Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Prof. Dr. Friedl als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Gamerith, Dr. Kodek, Dr. Niederreiter und Dr. Redl als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei prot. Firma Z***- UND
V***-G*** MBH, Bregenz, Kornmarktstraße 18, vertreten durch Dr. Heinrich Kammerlander jun., Rechtsanwalt in Graz, wider die beklagten Parteien 1. V*** G*** A*** Eugen
R*** & CO, 2. Eugen R*** jun., Kaufmann, 3. Sophie K***, 4. Eugen R***, Kaufmann, sämtliche Bregenz, Kirchstraße 35, vertreten durch Dr. Fritz Schuler, Rechtsanwalt in Bregenz, wegen Unterlassung und Urteilsveröffentlichung (Streitwert im Provisorialverfahren S 400.000,--), infolge Revisionsrekurses der beklagten Parteien gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Rekursgerichtes vom 7. September 1987, GZ 2 R 242/87-8, womit der Beschluß des Landesgerichtes Feldkirch vom 20. Juli 1987, GZ 8 Cg 164/87-4, abgeändert wurde, folgenden
Beschluß
gefaßt:
Spruch
Dem Revisionsrekurs wird teilweise Folge gegeben. Die Beschlüsse der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, daß die Entscheidung - unter Einschluß des bestätigten
Ausspruches - insgesamt zu lauten hat:
"Einstweilige Verfügung:
Zur Sicherung des Anspruches der klagenden Partei auf Unterlassung wettbewerbswidriger Handlungen wird den beklagten Parteien bis zur rechtskräftigen Beendigung des Rechtsstreites verboten, im geschäftlichen Verkehr anzukündigen: '7 von 10 Vorarlbergern sind jeden Morgen auf dem laufenden. Denn sie lesen jeden Morgen die Vorarlberger Nachrichten. Nur 3 nicht.'
Hingegen wird das Mehrbegehren, den beklagten Parteien auch folgende Ankündigungen zu verbieten, abgewiesen:
'Die Zeitung, die 7 von 10 Vorarlbergern lesen';
'7 von 10 Vorarlbergern lesen die Vorarlberger Nachrichten';
'7 von 10 Vorarlbergern fahren besser. Sieben von zehn Vorarlbergern erreichen Sie mit Ihrer Anzeige über Autos und Autozubehör in den Vorarlberger Nachrichten. Nur 3 nicht';
'7 von 10 Vorarlbergern finden, was Sie wollen. Denn wenn Sie Ihre Anzeige in den Vorarlberger Nachrichten plazieren, erreichen sie 7 von 10 Vorarlbergern. Nur 3 nicht';
'7 von 10 Wohnsinnigen lesen VN .... immerhin sind Sie mit den
Vorarlberger Nachrichten bei 7 von 10 Vorarlbergern zu Hause';
'7 von 10 Autofans lesen VN .... immerhin fahren 7 von 10
Vorarlbergern voll auf die VN ab';
'7 von 10 Vorarlbergern sind Feuer und Flamme für die Vorarlberger Nachrichten. Nur 3 nicht'."
Die klagende Partei ist schuldig, den beklagten Parteien die anteiligen Kosten der Rechtsmittelverfahren in der Höhe von S 25.101,67 (darin S 2.281,63 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen; ihre weitere Kosten haben die beklagten Parteien selbst zu tragen. Die klagende Partei hat 7/8 ihrer Kosten endgültig und 1/8 ihrer Kosten vorläufig selbst zu tragen.
Text
Begründung:
Die Klägerin ist Medieninhaberin und Herausgeberin der "Neuen Vorarlberger Tageszeitung". Die Erstbeklagte ist Medieninhaberin und Herausgeberin der "Vorarlberger Nachrichten"; der Zweit-, die Dritt- und der Viertbeklagte sind Gesellschafter dieser zu HRA 742 des Landesgerichtes Feldkirch registrierten offenen Handelsgesellschaft.
Die Erstbeklagte veröffentlichte in den letzten Monaten in verschiedenen Zeitungen und Zeitschriften folgende Werbeeinschaltungen, die durchwegs - auf rotem Grund - die Worte: "7 von 10 Vorarlbergern" enthielten:
a) In der Zeitschrift "Extra" vom 27. März 1987 und in der Zeitschrift "intern" vom 30. März 1987: "7 von 10 Vorarlbergern sind jeden Morgen auf dem laufenden. Denn sie lesen jeden Morgen die Vorarlberger Nachrichten. Nur 3 nicht."
b) In der Zeitschrift "Trend" vom Mai 1987, in der Zeitschrift "Diners Club Magazin" vom 2. Mai 1987 und in der Zeitschrift "intern" vom 13. und vom 27. April 1987:
"7 von 10 Vorarlbergern fahren besser. Sieben von zehn Vorarlbergern erreichen Sie mit Ihrer Anzeige über Autos und Autozubehör in der Vorarlberger Nachrichten. Nur 3 nicht."
c) In der Zeitschrift "intern" vom 23. März 1987:
"7 von 10 Vorarlbergern finden, was sie wollen. Denn wenn Sie Ihre Anzeige in den Vorarlberger Nachrichten plazieren, erreichen Sie 7 von 10 Vorarlbergern. Nur 3 nicht."
d) In den "Vorarlberger Nachrichten" vom 22. Mai 1987:
"7 von 10 Wohnsinnigen lesen VN .... Immerhin sind Sie mit den
VN bei 7 von 10 Vorarlbergern zu Hause."
e) In den Vorarlberger Nachrichten vom 21. Mai 1987:
"7 von 10 Autofans lesen VN .... Immerhin fahren 7 von 10
Vorarlbergern voll auf die VN ab."
Auf Streichholzschachteln fand sich folgender Werbeaufdruck der Erstbeklagten: "7 von 10 Vorarlbergern sind Feuer und Flamme für die Vorarlberger Nachrichten. Nur 3 nicht."
In der Zeitschrift "Profil" vom 18. Mai 1987, in der Zeitschrift "Bestseller" Nr.4/87 und an anderen Stellen - so auch in der Einladung zur "VN-Bodenseeparty" anläßlich der 34.
Werbewirtschaftlichen Tagung in Bregenz - verwendete die Erstbeklagte in bezug auf die "Vorarlberger Nachrichten" das Schlagwort von der "Zeitung, die 7 von 10 Vorarlbergern lesen", oder sie sagte: "7 von 10 Vorarlbergern lesen die Vorarlberger Nachrichten".
Von der letztgenannten Einladung zur "Bodenseeparty" und der auf Streichholzschachteln aufgedruckten Werbung abgesehen, wies die Beklagte bei ihren Werbeveröffentlichungen jeweils auf den vom "Fessel + GFK-Institut für Markforschung" herausgegebenen Jahresbericht 1986 "Optima" mit den Worten hin, daß die Vorarlberger Nachrichten laut "Optima 1986" eine Reichweite von 69,5 % im kaufkräftigen Vorarlberg hätten.
Grundlage für die Berechnungen der "Optima 1986" ist die Bevölkerung Österreichs im Alter von 14 Jahren aufwärts; Personen in Anstaltshaushaltungen und Personen, die der deutschen Sprache nicht mächtig sind, werden jedoch ausgeklammert. Auf diese Weise wurden in der genannten Analyse 245.000 Vorarlbergern im Alter ab 14 Jahren 170.000 Leser je Nummer der "Vorarlberger Nachrichten" gegenübergestellt; dies ergab einen Prozentsatz von 69,4 % und entsprach damit ungefähr dem Verhältnis "7 von 10". Unter Berücksichtigung auch der Personen unter 14 Jahren hat Vorarlberg 311.000 Einwohner. Stellt man diese Zahl den 170.000 Lesern der Vorarlberger Nachrichten gegenüber, so ergibt das ein Verhältnis von 5,5 Lesern dieser Zeitung auf 10 Vorarlberger.
Mit der Behauptung, die Beklagten machten mit dieser Werbung zur Irreführung geeignete Angaben, stellten grundlos und unzulässig ihre eigene Leistung heraus und setzten durch die Behauptung, daß "nur 3 nicht" informiert seien, ihre Mitbewerber herab, begehrt die Klägerin zur Sicherung ihres inhaltsgleichen Unterlassungsanspruches, den Beklagten mit einstweiliger Verfügung die acht im einzelnen aufgezählten, oben wiedergegebenen Werbeaussagen zu verbieten.
Die Beklagten beantragten die Abweisung des Sicherungsbegehrens. Das angesprochene Publikum verstehe unter "Vorarlbergern" im gegebenen Zusammenhang nur die Gesamtheit der "Zeitunglesenden Vorarlberger", also jene Vorarlberger, die über 14 Jahre alt und der deutschen Sprache mächtig seien und sich nicht in Anstaltshaushaltungen befänden, nicht jedoch alle 311.000 Einwohner dieses Bundeslandes. Die beanstandeten Werbeankündigungen seien daher nicht wettbewerbswidrig. Bei den einzelnen Werbeaussagen fehle auch jeder Bezug auf einen Mitbewerber. Der Hinweis darauf, daß die Leser der Vorarlberger Nachrichten "auf dem laufenden seien", sei - weil marktschreierisch - nicht unzulässig.
Der Erstrichter wies den Antrag auf Erlassung der einstweiligen Verfügung ab. Rechtlich beurteilte er den eingangs wiedergegebenen, von ihm als bescheinigt erachteten Sachverhalt wie folgt:
Bei Prüfung der Frage, ob eine Äußerung zur Irreführung geeignet ist, komme es auf die Verkehrsauffassung an; maßgeblich sei der Gesamteindruck einer Mitteilung, der sich beim flüchtigen Lesen für den Durchschnittsinteressenten ergebe. Die Klägerin räume selbst ein, daß ein Prozentsatz von 69,4 % ungefähr dem Verhältnis von 7 zu 10 entspreche. Tatsächlich sei eine derartige Ungenauigkeit rechtlich zu vernachlässigen, zumal ein Leser kaum in "Zehntel" und "Hundertstel" geteilt werden könne. Der Rechtsauffassung der Klägerin, daß sich in Wahrheit bei Berücksichtigung aller Vorarlberger ein Verhältnis von 5,5 zu 10 ergebe und daher eine Täuschung des interessierten Publikums vorliege, könne nicht gefolgt werden, gehe doch jedermann davon aus, daß Personen unter 14 Jahren, Personen in Anstaltshaushaltungen und Leute, die gar nicht der deutschen Sprache mächtig sind, als Leser von Vorarlberger Tageszeitungen nicht in Frage kommen; das angesprochene Publikum verstehe vielmehr unter "Vorarlbergern" nur die erwachsene Bevölkerung ab dem Alter von 14 Jahren. Daraus ergebe sich, daß die Werbung der Erstbeklagten weder unrichtig noch zur Täuschung geeignet sei und das interessierte Publikum nicht im unklaren lasse. Richtig sei zwar, daß sich die Tageszeitungen der Streitteile den Markt in Vorarlberg teilten, doch sei mit den Werbeankündigungen der Beklagten keineswegs eine wettbewerbswidrige Abwertung der Konkurrenz verbunden. Auch bei flüchtigem Lesen erkenne man, daß die Erstbeklagte nicht behaupte, die "3", die nicht die VN gelesen hätten, seien nicht auf dem laufenden; vielmehr werde der Satz "Nur 3 nicht" auf den vorangegangenen Satz bezogen, wonach 7 von 10 Vorarlbergern jeden Morgen die Vorarlberger Nachrichten lesen. Ohne diesen klärenden Zwischensatz wäre allerdings der angeführte Werbespruch in der Tat wettbewerbswidrig. Dasselbe gelte auch für die übrigen Werbebehauptungen, die mit dem Satz "Nur 3 nicht" enden. Das Rekursgericht erließ die beantragte einstweilige Verfügung und sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes S 300.000,-- übersteige. Rechtlich vertrat es die Auffassung, daß die Beklagte mit der Formulierung "7 von 10 Vorarlbergern" gegen § 2 UWG verstoße. "Angabe" im Sinne dieser Gesetzesstelle sei jede Äußerung mit objektiv feststellbarem, einer Nachprüfung zugänglichem Inhalt. Unrichtig im Sinn dieser Bestimmung sei eine Angabe auch dann, wenn ihr trotz sachlicher Richtigkeit von den Personen, an die sie sich wendet, etwas Unwahres entnommen werden könne. Maßgeblich sei allein, wie der verwendete Wortlaut vom Verkehr aufgefaßt und welche Bedeutung ihm beigelegt werde.
Daß die Behauptung, 7 von 10 Vorarlbergern läsen die Zeitung der Beklagten, bei Unterstellung der Gesamtbevölkerungszahl dieses Bundeslandes objektiv unrichtig sei, könnten die Beklagten selbst nicht in Abrede stellen. Ihrer Auffassung, daß der Durchschnittsinteressent durch diese Werbung nicht in Irrtum geführt werden könne, sei nicht beizutreten. Die graphische Hervorhebung des Umstandes, daß 7 von 10 Vorarlbergern die Zeitung der Beklagten lesen und nur drei nicht, erwecke beim unbefangenen Leser in erster Linie die Vorstellung, daß insgesamt - also ohne Ausschaltung der in der Statistik außer acht gelassenen Personen - sieben von zehn Vorarlbergern die Zeitung der Beklagten lesen. Die Annahme, daß Personen bis zum 14. Lebensjahr, insbesondere der Personenkreis zwischen 10 und 14 Jahren, als Leser einer marktherrschenden Tageszeitung grundsätzlich nicht in Betracht kämen und ihre Zahl sohin außer Betracht gelassen werden könne, sei willkürlich und durch die Erfahrung des täglichen Lebens nicht gedeckt. Bei Mehrdeutigkeit einer Ankündigung müsse der Ankündigende die für ihn ungünstigste Auslegung gegen sich gelten lassen, ob er sich nun dieser Mehrdeutigkeit bewußt gewesen sei oder nicht. Für den Tatbestand des § 2 UWG komme es nicht darauf an, ob tatsächlich eine Täuschung im angesprochenen Interessentenkreis stattgefunden habe; entscheidend sei nur, ob eine Ankündigung dazu geeignet sei. Dies sei hier zu bejahen.
An diesen rechtlichen Erwägungen ändere auch die Tatsache nichts, daß bei den Einschaltungen der Beklagten jeweils die "Optima 1986" als Quelle angeführt gewesen sei, könne doch nicht gesagt werden, daß den angesprochenen Interessentenkreisen die Grundlagen für die der "Optima 1986" zugrunde liegenden Markterhebungen und Marktanalysen allgemein bekannt wären.
Mit dem graphisch jeweils hervorgehobenen Hinweis in den einzelnen Werbeeinschaltungen: "Nur 3 nicht" werde auch die Konkurrenz auf dem Zeitungsmarkt herabgesetzt, wenngleich bestimmte Mitbewerber, insbesondere die Klägerin, dabei nicht ausdrücklich genannt würden; nach der Verkehrsauffassung stelle aber der Vergleich auf bestimmte Mitwerber ab. Die Beklagte behaupte eine Spitzenstellung, die ihr nicht zukomme.
Die beanstandeten Ankündigungen seien auch nicht als marktschreierische Anpreisung zu erkennen: Marktschreierische Werbung sei dadurch gekennzeichnet, daß sie von den angesprochenen Verkehrskreisen nicht wörtlich genommen, sondern sogleich als Übertreibung aufgefaßt und damit von jedermann unschwer auf ihren tatsächlichen Gehalt zurückgeführt werde, welcher deutlich erkennbar nicht in einer ernstzunehmenden Tatsachenbehauptung, sondern in einer ohne Anspruch auf Glaubwürdigkeit auftretenden reklamehaften Anpreisung liege. Die Werbeeinschaltungen der Beklagten würden hingegen vom angesprochenen Publikum ohne Zweifel als sachbezogene, ernstzunehmende und objektiv nachprüfbare Tatsachenbehauptungen angesehen werden.
Auch die Wiederholungsgefahr sei zu bejahen, beharrten doch die Beklagten auf dem Standpunkt, sie haben nicht gegen die Bestimmungen des UWG verstoßen.
Gegen diesen Beschluß wendet sich der "Rekurs" (richtig: Revisionsrekurs) der Beklagten mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung dahin abzuändern, daß der erstgerichtliche Beschluß wiederhergestellt werde.
Die Klägerin beantragt, dem Revisionsrekurs nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs ist teilweise berechtigt.
Den Beklagten ist darin beizupflichten, daß ihre in mehreren
Variationen aufgestellte Werbebehauptung, daß 7 von 10 Vorarlbergern
die "Vorarlberger Nachrichten" läsen, keine zur Irreführung
geeignete Angabe ist. Diese Werbeaussage wird von den dadurch
angesprochenen, an der Werbung mit Zeitungsinseraten interessierten
Verkehrskreisen nur dahin verstanden werden können, daß eben rund
70 % der Zeitungsleser Vorarlbergs die "Vorarlberger Nachrichten"
lesen. Daß diese Tatsache richtig ist, bestreitet die Klägerin
nicht; sie stößt sich insbesondere nicht an der geringfügigen
Ungenauigkeit, die darin liegt, daß sie nach den Ergebnissen der
Untersuchung "Optima" für 1986 nicht ganze 70 % der Vorarlberger die
Zeitung der Beklagten lesen. Die Beklagten erblicken die
Unrichtigkeit der Werbebehauptung vor allem darin, daß in der
erwähnten Untersuchung - neben Personen in Anstaltshaushaltungen und
der deutschen Sprache nicht Mächtigen - die Kinder bis zum
14. Lebensjahr nicht berücksichtigt worden sind, obgleich ihrer
Ansicht nach (ON 5) alle Zeitungen schon Kinder unter 6 Jahren
ansprächen und Kinder zwischen 6 und 14 Jahren jedenfalls durchaus
interessierte Zeitungsleser seien. Daraus ist aber für die Klägerin
nichts zu gewinnen, weil sie damit nicht die Unrichtigkeit der
Werbeaussage der Beklagten, sondern nur eine vermeintliche
Unvollständigkeit des Untersuchungsberichtes aufzeigt. Daß sich bei
Berücksichtigung auch der Zeitungsleser im Kindesalter ein anderer
Prozentsatz für die "Vorarlberger Nachrichten" ergäbe, hat sie nicht
behauptet; dafür gibt es auch keine Anhaltspunkte. Wenn aber Kinder
Tageszeitungen lesen, dann lesen sie im allgemeinen dieselbe Zeitung
wie ihre Eltern. Da nichts dafür spricht, daß die durchschnittliche
Kinderzahl bei den Lesern der "Vorarlberger Nachrichten" geringer
wäre als bei den Lesern der "Neuen Vorarlberger Tageszeitung" oder
anderer Zeitungen muß davon ausgegangen werden, daß sich durch die
Einbeziehung der Kinder in die Untersuchung keine Verschiebung der Prozentsätze ergäbe. Dasgleiche muß übrigens für alte und kranke Leute angenommen werden, die auf Zeitungen angewiesen sind, die ihnen von dritter Seite, insbesondere von Besuchern, gebracht werden. Daß aber das angesprochene Publikum - zumindest zu einem nicht unbeträchtlichen Teil - die Werbeankündigung der Beklagten in dem Sinn verstehen könnte, 70 % der Vorarlberger Gesamtbevölkerung unter Einschluß derer, die (wegen ihres kindlichen Alters, einer geistigen Behinderung oder auch ihrer Fremdsprachigkeit) deutschsprachige Zeitungen nicht lesen können, läsen regelmäßig die "Vorarlberger Nachrichten" kann nicht angenommen werden; eine Werbebehauptung dieses Inhaltes hätte ja keine Aussagekraft über den Erfolg des Produktes, das eben nur für Personen in Frage kommt, die eine Zeitung in deutscher Sprache lesen können.
Soweit also die Beklagte in ihrer Werbung bloß ihre Spitzenstellung behauptet, ist das nicht zu beanstanden, weil diese Spitzenstellung den Tatsachen entspricht (ÖBl 1986, 42 uva). Wer für sich eine Spitzenstellung auf dem Markt in Anspruch nimmt, bringt damit zugleich die Überlegenheit seines Unternehmens oder seiner Erzeugnisse gegenüber allen anderen Branchenangehörigen zum Ausdruck. Als notwendige Nebenwirkung jeder Alleinstellungswerbung ist eine solche mittelbare Bezugnahme auf die Konkurrenz so lange nicht unzulässig, als der Werbende nicht die Nachteile der Erzeugnisse bestimmter Mitbewerber konkret mit den Vorzügen seines Angebotes vergleicht, sondern ohne derartige Bezugnahme nur die eigene Spitzenstellung anpreist (JBl 1987, 729). Ein Verstoß gegen § 1 UWG kommt hier nur dann in Betracht, wenn die beanstandete Ankündigung zugleich einen Hinweis auf die Minderwertigkeit der Waren oder Leistungen namentlich genannter oder noch deutlich erkennbarer Mitbewerber enthält (Baumbach-Hefermehl, Wettbewerbsrecht14 Rz 300, 303 zu § 1, Rz 79 zu § 3 dUWG; ÖBl 1986, 42; JBl 1987, 729 uva).
Mit dem Werbeslogan: "7 von 10 Vorarlbergern sind jeden Morgen auf dem laufenden. Denn sie lesen jeden Morgen die Vorarlberger Nachrichten. Nur 3 nicht" haben aber die Beklagten nicht nur ihre Spitzenstellung hervorgehoben, sondern dies mit einem Hinweis auf die vermeintliche Minderwertigkeit aller anderen Zeitungen verbunden, der in Vorarlberg auf die wesentlichste Mitbewerberin der Beklagten, nämlich die Klägerin mit ihrer "Neuen Vorarlberger Tageszeitung" bezogen werden mußte. Diese Werbeaussage kann nämlich - entgegen der Meinung des Erstrichters - jedenfalls auch in dem Sinne aufgefaßt werden, daß drei von zehn Vorarlbergern nicht jeden Morgen auf dem laufenden seien. Die Auslegung, daß sich der beanstandete Satz ("Nur 3 nicht") nur auf den vorangegangenen Satz beziehe ("Denn sie lesen jeden Morgen die Vorarlberger Nachrichten") und nicht auch auf den ersten Satz, ist keineswegs zwingend, ist doch der zweite Satz nur eine Erklärung für den ersten, nämlich die Angabe des Grundes dafür, warum 7 von 10 Vorarlbergern jeden Morgen auf dem laufenden sind. Bei Mehrdeutigkeit einer Ankündigung muß aber nach ständiger Rechtsprechung der Werbende immer die für ihn ungünstigste unter den möglichen Auslegungen gegen sich gelten lassen (ÖBl 1986, 159 uva). Mit dieser Werbebehauptung haben die Beklagten demnach gegen § 1 UWG verstoßen.
Die anderen von der Klägerin beanstandeten Werbeslogans lassen hingegen keine Herabsetzung ihrer Mitbewerber erkennen. In der Werbebehauptung: "7 von 10 Vorarlbergern fahren besser. Sieben von zehn Vorarlbergern erreichen Sie mit Ihrer Anzeige über Autos und Autozubehör in den Vorarlberger Nachrichten. Nur 3 nicht" bezieht sich der dritte Satz eindeutig auf den vorangegangenen, bedeutet also bloß, daß nur drei Vorarlberger nicht durch eine Anzeige in den Vorarlberger Nachrichten erreicht werden könnten, nicht aber, daß drei Vorarlberger "schlechter fahren". Im übrigen wäre eine solche Behauptung nicht als Tatsachenbehauptung zu werten, sondern als marktschreierische Anpreisung, die von den angesprochenen Verkehrskreisen nicht wörtlich genommen wird (ÖBl 1984, 97 uva).
Auch die Werbeankündigung: "7 von 10 Vorarlbergern finden, was Sie wollen. Denn wenn Sie ihre Anzeige in den Vorarlberger Nachrichten plazieren, erreichen Sie 7 von 10 Vorarlbergern. Nur 3 nicht" enthält nichts anderes als die Hervorhebung der eigenen weiten Verbreitung, nicht aber eine Herabsetzung vom Mitbewerbern. Daß aber von 10 Vorarlbergern "nur 3 nicht" Feuer und Flamme für die Vorarlberger Nachrichten seien, kann erst recht nicht als Angriff auf Mitbewerber aufgefaßt werden.
Aus diesen Erwägungen war der angefochtene Beschluß insoweit zu bestätigen, als den Beklagten die Werbeaussage verboten wurde, aus der sich die Behauptung ergibt, drei von zehn Vorarlbergern seien nicht jeden Morgen auf dem laufenden; im übrigen war dem Revisionsrekurs jedoch Folge zu geben und insoweit der erstgerichtliche Beschluß wiederherzustellen.
Der Ausspruch über die Kosten der Rechtsmittelverfahren gründet sich auf die §§ 40, 43 Abs 1, §§ 50 und 52 ZPO iVm §§ 78, 402 Abs 2 EO. (In erster Instanz haben die Beklagten Kosten nicht verzeichnet.) Da den Beklagten nur der Gebrauch einer der acht beanstandeten Werbeaussagen verboten wurde, sind sie mit 7/8 des Streitwertes (= 350.000,--) durchgedrungen. Die Klägerin hat den Beklagten daher 7/8 der Kosten des Provisorialverfahrens zu ersetzen; 1/8 ihrer Kosten hat die Klägerin vorläufig selbst zu tragen.
Anmerkung
E12558European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1987:0040OB00390.87.1215.000Dokumentnummer
JJT_19871215_OGH0002_0040OB00390_8700000_000