TE OGH 1987/12/10 13Os158/87

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Veröffentlicht am 10.12.1987
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 10.Dezember 1987 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Harbich als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Müller, Dr. Felzmann, Dr. Brustbauer und Dr. Kuch als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Mitterhöfer als Schriftführers in der Strafsache gegen Marianne H*** wegen des Verbrechens der Hehlerei nach § 164 Abs. 1 Z. 2 und 3, Abs. 2 und 3 StGB und einer anderen strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde der Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Linz als Schöffengerichts vom 3.Juli 1987, GZ. 26 Vr 993/87-13, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil aufgehoben und es wird dem Schöffengericht aufgetragen, sich in dieser Sache der Verhandlung und Urteilsfällung zu unterziehen.

Text

Gründe:

Die Staatsanwaltschaft legt der am 1.April 1967 geborenen Marianne H*** zur Last, am 15.Februar 1987 in Linz mit dem Vorsatz, daß durch den abgesondert verfolgten Engelbert H*** ein Raub zum Nachteil des Jakob G*** begangen werde, es unterlassen zu haben, dessen unmittelbar bevorstehende oder schon begonnene Ausführung zu verhindern (1) und dadurch, daß sie einen Teil der tatsächlich dem Jakob G*** geraubten 8.000 S übernahm und Sachen an sich nahm, die mit dem geraubten Geld bezahlt wurden, Sachen, die ein anderer durch eine mit Strafe bedrohte Handlung gegen fremdes Vermögen erlangt hatte bzw. mit dem Vorsatz unrechtmäßiger Bereicherung eine Sache wissentlich an sich gebracht zu haben, die aus dem Erlös aus der Straftat angeschafft worden ist, wobei ihr die Umstände bekannt waren, daß die mit Strafe bedrohte Handlung gegen fremdes Vermögen, aus der die Sache stammt, mit einer Freiheitsstrafe bedroht ist, die fünf Jahre übersteigt (2). Demgemäß wurde ihr das Vergehen der Unterlassung der Verhinderung einer mit Strafe bedrohten Handlung nach § 286 Abs. 1 StGB (1) und das Verbrechen der Hehlerei nach § 164 Abs. 1 Z. 2 und 3, Abs. 2 und 3 StGB (2) angelastet (ON. 11).

Mit dem angefochtenen Urteil erklärte sich das Schöffengericht in dieser Sache für nicht zuständig, weil zahlreiche Hinweise dafür vorlägen, daß sich Marianne H*** aktiv an dem in Gesellschaft mit ihrem Lebensgefährten Engelbert H*** ausgeführten Raub beteiligt habe, sie somit "hochverdächtig" des mit einer Freiheitsstrafe von fünf bis fünfzehn Jahren bedrohten Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 142 Abs. 1, 143, erster Fall, StGB sei.

Rechtliche Beurteilung

Der auf § 281 Abs. 1 Z. 6 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde kann Berechtigung nicht abgesprochen werden.

Des Gesellschaftsraubes macht sich nicht nur der unmittelbare Täter schuldig, sondern auch jeder, der im Einverständnis mit diesem am Tatort und zur Tatzeit eine die Raubausführung fördernde Tätigkeit entwickelt und dessen Vorsatz auf die Vollendung des Raubes gerichtet ist (SSt. 46/63, 51/50).

Das Schöffengericht weist zwar durchaus im Einklang mit der Aktenlage auf die wechselnden Einlassungen der beiden bei der Tat anwesenden Personen, insbesondere darauf hin, daß die Angeklagte im Vorverfahren selbst zugegeben hatte, das Geld an sich genommen zu haben, während Engelbert H*** den alten Mann abgelenkt hatte. Der aus diesem (widerrufenen) Geständnis in Richtung eines Gesellschaftsdiebstahls abgeleitete Schluß, daß eine Raubgenossenschaft vorliegen müsse, weil Engelbert H*** wegen Raubes nach § 142 Abs. 1 StGB verurteilt wurde, genügt noch nicht den Erfordernissen des § 261 Abs. 1 StPO, um eine Zuständigkeit des Geschwornengerichtes annehmen zu können. Wenn auch für ein Unzuständigkeitsurteil des Schöffengerichts kein voller Beweis erforderlich sein kann, daß der Angeklagte eine zur Zuständigkeit des Geschwornengerichts gehörige strafbare Handlung begangen hat, so reichen jedenfalls bloße Zweifel an der Zuständigkeit des Schöffengerichts nicht aus. Die Verdachtslage muß sich vielmehr bis zu einem Anschuldigungsbeweis verdichtet haben, wovon erst gesprochen werden kann, wenn Verfahrensergebnisse bei Anlegung eines realitätsbezogenen Maßstabs die Erfüllung aller Merkmale eines bestimmten Straftatbestands als naheliegend erkennen lassen (SSt. 31/51, LSK. 1979/335, RZ. 1960/154, 11 Os 182/84 u.v.a.). Hievon kann im vorliegenden Fall noch nicht gesprochen werden. Unbestritten ist in diesem Straffall nur, daß die Angeklagte gemeinsam mit ihrem damaligen Lebensgefährten in die Wohnung des Jakob G*** ging. Anläßlich des Aufenthalts in der Wohnung wurde dem alten Mann ein Geldbetrag von 8.000 S weggenommen und später gemeinsam verbraucht. Während sich Engelbert H*** und Marianne H*** im Lauf des Strafverfahrens unterschiedlich verantworteten, immer aber jede Gewaltanwendung an Jakob G*** leugneten, gab dieser im wesentlichen gleichlautend immer an, daß er von dem Mann (H***) festgehalten wurde, sodaß er sich nicht dagegen wehren konnte, als dieser ihm das Geld aus einer Tasche nahm, während das Mädchen (H***) vollkommen passiv auf einem Stuhl saß und zusah (S. 9, 10, ON. 7, S. 106 bis 109). Wenn das Schöffengericht einerseits diese Aussage des Opfers auf Grund dessen hohen Alters, seiner Sehschwäche sowie einiger Widersprüchlichkeiten und merkbaren Unsicherheit nicht als verläßlich genug für eine "zweifelsfreie Wahrheitsfindung" ansah (S. 122), andererseits dessen Angaben zur Gewaltanwendung mit den wechselnden Einlassungen der Beschuldigten (Angeklagten) zur Tatbeteiligung aber so kombiniert, daß bei der jeweiligen Annahme der belastenden Komponente unter Vernachlässigung des Zusammenhangs der einzelnen Depositionen (hie Zeugenaussage: Raub durch den Mann allein, dort Verantwortung der Angeklagten: Gesellschaftsdiebstahl) sich der Verdacht eines Gesellschaftsraubes ergäbe, dann zeigt sich sehr deutlich, daß hier nur Verdachtsmomente vorliegen, aber kein konkreter Hinweis auf ein einverständliches Vorgehen zweier Raubgenossen. Von einem Anschuldigungsbeweis im dargestellten Sinn kann folglich noch nicht gesprochen werden.

Der Nichtigkeitsbeschwerde (Z. 6) war daher gemäß § 285 e StPO schon bei der nichtöffentlichen Beratung Folge zu geben und spruchgemäß zu entscheiden.

Anmerkung

E12467

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1987:0130OS00158.87.1210.000

Dokumentnummer

JJT_19871210_OGH0002_0130OS00158_8700000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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