Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Petrasch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Hule, Dr. Warta, Dr. Klinger und Dr. Angst als weitere Richter in den verbundenen Rechtssachen der klagenden Partei E*** Gasteiner Realbesitz- und Verwertungs-Aktiengesellschaft, Bad Gastein, Kaiser-Franz-Josef-Straße 14, vertreten durch Dr. Gerald Jahn, Rechtsanwalt in Salzburg, wider die beklagte Partei Dipl.Ing. Eugen M***, Angestellter, Wien 14, Linzerstraße 440, vertreten durch Dr. Franz Calice, Rechtsanwalt in Wien, wegen Aufkündigungen, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Salzburg als Berufungsgerichtes vom 8. Juli 1987, GZ 32 R 108, 133/87-10, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Gastein vom 21. Jänner 1987, GZ C 205, 206/86-4, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei binnen 14 Tagen die mit S 2.414,72 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin S 219,52 Umsatzsteuer) zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Mit Mietvertrag vom 7./13. Jänner 1983 vermietete die beklagte Partei der klagenden Partei (damals "Grand Hotel de l Europe Bad Gastein AG") für gewerbliche Zwecke zwei Eigentumswohnungen der Liegenschaft EZ 98 Grundbuch Bad Gastein Top.Nr.216 und 217. Als Mietzins war jener Betrag vereinbart, welcher von der klagenden Partei als Mieterin im Hinblick auf die Finanzierung des Ankaufs und der Bauausführung als Annuität an die Bank für Oberösterreich und Salzburg geschuldet wird. Der Mietvertrag wurde auf unbestimmte Zeit abgeschlossen und sollte vom Mieter erst nach der vollständigen Rückzahlung des zur Finanzierung des Ankaufs der Liegenschaftsanteile und der Bauausführung aufgenommenen Darlehen gekündigt werden können, wobei die Kündigung mindestens 3 Monate vor dem Kündigungstermin mittels eingeschriebenem Brief es zu erfolgen habe.
Am 8. September 1986 wurde über das Vermögen der klagenden Partei zu SVV 1/86 das insolvenzrechtliche Vorverfahren eröffnet und dieses mit Beschluß vom 14. Oktober 1986 in das Ausgleichsverfahren Sa 17/86 des Landesgerichtes Salzburg übergeleitet. Mit Beschluß vom 19. November 1986, der klagenden Partei zugestellt am gleichen Tag, erteilte das Ausgleichsgericht der klagenden Partei die Ermächtigung, ua den Mietvertrag mit der beklagten Partei für die Wohnungen Top Nr.216 und 217 gemäß § 30 c AO ohne Rücksicht auf die vereinbarte Vertragsdauer oder eine längere Kündigungsfrist unter Einhaltung der gesetzlichen, kollektivvertraglichen oder der zulässigerweise vereinbarten kürzeren Kündigungsfrist unter Bedachtnahme auf die gesetzlichen Kündigungsbeschränkungen aufzulösen.
Die Ausgleichstagsatzung fand am 24. November 1986 statt. Am 21. November 1986 brachte die klagende Partei beim Erstgericht die zwei Aufkündigungen K 13/86 (für die Wohnung Top Nr.216) und K 14/86 (für die Wohnung Top Nr.217) ein, mit denen sie unter Hinweis auf die ihr erteilte Ermächtigung des Ausgleichsgerichtes die beiden Mietverträge zum 31. Dezember 1986 aufkündigte. Die vom Erstgericht mit den Beschlüssen vom 21. November 1986 bewilligten Aufkündigungen wurden der beklagten Partei jeweils am 27. November 1986 zugestellt.
Die beklagte Partei erhob gegen die beiden Aufkündigungen rechtzeitig Einwendungen, in denen sie geltend machte, es liege eine Einheit mit dem zwischen den Streitteilen abgeschlossenen Kaufvertrag vor (wobei sich die Mietzinse auch als Kaufpreisraten darstellten), weshalb nicht nur der Mietvertrag allein gekündigt werden könne. Weiters seien entgegen dem MRG keine Gründe angegeben. Es sei wegen der gewerblichen Vermietung eine Kündigungsfrist von drei Monaten einzuhalten und sei auch die Frist des § 20 b Abs 3 AO versäumt, weil die Kündigung erst mit der Zustellung wirksam werde. Das Erstgericht erkannte die Aufkündigungen als wirksam und gab dem Übernahmsbegehren der klagenden Partei statt. Es war der Auffassung, daß die vereinbarte Unkündbarkeit bei Geltendmachung des Auflösungsrechtes nach § 20 c AO nicht zum Tragen komme; daß der Mieter nach dem MRG auch ohne Vorliegen von Gründen kündigen könne; für Wohnungen, auch wenn sie zu gewerblichen Zwecken vermietet würden, gemäß § 560 Abs 1 Z 2 lit d ZPO eine einmonatige Kündigungsfrist gelte; und daß für die Wahrung der Frist des § 20 b Abs 3 AO nicht die Zustellung der Kündigung an den Gekündigten, sondern die Einbringung der Kündigung maßgebend sei. Das Berufungsgericht änderte das Urteil des Erstgerichtes dahin ab, daß die beiden Aufkündigungen aufgehoben wurden, und sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes S 15.000,--, nicht jedoch S 300.000,-- übersteigt und die Revision zulässig sei. Das Berufungsgericht befaßte sich nur mit der Rechtzeitigkeit der Kündigung nach § 20 b Abs 3 AO und kam im Gegensatz zum Erstgericht zum Ergebnis, daß zur Wahrung dieser 14-tägigen Frist nicht die rechtzeitige Einbringung, sondern das rechtzeitige Wirksamwerden der Kündigung erforderlich sei. Dies ergebe sich einerseits aus § 563 ZPO; andererseits sei es Sinn der Bestimmung des § 20 b Abs 3 AO, daß spätestens im Zeitpunkt der Abstimmung über den Ausgleichsvorschlag schon feststehen müsse, ob das Bestandverhältnis weiterlaufe oder ob Schadenersatzansprüche zu berücksichtigen seien.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision der klagenden Partei ist nicht berechtigt. Die Kündigungen waren schon deshalb nicht als wirksam zu erkennen, weil die klagende Partei die gesetzliche Kündigungsfrist nicht eingehalten hat.
Zwar mußte die klagende Partei gemäß § 20 c Abs 2 AO eine vereinbarte Kündigungsfrist oder wie hier den vertraglichen Ausschluß der Kündigung für eine bestimmte Zeit nicht beachten, wohl aber war die gesetzliche Kündigungsfrist einzuhalten. Diese beträgt gemäß § 560 Abs 1 Z 2 lit e ZPO drei Monate, weil im vorliegenden Fall kein Mietvertrag "über Wohnungen oder Wohnräume", sondern ein solcher "anderer Art", nämlich ein solcher "über Geschäftsräumlichkeiten" vorliegt. Zwar wurden laut Mietvertrag die Wohnungen Top Nr.216 und 217 in Bestand gegeben. Aus dem Mietvertrag ergibt sich aber nicht nur die Einbindung dieser Räumlichkeiten in einen Hotelbetrieb (Punkte 5 und 7), sondern es wurde auch ausdrücklich festgehalten, daß die Vermietung für gewerbliche Zwecke erfolge (Punkt 2). Beabsichtigt war also nicht die Befriedigung eines Wohnbedürfnisses der Mieterin (einer AG), sondern die Verwendung für die geschäftlichen Zwecke ihres Hotelunternehmens. Dieser bei Vertragsabschluß bestehende Vertragszweck ist nach herrschender Auffassung für die Einstufung als Geschäftsraummiete entscheidend (Würth in Rummel, ABGB, Rz 3 zu § 1 MRG; MietSlg 17.242, SZ 44/18, MietSlg 32.260). Auf eine entgegen dem Inhalt des schriftlichen Mietvertrages allenfalls vereinbarte andere Parteienabsicht haben sich die Streitteile nicht berufen. Die Nichteinhaltung der Kündigungsfrist hat aber die materiellrechtliche Wirkung, daß die Kündigung unwirksam ist (MietSlg 35.823). Es muß daher nicht zur Ansicht des Berufungsgerichtes Stellung genommen werden, daß nach § 20 b Abs 3 AO iVm § 20 c Abs 2 AO bis zum Beginn der Abstimmung über den Ausgleichsvorschlag vom Kündigungsrecht so Gebrauch gemacht worden sein müsse, daß bis zu diesem Zeitpunkt nicht nur eine gerichtliche Kündigung eingebracht, sondern diese auch durch Zustellung an den Kündigungsgegner wirksam wurde.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 41 und 50 ZPO.
Anmerkung
E12961European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1987:0030OB00567.87.1202.000Dokumentnummer
JJT_19871202_OGH0002_0030OB00567_8700000_000