Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Marold als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr.Griehsler, Dr.Jensik, Dr.Zehetner und Dr.Klinger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr.Anna R***, Pensionistin, Wickenburggasse 7/3 a, 1080 Wien, vertreten durch Dr.Adolf Fiebich und Dr.Vera Kremslehner, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei Alla Abdel W***, Student, August-Gliederer-Gasse 6, 2345 Brunn am Gebirge, vertreten durch Dr.Lukas Kozak, Rechtsanwalt in Wien, wegen Räumung, Streitwert S 6.000,--, infolge außerordentlicher Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgerichtes vom 10.Juni 1987, GZ 48 R 166/87-18, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Mödling vom 28.Jänner 1987, GZ 3 C 208/86-11, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der außerordentlichen Revision wird nicht Folge gegeben. Der Beklagte ist schuldig, der Klägerin binnen 14 Tagen die mit S 2.829,75 (einschließlich S 257,25 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die klagende Alleineigentümerin des Einfamilienhauses August-Gliederer-Gasse Nr. 6 in Brunn am Gebirge vermietete mit schriftlichem Vertrag vom 31.5.1983 dem Beklagten für die Dauer vom 1.6.1983 bis zum 31.5.1984 ein Mansardenzimmer mit WC zur Alleinbenutzung und gewährte dem Mieter die Mitbenützung des Badezimmers und der Küche; am selben Tage wurde ferner vereinbart, daß der Mieter im Falle der Abwesenheit der Vermieterin ein Zimmer und ein Kabinett im Erdgeschoß des Hauses benützen darf. Nach Ablauf der vereinbarten Mietdauer wurde das Mietverhältnis stillschweigend zunächst für ein Jahr und hernach neuerlich für ein weiteres Jahr verlängert. Mit Schreiben vom 23.6.1985 forderte die Vermieterin den Mieter auf, "wenn möglich am 1.Juli, spätestens am 15.Juli" 1985 das Mietobjekt zu räumen (wörtlich: "auszuziehen", Beilage 2). Da der Mieter dieser Aufforderung nicht Folge leistete, aber immer wieder geäußert hat, daß er bereits auf der Suche nach einer anderen Wohnung sei, die Vermieterin aber schon Interessenten für den Kauf ihres Einfamilienhauses hatte, forderte sie den Mieter neuerlich zur Räumung auf und er unterschrieb am 10.2.1986 eine Erklärung (Beilage A), "bereits im Juli 1985 die Kündigung erhalten zu haben" und zur Kenntnis zu nehmen, "daß die Vermieterin keine weitere Rücksicht mehr nehmen kann" und er, der Mieter, mit seiner Familie "bis spätestens 1.Mai 1986" die Wohnung "geräumt haben muß". Der beklagte Mieter war damals bereit, die Wohnung mit 1.5.1986 zu räumen (Seite 30 der Akten).
Mit der am 2.6.1986 eingebrachten Klage begehrte die Vermieterin die Verurteilung des beklagten Mieters zur Räumung des weiterhin benützten Mietgegenstandes und der Garage.
Der beklagte Mieter begehrte die Abweisung der Klage und wendete ein, daß er ein dringendes Wohnbedürfnis habe und die von ihm unterfertigte Erklärung vom 10.2.1986 (Beilage A) keine Räumungsverpflichtung enthalte; diese Erklärung habe er in Unkenntnis der wahren Rechtslage unterfertigt.
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt und das vom Beklagten angerufene Gericht zweiter Instanz bestätigte diese Entscheidung mit dem Ausspruch, daß der Wert des betroffenen Streitgegenstandes S 60.000,--, nicht aber S 300.000,-- übersteige und die Revision nicht zulässig sei.
Das Erstgericht äußerte die Ansicht, daß die Parteien am 10.2.1986 eine Dissolutionsvereinbarung geschlossen hätten, im übrigen aber das Mietverhältnis zwischen ihnen trotz zweimaliger stillschweigender Erneuerung wirksam befristet gewesen sei und mangels einer weiteren Erneuerung jedenfalls zum 31.5.1986 geendigt habe, so daß der Beklagte das Objekt seit 1.6.1986 ohne Rechtstitel benütze.
Das Berufungsgericht begründete seine Entscheidung im wesentlichen folgendermaßen:
Die Frage, ob das Mietverhältnis der Parteien durch die Erklärung des Beklagten vom 10.2.1986 (Beilage A) einvernehmlich aufgelöst worden sei, könne in Ermangelung ausreichender Feststellungen des Erstgerichtes nicht beantwortet werden. Das Mietverhältnis habe aber durch Zeitablauf ein Ende gefunden; über den 31.5.1986 hinaus sei es nicht verlängert worden. Gemäß § 29 Abs 1 Z 3 lit. a MRG erlösche das Mietverhältnis, wenn im Hauptmietvertrag über eine Wohnung in einem Wohnhaus mit nicht mehr als zwei selbständigen Wohnungen schriftlich vereinbart wurde, daß der Vertrag durch den Ablauf der bedungenen Zeit ohne Kündigung erlischt. Eine zeitliche Begrenzung der Befristung des Vertragsverhältnisses gebe es nicht. Diese Voraussetzungen seien hier erfüllt. Weder in diesem Falle noch in den übrigen Fällen des § 29 Abs 1 Z 3 MRG sei dem Gesetz zu entnehmen, daß eine einvernehmliche Verlängerung der Befristung ebenfalls der Schriftform bedürfe. In seiner Entscheidung 6 Ob 541/85 vom 9.10.1986 (= JBl 1987, 659) habe der Oberste Gerichtshof ausgesprochen, daß die konkludente Erneuerung des Zeitmietvertrages mit unbedingtem Endtermin nicht den Abschluß eines neuen, sondern die Fortsetzung des alten Vertrages bedeute. Nur die Vertragsdauer werde dadurch berührt, die übrigen Vertragsinhalte blieben unverändert bestehen. Zu diesem Vertragsteil gehöre auch die in § 29 Abs 1 Z 3 MRG geforderte schriftliche Vereinbarung, daß der Vertrag durch Ablauf der vereinbarten Zeit ohne Kündigung erlösche. Diese Norm müsse deshalb so verstanden werden, daß die dort umschriebenen Auflösungsgründe gewahrt bleiben, wenn die Vertragsdauer einschließlich der (auch nur stillschweigenden) Verlängerung die im Gesetz jeweils vorgesehene Höchstdauer nicht übersteige. Sei, so wie hier, eine Höchstdauer nicht vorgesehen, so erlösche der Mietvertrag mit Ablauf jenes Endtermins, der durch die erstmalige oder die wiederholte Erneuerung bestimmt wurde. Unabhängig davon, welcher Ansicht man über die Dauer der jeweiligen Verlängerung gemäß § 1115 ABGB folge (Verweisung auf Klang in Klang2 V, 105; Schuppich, Neuordnung 150; Lenhoff NZ 1919, 109; Rieder, MRG 1982; Korinek-Krejci, FN 56 auf Seite 483 im Handbuch), in Anbetracht des ursprünglichen Vertragsbeginns am 1.6.1983, der ursprünglichen Vertragsdauer von einem Jahr bzw. der monatlichen Zinsfälligkeit hätte das Mietverhältnis in allen diesen Fällen zum 31.5.1986 geendet und für diesen Termin wäre auch die für die Rechtsvermutung des § 569 ZPO aufgestellte 14-Tage-Frist durch Einbringung der Räumungsklage am 4.6.1986 jedenfalls gewahrt.
Diese Entscheidung des Berufungsgerichtes bekämpft der Beklagte mit außerordentlicher Revision.
Die Klägerin hat in der ihr ermöglichten Rechtsmittelgegenschrift in erster Linie die Zurückweisung der außerordentlichen Revision beantragt und hilfsweise begehrt, diesem Rechtsmittel nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die außerordentliche Revision des Beklagten ist zulässig, weil gegen die Richtigkeit der Begründung der Entscheidung des 6.Senates vom 9.10.1986, 6 Ob 541/85 (= JBl 1987, 659), im Schrifttum beachtliche Bedenken vorgebracht wurden (Böhm in einer Anmerkung zu dieser Entscheidung in den JBl 1987, 660 f), in der Zwischenzeit der
3. Senat des Obersten Gerichtshofes mit der Entscheidung vom 23.9.1987, 3 Ob 532/87, eine vom 6.Senat abweichende Rechtsansicht geäußert hat und der 5.Senat ebenfalls die Rechtsansicht des 6. Senates nicht zu teilen vermag.
Im Ergebnis ist jedoch die außerordentliche Revision nicht berechtigt.
Zutreffend hat Böhm (aaO) auf den Zweck des Formgebotes in lit. a bis d der Z 3 im ersten Absatz des § 29 MRG hingewiesen, an dem jede Gesetzesauslage orientiert werden muß: Einerseits ist es die Warnund Aufklärungsfunktion für den Mieter und andererseits die Sicherung und Erleichterung des Beweises für die vereinbarte Befristung des Mietrechtsverhältnisses. Der Mieter soll, nicht zuletzt, um rechtzeitig für eine andere Wohngelegenheit sorgen zu können, über das automatisch eintretende und nicht von einer vorherigen Kündigung abhängige Ende des Mietrechtsverhältnisses genau und sicher informiert sein. Dieser Erfolg wäre durch die Zulässigkeit einer stillschweigenden Erneuerung des Mietrechtsverhältnisses bloß mit dem Hinweis auf die ursprüngliche, in der Vertragsurkunde enthaltene Befristung mit dem Ausschluß der Kündigung und die gesetzlichen Vorschriften über die jeweilige Dauer der Erneuerung keineswegs gewährleistet, zumal in der Tat gerade über die Art der Verlängerung nach den gesetzlichen Vorschriften, nämlich ob auf unbestimmte oder auf bestimmte Zeit und wenn auf bestimmte Zeit, dann auf welche Dauer, vielfach Verwirrung besteht, wofür auch der Meinungsstreit in der Literatur und Rechtsprechung beredtes Zeugnis gibt. Darüberhinaus stünde ohne Beachtung der Schriftform für die vereinbarte Erneuerung der Vertragsdauer kein exaktes Beweismittel zur Verfügung, wenn Streit über die konkludente Erneuerung besteht. Offenkundig wollte aber der Gesetzgeber gerade durch die geforderte Schriftform in den Fällen des § 29 Abs 1 Z 3 MRG die sonst häufigen Unsicherheiten und Streitfälle vermeiden. Auch der 5.Senat des Obersten Gerichtshofes ist deshalb in Übereinstimmung mit Böhm (aaO) und dem 3.Senat dieses Gerichtshofes (3 Ob 532/87 vom 23.9.1987) der Ansicht, daß eine stillschweigende (konkludente) Erneuerung des Mietvertrages dem in den Fällen des § 29 Abs 1 Z 3 MRG festgelegten Schriftformerfordernis nicht genügt. Demgemäß konnte auch das stillschweigend verlängerte Mietrechtsverhältnis der Parteien dieses Rechtsstreites nicht mehr nach § 29 Abs 1 Z 3 MRG durch Zeitablauf erlöschen, wenngleich der Formmangel das erneuerte Mietrechtsverhältnis nicht zu einem unbefristeten gemacht hat, so daß es zum Ablauf der Frist hätte gekündigt werden müssen, um ein Ende zu finden. Das ist freilich nicht geschehen, denn gemäß § 33 Abs 1 MRG kommt nur eine gerichtliche Kündigung in Betracht.
Die Parteien haben jedoch am 10.2.1986 eine einvernehmliche Auflösung des Mietrechtsverhältnisses mit der Räumungsverpflichtung für den beklagten Mieter bis spätestens 1.Mai 1986 beschlossen, woran nach dem Inhalt der "Erklärung" des Beklagten am selben Tage (Beilage A) in Verbindung mit seiner Parteienaussage, daß er damals bereit war, die Wohnung mit 1.5.1986 zu räumen (Seite 30 der Akten), kein Zweifel bestehen kann. Einvernehmliche Auflösungen von Mietverträgen, die unter den Kündigungsschutz des MRG fallen, sind auch zulässig (Würth-Zingher, MRG2, Anm 2 zu § 29; Würth in Rummel, ABGB, Rz 3 zu § 29 MRG und Rz 3 vor § 1112 ABGB; alle mit Rechtsprechungshinweisen). Da es nach der einvernehmlichen Auflösung des Mietrechtsverhältnisses der Parteien am 10.2.1986 zu keiner konkludenten Erneuerung des Rechtsverhältnisses gekommen ist, hat die Klägerin mit Recht gegen den Beklagten die Räumungklage eingebracht. Im Ergebnis ist demnach die Entscheidung der Vorinstanzen richtig.
Der Kostenausspruch beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO.
Anmerkung
E12812European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1987:0050OB00599.87.1204.000Dokumentnummer
JJT_19871204_OGH0002_0050OB00599_8700000_000