TE OGH 1987/12/2 14Os150/87

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Veröffentlicht am 02.12.1987
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Der Oberste Gerichtshof hat am 2.Dezember 1987 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Faseth als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Steininger, Dr. Horak, Dr. Lachner und Dr. Massauer als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Thoma als Schriftführer, in der Strafsache gegen Hubert G*** wegen des Verbrechens der Nötigung zum Beischlaf nach § 202 Abs 1 StGB und anderer strafbarer Handlungen über die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Schöffengericht vom 17.August 1987, GZ 25 Vr 959/87-58, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Hauptmann, und des Verteidigers Dr. Schöpf, jedoch in Abwesenheit des Angeklagten zu Recht erkannt:

Spruch

Gemäß § 290 Abs 1 StPO wird das angefochtene Urteil, das ansonsten unberührt bleibt, im Schuldspruch wegen des Vergehens der Blutschande nach § 211 Abs 2 StGB (Punkt III des Urteilssatzes) und demgemäß im gesamten Strafausspruch, jedoch unter Aufrechterhaltung des Ausspruchs nach § 38 StGB, aufgehoben und gemäß § 288 Abs 2 Z 3 StPO im Umfang der Aufhebung in der Sache selbst erkannt:

Hubert G*** hat durch das zu Punkt III des Urteilssatzes beschriebene Verhalten mit einer Person, die mit ihm in gerader Linie verwandt ist, nämlich seiner leiblichen Tochter Sonja G***, den Beischlaf vollzogen.

Er hat hiedurch das Vergehen der Blutschande nach § 211 Abs 1 StGB begangen und wird hiefür sowie für die ihm nach den unberührt gebliebenen Teilen des Schuldspruchs zur Last fallenden weiteren strafbaren Handlungen, nämlich die Verbrechen der Nötigung zum Beischlaf nach § 202 Abs 1 StGB und des Beischlafs mit Unmündigen nach § 206 Abs 1 StGB, nach §§ 28, 206 Abs 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 20 (zwanzig) Monaten verurteilt. Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf die getroffene Entscheidung verwiesen.

Gemäß § 390 a StPO fallen ihm auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Rechtliche Beurteilung

Die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Hubert G*** gegen das oben bezeichnete Urteil, mit dem er der (im März 1979 an seiner am 9.Oktober 1973 geborenen Tochter Sonja G*** begangenen) Verbrechen (I.) der Nötigung zum Beischlaf nach § 202 Abs 1 StGB und (II.) des Beischlafs mit Unmündigen nach § 206 Abs 1 StGB sowie (III.) des Vergehens der Blutschande nach § 211 Abs 2 StGB schuldig erkannt und hiefür zu einer Freiheitsstrafe von zweiundzwanzig Monaten verurteilt wurde, ist vom Obersten Gerichtshof mit Beschluß vom 4.November 1987, GZ 14 Os 150/87-6, schon in nichtöffentlicher Sitzung zurückgewiesen worden.

Gegenstand des Gerichtstages waren sohin nur noch die Berufung, mit welcher der Angeklagte eine Herabsetzung der Freiheitsstrafe und deren bedingte Nachsicht anstrebt, sowie die vom Obersten Gerichtshof im Zusammenhang mit dem Schuldspruch nach § 211 Abs 2 StGB vorbehaltene Ausübung der ihm nach § 290 Abs 1 StPO zustehenden Befugnis.

Dabei war von Amts wegen wahrzunehmen, daß das Urteil insoweit mit einer nicht geltend gemachten Nichtigkeit nach § 281 Abs 1 Z 10 StPO behaftet ist.

Gemäß § 211 Abs 2 StGB ist wegen Vergehens der Blutschande mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren zu bestrafen, wer eine Person, mit der er in absteigender Linie verwandt ist, zum Beischlaf verführt. Zur Tat verführt hat (zufolge EVBR 1971, 354) jener Täter, dessen Einwirkung auf den Willen des Partners notwendig war, um ihn zur Tat, die der Partner nicht gewollt hatte, geneigt zu machen. Als Mittel der Verführung kommen zwar außer Zureden, Hervorkehren des Autoritätsverhältnisses, einleitende Sexualhandlungen udgl. auch drohende Äußerungen und selbst Gewalt in Betracht; die beiden letztbezeichneten Mittel dürfen jedoch keinen die Selbstbestimmung in rechtlich relevanter Weise beeinträchtigenden Grad erreichen, weil eine mit solchen Mitteln erfolgte Willensbeugung schon nach dem allgemeinen Sprachgebrauch nicht als Verführung bezeichnet werden kann (vgl. ÖJZ-LSK 1979/317; Leukauf-Steininger Kommentar2 RN 16, Pallin in WrK Rz. 5, jeweils zu § 211 StGB). Daß Beischlaf mit Unmündigen (§ 206 StGB) einerseits (vgl. RZ 1986/62) mit Nötigung zum Beischlaf (§ 202 StGB) und andererseits (vgl. SSt. 48/8) mit Blutschande nach § 211 Abs 2 StGB in echter Idealkonkurrenz stehen kann, spricht - entgegen der Ansicht des Erstgerichtes - nicht für die Zulässigkeit der (rechtlichen) Annahme eintätigen Zusammentreffens aller drei Tatbestände. Da eine Nötigung durch Gewalt oder gefährliche Drohung (schon rein sprachlich) nicht das Merkmal der Verführung erfüllt, schließen die Tatbestände nach § 202 und nach § 211 Abs 2 StGB einander aus; § 206 StGB kann sohin jeweils nur mit einem dieser beiden Delikte eintätig zusammentreffen. Der im Vergleich zu § 211 Abs 2 StGB (mit einer Strafdrohung bis zu drei Jahren) mit geringerer Freiheitsstrafe (nämlich bis zu einem Jahr) bedrohte (Vergehens-)Tatbestand nach Abs 1 der letzterwähnten Gesetzesstelle, der (das Merkmal der Verführung nicht enthält, sondern nur) den Vollzug des Beischlafs an einer mit dem Täter in gerader Linie verwandten Person voraussetzt, kann hingegen auch zum Verbrechen der Nötigung zum Beischlaf nach § 202 StGB (oder der Notzucht nach § 201 StGB) in echte Idealkonkurrenz treten (vgl. Leukauf-Steininger aaO RN 16; Pallin aaO Rz. 9; Foregger-Serinie StGB3 Erl. IV, vorletzter Satz zu § 211 StGB). Rechtsrichtig wäre das inkriminierte Verhalten des Angeklagten daher als (in Tateinheit mit den Verbrechen der Nötigung zum Beischlaf nach § 202 Abs 1 StGB und des Beischlafs mit Unmündigen nach § 206 Abs 1 StGB begangenes) Vergehen der Blutschande nach § 211 Abs 1 StGB zu beurteilen gewesen.

Der sohin dem Ersturteil anhaftende, dem Angeklagten zum Nachteil gereichende Subsumtionsirrtum (Z 10) war gemäß § 290 Abs 1 StPO von Amts wegen wahrzunehmen und spruchgemäß zu korrigieren.

Bei der hiedurch erforderlich gewordenen Strafneubemessung konnte der Oberste Gerichtshof von den vom Erstgericht im wesentlichen zutreffend festgestellten Strafzumessungsgründen ausgehen, wobei dem Angeklagten - entgegen der Meinung des Schöffengerichts - der besondere Milderungsgrund des bisher ordentlichen Lebenswandels doch noch zugute kommt. Von "nur geringen" Tatfolgen hingegen kann vorliegend keine Rede sein. Die in der Berufung geltend gemachten Sorgepflichten des Angeklagten hinwieder sind nach dem StGB bei der Strafbemessung nicht zu berücksichtigen (vgl. ÖJZ-LSK 1975/118).

Ausgehend von den sohin tatsächlich gegebenen Strafzumessungsgründen und unter Bedachtnahme auf die im § 32 StGB normierten allgemeinen Grundsätze für die Strafbemessung erachtete der Oberste Gerichtshof eine Freiheitsstrafe in dem aus dem Spruch ersichtlichen Ausmaß als tatschuldund täterpersönlichkeitsgerecht. Der Gewährung bedingter Strafnachsicht nach § 43 Abs 2 StGB stand zwingend entgegen, daß die Wiederholung der strafbaren Handlungen und die erheblich abnorme - gleichsam suchtartig durchbrechende - Triebstruktur des Angeklagten die in dieser Gesetzesstelle geforderte qualifiziert günstige Verhaltensprognose nicht zuläßt (vgl. S 219, 277).

Mit seiner Berufung war der Angeklagte auf die getroffene Sachentscheidung zu verweisen.

Die Kostenentscheidung fußt auf der bezogenen Gesetzesstelle.

Anmerkung

E12490

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1987:0140OS00150.87.1202.000

Dokumentnummer

JJT_19871202_OGH0002_0140OS00150_8700000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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