TE OGH 1987/12/2 3Ob619/86

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Veröffentlicht am 02.12.1987
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Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Petrasch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Hule, Dr. Warta, Dr. Klinger und Dr. Angst als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Ö***

C***-I*** Aktiengesellschaft, 1010 Wien, Herrengasse 12, vertreten durch Dr. Richard Larcher, Rechtsanwalt in Innsbruck, wider die beklagte Partei prot. Firma M*** G. H***, 6923 Lauterach, Dammstraße 12, vertreten durch Dr. Ernst Stolz und Dr. Sepp Manhart, Rechtsanwälte in Bregenz, wegen S 392.817,89 sA, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgerichtes vom 20. Juni 1986, GZ 6 R 68/86-15, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Feldkirch vom 11. Dezember 1985, GZ 3 Cg 161/84-10, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 13.036,65 (darin S 1.185,15 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen vierzehn Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die L*** & K.M*** Bau-Gesellschaft mbH und die

M*** Bau Gesellschaft mbH (im folgenden kurz: M***) gründeten zur Ausführung der Bauarbeiten am Arlberg-Straßentunnel, Bauabschnitt Ostrampe, eine Arbeitsgemeinschaft (kurz ARGE), die von der A***-Straßentunnel-Aktiengesellschaft (kurz A***) den Zuschlag für die Bauarbeiten erhielt und die beklagte Partei mit der Lieferung von Fertigteilen für die Lawinengalerie St. Jakob beauftragte.

Die klagende Bank verlangt mit ihrer Klage von der beklagten Partei die Zahlung von S 392.817,89 sA. Die M*** habe bei der Ausführung der ihr von der A*** in Auftrag gegebenen Bauleistungen die beklagte Partei mit der Herstellung und Lieferung von Betonfertigteilen betraut und sich volle Schadloshaltung bedungen, falls die Lieferungen der beklagten Partei bei Bauübernahme oder während der Gewährleistungsfrist von der A*** wegen Mangelhaftigkeit beanstandet würden und der Auftraggeberin daraus finanzielle Nachteile entstünden. Der Beweis, daß Beanstandungen zu Unrecht erfolgten, sei vereinbarungsgemäß von der beklagten Partei zu erbringen. Mit Schlußfeststellung vom 1.12.1983 habe die A*** zu Recht die Lieferungen und Leistungen der beklagten Partei beanstandet und einen Rechnungsabzug von S 392.817,89 vorgenommen. Diesen Betrag habe die beklagte Partei an Schadenersatz zu ersetzen und zwar zur ungeteilten Hand den Partnern der ARGE. Diese Partner hatten sich schon vor Arbeitsbeginn geeinigt, die Arbeitsgemeinschaft nicht auszuüben, und vereinbart, daß der M*** die Geschäftsführung obliege und diese auch für die sich aus dem Bauvorhaben ergebende Forderung ausschließlich empfangsberechtigt sei. Erst mit dem Abzug am 1.12.1983 innerhalb der Gewährleistungsfrist gegenüber der A*** sei die Verpflichtung der beklagten Partei fällig geworden. Die M*** habe ihre Forderung an Kapital und 13,5 % Zinsen an die klagende Bank zediert. Zum Beweis der Zession wurden nur "Zessionsunterlagen" angeboten. Die beklagte Partei bestritt das "Klagebegehren" zur Gänze, soweit sie es nicht ausdrücklich als richtig anerkenne, und beantragte, das Klagebegehren abzuweisen. Bei der ARGE, von der sie den Auftrag hatte, handle es sich um eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts. Zur Abtretung der Forderung sei der eine Gesellschafter M*** allein nicht berechtigt gewesen. Wenn daher, wie es die klagende Partei behaupte, nur die M*** die Forderung abgetreten habe, so liege keine wirksame Zession vor. Die Ö-Norm B-2110, deren Geltung im Auftrag vereinbart war, verkürze die Gewährleistungsfrist auf 2 Jahre ab Übernahme der Leistungen. Die Übernahme der fertigen Lawinengalerie durch die A*** sei am 1.12.1978 erfolgt und die Gewährleistungsfrist am 1.12.1980 abgelaufen. Die M*** habe auch vorbehaltslos den Bankhaftbrief zurückgestellt. Erst Anfang 1984 habe die ARGE Mängel der Betonbodensteine behauptet, doch habe die beklagte Partei den Ausschreibungen der ARGE folgend mängelfrei geliefert. Die Vertragsbestimmung müsse so ausgelegt werden, daß die ARGE nur dann von der beklagten Partei Ersatz verlangen könne, wenn die Lieferungen und Leistungen der beklagten Partei wirklich Mängel aufgewiesen hätten und die Mängelrüge rechtzeitig erhoben wurde. Die ARGE habe den Abzug nicht hinnehmen dürfen, sondern hätte die A*** auf Zahlung des Restbetrages klagen müssen.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es stellte im

wesentlichen fest:

Die von der M*** Bau Gesellschaft mbH und der

L*** & K.M*** Bau Gesellschaft mbH gebildete ARGE hatte nach Übernahme des Bauauftrages der A*** für das Baulos Arlberg Straßentunnel Ostrampe der beklagten Partei den Auftrag zur Lieferung von rund 800 Bordstein-Fertigteilen erteilt. Die beklagte Partei nahm den Auftrag an, in dem unter anderem festgehalten ist, daß die beklagte Partei die ARGE in vollem Umfang schadlos hält, sollten die Lieferungen wegen Mangelhaftigkeit seitens der A*** bei Bauübergabe oder im Verlauf der Gewährleistungsfrist beanstandet werden und der ARGE daraus finanzielle Nachteile entstehen. Bestünden die Beanstandungen nach Ansicht der beklagten Partei zu Unrecht, obliege ihr der Beweis. Eine allfällige rechtliche Durchsetzung dieses Standpunktes gegenüber der A*** würde von der ARGE im Auftrag und auf Risiko der beklagten Partei gegen Kostenersatz betrieben. Die Bordsteine waren von der beklagten Partei 1978 geliefert worden. Die A*** stellte am 1.12.1983 in der Schlußfeststellung Frost-Tau-Wechselschäden an den Bordsteinen fest und brachte bei Bezahlung des Werklohnes an die ARGE wegen dieser Mängel S 332.896,52 (+ 18 % Umsatzsteuer = S 392.817,89) in Abzug. Eine Zession des Schadenersatzanspruches durch die M*** an die klagende Bank kann ebenso nicht festgestellt werden wie der Umstand, ob und wann zwischen den Gesellschaftern bürgerlichen Rechts der ARGE eine interne Vereinbarung geschlossen wurde, wonach die Arbeitsgemeinschaft nicht ausgeübt und die Bauarbeiten von der M*** allein ausgeführt werden, der die Geschäftsführung obliege und die allein für alle sich aus dem Bauvorhaben ergebenden Forderungen empfangsberechtigt sein sollte, während die L*** & K.M*** Bau GmbH nur mit 5 % am Gewinn des Bauvorhabens beteiligt werde, weil der Auftrag von der A*** an die ARGE erteilt wurde (Beil./D).

Bei der rechtlichen Beurteilung kam das Erstgericht zu dem Ergebnis, die klagende Bank sei schon deshalb zur Geltendmachung der Forderung nicht berechtigt, weil eine Abtretung der Schadenersatzforderung nicht erfolgte, zu der überdies die Zustimmung der zweiten Gesellschafterin der ARGE nötig gewesen wäre, weil es sich um eine Gesamthandforderung der Erwerbsgesellschaft bürgerlichen Rechtes handle.

Das Berufungsgericht bestätigte das Ersturteil. Es verneinte das Vorliegen eines Verfahrensmangels. Die klagende Bank habe behauptet, sie habe die von ihr eingeklagte Forderung durch Abtretung von der M*** erworben, und zum Beweise die Vorlage von "Zessionsurkunden" angeboten, solche Urkunden aber nicht vorgelegt. Die beklagte Partei habe alle Angaben der klagenden Bank bestritten, soweit sie diese nicht ausdrücklich als richtig anerkannte, und nicht zugestanden, daß die behauptete Forderungsabtretung durch die M*** stattfand. Es liege nicht der Fall vor, daß die beklagte Partei näher zum Beweis stehe und daher das Unterlassen einer substantiellen Bestreitung als Zugeständnis gewertet werden könne. Der klagenden Bank hätte es unschwer möglich sein müssen, einen Zessionsvertrag nachzuweisen, während der Beweis des Gegenteils der beklagten Partei schwer fallen müßte. Diese habe aber nicht nur die formale Berechtigung der M*** zur Forderungsabtretung, sondern auch den Abschluß der Zessionsvereinbarung bestritten. Obgleich es zweckmäßig sei, wenn der Richter die Partei zur Vorlage der zum Beweis angebotenen und im Beweisbeschluß zugelassenen Urkunden auffordere, liege im Unterlassen keine Mangelhaftigkeit des Verfahrens. Der Urkundenbeweis werde durch Vorlage der Urkunde angetreten, und die Vorlage habe sofort zu erfolgen. Sei der behauptete Forderungserwerb durch Zession nicht erwiesen, komme es nicht darauf an, ob und welche Vereinbarungen die zur ARGE vereinigten Gesellschafter über die Geltendmachung der Forderung der ARGE getroffen haben. Eine Beweisrüge sei nicht erhoben worden. Die Beweisergebnisse rechtfertigten auch nicht die Feststellung, daß die M*** der klagenden Bank die von dieser eingeklagte Forderung abgetreten habe. Damit erübrige sich das Eingehen auf die Rechtsansicht des Erstgerichtes, daß eine Forderungsabtretung nur im Zusammenwirken mit der zweiten ARGE-Gesellschafterin wirksam erfolgen konnte. Gegen das Urteil des Berufungsgerichtes wendet sich die klagende Partei mit ihrer nach § 502 Abs 4 Z 2 ZPO zulässigen Revision. Sie führt die Revisionsgründe der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung der Sache aus und beantragt, die Urteile der Vorinstanzen aufzuheben und die Rechtssache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Prozeßgericht erster Instanz zurückzuverweisen.

Die beklagte Partei beantragt, der Revision der klagenden Partei nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

In Wahrheit macht die klagende Partei sowohl unter dem Revisionsgrund nach § 503 Abs 1 Z 2 ZPO als auch dem des § 503 Abs 1 Z 4 ZPO geltend, das Berufungsgericht habe zu Unrecht eine Mangelhaftigkeit des erstinstanzlichen Verfahrens nicht wahrgenommen. Sie meint, das Berufungsverfahren sei mit einem wesentlichen Verfahrensmangel behaftet, welcher, ohne eine Nichtigkeit zu bewirken, eine erschöpfende Erörterung und gründliche Beurteilung der Streitsache zu hindern geeignet war, weil es die schwerwiegende, in erster Instanz unterlaufene Mangelhaftigkeit verneint habe. Das Erstgericht habe entgegen der Rechtsansicht des Berufungsgerichtes die Verpflichtung gehabt, der klagenden Bank die Vorlage der in ihren Händen befindlichen Urkunden aufzutragen. Sie hätte, wäre sie auf ihr Versäumnis hingewiesen worden, die zum Beweis des Abtretungsvertrages angebotene Zessionsurkunde vorlegen können. Auch sei von der Vernehmung des zum Beweis des gesamten Vorbringens geführten Zeugen Alexander P*** zu Unrecht abgesehen worden. Darin liege auch eine unrichtige rechtliche Beurteilung und Auslegung der Bestimmungen der §§ 182 und 183 ZPO. Wohl lehrt Fasching (Komm. IV 306; zuletzt auch in ZPR Rz 1909), daß auch in der Berufung ausdrücklich gerügte und vom Berufungsgericht zu Unrecht verneinte Verfahrensmängel im Revisionsverfahren als Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens geltend gemacht werden könnten und wahrzunehmen seien; er weist aber auf die in der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes vertretene gegenteilige Auffassung hin, wonach Verfahrensmängel außer in von Amtswegigkeit beherrschten Prozessen immer nur in der nächst höheren Instanz aufgegriffen werden können. An dieser ständigen Rechtsprechung (SZ 50/14; SZ 51/8; MietSlg. 37.771), die sich vor allem darauf stützt, daß selbst die Verneinung eines mit Nichtigkeit bedrohten Verfahrensverstoßes und die darauf beschlußmäßig erfolgte Verwerfung der Berufung wegen Nichtigkeit nach § 519 ZPO keiner Anfechtung unterliegt, so daß auch minderschwere Verfahrensmängel, die eine Nichtigkeit nicht bewirken, nicht der Nachprüfung durch die dritte Instanz unterliegen können (EFSlg. 49.387 ua.), wird festgehalten.

Das Berufungsgericht hat sich eingehend mit der Mängelrüge der klagenden Partei auseinandergesetzt und ist zu dem Ergebnis gelangt, daß die klagende Partei den Beweis für die von ihr behauptete Tatsache des Forderungserwerbs durch Zession, worauf sich unter anderem ihr Anspruch gründete, zu erbringen hatte, weil die beklagte Partei dies nicht zugestanden hatte, und daß sie nicht gehindert war, die allein zu diesem Beweis angebotenen "Zessionsunterlagen" dem Gericht vorzulegen (§ 297 ZPO), ohne daß das Unterbleiben einer Betreibung der Urkundenvorlage durch das Gericht einen Verfahrensmangel darstellte. Gerade diese Beurteilung durch das Berufungsgericht ist nach der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes einer Überprüfung im Revisionsverfahren entzogen (vgl. JBl 1986, 583). Das Berufungsverfahren selbst ist deshalb nicht mangelhaft. Das Unterbleiben der Vernehmung des Zeugen Alexander P***, der nicht zum Nachweis der Zession geführt wurde, war nicht einmal in der Berufung gerügt worden (EFSlg 37.771 ua.).

Die Rechtsrüge kann, weil es schon am Nachweis fehlt, daß die klageweise geltend gemachte Forderung durch Zession der klagenden Bank zusteht, keinen Erfolg haben. Sie wurde insoweit auch nur in die Richtung ausgeführt, daß das Berufungsgericht bei der Beurteilung der gerügten Mängel des Verfahrens die Prozeßgesetze unrichtig angewendet hätte, und wiederholt damit lediglich die Mängelrüge.

Nur der Vollständigkeit halber ist festzuhalten, daß sich aus der Entscheidung des Obersten Gerichtshofes vom 23.4.1986 zu 1 Ob 558,559/86 für die hier allein maßgebende Frage der Zulässigkeit der Geltendmachung eines Verfahrensmangels erster Instanz im Revisionsverfahren nichts ableiten läßt. Dort war nämlich festgestellt, daß die im Innenverhältnis allein für die ARGE verfügungsbefugte M*** die Forderung gegen einen anderen Subunternehmer sicherungsweise am 5.6.1984 an die klagende Bank zediert hatte.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO.

Anmerkung

E12772

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1987:0030OB00619.86.1202.000

Dokumentnummer

JJT_19871202_OGH0002_0030OB00619_8600000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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