Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 15.Dezember 1987 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Bernardini als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Friedrich, Dr. Reisenleitner, Dr. Kuch und Dr. Massauer als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Plachy als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Manfred M*** wegen des Vergehens der versuchten Nötigung zur Unzucht nach §§ 15, 204 Abs. 1 StGB und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 22. Juni 1987, GZ 5 a Vr 14026/86-32, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Strasser, und des Verteidigers Dr. Zauner, jedoch in Abwesenheit des Angeklagten zu Recht erkannt:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.
Der Berufung wird nicht Folge gegeben.
Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde Manfred M*** der Vergehen (I.) der versuchten Nötigung zur Unzucht nach §§ 15, 204 Abs. 1 StGB, (II.) des - in drei Angriffen verübten - teils vollendeten, teils versuchten schweren Diebstahls nach §§ 127 Abs. 1, Abs. 2 Z 3, 128 Abs. 1 Z 4 und 15 StGB, (III.) der Urkundenunterdrückung nach § 229 Abs. 1 StGB und (IV.) der Körperverletzung nach § 83 Abs. 1 StGB schuldig erkannt.
Rechtliche Beurteilung
Er bekämpft dieses Urteil - der Sache nach nur gegen die Schuldsprüche zu den Fakten I. und III - mit Nichtigkeitsbeschwerde aus der Z 4, 5 und 9 lit a des § 281 Abs. 1 StPO. Dieses Rechtsmittel ist teils nicht der Prozeßordnung gemäß ausgeführt, im übrigen aber nicht begründet.
Zum Schuldspruch I.:
Darnach hat er am 5.Dezember 1986 versucht, Theresia S*** mit Gewalt zur Unzucht zu nötigen, indem er sie von hinten an einem Oberarm erfaßte, in eine Wiese drängte, dort zu Boden stieß und sie (auf ihr kniend) von hinten würgte, wobei er (sein Glied entblößte und) von ihr einen Mundverkehr verlangte.
Diesen Schuldspruch stützt das Erstgericht vor allem auf die für glaubwürdig befundene Aussage der Zeugin S***, die den kurz nach der Tat (S 17) in der Nähe des Tatortes festgenommenen Beschwerdeführer eindeutig als Täter agnoszierte, sowie auf den mit ihrer Aussage, dem Täter im Zuge der heftigen Gegenwehr vermutlich Kratzwunden zugefügt zu haben, übereinstimmenden Umstand, daß der Angeklagte eine Kratzwunde an der rechten Hand aufwies (S 18-21). Daß es hiebei dessen Behauptung, er habe sich diese Verletzung an einem Fahrrad zugezogen (S 91 in Verbindung mit S 156 sowie S 118), nicht gesondert erörtert, bedeutet - der Mängelrüge (Z 5) zuwider - keine Unvollständigkeit der Begründung im Sinn des geltend gemachten Nichtigkeitsgrundes, weil in dem damit unternommenen Entlastungsversuch des Beschwerdeführers nur ein Teil von dessen Verantwortung zu erblicken ist, die aber insgesamt als unglaubwürdig verworfen wurde. Das Erstgericht war daher nicht gehalten, sich mit jedem einzelnen Detail der Angaben des Beschwerdeführers gesondert zu befassen. Vielmehr war es gemäß der Bestimmung des § 270 Abs. 2 Z 5 StPO zur gedrängten Darstellung der Entscheidungsgründe verpflichtet (Mayerhofer-Rieder2, ENr 104 f zu § 270 StPO uva). Dem Urteil haftet daher insoweit ein Begründungsmangel nicht an. Auch der - zum Teil im Rahmen der Mängelrüge (Z 5) angeführten - Verfahrensrüge (sachlich durchwegs Z 4), welche sich gegen die Abweisung des Antrages auf Vernehmung des Andreas W*** als Zeugen (S 134, 156, 167) wendet, der zum Beweis dafür gestellt worden war, daß der Angeklagte die Tat nicht begangen habe, kommt deshalb keine Berechtigung zu, weil er selbst einräumt, die Täterschaft des Genannten im gegenständlichen Fall bloß zu vermuten (S 93: "... vielleicht war das der ..."; S 115: "... ich glaube, das ist der Täter...."). Entgegen dem Vorbringen in der Verfahrensrüge kann daher in keiner Weise davon gesprochen werden, daß der Beschwerdeführer damit einen gegen W*** geäußerten Verdacht näher konkretisiert hätte. Vielmehr zielte dieses Vorbringen lediglich auf die Aufnahme eines bloßen Erkundungsbeweises ab (vgl Mayerhofer-Rieder2, ENr 88 ff zu § 281 Abs. 1 Z 4 StPO ua).
Daß W*** auf Grund seines Alters (von 19 Jahren) als - vom Opfer als wesentlich älter beschriebener (S 124) - Täter nicht in Frage kommt, ist keineswegs eine "Vermutung" des Schöffengerichtes; das Alter W***'S ist vielmehr aus dem vom Angeklagten selbst vorgelegten Zeitungsartikel (Beilage zu ON 25) zu entnehmen. Die Rechtsrüge (Z 9 lit a) schließlich entbehrt einer gesetzmäßigen Ausführung. Darin wird zum einen unter Mißachtung jener Konstatierung, wonach der Angeklagte den Entschluß faßte, die Frau, welche allein unterwegs war, "mit Gewalt zu unzüchtigen Handlungen zu nötigen, um seinen Geschlechtstrieb abzureagieren" (US 6), das Fehlen von Feststellungen über die Mittel-Zweckbeziehung zwischen Gewaltausübung und abzunötigendem Verhalten eingewendet, die im Urteil ohnedies enthalten sind. Zum anderen aber wird mit Deduktionen aus hinhaltenden Äußerungen der Zeugin S*** gegenüber dem Beschwerdeführer und mit der Behauptung, Schlüsse auf ein Unzuchtsvorhaben seinerseits hätten aus den (angeblich zu spärlichen) Beweisergebnissen nicht gezogen werden dürfen, nur im Nichtigkeitsverfahren unzulässigerweise die schöffengerichtliche Beweiswürdigung in Zweifel gezogen.
Zum Schuldspruch III.:
Als Urkundenunterdrückung liegt dem Angeklagten zur Last, am 22. November 1986, als er sich kurze Zeit unbeaufsichtigt im PKW des Christian Z*** befand, dessen darin in einer Handtasche verwahrt gewesenen Führerschein weggenommen und behalten zu haben, wobei er mit dem Vorsatz handelte zu verhindern, daß die Urkunde im Rechtsverkehr zum Beweis eines Rechtes oder einer Tatsache gebraucht werde.
Der Mängelrüge (Z 5) zuwider ist die vom Erstgericht für die Annahme der Täterschaft des Beschwerdeführers gegebene Begründung, daß dieser zu der für die Wegnahme in Betracht kommenden Zeit im alleinigen Gelegenheitverhältnis gestanden war, mängelfrei. Denn es lagen keinerlei konkrete Verfahrensergebnisse dahin vor, daß in den fünf Tagen bis zum Entdecken des Abhandenkommens des Führerscheins - neben Z*** - auch eine andere Person als der Angeklagte Zutritt zum PKW des Genannten gehabt hätte.
Soweit der Beschwerdeführer in der Rechtsrüge (Z 9 lit a) Feststellungsmängel zur subjektiven Tatseite des Vergehens nach § 229 StGB behauptet, verkennt er, daß für den darnach erforderlichen sogenannten (allgemeinen) Gebrauchsverhinderungsvorsatz (§ 5 Abs. 1 bis 3 StGB) ein entsprechendes Mitbewußtsein (Begleitwissen) des Täters (§ 5 Abs. 3 StGB) genügt (Kienapfel im WK, Rz 29, 31, 35 zu § 229 StGB; EvBl 1981/80, 1982/191; RZ 1982/29; JBl 1984, 269; 1985, 505; 1986, 261 uva). Die Annahme dieses tatbestandsmäßigen Begleitwissens des Angeklagten wird aber der Beschwerdeauffassung zuwider durch die Feststellung, daß ihm bewußt war, durch sein Verhalten (Behalten des weggenommenen Führerscheins) werde die Urkunde ihrer "Benützung" entzogen, deutlich genug zum Ausdruck gebracht. Die Benützung eines Führerscheins dient nämlich notorisch zum Nachweis der Lenkerberechtigung gleichwie der Identität des Berechtigten, mithin sowohl eines Rechtes als auch einer Tatsache. Durch die Unterdrückung der Urkunde mit diesem Bewußtsein wird sohin deren Gebrauch im Rechtsverkehr zu den in Rede stehenden Zwecken wissentlich verhindert.
Aus den dargelegten Erwägungen war die Nichtigkeitsbeschwerde zu
verwerfen.
Zur Berufung:
Das Schöffengericht verurteilte den Angeklagten nach §§ 28, 204 Abs. 1 StGB zu drei Jahren Freiheitsstrafe. Es wertete bei der Strafbemessung die zahlreichen einschlägigen gewichtigen Vorstrafen, einen raschen Rückfall, die Tatwiederholung (beim Diebstahl) und das Zusammentreffen mehrerer Vergehen als erschwerend, dagegen ein Teilgeständnis und den Umstand, daß es teilweise beim Versuch blieb, als mildernd.
Der auf eine Strafherabsetzung gerichteten Berufung des Angeklagten kommt keine Berechtigung zu.
Daß Theresia S*** keine Verletzungen erlitt, ist kein mildernder Umstand. Leichte Verletzungen wären vielmehr erschwerend gewesen, schwere Verletzungen hätten sogar die Anwendung des höheren Strafsatzes des § 204 Abs. 2 StGB nach sich gezogen. Das Erstgericht hat somit die Strafzumessungsgründe zutreffend und - abgesehen vom weiteren Erschwerungsgrund des Zusammentreffens mehrerer Qualifikationen beim Diebstahl - auch vollständig erkannt und auch entsprechend gewürdigt. Der Angeklagte ist insgesamt neunmal sowohl wegen Vermögens- als auch wegen Aggressions- und Sittlichkeitsdelikten vorbestraft. Hinsichtlich der Vermögensdelikte liegen sogar die Voraussetzungen des § 39 StGB vor. Berücksichtigt man überdies den schweren Schuld- und Unrechtsgehalt der Taten sowie die Deliktshäufung, erscheint die vom Erstgericht verhängte - wenngleich empfindliche - Freiheitsstrafe nach der tat- und persönlichkeitsbezogenen Schuld des Angeklagten (§ 32 StGB) nicht zu hoch bemessen.
Der Berufung mußte daher gleichfalls ein Erfolg versagt bleiben.
Anmerkung
E12497European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1987:0150OS00164.87.1215.000Dokumentnummer
JJT_19871215_OGH0002_0150OS00164_8700000_000