Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schragel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schubert, Dr. Hofmann, Dr. Schloser und Dr. Kodek als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei A***-E*** V*** A***, Wien 1., Bösendorferstraße 13,
vertreten durch Dr. Clement Achammer, Rechtsanwalt in Feldkirch, wider die beklagte Partei R*** Ö***, vertreten durch die Finanzprokuratur, Wien 1., Singerstraße 17-19, wegen S 204.393,52 s.A., infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgerichtes vom 30. April 1987, GZ 2 R 8/87-17, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes Feldkirch vom 5. November 1986, GZ 8 Cg 192/86-12, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 7.207,50 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu bezahlen.
Text
Entscheidungsgründe:
Am 9. Juli 1983 kam es in Feldkirch-Altenstadt im Bereich der Einmündung der Heldenstraße in die Bundesstraße B 190 zu einem Bruch der im Grundstück 5077/7 der EZ 1087 KG Altenstadt verlegten Wasserleitung; die Liegenschaft steht im Eigentum der Stadt Feldkirch. Durch den Wasserrohrbruch wurde die benachbarte Bundesstraße B 190 (Grundstück 4982/1 der EZ 1281 KG Altenstadt) beschädigt. Mit der Reparatur des eingetretenen Schadens wurde die Bauunternehmung H*** & J***, Feldkirch, beauftragt; die Kosten der Schadensbehebung beliefen sich auf S 370.352,24. Zwischen der beklagten R*** Ö*** und den S*** F***
entstanden in der Folge Differenzen darüber, wer den an der Bundesstraße B 190 entstandenen Schaden zu tragen habe. Da die Auffassungsdifferenzen nicht zu Lasten des Auftragnehmers, der Bauunternehmung H*** & J***, ausgetragen werden sollten, kamen die beklagte Partei und die S*** F*** überein, die Kosten, unbeschadet des jeweils vertretenen Rechtsstandpunktes, vorerst je zur Hälfte zu tragen. Im Sinne dieser Vereinbarung wurden in der Folge die Reparaturkosten in der Höhe von S 370.352,24 sowie zwischenzeitig aufgelaufene Zinsen in der Höhe von S 38.431,81, insgesamt sohin ein Betrag von S 408.787,05, je zur Hälfte, sohin je S 204.393,52, von der beklagten Partei und den S*** F*** an die Bauunternehmung bezahlt.
Die S*** F***, die ein Elektrizitäts- und Wasserwerk betreiben, sind ein Unternehmen, das gemäß § 36 HGB unter der Firma "S*** F***" im Handelsregister eingetragen ist.
Alleineigentümer des Unternehmens ist die Stadt Feldkirch. Die klagende Partei ist Haftpflichtversicherer der S*** F***; sie hat als solcher von dem auf die S*** F***
entfallenden Hälfteanteil der Behebungskosten an die Bauunternehmung H*** & J*** den Betrag von S 156.928,91 bezahlt. Mit Urkunde vom 1. Juni 1986 traten die S*** F*** ihre aus der Behebung des eingetretenen Schadens resultierende Forderung bis zum Betrag von S 204.393,52 der klagenden Partei zum Inkasso ab. Die klagende Partei hat die Zessionsannahme erklärt. Die beklagte Partei wurde von der Zession im Zuge des Rechtsstreites verständigt, erstmals durch das Vorbringen der klagenden Partei in der Streitverhandlung vom 29. September 1986. Der beklagten Partei wurde auch die von der klagenden Partei mit dem Schriftsatz vom 30. September 1986 (ON 9) vorgelegte Zessionsurkunde am 3. Oktober 1986 zugestellt. Die klagende Partei begehrt mit der am 4. Juni 1986 überreichten Klage die Bezahlung des Betrages von S 156.928,91 s.A.; sie dehnte das Begehren in der Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung vom 29. September 1986 auf S 204.393,52 s.A. aus. Zur Begründung des Begehrens brachte die klagende Partei vor, die S*** F*** hätten im Jahre 1952 bei der Bezirkshauptmannschaft Feldkirch als Wasserrechtsbehörde einen Wasserrechtsbescheid erwirkt, mit dem nicht nur die Bewilligung zur Förderung von Grundwasser im sogenannten Frastanzer Ried, sondern auch das Rohrnetz genehmigt worden sei. Die Rohrleitung, an der der Schaden aufgetreten sei, sei im Jahre 1967 verlegt worden. Die S*** F*** seien somit Wasserberechtigte und könnten nur nach Maßgabe des § 26 Abs 1 WRG 1959 zur Haftung herangezogen werden. Ein Verschulden von Organen der S*** F*** liege jedoch nicht vor, zumal der Schaden an der Wasserleitung durch die von der Bundesstraße B 190 ausgehenden Erschütterungen entstanden sei. Der Klagsbetrag, der von der klagenden Partei für die beklagte Partei geleistet worden sei, sei ihr von den S*** F*** bzw. der Stadt Feldkirch zum Inkasso abgetreten worden. Dem in der Verordnung RGBl. 1897/251 normierten Formerfordernis für die Zession sei durch Zustellung des Schriftsatzes vom 30. September 1986 an die beklagte Partei entsprochen worden.
Die beklagte Partei stellte das Klagebegehren der Höhe nach außer Streit, wendete jedoch in Ansehung des S 156.928,61 übersteigenden Betrages mangelnde Aktivlegitimation ein, weil eine den gesetzlichen Erfordernissen entsprechende Verständigung der beklagten Partei von der Zession nicht erfolgt sei. Diese Teilforderung sei auch verjährt. Im übrigen beantragte die beklagte Partei Abweisung des Klagebegehrens und brachte vor, es treffe nicht zu, daß der Wasserrohrbruch durch die von der Bundesstraße B 190 ausgehenden Erschütterungen entstanden sei. Die Haftung der S*** F*** für den eingetretenen Schaden ergebe sich auch daraus, daß die S*** F*** die Wasserversorgungsanlage der B*** A*** und damit auch die dieser im Revers
vom 9. November 1903 überbundene Verpflichtung, für jeden aus der Brunnenleitungsanlage durch Außerachtlassung der nötigen Sicherungsvorkehrungen oder aus anderen Ursachen erwachsenen Schäden aufzukommen, übernommen habe, wogegen die "k.k. Straßenverwaltung" für Beschädigungen an der Brunnenleitungsanlage durch dritte Personen keine Haftung treffe. Auf die Bestimmung des § 26 WRG 1959 könne sich die klagende Partei nicht berufen, weil diese Bestimmung den Betrieb einer Wasserbenutzungsanlage durch einen Wasserberechtigten zur Voraussetzung habe. Für die gegenständliche Wasserversorgungsanlage sei keine wasserrechtsbehördliche Bewilligung erteilt worden; die S*** F*** seien daher auch nicht Wasserberechtigte. Außerdem handle es sich um eine Wasserversorgungsanlage und nicht um eine Wasserbenutzungsanlage. Die S*** F*** hafteten somit für den der beklagten Partei an der Bundesstraße B 190 entstandenen Schaden nach nachbarrechtlichen Gesichtspunkten.
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt und stellte fest:
Mit Bescheid vom 17. Juni 1952, Zl. III b-715 d/51, habe die vom Amt der Vorarlberger Landesregierung zur Durchführung des wasserrechtlichen Verfahrens ermächtigte Bezirkshauptmannschaft Feldkirch das Trinkwassererweiterungsprojekt der Stadt Feldkirch genehmigt. Damit sei nicht nur die Bewilligung zur Förderung von Grundwasser im sogenannten Frastanzer Ried erteilt, sondern auch das gesamte Rohrnetz im Sinne des erweiterten Trinkwasserprojekts genehmigt worden. Der erste Bauabschnitt sei in den Jahren 1951 bis 1958 verwirklicht worden; die Rohrleitung, an der der Schaden aufgetreten sei, sei im Rahmen des zweiten Bauabschnittes zusammen mit der Verlegung der Bundesstraße B 190 verlegt worden. Die Art der Verlegung und die verwendeten Rohre hätten dem damaligen Stand der Technik entsprochen. Ein neuerliches wasserrechtliches Bewilligungsverfahren sei für diesen Bauabschnitt nicht durchgeführt worden; es sei von den S*** F*** auch kein Antrag
gestellt worden. Nach Ansicht der Wasserrechtsbehörde sei dies nicht erforderlich gewesen, weil die Hauptversorgungsleitung bzw. die Ringleitung um den Ardetzberg und damit auch der in Rede stehende Rohrabschnitt durch den generellen Wasserrechtsbescheid aus dem Jahre 1952 gedeckt gewesen sei. Die Bezirkshauptmannschaft Feldkirch als Wasserrechtsbehörde sei aber über die gesamten baulichen Maßnahmen einschließlich der Verlegung der Wasserleitung informiert gewesen. An der Wasserleitung sei schon im Jahr 1970 ein Schaden aufgetreten. Die Bruchstelle des Rohrbruchs vom 9. Juli 1983 liege einige Meter von der seinerzeitigen Bruchstelle entfernt. Die Ursache des Rohrbruches vom 9. Juli 1983 lasse sich nicht feststellen; das verlegte Wasserrohr selbst sei in Ordnung gewesen. In rechtlicher Hinsicht bejahte das Erstgericht die Aktivlegitimation der klagenden Partei. Den Formerfordernissen der Verordnung RGBl. 1897/251 sei entsprochen worden. Der geltend gemachte Anspruch sei auch nicht verjährt, weil die Klagsführung auf der Absprache vom 19. November 1984 beruhe. Der Rückforderungsanspruch der klagenden Partei sei berechtigt, weil die Voraussetzungen des § 26 Abs 1 WRG 1959 nicht gegeben seien; es lägen keine Anhaltspunkte für ein Verschulden der S*** F*** am eingetretenen Schaden vor.
Das Berufungsgericht gab der Berufung der beklagten Partei Folge und wies das Klagebegehren ab. Es erklärte die Revision für zulässig. Das Berufungsgericht stellte ergänzend fest:
Über Antrag der Stadt Feldkirch wurde mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Feldkirch vom 17. Juni 1952, Zl. III b-715 d/51, der Stadt Feldkirch die wasserrechtliche Bewilligung zur Gewinnung von 160 sec/l Grundwasser in der Felsenau, die Erstellung eines Schöpfwerkes und eines Hochbehälters im Stadtschrofen sowie verschiedener Rohrnetzerweiterungen bzw. Änderungen nach Maßgabe des vorgelegten Projektes (Erweiterungsprojekt 1952) für Zwecke ihrer bestehenden öffentlichen Gemeindewasserversorgungsanlage erteilt. Mit Eingabe vom 25. Oktober 1959 zeigten die S*** F*** die Fertigstellung des Projektes an und beantragten, die Kollaudierung der vorangeführten Anlagen durchzuführen und den Kollaudierungsbescheid zu erlassen. Gleichzeitig wurde auch der Antrag auf nachträgliche Genehmigung von im Zuge der Bauausführung vorgenommenen Änderungen gestellt; über diese Änderungen wurden Ausführungspläne vorgelegt. Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Feldkirch vom 20. Juni 1960, Zl. III b-75/58, wurde gemäß § 121 WRG 1959 festgestellt, daß die mit den Bescheiden bewilligte Erweiterung der Trinkwasserversorgungsanlage der Stadt Feldkirch entsprechend dem einen wesentlichen Bestandteil dieses Bescheides bildenden Ausführungsprojekt ausgeführt wurde. Gleichzeitig wurde die nachträgliche wasserrechtliche Bewilligung für die abweichend vom Projekt durchgeführten Baumaßnahmen erteilt (Akt Bezirkshauptmannschaft Feldkirch VI b Z 831/1-52). Die im Zuge der Neutrassierung der Bundesstraße B 190 in den Jahren 1966/1967 durchgeführte Verlegung der Trinkwasserleitung durch die S*** F*** war weder im vorgelegten Projekt, das zur wasserechtlichen Bewilligung mit Bescheid vom 17. Juni 1952 führte, enthalten noch in den Ausführungsplänen zum Antrag auf nachträgliche wasserrechtliche Genehmigung von Änderungen im Zuge der Bauausführungen, die mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Feldkirch vom 20. Juni 1960 genehmigt wurden. Für diese Verlegung und Neuerrichtung der Trinkwasserleitung im Zuge der Neutrassierung der Bundesstraße B 190 in den Jahren 1966/1967 wurde um eine wasserrechtliche Bewilligung vor Bauausführung nicht angesucht; auch eine nachträgliche Genehmigung wurde nicht beantragt.
In rechtlicher Hinsicht führte das Berufungsgericht aus, die im § 26 WRG 1959 geregelte Verpflichtung zum Schadenersatz treffe den Wasserberechtigten, also denjenigen, dem von der Wasserrechtsbehörde das Recht zur Herstellung und Benützung einer Wasserbenutzungsanlage verliehen worden sei. Trinkwasserversorgungsanlagen zählten zu den Wasserbenutzungsanlagen. Im vorliegenden Fall stehe aber fest, daß für die im Jahre 1966/1967 neu errichtete Trinkwasserleitung, an der sich der Rohrbruch ereignete, eine wasserrechtsbehördliche Genehmigung nicht erteilt worden sei, so daß die Stadtgemeinde Feldkirch bzw. die S*** F*** nicht als Wasserberechtigte im Sinne des Wasserrechtsgesetzes angesehen werden könnten und die Bestimmung des § 26 WRG 1959 nicht anwendbar sei. Einer Heranziehung der nachbarrechtlichen Vorschriften des ABGB stehe jedoch nichts entgegen. Gemäß § 364 ABGB stehe der beklagten Partei für den in ihrem Vermögen eingetretenen Schaden ein Ausgleichsanspruch gegen die vom Nachbargrundstück der Stadt Feldkirch ausgehende Immission zu. Demnach sei das Begehren der klagenden Partei auf Rückzahlung des von ihr vorbehaltlich des im Verfahren vertretenen Rechtsstandpunktes bezahlten Anteils der Schadensbehebungskosten nicht gerechtfertigt.
Die gegen das Urteil des Berufungsgerichtes erhobene Revision der klagenden Partei ist nicht gerechtfertigt.
Rechtliche Beurteilung
Die Revisionswerberin wendet sich gegen die Rechtsansicht des Berufungsgerichtes, daß der beklagten Partei ein verschuldensunabhängiger nachbarrechtlicher Ausgleichsanspruch auf Ersatz des ihr verursachten Schadens zustehe.
Das Haftungssystem des Wasserrechtsgesetzes ist kompliziert und nicht zweifelsfrei. § 26 WRG 1959 normiert eine Schadenshaftung des Wasserberechtigten, die zum Teil Verschuldenshaftung (§ 26 Abs 1 WRG 1959), zum Teil Erfolgs- bzw. Eingriffshaftung (§ 26 Abs 2 WRG 1959) zu sein hat (SZ 55/16; Koziol, Österreichisches Haftpflichtrecht2 II 330). Die Bestimmung des § 26 Abs 1 WRG 1959 verweist nur auf die schadenersatzrechtlichen Bestimmungen des ABGB. Ein eigener normativer Gehalt kommt der Bestimmung demnach nicht zu, sie wiederholt nur den in § 1295 Abs 1 ABGB niedergelegten Grundsatz der Haftung des Schädigers für schuldhaft und rechtswidrig herbeigeführten Schaden. Gemäß § 26 Abs 2 WRG 1959 haftet der Wasserberechtigte, wenn durch den rechtmäßigen Bestand oder Betrieb einer Wasserbenutzungsanlage eine Liegenschaft oder ein Bauwerk, das schon zur Zeit der Erteilung der Bewilligung bestand hat, beschädigt oder ein älteres Wasserbenutzungsrecht der in § 12 Abs 2 WRG 1959 bezeichneten Art oder ein Fischereirecht beeinträchtigt wurde, auch ohne Verschulden, wenn bei der Erteilung der Bewilligung mit dem Eintritt der nachteiligen Wirkung überhaupt nicht oder nur in geringerem Umfang gerechnet worden ist. Aus dieser Bestimmung ergibt sich, daß sie nur für einen ganz bestimmten Fall gelten soll: In ihr wird eine verschuldensunabhängige Schadenshaftung des Wasserberechtigten für Schäden anerkannt, für die die Wasserrechtsbehörde im Zusammenhang mit der Erteilung der Bewilligung der Wasserbenutzungsanlage an sich bereits eine Entschädigung festsetzen hätte sollen, eine solche aber nicht zugesprochen hat, weil sie mit dem Eintritt der nachteiligen Wirkung nicht oder nur in geringerem Umfang gerechnet hat. Damit wird klargestellt, daß es sich um diesselbe Art von Nachteilen handeln muß, für die bei der Bewilligung Entschädigungen festgesetzt werden (Koziol a.a.O. 331). Grundsätzlich darf nämlich ein Wasserbenutzungsrecht nicht verliehen werden, wenn hiedurch bestehende Rechte beeinträchtigt werden. Findet eine solche Beeinträchtigung statt, so muß das entgegenstehende Recht durch ein Zwangsrecht beseitigt werden, wofür gemäß § 117 Abs 1 WRG 1959 Entschädigung zu leisten ist (SZ 51/164; Krzizek, Kommentar zum Wasserrechtsgesetz 123). Es kann aber der beste und noch so vorsichtig abgefaßte Wasserrechtsbewilligungsbescheid nicht jede Gefahr von vorherein ausschließen; um eine Haftung für solche bei der Erlassung des wasserrechtsbehördlichen Bewilligungsbescheides von der Behörde (SZ 51/164; SZ 48/117; SZ 31/97; Grabmayr-Rossmann,
Das österreichische Wasserrecht2 127) nicht vorhergesehene Schäden zu erfassen, wurde die Erfolgshaftung des § 26 Abs 2 WRG 1959 eingeführt (SZ 51/164; SZ 48/117; Haager-Vanderhaag, Kommentar zum Wasserrechtsgesetz 253). Die Bestimmung kann so keineswegs Haftungsgrundlage für alle Arten von Schäden sein, sondern betrifft nur die von der Wasserrechtsbehörde an sich vorhersehbar gewesenen, aber nicht vorhergesehenen Beeinträchtigungen von Liegenschaften und Bauwerken, die älter als die Wasserbenutzungsanlage sind, von älteren Wasserbenutzungsrechten und von Fischereirechten. In der Rechtsprechung und Lehre ist anerkannt, daß sowohl dauernde als auch einmalige Beeinträchtigungen ersatzpflichtig machen (SZ 51/164; Koziol a.a.O. 332 FN 16). Die Anwendung der Bestimmung des § 26 Abs 2 WRG 1959 auf Unfälle, wie etwa einen Wasserrohrbruch, ist hingegen umstritten. Der Oberste Gerichtshof hat sich unter Hinweis auf die durchaus ähnliche Erfolgshaftung nach dem Nachbarrecht dazu bekannt, daß der Geschädigte nach § 26 Abs 2 WRG 1959 auch Ersatz für derartige Schäden verlangen kann (SZ 51/164). Dagegen ist eingewendet worden (Koziol a.a.O. 333), daß § 26 Abs 2 WRG 1959 nur einen Ausgleich für den Entzug von Abwehrrechten gewährt, die Eingriffshaftung somit nur die genehmigten Einwirkungen auf fremde Güter betreffe, nicht aber Schäden, die durch einen Wasserrohrbruch entstehen, weil dieser durch die wasserrechtliche Bewilligung nicht gedeckt sei. Es ist einzuräumen, daß § 26 Abs 2 WRG 1959 seiner Zielsetzung nach offenbar nur auf Schäden abstellt, die bei konsensgemäßem Betrieb eintreten, weil die Wasserrechtsbehörde im wasserrechtlichen Bewilligungsverfahren nur auf solche Schäden Bedacht nehmen kann. Dies trifft nicht für Unfallsschäden zu, wie sie etwa bei einem Wasserrohrbruch auftreten. Solche Schäden können naturgemäß bei Erteilung der wasserrechtsbehördlichen Bewilligung nicht berücksichtigt werden, sie scheiden somit aus dem Anwendungsbereich der Bestimmung des § 26 Abs 2 WRG 1959 aus.
Die Verweisung in § 26 Abs 1 WRG 1959 wird aber auch dahin verstanden (Koziol a.a.O. 332), daß insoweit § 364 a ABGB nicht gilt, weil für wasserrechtsbehördlich genehmigte Anlagen ohnehin die gesonderte Haftung des § 26 Abs 2 WRG 1959 vorgesehen sei, die als speziellere Regelung vorgehe. Nur soweit § 26 WRG nicht gilt, sei § 364 a ABGB anwendbar (SZ 53/11; Koziol a.a.O. 332). Nur letzterer Auffassung ist beizutreten und gleichzeitig darauf Bedacht zu nehmen, daß § 26 Abs 1 WRG 1959 nur ganz allgemein auf das Schadenersatzrecht des ABGB verweist, ohne aber die Anwendung anderer gesetzlicher Bestimmungen ausdrücklich auszuschließen, § 26 Abs 2 WRG 1959 aber nur einen ganz bestimmten, bereits näher definierten Anspruch betrifft. Nicht erfaßt werden nach dem dargestellten Verständnis des § 26 Abs 2 WRG 1959 Schäden, die auf Unfälle, zB Wasserrohrbrüche, zurückzuführen sind. Die Bestimmung ist auch nicht auf Schäden anwendbar, die an Anlagen auftreten, die erst nach Erteilung der wasserrechtsbehördlichen Bewilligung errichtet wurden; derjenige, der nach Genehmigung der schädigenden Wasserbenutzungsanlage ein Bauwerk errichtet, hat aber auch nur die von dieser Anlage bei konsensgemäßem Betrieb ausgehenden, von der Wasserrechtsbehörde voraussehbaren Einwirkungen hinzunehmen. In beiden Fällen muß dann aber die allgemeine nachbarrechtliche Haftung des Betreibers einer Wasserbenutzungsanlage zum Tragen kommen. Bei ortsfesten Wasserbenutzungsanlagen wie einer Wasserversorgungsanlage kann nur der jeweilige Eigentümer der Betriebsanlage oder Liegenschaft, mit der diese Rechte verbunden sind, Wasserberechtigter sein (§ 22 Abs 1 WRG 1959). Die dingliche Gebundenheit des Wasserbenutzungsrechtes bedeutet, daß das Wasserbenutzungsrecht dem jeweiligen Eigentümer der Betriebsanlage oder Liegenschaft zusteht, mit der das Wasserbenutzungsrecht nach dem Inhalt des Bewilligungsbescheides verbunden ist (SZ 56/58). Die §§ 364 ff ABGB dienen dem Schutz des Nachbarn vor übermäßigen Einwirkungen, die von anderen Grundstücken ausgehen und gelten auch im Verhältnis zwischen einem Privatgrundstück und einer öffentlichen Straße (SZ 55/105; SZ 52/79; SZ 51/184 ua). Sie müssen auch im Verhältnis zwischen einer Wasserversorgungsanlage und einer öffentlichen Straße gelten. Soweit die Rechtsprechung zur Bedeutung des § 26 Abs 1 und 2 WRG 1959 in anderem Sinne oder weniger deutlich Stellung genommen hat, aber letztlich zum selben Ergebnis gelangt ist (SZ 55/16; SZ 54/64; SZ 51/164), ist sie im nun dargelegten Sinn zu verdeutlichen.
Nach nunmehr ständiger Rechtsprechung ist ein vom Verschulden unabhängiger Ausgleichsanspruch in den Fällen der §§ 364 Abs 2 und 364 b ABGB allgemein zuzubilligen, wenn sich ausreichende Anhaltspunkte für eine Analogie zu § 364 a ABGB anbieten (SZ 58/121; SZ 55/105; SZ 51/47; SZ 50/160; EvBl 1976/190; SZ 48/61; vgl. Spielbüchler in Rummel, ABGB, Rz 18 zu § 364 ABGB, Rz 6 zu § 364 a ABGB). In analoger Anwendung des § 364 a ABGB hat der Oberste Gerichtshof bereits wiederholt ausgesprochen, daß ein nachbarrechtlicher Ausgleichsanspruch stets dann zu gewähren ist, wenn dem Geschädigten ein Abwehrrecht, das ihm wegen Bestehens einer an sich gefährlichen Situation nach dem Inhalt seines dinglichen Rechts sonst zugestanden wäre, genommen war (SZ 55/172; SZ 51/47; SZ 50/160 u.a.). Auch die Verpflichtung zum Ersatz von Schäden, die dem Nachbar durch einmalige Vorfälle wie durch Eindringen von Wasser (zB Wasserrohrbrüche) entstanden, wird vom Obersten Gerichtshof stets anerkannt (SZ 55/172; SZ 51/164; EvBl 1976/190; SZ 44/140; SZ 38/106). Der Nachbar muß keinesweges Vermögensverluste als Folge einer wenn auch nur einmaligen Immission hinnehmen (SZ 51/164). Eine analoge Anwendung der nachbarrechtlichen Ausgleichsbestimmungen wurden bei behördlich genehmigten Anlagen als gerechtfertigt erachtet, weil infolge der mit einer behördlichen Genehmigung zunächst verbundenen Annahme der Gesetzmäßigkeit und Gefahrlosigkeit der bewilligten Maßnahme die Abwehr der Maßnahme praktisch erschwert oder unmöglich gemacht wird (SZ 58/121; SZ 51/47;
Spielbüchler a.a.O.). Es wurde aber auch bereits ausgesprochen, daß die analoge Anwendung des § 364 a ABGB auch bei Fehlen einer behördlichen Bewilligung dann angezeigt ist, wenn durch die Herstellung einer Anlage eine besondere Gefahrensituation geschaffen wird, die auch für den, der die Anlage herstellt, Schadensfolgen zumindest objektiv kalkulierbar macht. Bei Herstellung einer Wasserleitungsanlage kann der Nachbar zunächst auf deren Gefahrlosigkeit vertrauen und eine Untersagung der Anlage außer Betracht lassen. Es ist demjenigen, der die Anlage errichtet oder sein Grundstück zur Errichtung der Anlage zur Verfügung gestellt hat und den Nachbarn damit einem erhöhten Risiko aussetzte, zumutbar, dafür Sorge zu tragen, daß von der Liegenschaft dem Nachbar aus dem Bestehen der Anlage kein Nachteil erwächst. Die Rechtslage ist der bei behördlich genehmigten Anlagen so ähnlich, daß eine analoge Anwendung des § 364 a ABGB gerechtfertigt ist (SZ 55/105; EvBl 1976/190; SZ 38/106; Rummel JBl 1967, 120, 126). Hätte die Verlegung der Wasserversorgungsanlage einer wasserrechtsbehördlichen Bewilligung bedurft, die von der Betreiberin der Anlage aber nicht eingeholt wurde, läge ein wasserrechtsbehördlich nicht bewilligte Wasserversorgungsanlage vor. Die Haftung der S*** F*** wäre dann nach allgemeinen schadenersatzrechtlichen Grundsätzen, insbesondere wegen schuldhafter Übertretung eines Schutzgesetzes (§ 1311 ABGB), zu bejahen.
Da der beklagten Partei somit ein Anspruch auf Ersatz des durch den Wasserrohrbruch in ihrem Vermögen entstandenen Schadens zusteht, erweist sich die Revision als nicht gerechtfertigt. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO.
Anmerkung
E12946European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1987:0010OB00048.87.1209.000Dokumentnummer
JJT_19871209_OGH0002_0010OB00048_8700000_000