TE OGH 1987/12/10 7Ob716/87

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Veröffentlicht am 10.12.1987
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Flick als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Wurz, Dr. Warta, Dr. Egermann und Dr. Niederreiter als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei I*** Ein-, Durch- und Ausfuhrhandels-Gesellschaft m.b.H., Wien 6., Bienengasse 6-8, vertreten durch Dr. Andreas Puletz und Dr. Franz Stadler, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei Dr. Franz P***, Rechtsanwalt, Innsbruck, Maria Theresien-Straße 42, wegen S 900.000,-- s.A., infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgerichtes vom 14. April 1987, GZ 1 R 67/87-27, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 25. November 1986, GZ 11 Cg 203/85-21, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, dem Beklagten die mit S 16.864,65 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin S 1.533,15 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Mit Beschluß des Landesgerichtes Innsbruck vom 3. Juni 1982 , Sa 17/82, wurde über das Vermögen der Firma J*** § S*** das Ausgleichsverfahren eröffnet. Der Beklagte wurde zum Ausgleichsverwalter bestellt. Mit Beschluß vom 29. Oktober 1982 bestätigte das Ausgleichsgericht den zwischen der genannten Firma und ihren Gesellschaftern Erwin S*** und Hans-Fridolin S*** einerseits sowie den Gläubigern der Gesellschaft andererseits abgeschlossenen Ausgleich. Gleichzeitig bestellte es gemäß § 55 b AO den Beklagten zum Sachwalter zwecks Überwachung der Ausgleichserfüllung.

Nach der Ausgleichseröffnung hat die Länderbank der Firma J*** & S*** zur Fortsetzung des Betriebes einen Kredit von S 10,000.000,-- eingeräumt. Hierauf erteilte der Beklagte die Anweisung, daß neue Verbindlichkeiten von der Ausgleichsschuldnerin nur mit seiner Genehmigung eingegangen werden dürften. Im Rahmen des Geschäftsbetriebes nach Ausgleichseröffnung lieferte die Klägerin an die Beklagte Materialien, deren Kaufpreis durch drei Wechsel über je S 300.000,-- abgedeckt werden sollte. Die Lieferungen wurden vom Beklagten, als Sachwalter der Ausgleichsschuldnerin, genehmigt. Alle drei Wechsel wurden von der Klägerin als Ausstellerin, von der Firma J*** & S*** als Akzeptantin (durch den Prokuristen F***) und durch die Beklagten unterfertigt. Die Unterschrift des Beklagten befindet sich jeweils in der für die Unterschrift des Annehmers vorgesehenen Rubrik neben der Unterschrift der Firma J*** & S***. Im Bereich der Unterschrift des Beklagten befand sich bereits zum Zeitpunkt der Unterfertigung durch diesen folgender, mit Stampiglie angebrachter Zusatz auf allen drei Wechseln:

"Rechtsanwalt Dr. Franz P***, Innsbruck, Maria

Theresien-Straße 42/II, als Sachwalter der Firma J*** & S***,

6410 Telfs".

Der Beklagte hat die Wechsel mitunterfertigt, weil sie nach ihrem Wortlaut bei der Ö*** L***, Filiale

Innsbruck, eingelöst werden sollten und die Einlösung nur von dem neu eingeräumten Kreditkonto über S 10,000.000,-- zu erwarten war, bei dem nur der Beklagte und der Prokurist F*** gemeinsam zeichnungsberechtigt waren. Der Beklagte ging bei der Unterfertigung der Wechsel davon aus, daß die Länderbank keine Zahlung auf die Wechsel von diesem Konto leisten würde, wenn seine Unterschrift als Mitzeichnungsberechtigter auf den Wechseln fehlen sollte. Zum Zeitpunkt der Unterfertigung der Wechsel reichte der auf dem Kreditkonto der Länderbank eingeräumte Kreditrahmen zur Bezahlung der Wechsel noch aus.

Mit der vorliegenden Wechselklage begehrt die Klägerin die Erlassung dreier Wechselzahlungsaufträge über je S 300.000,-- s.A. gegen den Beklagten, wobei sie den Standpunkt vertritt, dieser sei Wechselbürge.

Die Vorinstanzen haben die Wechselzahlungsaufträge aufgehoben und das Klagebegehren abgewiesen. Hiebei vertraten sie die Rechtsansicht, der Beklagte habe deutlich erkennbar nur als Vertreter der Annehmerin der Firma J*** & S*** unterfertigt. Ein Fall des Art. 8 WG liege nicht vor.

Das Berufungsgericht hat die Revision in Ansehung sämtlicher drei Wechselforderungen für zulässig erklärt.

Die von der Klägerin gegen die Entscheidung des Berufungsgerichtes wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung erhobene Revision ist zulässig, weil es sich bei der Frage, ob Art. 8 WG auch anwendbar ist, wenn eine Vertretung ohne Vertretungsmacht zu keinem Nachteil für den Wechselgläubiger geführt hat, von grundsätzlicher Bedeutung ist und darüber in Österreich keine Judikatur aufgefunden werden konnte.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist jedoch nicht gerechtfertigt.

Daß der Beklagte die drei Wechsel nicht in der Absicht, irgendeine Wechselverbindlichkeit selbst einzugehen, sondern nur als Vertreter der Firma J*** & S*** unterfertigt hat, ist für jedermann klar erkennbar. Auch die Klägerin konnte diesbezüglich keiner Täuschung unterliegen (auf den weiteren Zusatz auf einem der drei Wechsel muß nicht mehr weiter eingegangen werden, weil nunmehr unbekämpft feststeht, daß dieser ohne Wissen des Beklagten nachträglich hinzugefügt wurde). Aus der Form des Skripturaktes des Beklagten kann daher keinerlei eigene wechselmäßige Haftung abgeleitet werden. Die Ausführungen der Revision über allfällige Vorstellungen und Erwartungen der Klägerin bei Lieferung der Ware gehen an der Sache vorbei, weil die Lösung der Haftungsfrage bezüglich des Beklagten nicht davon abhängt, welche nach außen nicht zum Ausdruck gekommene Vorstellungen die Klägerin hatte. Daß aber derartige Vorstellungen Gegenstand von Erörterungen gewesen wären, hat die Klägerin gar nicht behauptet.

Es ist also davon auszugehen, daß der Beklagte die drei Wechsel, auch für die Klägerin erkennbar, nur als Vertreter der Firma J*** & S*** unterfertigt hat. Ob er tatsächlich eine Vertretungsmacht hatte, kann dahingestellt bleiben. Art. 8 WG ist auf den vorliegenden Fall nämlich auf keinen Fall anwendbar. Nach dieser Bestimmung haftet selbst wechselmäßig, wer auf einen Wechsel seine Unterschrift als Vertreter eines anderen setzt, ohne hiezu ermächtigt zu sein. Zweck dieser Bestimmung ist der Schutz des Vertrauens des Wechselgläubigers in die Vertretungsbefugnis des angeblichen Vertreters. Fehlt es an einer solchen Vertretungsbefugnis, würde ohne die Bestimmung des Art. 8 WG jede wechselmäßige Haftung wegfallen, weil das Vorgehen des nicht Vertretungsbefugten keine Wirkung für den angeblich Vertretenen hat, der angebliche Vertretene jedoch im eigenen Namen keine Wechselverbindlichkeit eingegangen ist. Den hiedurch dem gutgläubigen Wechselgläubiger drohender Nachteil soll Art. 8 WG abwenden. Keinesfalls hat diese Bestimmung das Ziel, dem Wechselgläubiger zusätzlich zu seinem Wechselschuldner einen weiteren Wechselschuldner zu verschaffen, mit dem er bei Ausstellung des Wechsels überhaupt nicht rechnen hätte können. Dies würde nämlich zu einer ungerechtfertigten Besserstellung des Wechselgläubigers führen, der anstatt des einen, von ihm erwarteten Wechselverpflichteten zwei erhält. In einem solchen Falle wäre das Vertrauen des Wechselgläubigers auf das Entstehen einer Wechselverbindlichkeit des sich aus dem Wechsel ergebenden Wechselschuldners nicht getäuscht worden. Wurde aber ein solches Vertrauen nicht getäuscht, ist Art. 8 WG nicht anwendbar. Demnach hat auch der Oberste Gerichtshof ausgesprochen, daß derjenige, der seine Unterschrift auf einen Wechsel setzt, ohne dazu ermächtigt zu sein, demjenigen nicht haftet, der den Mangel der Vertretungsmacht gekannt hat (SZ 52/11 sowie Baumbach-Hefermehl Wechsel- und Scheckgesetz15, 127, zu der gleichen deutschen Rechtslage). Wendet man den oben dargelegten Gedankengang auf Fälle an, in denen jemand neben dem Akzeptanten als dessen Vertreter unterschreibt, ohne jedoch eine Vertretungsmacht zu besitzen, so ergibt sich, daß auch in solchen Fällen Art. 8 WG nicht anwendbar sein kann, weil hier jene Wechselverbindlichkeit entstanden ist, mit der der Wechselgläubiger bei Ausstellung des Wechsels rechnen konnte. So wurde in der deutschen Lehre (Baumbach-Hefermehl, Wechsel- und Scheckgesetz15, 127) ausgesprochen, daß eine Haftung des unbefugten Vertreters dem Sinn und Zweck des Art. 8 WG dann widerspricht, wenn der Vertretene wechselfähig ist und aufgrund einer Anscheinsvollmacht haftet. Umsomehr muß aber die Anwendbarkeit des Art. 8 WG dann ausscheiden, wenn der Vertretene nicht nur auf Grund einer Anscheinsvollmacht, sondern auf Grund seines eigenen Skripturaktes wechselmäßig haftet. Dies ist hier der Fall. Aus den aufgezeigten Gründen erübrigt sich daher ein Eingehen auf die Frage, ob der Beklagte tatsächlich Vertreter der Firma J*** & S*** war, weil die Klägerin bei Ausstellung der drei Wechsel nur mit einer Wechselverbindlichkeit dieser Firma rechnen konnte, eine solche Wechselverbindlichkeit aber durch den eigenen Skripturakt eines hiezu befugten Organes der Firma entstanden ist. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41 und 50 ZPO.

Anmerkung

E12852

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1987:0070OB00716.87.1210.000

Dokumentnummer

JJT_19871210_OGH0002_0070OB00716_8700000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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