TE OGH 1987/12/3 13Os161/87

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Veröffentlicht am 03.12.1987
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 3.Dezember 1987 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Harbich als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Müller, Dr. Horak, Dr. Brustbauer und Dr. Kuch als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Mitterhöfer als Schriftführers in der Strafsache gegen Adalbert S*** und Elfriede S*** wegen des Verbrechens nach § 12 Abs. 1 SuchtgiftG. über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen beider Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Salzburg als Schöffengerichts vom 28. August 1987, GZ. 18 a Vr 681/87-17, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerden werden zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Linz zugeleitet.

Text

Gründe:

Die zuletzt keiner geregelten Beschäftigung nachgegangenen Eheleute Adalbert S*** (geboren am 26.Mai 1952) und Elfriede S*** (geboren am 20. November 1949) sind des Verbrechens nach § 12 Abs. 1 SuchtgiftG., teils in der Entwicklungsstufe des Versuchs nach § 15 StGB., (I) und des Vergehens nach § 16 Abs. 1, 4. und 5. - Adalbert S*** auch 6. - Fall SuchtgiftG. (II) schuldig erkannt worden. Darnach haben sie als Mittäter in Salzburg und andernorts von Anfang Oktober (S. 153) bis (einschließlich) 3.Dezember 1986 Suchtgift in einer großen Menge aus den Niederlanden nach Österreich eingeführt sowie einzuführen getrachtet, indem sie in mindestens acht Fahrten jeweils ca. 10 Gramm Heroin sowie unbekannte Mengen Kokain und Cannabisharz - in fünf Fahrten davon auch mit dem abgesondert verfolgten Roman B*** als Mittäter hinsichtlich einer von diesem mitgeführten weiteren Menge von ca. 30 Gramm Heroin und einer unbekannten Menge von Kokain und Cannabisharz - von Amsterdam nach Salzburg transportierten, wobei das bei einer letzten Fahrt am 3.Dezember 1986 mitgeführte Suchtgift (9,35 Gramm Heroin, 0,2 Gramm Kokain und 5,29 Gramm Cannabisharz) entdeckt und sichergestellt wurde; ferner haben sie von dem eingeführten Heroin ca. 3 Gramm an Roman B***, wiederholt geringe Mengen an Wolfgang N***, ca. ein Gramm an Peter L***, wiederholt insgesamt 6 bis 8 Gramm an Horst B*** und ein Gramm an Eduard P*** verkauft (I); schließlich haben außer den Fällen der §§ 12 und 14 a SuchtgiftG. Adalbert S*** im Sommer 1986

wiederholt unbekannte Mengen Heroin von Peter L*** erworben und konsumiert (II 1 a), desgleichen im September 1986 wiederholt insgesamt ca. 10 Gramm Heroin von Roman B*** erworben und teilweise konsumiert sowie teilweise der Elfriede S*** zum Konsum überlassen (II 1 b) und Elfriede S*** im September 1986

wiederholt unbekannte Mengen Heroin von Adalbert S*** übernommen und konsumiert (II 2).

Das Schöffengericht gründete die relevanten Urteilsfeststellungen auf die vor der Kriminalpolizei abgelegten, ursprünglich vorbehaltlosen Geständnisse der Angeklagten (S. 159, 160), setzte sich auch mit den "Einschränkungen" dieser Geständnisse in der Hauptverhandlung auseinander, maß diesen allerdings unter Anführung von Gründen keine Glaubwürdigkeit bei (S. 159 ff.). Der Senat sah sich ferner außerstande, "die genaue Qualität des jeweils von den Angeklagten mitgebrachten Suchtgiftes und auch die exakte Menge" festzustellen, gelangte aber zur ausdrücklichen Konstatierung, "daß die Grenzmenge des § 12 Abs. 3 Z. 3 SGG. (im Zweifel) nicht erreicht wurde" (S. 156).

Rechtliche Beurteilung

In wörtlich weitgehend übereinstimmenden, jedoch getrennt ausgeführten Nichtigkeitsbeschwerden bekämpfen die beiden Angeklagten die Schuldsprüche wegen des Verbrechens (I) aus § 281 Abs. 1 Z. 5, 9 lit. a und 10 StPO.

Wie die Beschwerden selbst einräumen, hat das Schöffengericht die Feststellung, daß die Angeklagten "auf die Idee kamen, selbst nach Amsterdam zu fahren, dort billig Heroin einzukaufen, es nach Österreich einzuführen und ein gleiches Geschäft mit dem Heroin zu machen, wie es Roman B*** praktizierte" (S. 153) auf deren Verantwortung vor der Sicherheitsbehörde gestützt. Das Gericht hat diese Einlassung als vorbehaltloses Geständnis gewertet und den diesbezüglich einschränkenden Angaben der Angeklagten in der Hauptverhandlung den Glauben versagt (siehe oben). Die bekämpfte Feststellung ist daher, wie die Beschwerden richtig bemerken, nur "das Ergebnis einer entsprechenden Beweiswürdigung" (S. 200 und S. 176, jeweils unten) und als solches im Nichtigkeitsverfahren unbekämpfbar. Daß die Verantwortung des Erstangeklagten, das eingeführte Heroin hätte nie weiterverkauft werden sollen (S. 124 unten), mit Stillschweigen übergangen wurde (S. 200, 176), ist schlicht aktenwidrig (S. 159 unten).

Auf der erwähnten Beweisgrundlage hat der Schöffensenat auch die Feststellung getroffen, daß beide Angeklagten "auch im Hinblick auf die relativ hohe Zahl ihrer (zeitweise sogar wöchentlich durchgeführten) 'Einkaufsreisen' in die Niederlande in einem relativ kurzen Zeitraum den sogenannten 'Additionseffekt' hinsichtlich des von ihnen aus den Niederlanden ausgeführten, nach Österreich eingeführten und hier teilweise auch in Verkehr gesetzten Suchtgiftes billigend in Kauf" genommen haben (S. 159). Diese Konstatierung zur subjektiven Tatseite, die solcherart aus dem engen zeitlichen Zusammenhang der wiederholten Suchtgiftbeschaffungsfahrten abgeleitet wird, ist weder unklar noch undeutlich, sondern, den Beschwerden zuwider, den logischen Denkgesetzen entsprechend begründet und gilt ersichtlich auch für die erste Beschaffungsfahrt, zu der bei dieser Würdigung der Verfahrensresultate eine gesonderte Vorsatzbestimmung daher entbehrlich ist (S. 199 und 175 unten).

Daß die exakte Menge des importierten und weitergegebenen Suchtgifts nicht feststellbar sei, steht zu den Mengenangaben im Urteil schon deshalb nicht im Widerspruch, weil diese Mengen, abgesehen vom sichergestellten Suchtgift und dem an Eduard P*** weitergegebenen einen Gramm Heroin (I d; Adalbert S*** in der Hauptverhandlung, S. 125: "Das war genau 1 Gramm"), nur unbestimmt (so teils unter Beisatz von "ca.") angeführt werden (S. 148, 149). So finden sie auch in der Verantwortung des Angeklagten Adalbert S*** in der Hauptverhandlung - auch hinsichtlich des Faktums I c - volle Deckung (S. 125, 129).

Daß die unmittelbar in der Hauptverhandlung vorgeführten Beweise für das Gericht einen geringeren Wert als die von der Sicherheitsbehörde erhobenen hatten, ist nicht abstrakt zu sehen, sondern hier konkret als Ausfluß freier richterlicher Beweiswürdigung hinzunehmen (§ 258 Abs. 2 StPO.). Mit dem (im § 258 StPO. niedergelegten und im § 252 StPO. durchbrochenen) Grundsatz der Unmittelbarkeit, der die prin*Epielle Durchführung der Beweise durch das erkennende Gericht verlangt, hat deren Würdigung an sich nichts zu tun.

Enneut auf einen Angriff gegen die erstrichterliche Beweiswürdigung läuft es hinaus, wenn die Beschwerden die Konstatierung, daß die Qualität des involvierten Suchtgifts, soweit dieses nicht mehr greifbar ist, dem des sichergestellten Suchtgifts entsprochen habe, bekämpfen und die Argumentation des Gerichts (Herkunft vom selben Verteiler, S. 162; Qualitätsbeurteilung durch die Angeklagten als Konsumenten, S. 157) für nicht ausreichend tragfähig erachten. Daß dabei auch die sichergestellten Substanzen gewisse Qualitätsunterschiede erkennen lassen, kann letztlich auf sich beruhen, weil, soweit den Angeklagten die Einfuhr und Weitergabe von Suchtgift in einer großen Menge (§ 12 Abs. 1 SuchtgiftG.) zur Last gelegt wird, nach dem über den Additionseffekt Gesagten (siehe oben) auf alle vom Schuldspruch I erfaßten Drogenmengen abzustellen ist, die aber insgesamt, auch von den Beschwerden unbestritten, eine große Menge im Sinn des § 12 Abs. 1 SuchtgiftG. ausmachen.

Daß es schließlich auch der Zweitangeklagten darum gegangen ist, entsprechende Barmittel zu weiteren Einkaufsfahrten in die Niederlande zur Befriedigung ihrer Süchtigkeit zu erlangen, ist, entgegen ihrer diesbezüglich eigenständigen Mängelrüge (S. 178), in den von ihr schlechthin ignorierten Beweisergebnissen (S. 140) durchaus gedeckt.

Der erste Teil der Rechtsrügen (Z. 9 lit. a) knüpft an die Urteilskonstatierung an, daß im Licht der jüngsten oberstgerichtlichen Judikatur (11 Os 18/87) schon allein bei der letzten Einkaufsfahrt die Einfuhr von Suchtgift in einer großen Menge (§ 12 Abs. 1 SuchtgiftG.) versucht wurde (S. 162, 163); die Rügen bestreiten, daß ein diesbezüglicher Vorsatz der Angeklagten festgestellt worden sei. Indes kommt es zufolge des "Additionseffekts" (siehe oben) auf die Gesamtmenge des eingeführten und weitergegebenen Suchtgifts an; nur darauf kann sich ein entsprechender Vorsatz beziehen, der vom Erstgericht auch für die Zweitangeklagte auf dieser Grundlage ausdrücklich festgestellt wurde (S. 163, 164). Die Beschwerden, die dies vernachlässigen, gehen insoweit nicht vom relevanten Urteilssachverhalt aus. Dies gilt auch für den zweiten Teil der Rechtsrügen (Z. 10), soweit sie eine Beurteilung des zu I erfaßten Sachverhalts aus den bereits in deren erstem Teil (Z. 9 lit. a) dargelegten Gründen bloß als Vergehen nach § 16 Abs. 1, 1., 4. und 5.Fall, SuchtgiftG. anstreben. Weshalb laut I der Schuldsprüche Suchtgift nicht in einer großen Menge in Österreich in Verkehr gesetzt worden sein soll, wird von den Beschwerden nicht weiter substantiiert, die auch hier offenbar urteilsfremd eine Mengensummierung ablehnen. Gerade mit dem Tatverhalten der Zweitangeklagten im Zusammenhang mit der zu I der Schuldsprüche erfaßten Weitergabe von Suchtgift im Inland hat sich das Erstgericht ausführlich auseinandergesetzt (S. 156) und deren Vorsatz bejaht, was deren Rechtsrüge ignoriert. Von einer "Erfolgshaftung" der Zweitangeklagten (so im eigenständigen Teil ihrer Rechtsrüge; S. 180) kann demnach keine Rede sein.

Da sohin weder die angerufenen noch sonst einer der im § 281 Abs. 1 Z. 1 bis 11 StPO. aufgezählten Nichtigkeitsgründe zu prozeßordnungsgemäßer Darstellung gelangt sind, waren die Beschwerden schon bei einer nichtöffentlichen Beratung zurückzuweisen (§ 285 d Abs. 1 Z. 1 StPO. in Verbindung mit § 285 a Z. 2 StPO.).

Mangels einer Sachentscheidung über die Nichtigkeitsbeschwerden entfällt die ausnahmsweise Zuständigkeit des Obersten Gerichtshofs zur Erledigung der Berufungen (§ 296 StPO.), weshalb die Akten dem Oberlandesgericht Linz als zuständigem Gerichtshof zweiter Instanz zur Entscheidung über die Berufungen zuzuleiten waren (RiZ. 1970 S. 17, 18; 1973 S. 70; EvBl. 1981 Nr. 46; JBl. 1985 S. 565; RiZ. 1987/48 S. 180, linke Spalte, u.a.).

Anmerkung

E12480

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1987:0130OS00161.87.1203.000

Dokumentnummer

JJT_19871203_OGH0002_0130OS00161_8700000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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