestand des Vergehens nach dem § 298 Abs 1 StGB subsumierte.

Dem Beschwerdeführer kann aber auch nicht gefolgt werden, wenn er - prozessual verfehlt - im Rahmen der Berufungsausführungen inhaltlich (allein) den Strafausschließungsgrund des § 42 StGB und damit den Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs 1 Z 9 lit b StPO für sich reklamiert. Gemessen an den Grundsätzen des § 32 StGB kann man vorliegend keinesfalls von einem geringen Verschulden sprechen, wenn sich ein juristisch ausgebildeter und auch praktisch versierter Mensch durch derartige Praktiken die Benützung eines Kraftfahrzeuges mit niedrigem Kennzeichen (zumindest für einige Zeit) zu sichern versucht.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die bezogene Gesetzesstelle.

Anmerkung

E12436

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1987:0110OS00142.87.1202.000

Dokumentnummer

JJT_19871202_OGH0002_0110OS00142_8700000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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