TE OGH 1987/12/9 1Ob712/87 (1Ob713/87, 1Ob714/87)

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Veröffentlicht am 09.12.1987
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schragel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schubert, Dr. Hofmann, Dr. Schlosser und Dr. Kodek als weitere Richter in den verbundenen Rechtssachen der klagenden Partei E*** B*** Aktiengesellschaft, Eisenstadt, Hauptstraße 31, vertreten durch Dr. Michael Kaintz, Rechtsanwalt in Neusiedl am See, wider die beklagte Partei L*** Gesellschaft m.b.H., Bad Vöslau, Waldandachtstraße 23, vertreten durch Dr. Gernot Gruböck, Rechtsanwalt in Baden, wegen S 150.000,--, S 100.000,-- und S 80.000,-- je s.A., infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 23. April 1987, GZ 1 R 64/87-25, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Kreisgerichtes Wiener Neustadt vom 9. Dezember 1986, GZ 3 Cg 534/86-20, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 11.333,85 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (hievon S 1.030,35 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu bezahlen.

Text

Entscheidungsgründe:

Das Erstgericht trug der beklagten Partei als Akzeptantin der von Paul W*** ausgestellten Wechsel mit den Wechselzahlungsaufträgen vom 12. Februar und 24. März 1986 auf, die Wechselsummen von S 150.000,-- s.A. (1 Cg 534/86), S 100.000,--s.A. (1 Cg 571/86) und S 80.000,-- s.A. (1 Cg 572/86) zu bezahlen. Der Wechsel über S 150.000,--, ausgestellt am 7. September 1985, fällig am 7. Dezember 1985, trat an die Stelle eines Wechsels über S 150.000,--, ausgestellt am 7. Juni 1985, fällig am 7. September 1985. Der zuletzt genannte Wechsel wurde von der klagenden Partei am 10. Juni 1985 abgerechnet. Der Wechsel über S 100.000,--, ausgestellt am 21. November 1985, fällig am 21. Februar 1986, trat nach Leistung einer Teilzahlung von S 54.933,96 an die Stelle des Wechsels über S 154.933,96, ausgestellt am 21. August 1985, fällig am 21. November 1985, der den Wechseln über denselben Betrag, ausgestellt am 21. Mai 1985, fällig am 21. August 1985, ersetzte. Der zuletzt genannte Wechsel wurde von der klagenden Partei am 21. Mai 1985 abgerechnet. Der Wechsel über S 80.000,--, ausgestellt am 9. November 1985, fällig am 9. Februar 1985, trat nach Leistung einer Teilzahlung von S 20.000,-- an die Stelle eines am 9. August 1985 ausgestellten, 9. November 1985 fälligen Wechsels über S 100.000,--, der seinerseits nach Leistung einer Teilzahlung von S 47.576,-- den Wechsel über S 147.576,--, ausgestellt am 9. Mai 1985, fällig am 9. August 1985, ersetzte. Der zuletzt genannte Wechsel wurde von der klagenden Partei am 9. Mai 1985 abgerechnet. Bei Ausstellung der Folgewechsel wurde der jeweils vorangehende Wechsel vernichtet. Sämtliche Wechsel wurden von Paul W*** auf die beklagte Partei gezogen, von dieser akzeptiert und an die Order der klagenden Partei indossiert.

Die beklagte Partei erhob gegen Wechselzahlungsaufträge rechtzeitig Einwendungen und machte geltend, den Wechselakzepten lägen Weinlieferungen des Paul W*** an die beklagte Partei zugrunde. Mit Schreiben des Bundesministeriums für Land- und Forstwirtschaft vom 5. November 1985 sei der beklagten Partei mitgeteilt worden, daß auf Grund der Untersuchungsergebnisse feststehe, daß der von Paul W*** gelieferte Wein Diäthylenglykol enthalte und somit verfälscht sei. Die klagende Partei habe im Zeitpunkt des Wechselerwerbes als Hausbank des Paul W*** von diesem Sachverhalt Kenntnis gehabt, sie habe daher bewußt zum Nachteil der beklagten Partei gehandelt (Art. 17 WG). Bei den Wechseln handle es sich nicht um Prolongationswechsel, vielmehr seien die jeweiligen Wechselverbindlichkeiten durch Vernichtung der alten Wechsel erloschen und neue Wechselverbindlichkeiten begründet worden. Schon aus den Ausstellungsdaten der Wechsel allein sei Bösgläubigkeit der klagenden Partei zu erschließen, weil damals der sogenannte Weinskandal allgemein bekannt gewesen sei; der Aussteller Paul W*** sei am 10. August 1985 verhaftet worden.

Die klagende Partei hielt diesem Vorbringen entgegen, daß es sich bei den den Wechselzahlungsaufträgen zugrundeliegenden Wechseln um Prolongate handle, die über Ersuchen der Geschäftsführerin der beklagten Partei über die jeweils noch aushaftenden Wechselsummen ausgestellt worden seien. Im Zeitpunkt der Hereinnahme der Erstwechsel sei die beklagte Partei nicht bösgläubig gewesen. Das Erstgericht hielt die Wechselzahlungsaufträge aufrecht und gab den Klagebegehren statt. Es stellte fest, die Fälligkeit der Wechsel sei jeweils über Ersuchen der Geschäftsführerin der beklagten Partei Helga L*** erstreckt worden. Den Wechseln lägen Weinlieferungen des Paul W*** an die beklagte Partei in der Zeit vom 23. Jänner bis zum 18. Juni 1985 zugrunde. Anläßlich des Ersuchens um Erstreckung der Fälligkeit habe die Geschäftsführerin der beklagten Partei zum Angestellten der klagenden Partei Josef T*** erklärt, daß auf Grund des Weinskandals kein Wein zu verkaufen sei. Mag. Rudolf Grafel von der klagenden Partei habe von dem gegen Paul W*** beim Landesgericht Eisenstadt eingeleiteten Strafverfahren aus Pressemitteilungen Kenntnis erhalten. Im Zeitpunkt der Ausstellung des dem Wechselzahlungsauftrag vom 12. Februar 1986 zugrundeliegenden Wechsels über S 150.000,-- habe sich Paul W*** bereits in Haft befunden. Er habe diesen Wechsel im Gefangenenhaus unterfertigt. Da er irrtümlich bloß eine der beiden Unterschriften (als Aussteller bzw. Indossant) vorgenommen hatte, habe ein Bote der klagenden Partei die fehlende Unterschrift eingeholt und zu diesem Zweck Paul W*** im Gefangenenhaus aufgesucht. Am 29. August 1985 habe die beklagte Partei die klagende Partei davon verständigt, daß die von Paul W*** gelieferten Weine vom Kellereiinspektor zur Untersuchung eingesendet und bisher nicht freigegeben worden seien; eine private Untersuchung habe keinen Hinweis auf Verfälschungen erbracht. Am 10. Dezember 1985 habe die beklagte Partei der klagenden Partei mitgeteilt, daß der Wein wegen des festgestellten Gehalts an Diäthylenglykol beschlagnahmt worden sei.

In rechtlicher Beurteilung des Sachverhaltes gelangte das Erstgericht zum Ergebnis, daß der beklagten Partei der Nachweis der Schlechtgläubigkeit der klagenden Partei im Sinne des Art. 17 WG nicht gelungen sei.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der beklagten Partei nicht Folge. Es ließ die Revision nicht zu. Den Wechselzahlungsaufträgen lägen Prolongationswechsel zugrunde, wenn auch die Tatsache der Prolongation aus den Wechselurkunden selbst nicht ersichtlich sei. Eine Novation des Schuldverhältnisses bei Ausstellung der Prolongationswechsel finde in den Beweisergebnissen keine Deckung. Da die klagende Partei beim Erwerb der Erstwechsel gutgläubig gewesen sei, sei es unschädlich, wenn sie bis zum Erwerb der Prolongationswechsel von Einwendungen gegen den Vormann (Aussteller) Kenntnis erhalten habe. Diese Rechtsfolge ergebe sich aus der materiellen Identität des im Erst- und Prolongationswechsel verbrieften Wechselanspruchs. Das Wissen der klagenden Partei über die Verfälschung des von Paul W*** an die beklagte Partei gelieferten Weins stamme der Sachlage nach frühestens aus der Zeit ab August 1985, so daß für den Zeitpunkt der Hereinnahme der Erstwechsel die Schlechtgläubigkeit der klagenden Partei im Sinne des Art. 17 WG zu verneinen sei.

Rechtliche Beurteilung

Der gegen das Urteil des Berufungsgerichtes erhobenen außerordentlichen Revision der beklagten Partei kommt Berechtigung nicht zu.

Die geltend gemachte Mangelhaftigkeit des Verfahrens erachtet der Oberste Gerichtshof nach Prüfung als nicht gegeben (§ 510 Abs 3 letzter Satz ZPO).

Eine unrichtige rechtliche Beurteilung der Sache erblickt die Revisionswerberin darin, daß die Bösgläubigkeit der klagenden Partei nicht nach ihrem Wissensstand bei Hereinnahme der den Wechselzahlungsaufträgen zugrundeliegenden Wechsel beurteilt worden sei. Sämtliche ursprünglich ausgestellten Wechsel seien nach Ausstellung neuer Wechsel dem Schuldner zurückgegeben und vernichtet worden. Dies bedeute, daß die ursprüngliche, vom Grundgeschäft losgelöste Wechselverpflichtung durch eine neue Wechselverpflichtung ersetzt (noviert) worden sei. Der Wechselschuldner könne daher die Einrede der Schlechtgläubigkeit im Sinne des Art. 17 WG auf den Zeitpunkt des Erwerbers der neu ausgestellten Wechsel abstellen. Für diesen Zeitpunkt sei die Schlechtgläubigkeit der klagenden Partei zu bejahen.

Unter Prolongation eines Wechsels versteht man die Stundung, d. h. das Hinausschieben des Zeitpunktes der Fälligkeit einer Wechselverbindlichkeit. Die Wechselprolongation kann auf verschiedene Arten erfolgen. So wird die Auffassung vertreten, daß eine Änderung der Verfallszeit des Wechsels durch eine Vereinbarung zwischen dem berechtigten Wechselinhaber und den Betroffenen, insbesondere den Regreßschuldnern, zulässig ist. Diese Vereinbarung bedürfe des schriftlichen Vermerkes auf dem Wechsel, da die Angabe der Verfallszeit zu den zwingenden Formerfordernissen des Wechsels gehört (Hueck-Canaris, Recht der Wertpapiere11 125; Naegeli, Die Wechselprolongation nach schweizerischem, deutschem und österreichischem Recht, 1, 4, 5, 36, 162; Baumbach-Hefermehl, Wechselgesetz und Scheckgesetz15 Rz 73 zu Art. 17 WG; Stranz, Wechselgesetz14 Anm. 47 c zu Art. 17 WG; Kapfer,

Handkommentar, 151). Die Prolongationswirkung kann auch dadurch erzielt werden, daß die Verfallszeit des Wechsels unverändert bleibt, aber durch eine Abrede zwischen einem Wechselgläubiger und einem Wechselschuldner die Zahlungsverpflichtung des Schuldners hinausgeschoben wird (Hueck-Canaris a.a.O. 125; Naegeli a.a.O. 5; Kapfer, a.a.O. 151). Gebräuchlich ist die dritte Form der Prolongation, bei der der Schuldner dem Prolongierenden einen zweiten Wechsel mit späterer Verfallszeit übergibt, der zumeist über denselben Betrag, eventuell zuzüglich Kosten und Zinsen, ausgestellt wird und die gleichen Unterschriften (der Wechselbeteiligten) in derselben Reihenfolge aufweist wie der Erstwechsel (Hueck-Canaris a. a.O. 125; Naegeli a.a.O. 6, 194; Baumbach-Hefermehl a.a.O. Rz 71 zu Art. 17 WG; Stranz a.a.O. Rz 47 a zu Art. 17 WG). Die Entgegennahme eines Prolongationswechsels verpflichtet den Gläubiger grundsätzlich zur Rückgabe des Erstwechsels, weil andernfalls der Schuldner der Gefahr einer doppelten Inanspruchnahme ausgesetzt ist. Gibt der Gläubiger den Wechsel nicht zurück, z.B. deshalb, weil er ihn nicht mehr in Händen hat, muß er umgehend für dessen Einlösung sorgen oder dem Schuldner den Erlös aus der Diskontierung des Prolongationswechsels zur Verfügung stellen, damit dieser ihn zur Einlösung des Erstwechsels verwenden kann (SZ 44/33; SZ 35/134;

BGHZ 8, 276, 280; Hueck-Canaris a.a.O. 126;

Naegeli a.a.O 194, 226 Baumbach-Hefermehl a.a.O Rz 71 zu Art. 17 WG). Nach herrschender Ansicht liegt in der Rückgabe des Erstwechsels bei Ausstellung eines Prolongationswechsels eine Leistung an Zahlungs Statt, die zum Erlöschen der Rechte aus dem Erstwechsel führt (SZ 35/134; Hueck-Canaris a.a.O. 126;

Baumbach-Hefermehl a.a.O. Rz 77 zu Art. 17 WG; Kapfer a.a.O 151; in diesem Sinn wohl auch Stranz a.a.O. Anm. 47 b zu Art. 17 WG). Das Reichsgericht (RGZ 107, 34, 36) nahm eine Novationswirkung nur zwischen den an der Prolongationsabrede beteiligten Personen an. Es wird deshalb auch die Auffassung vertreten, daß die Verpflichtung zur Rückgabe des Erstwechsels bei Ausstellung des Prolongationswechsels nur dann bestehe, wenn mit der Prolongation eine Novation des Erstwechsels beabsichtigt ist

(Naegeli a.a.O. 227 mwN in FN 5 und 10). Der Grundsatz, daß in der Hingabe des Prolongationswechsels gegen Rückstellung des Erstwechsels eine Leistung an Zahlungs Statt liege, wird in der neueren Literatur eingeschränkt (vgl. Hueck-Canaris a.a.O. 126). Naegeli vertritt die Auffassung (a.a.O. 235), daß der Parteiwille darüber entscheide, ob der Hingabe eines Prolongationswechsels novierende Wirkung zukomme. Er nimmt eine solche aber dann an, wenn die Übergabe des Prolongationswechsels gegen Rückgabe des Erstwechsels erfolgt, insbesondere wenn der Erstwechsel vernichtet (zerrissen, durchgestrichen oder durchlöchert) wird (Naegeli a.a.O. 237). Mit Recht wird aber hervorgehoben, daß mit der Hingabe eines Prolongationswechsels nicht die Grundforderung, sondern (nur) die Verpflichtung des Schuldners aus dem Erstwechsel erloschen ist; (nur) insoweit liege eine Novation vor (Baumbach-Hefermehl a.a.O. Rz 77 zu Art. 17 WG). Bedeutung kommt dieser Frage vor allem dann zu, wenn der Gläubiger den Erstwechsel, den er bei Ausstellung des Prolongationswechsels dem Wechselschuldner zurückgestellt hat, zurückerhält und diesen Wechsel geltend macht (vgl. Baumbach-Hefermehl a.a.O. Rz 77 zu Art. 17 WG; Hueck-Canaris a.a.O. 126, 127).

Zu Unrecht erachtet die beklagte Partei die Frage der novierenden Wirkung der Ausstellung eines Prolongationswechsels von Bedeutung für den Umfang der dem beklagten Wechselschuldner gemäß Art. 17 WG zustehenden Einwendungen. Nach herrschender Auffassung ist zwischen formellen und materiellrechtlichen Einwendungen des Wechselschuldners gegen den Prolongationswechsel zu unterscheiden. Sind formelle Einwendungen, z.B. das Fehlen wesentlicher Wechselbestandteile, nur gegen den Erstwechsel begründet, so kann diese Einwendung nicht auch gegen den formgültigen Prolongationswechsel erhoben werden (Hueck-Canaris a.a.O. 127; Naegeli a.a.O. 267, 268; Baumbach-Hefermehl a.a.O. Rz 79 zu Art. 17 WG). Materiellrechtliche Einwendungen hingegen, die gegen den Erstwechsel begründet waren, können auch gegen den Prolongationswechsel erhoben werden, was mit der materiellen Identität der den Wechseln zugrundeliegenden kausalen Verpflichtung begründet wird (Naegeli a.a.O. 270; Baumbach-Hefermehl a.a.O. Rz 79 zu Art. 17 WG; Stranz a.a.O. Anm. 47 b zu Art. 17 WG im Ergebnis auch Hueck-Canaris a.a.O. 127). Auf den Umfang der materiellrechtlichen Einwendungen hat die Begebung eines Prolongationswechsels auch dann keinen Einfluß, wenn eine Novation der wechselmäßigen Verbindlichkeit aus dem Erstwechsel stattgefunden hat, weil das dem Erstwechsel zugrundeliegende Kausalverhältnis auch bei Novation der Wechselverpflichtung durch Ausstellung eines Prolongationswechsels nicht geändert wird (Naegeli a.a.O. 271; Baumbach-Hefermehl, a.a.O. Rz 79 zu Art. 17 WG;). Daraus folgt, daß es unschädlich ist, wenn der beim Erwerb des Erstwechsels gutgläubige Gläubiger in der Zeit bis zum Erwerb des Prolongationswechsels Einwendungen gegen den Vormann erfährt (RGZ 77, 49, 53 mwN; Hueck-Canaris a.a.O. 128; Naegeli a.a.O. 272; Stranz a.a.O. Anm. 47 b zu Art. 17 WG; Baumbach-Hefermehl a.a.O. Rz 79 zu Art. 17 WG). Durch den Prolongationswechsel soll die Stellung des Gläubigers möglichst nicht schlechter sein als sie es wäre, wenn lediglich die Fälligkeit des Erstwechsels (ohne Ausstellung eines Prolongationswechsels) hinausgeschoben worden wäre (Hueck-Canaris a.a.O. 128). Eine andere Auffassung führte zu dem untragbaren Ergebnis, daß ein Gläubiger, der einen Wechsel erwarb gutgläubig, seines Anspruches verlustig gehen könnte, weil er der Bitte des Akzeptanten auf Hinausschiebung der Fälligkeit durch Ausstellung eines Prolongationswechsels zu einem Zeitpunkt, zu dem er nicht mehr gutgläubig sein konnte, entsprach. Aus diesem Grunde hat schon seinerzeit das Reichsgericht dargetan, daß der Verkehr nur wegen der Eigentümlichkeiten des Wechselrechtes die Ausstellung eines neuen Wechsels bei Hinausschiebung der Fälligkeit vorzieht. Es führte weiter aus: "Es mag zugegeben werden, daß mehrere Wechselurkunden mit verschiedenen Ausstellungs- und Verfalltagen, formell betrachtet, eine Mehrheit von Wechselverpflichtungen enthalten. Aufgabe der Rechtsprechung aber ist es, überall da, wo es nicht auf die Form, sondern auf das Wesen der Sache ankommt, die materielle Identität der Wechselschuld bei Entscheidung der Einzelfragen zur Geltung zu bringen (RGZ 77, 49, 52, 53)". Nur die Beweislast, daß es sich um einen Prolongationswechsel handelt, trifft, wenn dies nicht auf dem Wechsel vermerkt ist und daher einen urkundlichen Einwand ermöglicht (Baumbach-Hefermehl a.a.O. Rz 74), den schlechtgläubig gewordenen Wechselinhaber; dies spielt im vorliegenden Fall aber keine Rolle, weil die Tatsache des Vorliegens von Prolongationswechseln nicht strittig ist.

Die den Wechselzahlungsaufträgen zugrundeliegenden Wechsel wurden über Ersuchen der beklagten Partei ausgestellt, um die Fälligkeit anderer von Paul W*** ausgestellter, von der beklagten Partei akzeptierter und der klagenden Partei indossierter Wechsel hinauszuschieben, sie sind also, wie die Vorinstanzen zutreffend erkannten, als Prolongationswechsel zu qualifizieren. Ob mit der Ausstellung der Prolongationswechsel eine Novation der dem Erstwechsel zugrundeliegenden abstrakten Wechselverbindlichkeit eintrat, kann nach dem Vorgesagten dahingestellt bleiben, weil dies für die Frage, welche Einwendungen im Sinne des Art. 17 WG die beklagte Partei gegen die klagende Partei, die auch Inhaberin der dann prolongierten Wechsel war, erheben kann, ohne Bedeutung ist. Da der klagenden Partei im Zeitpunkt des Erwerbers der Erstwechsel Einwendungen der beklagten Partei aus dem zwischen ihr und Paul W*** bestehenden Grundverhältnis bekannt gewesen wären, behauptete die beklagte Partei nicht. Die erst nach Ausstellung der Erstwechsel erlangte Kenntnis solcher Einwendungen ist, wie dargetan, rechtlich bedeutungslos. Demzufolge ist der Revision der Erfolg zu versagen. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO.

Anmerkung

E12721

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1987:0010OB00712.87.1209.000

Dokumentnummer

JJT_19871209_OGH0002_0010OB00712_8700000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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