Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Flick als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Wurz, Dr. Warta, Dr. Egermann und Dr. Niederreiter als weitere Richter in der Rechtssache der Antragsteller 1.) Franz und Anna M***, Landwirte, Ölkam 1,
2.) Josef und Margaretha K***, Landwirte, Ölkam 9, 3.) Johann und Zäzilia A***, Landwirte, Ebelsberg, Wambacherstraße 82,
4.)
Franz und Barbara Z***, Landwirte, Rohrbach 19,
5.)
Ing. Johann L***, Landwirt, Rohrbach 20, 6.) Johann und Rosina H***, Landwirte, Ölkam 6, 7.) Maria G***, Landwirtin, Fernbach 14, 8.) Ludwig und Margarethe E***, Landwirte, Niederfraunleiten 11, 9.) Franz und Theresia H***, Landwirte, Ölkam 13, alle vertreten durch Dr. Josef Lindlbauer, Rechtsanwalt in Enns, wider die Antragsgegnerin R*** Ö***, vertreten durch die Finanzprokuratur, Wien 1., Singerstraße 17-19, wegen Festsetzung einer Entschädigung, infolge Revisionsrekurses der Antragsteller und der Antragsgegnerin gegen den Beschluß des Landesgerichtes Linz als Rekursgerichtes vom 26. Mai 1987, GZ. 18 R 149-157/87-73, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Linz vom 12. Jänner 1987, GZ. 1 Nc 64/69-66, teilweise abgeändert wurde, folgenden
Beschluß
gefaßt:
Spruch
Dem Revisionsrekurs der Antragsteller wird nicht Folge gegeben.
Dem Revisionsrekurs der Antragsgegnerin wird teilweise Folge gegeben.
Der angefochtene Beschluß wird dahin abgeändert, daß er zu lauten hat:
I. Die von der R*** Ö*** nach § 15 des MunLagG den Antragstellern zu bezahlende Entschädigung wird wie folgt bestimmt:
1.) für Franz und Anna M*** S 101.340,--
2.) für Josef und Margaretha K*** S 100.989,--
3.) für Johann und Zäzilia A*** S 1,051.867,--
4.) für Franz und Barbara Z*** S 124.075,--
5.) für Ing. Johann L*** S 835.010,--
6.) für Johann und Rosa H*** S 527.308,--
7.) für Maria G*** S 80.379,--
8.) für Ludwig und Margarethe E*** S 39.600,--
9.) für Franz und Theresia H*** S 76.921,--
II. Die Kosten des Verfahrens trägt der Bund.
III. Die Antragsgegnerin ist schuldig, den Antragstellern folgende Verfahrenskosten binnen 14 Tagen zu ersetzen:
1.) dem Franz und der Anna M*** S 7.659,17 (darin enthalten S 440,-- Barauslagen und S 656,28 Umsatzsteuer),
2.) dem Josef und der Margaretha K*** S 9.694,57 (darin enthalten S 640,-- Barauslagen und S 823,14 Umsatzsteuer),
3.) dem Johann und der Zäzilia A*** S 75.427,55 (darin enthalten S 440,-- Barauslagen und S 6.817,05 Umsatzsteuer),
4.) dem Franz und der Barbara Z*** S 9.116,21 (darin enthalten S 440,-- Barauslagen und S 788,74 Umsatzsteuer),
5.) dem Ing. Johann L*** S 69.468,55 (darin enthalten S 220,-- Barauslagen und S 6.295,32 Umsatzsteuer),
6.) dem Johann und der Rosina H*** S 59.827,93 (darin enthalten S 440,-- Barauslagen und S 5.398,90 Umsatzsteuer),
7.) der Maria G*** S 6.316,87 (darin enthalten S 240,-- Barauslagen und S 552,44 Umsatzsteuer),
8.) dem Ludwig und der Margarethe E*** S 4.570,90 (darin enthalten S 420,-- Barauslagen und S 377,35 Umsatzsteuer),
9.) dem Franz und der Theresia H*** S 9.463,69 (darin enthalten S 440,-- Barauslagen und S 820,33 Umsatzsteuer).
Die Antragsgegnerin ist ferner schuldig, dem Antragsteller Ing. Johann L*** die mit S 10.586,40 bestimmten Kosten des Rekursverfahrens (darin enthalten S 962,40 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu bezahlen.
Im übrigen haben die Antragsteller die Kosten ihres erfolglosen Rekurses und ihres erfolglosen Revisionsrekurses selbst zu tragen.
Text
Begründung:
Die in den Entscheidungen der Vorinstanzen näher bezeichneten Grundstücke der Antragsteller liegen zum Teil im engeren und zum Teil im weiteren Gefährdungsbereich des bereits seit dem Jahre 1938 bestehenden militärischen Munitionslagers Ebelsberg. Das Erstgericht sprach den Antragstellern nach § 15 des Bundesgesetzes vom 31.5.1967 über militärische Munitionslager BGBl. Nr.197 idF des Bundesgesetzes vom 5.7.1972 BGBl. Nr.265 (MunLagG) Entschädigungen im Betrage zwischen S 123.894 und S 1,390.455 zu. Der Gefährdungsbereich des Munitionslagers Ebelsberg, der mit Verordnung des Bundesministeriums für Landesverteidigung vom 14.6.1968 bestimmt worden war, wurde mit Verordnung vom 21.4.1981 neu geregelt. Die neue Regelung wurde mit 1.5.1981 wirksam, die Verordnung vom 14.6.1968 trat mit Ablauf des 30.4.1981 außer Kraft.
Das Erstgericht legte der Verkehrswertermittlung der Grundstücke einen Quadratmeterpreis von S 20,-- im Jahre 1968 und von S 90,-- im Jahre 1981 für landwirtschaftliche Flächen und von S 10,-- im Jahre 1968 und von S 45,-- im Jahre 1981 für Waldflächen zugrunde. Es sprach den Antragstellern eine Wertminderung von 30 % des Verkehrswertes für die im engeren Gefährdungsbereich gelegenen Grundstücke und von 10 % für die im weiteren Gefährdungsbereich gelegenen Grundstücke auf der Basis der Verordnung vom 21.4.1981 zu. Das Rekursgericht änderte den erstgerichtlichen Beschluß dahin ab, daß es dem Antragsteller Ing. Johann L*** einen erheblich höheren Entschädigungsbetrag, den übrigen Antragstellern jedoch nur einen geringeren Betrag als das Erstgericht zuerkannte. Das Rekursgericht übernahm die Feststellungen des Erstgerichtes und ergänzte diese durch Feststellungen darüber, welche Grundstücke und mit welchem Flächenausmaß nach der Verordnung vom 14.6.1968 bis 30.4.1981 im engeren und weiteren Gefährdungsbereich des Munitionslagers Ebelsberg lagen (ON 73, AS 435 f).
Das Rekursgericht teilte die Auffassung des Erstgerichtes, daß für die im Gefährdungsbereich des Munitionslagers gelegenen Grundstücke durch die in den §§ 10 bis 12 MunLagG enthaltenen Beschränkungen eine Minderung des Verkehrswertes eingetreten sei. Die Verkehrswertminderung stelle einen vermögensrechtlichen Nachteil dar, der gemäß § 15 MunLagG angemessen zu entschädigen sei. Das Rekursgericht billigte auch die Bemessung der Entschädigung nach § 273 ZPO mit 30 % des Verkehrswertes im engeren Gefährdungsbereich und mit 10 % des Verkehrswertes im weiteren Gefährdungsbereich. Bei der Beurteilung des Verkehrswertes jener Grundstücke, über die Hochspannungsleitungen führten, habe dieser Umstand jedoch außer Betracht zu bleiben, weil dadurch keine ins Gewicht fallende Wertminderung eingetreten sei. Abweichend vom Erstgericht war jedoch das Rekursgericht der Auffassung, daß für jene Grundflächen, die bereits nach der Verordnung vom 14.6.1968 in den engeren oder weiteren Gefährdungsbereich des Munitionslagers gefallen seien, die Entschädigung nach der Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Erlassung dieser Verordnung zu bestimmen sei, was mit Rücksicht auf die geringeren Verkehrswerte im Jahre 1968 auch eine geringere Entschädigung zur Folge habe. Für jene Flächen, die bereits nach der Verordnung aus dem Jahre 1968 in den weiteren Gefährdungsbereich gefallen seien, jedoch durch die Verordnung vom Jahre 1981 in den engeren Gefährdungsbereich einbezogen worden seien, sei dagegen die Wertminderung ausschließlich nach den Verhältnissen im Jahre 1981 zu beurteilen. Eine Valorisierung der Entschädigungsbeträge lehnte das Rekursgericht ab, es war jedoch der Auffassung, daß die Antragsteller Anspruch auf den Ersatz der Umsatzsteuer von 20 % hätten, weil die Entschädigungsbeträge der Umsatzsteuerpflicht unterlägen. Der Antragsteller Ing. Johann L*** habe Anspruch auf eine Entschädigung auch für die am 5.7.1983 um S 90,-- pro m2 verkauften Grundstücke, weil die Veräußerung der Sache nach der analog anzuwendenden Bestimmung des § 234 ZPO auf das Verfahren keinen Einfluß habe.
Rechtliche Beurteilung
Der gegen die Entscheidung der zweiten Instanz erhobene Revisionsrekurs der Antragsteller ist nicht berechtigt, dem Revisionsrekurs der Antragsgegnerin kommt hingegen zum Teil Berechtigung zu.
I. Zum Revisionsrekurs der Antragsgegnerin:
Derjenige, der infolge der §§ 10 bis 12 MunLagG im Zeitpunkt der Erlassung einer Verordnung gemäß § 7, § 9 oder § 23 einen vermögensrechtlichen Nachteil erleidet, hat gemäß § 15 MunLagG Anspruch auf eine angemessene Entschädigung. Für den engeren Gefährdungsbereich bestimmt § 10 Abs1 MunLagG das völlige Verbot der Errichtung von Baulichkeiten oder Anlagen jeder Art und das Verbrennen von Gegenständen mit erheblicher Entwicklung von Flammen oder Flugfeuer sowie das Absengen von Bodenflächen. Die Neuherstellung von unter der Erde verlegten Kanal-, Wasserleitungs-, Gasleitungs-, Erdölleitungs-, Soleleitungs-, Fernmelde- und elektrischen Anlagen im engeren Gefährdungsbereich bedarf der Bewilligung der zuständigen Behörde. Die Bewilligung ist zu erteilen, wenn durch die Errichtung, Erhaltung und Benützung dieser Anlagen nach Möglichkeit eine Gefährdung von Menschen oder Sachen ausgeschlossen ist oder eine solche Gefährdung durch Bedingungen oder Auflagen vermieden werden kann (§ 10 Abs2). Veränderungen bestehender Anlagen jeder Art im engeren Gefährdungsbereich sind gleichfalls bewilligungspflichtig (§ 10 Abs3 MunLagG). Nur im weiteren Gefährdungsbereich sind nach § 11 MunLagG die Errichtung und die Veränderung von Baulichkeiten oder Anlagen jeder Art der Bewilligung der zuständigen Behörde bedürftig. Im gesamten Gefährdungsbereich ist für den Gebrauch von Schußwaffen, für die Durchführung von Sprengarbeiten zu anderen als militärischen Zwecken, für Veränderungen des Geländes sowie Veränderungen der Bodenbewachsung durch Anbau von Pflanzen in einer Entfernung bis zu 50 m von einer Baulichkeit des Munitionslagers und durch Kahlhiebe - ausgenommen solche, die unter bestimmten Voraussetzungen unverzüglich durchzuführen sind - die Bewilligung der Behörde einzuholen, die jedoch unter den Voraussetzungen des § 10 Abs2 MunLagG zu erteilen ist (§ 12).
Ob die von den Beschränkungen der §§ 10 bis 12 MunLagG betroffenen Grundstücke eine Minderung ihres Verkehrswertes erfahren, ist eine Frage der rechtlichen Beurteilung (vgl. SZ 43/143). Der Oberste Gerichtshof hat eine solche Verkehrswertminderung und deren Entschädigungspflicht nach § 15 MunLagG bereits bejaht (SZ 51/23; 5 Ob 649/79), weil aufgrund der Erfahrungstatsache, daß das Interesse eines potentiellen Käufers am Erwerb eines Grundstückes, in Ansehung dessen die Verfügungsfreiheit des Eigentümers Beschränkungen unterliegt, geringer ist als am Erwerb eines solchen Beschränkungen nicht unterworfenen Objektes. Dieses geringere Interesse wird im Preis seinen Niederschlag finden, den ein Käufer für ein solches Grundstück zu bezahlen bereit ist. Dies gilt auch insoweit, als die Ausübung der keine Gefährdung von Menschen oder Sachen bewirkenden substantiellen Befugnisse nur der behördlichen Kontrolle unterworfen und nur mit den Erschwernissen des Verwaltungsverfahrens zu rechnen ist, weil sich auch dies im Verkehrswert des betroffenen Grundstückes niederschlägt (SZ 51/23). Aus dem Gutachten des Sachverständigen ergibt sich nichts anderes, weil auch der Sachverständige den Erfahrungssatz bestätigte, daß bei der vorliegenden Belastung einer Grundfläche mit Nutzungsbeschränkungen eine Wertminderung entsteht (S.18 des Gutachtens in ON 52). Darauf, daß eine konkrete Wertminderung an Hand der vergleichbaren Preise auf dem Grundstücksmarkt nicht erkennbar war, kommt es nicht an. Die vom Sachverständigen für die Ermittlung des Verkehrswertes herangezogenen Verkäufe haben fast durchwegs nicht im Gefährdungsbereich gelegene Grundstücke betroffen. Lediglich der Verkauf durch den Antragsteller Ing. Johann L*** (R 46 des Gutachtens, S.43) umfaßte auch im Gefährdungsbereich gelegene Grundstücke. Dieser Verkauf betraf aber eine Fläche von insgesamt 40,27 ha, wovon nur 6,88 ha im Gefährdungsbereich lagen, und diente der Aufstockung eines landwirtschaftlichen Betriebes, sodaß daraus Rückschlüsse auf eine Wertminderung der im Gefährdungsbereich gelegenen Grundstücke nicht gezogen werden können.
Die Ermittlung des Verkehrswertes der von den Beeinträchtigungen betroffenen Grundstücke durch die Vorinstanzen gehört dem Tatsachenbereich an. Auch im Außerstreitverfahren ist der Oberste Gerichtshof nur Rechts- und nicht Tatsacheninstanz (EFSlg. 37.302, 34.966 ua). Die Verkehrswertermittlung wäre daher nur dann einer Überprüfung im Rahmen der Rechtsrüge zugänglich, wenn sie auf Schlußfolgerungen beruhte, die mit den Gesetzen der Logik oder der Erfahrung unvereinbar sind (SZ 52/185; 2 Ob 235/76). Letzteres kann aber in der Beurteilung der Auswirkungen der Hochspannungsleitungen und der öffentlichen Wasserleitungen auf den Verkehrswert der Grundstücke umso weniger erblickt werden, als letztlich die Ausmittlung der Wertminderung nach § 273 ZPO und demnach nicht nach ziffernmäßig genau bewertbaren Umständen zu erfolgen hat. Wie der Oberste Gerichtshof bereits in der schon zitierten Entscheidung SZ 51/23 ausgesprochen hat, lassen sich die aus den §§ 10 bis 12 MunLagG ergebenden Beschränkungen der Verfügungsfreiheit in ihren Auswirkungen auf den Verkehrswert nicht genau ermitteln, sodaß eine ausgiebige Anwendung des im § 273 ZPO vorgesehenen richterlichen Ermessens bei Bestimmung der Höhe der Entschädigung unumgänglich ist. Beizupflichten ist der Antragsgegnerin darin, daß es sich bei der Bestimmung des § 273 ZPO um ein gebundenes Ermessen handelt und die richterlichen Erwägungen zur Betragsfestsetzung darzulegen sind. Letzterem haben aber die Vorinstanzen im wesentlichen entsprochen, sodaß der behauptete Begründungsmangel nicht vorliegt. Bei Überprüfung des Ergebnisses ist davon auszugehen, daß als maßgebliche Faktoren der Bemessung nur jene heranzuziehen sind, die sich aus dem Gesetz oder aus Erfahrungssätzen ergeben (vgl. Fasching LB Rz 818), sowie jene, zu denen die Tatsacheninstanzen Feststellungen treffen konnten. Darüber hinaus ist in jenem Rahmen, in dem nur mehr oder weniger wahrscheinliche Annahmen möglich sind, der Betrag nach dem Ermessen des Gerichtes festzusetzen (4 Ob 109/83).
Im vorliegenden Fall ist lediglich die Wertminderung zu bemessen, die auf dem schon beschriebenen psychologischen Phänomen des Käuferverhaltens in Ansehung von Grundstücken beruht, hinsichtlich deren die Verfügungsfreiheit des Eigentümers nach den §§ 10 bis 12 MunLagG beschränkt ist. Unter diesem Gesichtspunkt kommt bei der Bemessung der Art des Grundstückes (Baugrundstück, Bauerwartungsland, landwirtschaftlich genutzte Grundstücke) und dem Maß der Beeinträchtigung der Verfügungsfreiheit sowie dessen Einschätzung im Liegenschaftsverkehr entscheidende Bedeutung zu. Im Sinne der ständigen Rechtsprechung zur Bemessung der Enteignungsentschädigung ist nicht auf die tatsächliche Verwendung der enteigneten Sache, sondern auf deren konkrete wirtschaftliche Verwendungsmöglichkeit abzustellen (SZ 51/23; EvBl. 1964/6; ZVR 1958/249). Entgegen der Meinung der Antragsgegnerin ist daher nicht Voraussetzung einer Entschädigung, daß der Eigentümer im Zeitpunkt der Erlassung der Verordnung eine nach Maßgabe der §§ 10 ff MunLagG beschränkte Nutzung auch tatsächlich vornahm oder in naher Zukunft durchführen wollte. Das Maß der Beeinträchtigung ist nicht durch Prüfung der Entschädigungsfähigkeit einzelner Komponenten zu bestimmen, sondern danach zu beurteilen, wie sich die aus den §§ 10 ff MunLagG ergebenden Beschränkungen der Verfügungsfreiheit nach der Art des Grundstückes auf dessen Nutzungsmöglichkeit auswirken. So kann etwa (wie schon in SZ 51/23 dargelegt wurde) das für den engeren Gefährdungsbereich bestimmte Verbot der Errichtung von Baulichkeiten bei einem Baugrundstück einer Beschränkung des Eigentümers auf das formale Eigentum gleich kommen, während andererseits das Maß der Beeinträchtigung gering zu veranschlagen ist, wenn es sich auf die Unterwerfung der behördlichen Kontrolle und die Erschwernisse, die sich aus dem Verwaltungsverfahren ergeben, beschränkt. In Übereinstimmung mit der Antragsgegnerin ist im vorliegenden Fall davon auszugehen, daß es sich bei den betroffenen Grundstücken um landwirtschaftlich genutzte Grundstücke handelt. Der Antragsgegnerin kann auch insoweit gefolgt werden, als das Maß der Beeinträchtigungen objektiv gering ist. Bei dessen Einschätzung im Verkehr ist aber der Umstand von entscheidender Bedeutung, daß die Beschränkungen der Verfügungsfreiheit eine Folge der Nähe eines Munitionslagers sind, was die Annahme rechtfertigt, daß selbst die sich aus der bloßen behördlichen Kontrolle ergebenden Erschwernisse im Verkehr höher bewertet werden als bei gleichartigen Beschränkungen aus einem anderen Grund. In Abwägung dieser Umstände liegt eine Wertminderung von 30 % für den engeren Gefährdungsbereich und von 10 % für den weiteren Gefährdungsbereich zwar bereits im oberen Bereich des Vermögensnachteiles, ist jedoch noch nicht als überhöht zu beurteilen.
Beizupflichten ist der Antragsgegnerin im Ergebnis darin, daß der Zuspruch einer Umsatzsteuer vom Entschädigungsbetrag hier nicht in Betracht kommt. Die Frage, ob steuerliche Belastungen bei der Enteignung, die dem Enteigneten ohne Enteignung nicht entstanden wären, als ersatzfähiger Folgeschaden abzugelten sind, wird in Lehre und Rechtsprechung nicht einheitlich beantwortet (vgl. Rummel-Schlager, Enteignungsentschädigung 170; Brunner, Enteignung für Bundesstraßen 208 je mwN). Die Frage ist hier aber deshalb nicht zu erörtern, weil es sich bei dem vorliegenden Verfahren um ein Antragsverfahren handelt, sodaß die objektive Beweislast die Antragsteller trifft. Bleiben tatsächliche Voraussetzungen der für die Antragsteller günstigeren Rechtsnorm unaufgeklärt, so geht dies zu ihren Lasten (vgl. Dolinar, Österreichisches Außerstreitverfahrensrecht 75). Bei den Antragstellern handelt es sich durchwegs um Landwirte, die gemäß § 22 UStG 1972, soweit es sich nicht um buchführungspflichtige Unternehmen handelt, was hier nicht einmal behauptet wurde, keine Umsatzsteuer zu entrichten haben (vgl. Kranich-Siegl-Waba, Mehrwertsteuerhandbuch4 524; Dorazil-Frühwald-Hock-Mayer, Kommentar zum Umsatzsteuergesetz II 213).
Nicht gefolgt werden kann dagegen dem Standpunkt der Antragsgegnerin, daß die Gewährung einer Entschädigung nach dem MunLagG einer Doppelentschädigung gleichkomme. Nach § 23 des Schieß- und Sprengmittelgesetzes idF des Gesetzblattes für Österreich Nr.483/1938 bestand ein Anspruch auf eine Entschädigung für die im engeren Gefährdungsbereich gelegenen Grundstücke nur dann, wenn diese erweislich für Bauzwecke bestimmt waren. Eine Widmung der gegenständlichen Grundstücke für Bauzwecke zu dem nach dem Schieß- und Sprengmittelgesetz in Betracht kommenden Zeitpunkt und die Gewährung einer Entschädigung wurde nicht einmal behauptet. Beizupflichten ist dem Rekursgericht darin, daß nach den Grundsätzen der Analogie auch im Antragsverfahren der außerstreitigen Gerichtsbarkeit überschießende Feststellungen, die in den Rahmen des geltend gemachten Anspruchsgrundes fallen, berücksichtigt werden können. Das Rekursgericht hat daraus zutreffend die Folgerung gezogen, daß die unrichtige Flächenangabe in den Anträgen einzelner Antragsteller diesen nicht zum Nachteil gereicht und daher vom tatsächlichen Flächenausmaß auszugehen ist. Nach der ausdrücklichen Anordnung des § 16 Abs1 MunLagG ist für die Ermittlung der Entschädigung die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Erlassung der Verordnung maßgeblich. Daraus ergibt sich, daß für jene Grundflächen, die bereits im Jahre 1968 in den weiteren Gefährdungsbereich fielen und durch die Verordnung vom 21.4.1981 dann in den engeren Gefährdungsbereich einbezogen wurden, nicht ausschließlich die Sach- und Rechtslage zur Zeit der Erlassung der Verordnung vom Jahre 1981 maßgeblich sein kann. Die durch die Verordnung vom 14.6.1968 in den weiteren Gefährdungsbereich einbezogenen Grundflächen haben dadurch eine Wertminderung erfahren, die insoweit nach der damaligen Sach- und Rechtslage zu bestimmen ist und die fortwirkt. Durch die Einbeziehung in den engeren Gefährdungsbereich trat nur eine weitere Wertminderung des bereits geminderten Verkehrswertes ein. Es ist daher, entgegen der Meinung der Antragsgegnerin, nicht der nach § 273 ZPO bestimmte Hundertsatz der Wertminderung aufgrund der Verordnung vom Jahre 1981 um den Prozentsatz der Wertminderung aufgrund der Verordnung vom Jahre 1968 zu kürzen, sondern bloß bei Ermittlung des Verkehrswertes im Jahre 1981 auf die bereits eingetretene Minderung des Verkehrswertes Bedacht zu nehmen. Demgemäß war, ausgehend von den Feststellungen des Rekursgerichtes, bei den in Betracht kommenden Grundstücksflächen zunächst aufgrund des Verkehrswertes des Jahres 1968 die für den weiteren Gefährdungsbereich anzunehmende Wertminderung von 10 % zu berechnen. Für die Teilfläche, die im Jahre 1981 vom weiteren in den engeren Gefährdungsbereich einbezogen wurde, war dann der Verkehrswert des Jahres 1981 um 10 % zu mindern und davon die weitere Wertminderung von 30 % festzusetzen. Im einzelnen sind davon betroffen bei den Erstantragstellern eine Grundfläche von 2403 m2; bei den Zweitantragstellern vom Grundstück 923/1 eine Fläche von 2633 m2 und vom Grundstück 1206 eine Fläche von 1770 m2; bei den Drittantragstellern vom Grundstück 679 eine Fläche von 680 m2, vom Grundstück 680/1 eine Fläche von 4250 m2 und vom Grundstück 717/4 eine Fläche von 19.593 m2; beim Fünftantragsteller vom Grundstück 501/1 eine Fläche von 7465 m2; bei den Sechstantragstellern vom Grundstück 923/2 eine Fläche von 481 m2, vom Grundstück 1207/1 eine Fläche von 1593 m2 und vom Grundstück 1207/2 eine Fläche von 865 m2; bei den Neuntantragstellern eine Fläche von 4866 m2. Im übrigen liegt der Bestimmung der Entschädigung die Berechnung des Rekursgerichtes unter V (AS 447) zugrunde.
Die Beurteilung des Erstgerichtes (S.25 des Ersturteils), daß dem Antragsteller Ing. Johann L*** durch den Verkauf seiner im weiteren Gefährdungsbereich gelegenen Grundstücke kein vermögensrechtlicher Nachteil entstanden ist, ist eine rechtliche Schlußfolgerung und daher rechtliche Beurteilung. Zu der vergleichbaren merkantilen Wertminderung bei Kraftfahrzeugen wird - entgegen der Rechtsprechung - im Schrifttum die Ansicht vertreten, daß eine merkantile Wertminderung nicht zu berücksichtigen sei, wenn die Sache verkauft wird und die Schädigung sich beim Kauf nicht nachteilig auf den Kaufpreis auswirkt (Reischauer in Rummel, ABGB, Rz 16 zu § 1332 mwN). Im vorliegenden Fall steht aber keineswegs fest, daß sich die aus den §§ 10 bis 12 MunLagG ergebende Wertminderung nicht nachteilig auf den Kaufpreis ausgewirkt hätte. Vom Verkauf waren insgesamt 40,27 ha umfaßt, wovon nur 17,1 % im Gefährdungsbereich gelegene Grundstücke betrafen. Der Verkauf umfaßte auch ein Wohnobjekt und Zweck des Erwerbes durch den Käufer war die Aufstockung seines landwirtschaftlichen Betriebes. Diese Umstände schließen es aus, allein aufgrund der Tatsache, daß sich ein Quadratmeterpreis von S 90,-- ergibt, davon auszugehen, daß sich die Wertminderung auf die im Gefährdungsbereich gelegenen Grundstücke nicht ausgewirkt hätte. Es ist nicht auszuschließen, daß der einheitliche Quadratmeterpreis auf die besonderen Umstände des Kaufes und somit auf sachfremde Ursachen zurückzuführen ist (vgl. Reischauer aaO).
II. Zum Revisionsrekurs der Antragsteller:
Zur Höhe der Bemessung der Entschädigung und dem für ihre Ermittlung maßgeblichen Zeitpunkt kann auf die obigen Ausführungen zum Revisionsrekurs der Antragsgegnerin verwiesen werden. Desgleichen wurde dort schon dargelegt, daß die Ermittlung des Verkehrswertes der betroffenen Grundstücke dem Tatsachenbereich angehört. Da der Oberste Gerichtshof auch im Außerstreitverfahren nicht Tatsacheninstanz ist, sind daher die Rechtsmittelausführungen insoweit unbeachtlich, als sie gegen den von den Vorinstanzen ermittelten Verkehrswert gerichtet sind.
Der Zuspruch einer Restwertminderung bei einer Teilenteignung beruht auf § 6 des EisbEG. Nun sind zwar gemäß § 18 Abs4 MunLagG die dort genannten Bestimmungen des EisbEG auf das gerichtliche Entschädigungsverfahren sinngemäß anzuwenden. Der § 6 EisbEG gehört jedoch nicht zu diesen Bestimmungen. Die Zuerkennung einer Restwertminderung beruht auf der Erwägung, daß durch eine Teilenteignung der Restgrund seine bisherige Verwendungsmöglichkeit ganz verliert oder jedenfalls eine Beschränkung in der bisherigen Verwendungsmöglichkeit erleiden kann. Dies ist etwa der Fall, wenn ein bebaubares Grundstück durch eine Teilenteignung unbebaubar wird, da sie das erforderliche Flächenausmaß nicht mehr erreicht oder wenn ein bisher industriell nutzbares Grundstück diese Verwendungsmöglichkeit verliert (Rummel-Schlager aaO 199). Ein Verlust oder auch nur eine Beschränkung der Verwendungsmöglichkeit der außerhalb des Gefährdungsbereiches gelegenen und ausschließlich landwirtschaftlich genutzten Teilflächen ist im vorliegenden Fall nicht ersichtlich. Die Minderung des Verkehrswertes ist aber insgesamt durch die festgesetzten Beträge abgegolten. Ein Anspruch auf eine Valorisierung der Entschädigungssumme nach dem Bundesstraßengesetz wurde vom Obersten Gerichtshof bisher nur ausnahmsweise bejaht, wenn etwa ein krasses Mißverhältnis zwischen dem Wert der enteigneten Liegenschaft im Zeitpunkt der Enteignung und im Zeitpunkt der Festsetzung der Entschädigung bestand oder bei außergewÄhnlich großer und rascher Geldwertänderung (SZ 51/175 mwN). Dies offensichtlich aus der Erwägung, daß dem Betroffenen als Entschädigung der Ankaufswert einer gleichwertigen Ersatzliegenschaft gebührt. Im vorliegenden Fall liegt eine Enteignung im engeren Sinn nicht vor. Für die Betroffenen besteht auch keine Veranlassung zur Beschaffung einer Ersatzliegenschaft. Bei dem Nachteil, der ihnen dadurch entsteht, daß sie infolge langer Verfahrensdauer erst nach geraumer Zeit in den Besitz der Entschädigungssumme gelangen, handelt es sich um einen Verzögerungsschaden, der regelmäßig durch Verzugszinsen abzugelten ist. Nach § 19 Abs2 MunLagG gebühren Verzugszinsen jedoch erst ab dem dort genannten Zeitpunkt. Zu Recht hat daher das Rekursgericht sowohl eine Restwertminderung als auch eine Valorisierung der Entschädigungsbeträge abgelehnt.
Die Versagung der Honorierung der nach der Aktenlage verspäteten Rekursbeantwortung durch das Rekursgericht begründet keine Nichtigkeit.
Demgemäß ist dem Revisionsrekurs der Antragsteller ein Erfolg zu versagen. Dem Revisionsrekurs der Antragsgegnerin ist teilweise Folge zu geben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 44 EisbEG. Wie schon das Rekursgericht dargelegt hat, gehören nach der neueren Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zu den vom Enteignungswerber zu ersetzenden Kosten auch die der Vertretung durch einen berufsmäßigen Parteienvertreter (JBl. 1987, 237). Nach § 44 EisbEG sind die Kosten des Entschädigungsverfahrens und der gerichtlichen Festsetzung der Entschädigung jedoch nur insoweit zu ersetzen, als sie nicht durch ein ungerechtfertigtes Einschreiten einer Partei hervorgerufen wurden. Der Begriff des ungerechtfertigten Einschreitens wird in der jüngeren Lehre einheitlich so ausgelegt, daß schuldhaftes, also zumindest fahrlässiges Verhalten des Enteigneten vorliegen müsse (Rummel in JBl. 1987, 239 mwN). Nach dem MunLagG ist dem gerichtlichen Verfahren zur Festsetzung der Entschädigung ein Verwaltungsverfahren nicht vorgelagert. Der § 18 Abs1 MunLagG nimmt lediglich auf die Möglichkeit einer Vereinbarung zwischen der den Entschädigungsanspruch geltend machenden Person und dem Bund Bedacht. Im vorliegenden Fall wurde den Betroffenen vom Bund aber auch ein Anbot auf Abschluß einer solchen Vereinbarung nicht gemacht. Die obgenannte Beschränkung der Kostenersatzpflicht im § 44 EisbEG hat daher hier nur für die Frage Bedeutung, welchen Einfluß ein bloß teilweiser Erfolg auf das Ausmaß der Kosten eines rechtsfreundlichen Vertreters hat. Bei Beurteilung dieser Frage ist davon auszugehen, daß der Gesetzgeber den Begriff der Kosten des Entschädigungsverfahrens und der gerichtlichen Festsetzung im Sinne der ZPO verstand (vgl. Dullinger in JBl. 1984, 647), sodaß auch die allgemeinen Kostenersatzgrundsätze beachtlich sind. Unbeschadet des nur teilweisen Erfolges besteht nach allgemeinen Kostenersatzgrundsätzen Anspruch auf vollen Kostenersatz unter Ausschluß der Kostenteilung, allerdings nur auf Basis des ersiegten Betrages, unter anderem dann, wenn der zuerkannte Betrag von der Festsetzung durch richterliches Ermessen oder von der Ausmittlung durch Sachverständige abhängig ist. Gerade diese Voraussetzungen liegen aber bei der Ausmittlung des Entschädigungsbetrages nach § 15 MunLagG vor. Für den Bereich des Rechtsmittelverfahrens hat der Oberste Gerichtshof mehrfach den aus § 44 EisbEG ableitbaren Grundsatz der Einseitigkeit der Kostenersatzpflicht des Enteigners betont, sodaß der Enteignete bei Erfolglosigkeit seines Rechtsmittels nicht kostenersatzpflichtig wird (1 Ob 583/82; 1 Ob 583/87; vgl. auch JBl. 1983, 93). Nichts anderes kann, jedenfalls im Regelfall, für das Verfahren erster Instanz gelten. Dem Grundsatz der Einseitigkeit der Kostenersatzpflicht entspricht es aber, den Kostenersatzpflichtigen nicht mit jenen Kosten zu belasten, die durch ein ungerechtfertigtes Mehrbegehren verursacht wurden. In Ansehung des Mehrbegehrens fällt im vorliegenden Fall den Antragstellern auch Fahrlässigkeit zur Last. Die von ihnen begehrten Beträge sind derart überhöht, daß sie mit der allgemeinen Schwierigkeit einer verläßlichen Schätzung einer Wertminderung nicht gerechtfertigt werden können. Zu Recht hat daher das Rekursgericht den Antragstellern nur Kosten auf Basis des ersiegten Betrages zugesprochen. Da sich im Ergebnis hinsichtlich der Aufteilung der Kosten am Aufteilungsschlüssel des Rekursgerichtes nichts Wesentliches änderte, wurde dieser bei Bestimmung der Kosten beibehalten und im übrigen von den dem geringeren Betrag entsprechenden Ansätzen ausgegangen.
Anmerkung
E12847European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1987:0070OB00674.87.1210.000Dokumentnummer
JJT_19871210_OGH0002_0070OB00674_8700000_000