Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Marold als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon.-Prof.Dr.Griehsler, Dr.Jensik, Dr.Zehetner und Dr.Klinger in der Mietrechtssache des Antragstellers Walter W***, Pensionist, Kapfenberg, Kendlbachstraße 13, vertreten durch Dr.Franz Goral, Rechtsanwalt in Graz, wider die Antragsgegnerin Agnes K***, Kauffrau, Kapfenberg, Mürzgasse 11, vertreten durch Dr.Gerhard Folk und Dr.Gert Folk, Rechtsanwälte in Kapfenberg, wegen § 37 Abs. 1 Z 13 MRG infolge Revisionsrekurses des Antragstellers gegen den Sachbeschluß des Kreisgerichtes Leoben als Rekursgerichtes vom 28.Juli 1987, GZ R 297/87-10, womit der Sachbeschluß des Bezirksgerichtes Bruck/Mur vom 19.Jänner 1987, GZ Msch 18/86-6, bestätigt wurde, folgenden
Beschluß
gefaßt:
Spruch
Aus Anlaß des Revisionsrekurses werden die Sachbeschlüsse der Vorinstanzen als nichtig aufgehoben. Dem Erstgericht wird die Durchführung der Verhandlung unter Berücksichtigung der Parteistellung der anderen Hauptmieter und die neue Entscheidung aufgetragen.
Text
Begründung:
Der Antragsteller ist seit 1969 Eigentümer der Liegenschaft Kapfenberg, Grazer Straße 6. Das auf dieser Liegenschaft im Jahre 1579 errichtete Haus besteht aus einem Hauptgebäude, das einen ersten Stock aufweist, und einem angebauten niedrigeren Nebengebäude. Im Hauptgebäude sind im Erdgeschoß zwei Geschäftsräume und im ersten Stock drei Wohnungen untergebracht. Im Nebengebäude befinden sich unter anderem ein Friseurgeschäft und das von der Antragsgegnerin gemietete Magazin im Ausmaß von 37 m2. Der Antragsteller, der davon ausgeht, daß Hauptgebäude und Nebengebäude eine wirtschaftliche Einheit bilden und zur Gänze dem Mietrechtsgesetz unterliegen, begehrt die Feststellung, daß er berechtigt sei, von der Antragsgegnerin ab dem 1.September 1986 neben dem Hauptmietzins von 60 S monatlich einen Erhaltungs- und Verbesserungsbeitrag im Sinne des § 45 MRG von 541,90 S monatlich zu verlangen.
Die Antragsgegnerin begehrt die Abweisung des Antrages. Ihr Mietobjekt befinde sich in einem wirtschaftlich selbständigen Gebäudeteil, der keine weiteren Mietgegenstände aufweise; ihre Rechtsvorgänger hätten es im Jahre 1939 von den Rechtsvorgängern des Antragstellers gemietet und in den Nachkriegsjahren auf eigene Kosten von einem Stallgebäude in einen Geschäftsraum umgewandelt; seither seien vereinbarungsgemäß sämtliche Erhaltungs- und Verbesserungsarbeiten von der Antragsgegnerin bzw. ihren Rechtsvorgängern durchgeführt worden; sie habe die Absicht, dies vereinbarungsgemäß auch in Zukunft zu tun. Für die Vorschreibung eines Erhaltungs- und Verbesserungsbeitrages sei daher kein Raum. Das Erstgericht wies den Antrag ab. Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Antragstellers nicht Folge und erklärte den Revisionsrekurs an den Obersten Gerichtshof für zulässig. Gegen den Sachbeschluß des Rekursgerichtes richtet sich der Revisionsrekurs des Antragstellers mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluß im Sinne seines Antrages abzuändern. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Die Antragsgegnerin hat sich am Revisionsrekursverfahren nicht beteiligt.
Rechtliche Beurteilung
Aus Anlaß des Revisionsrekurses waren die Sachbeschlüsse der Vorinstanzen als nichtig aufzuheben und es war dem Erstgericht die Durchführung der Verhandlung unter Berücksichtigung der Parteistellung der anderen Hauptmieter der Liegenschaft und eine neue Entscheidung aufzutragen; dies aus folgenden Erwägungen:
Der Parteiaussage des Antragstellers ist zu entnehmen, daß sich auf der Liegenschaft Kapfenberg, Grazer Straße 6, außer der Antragsgegnerin noch andere Hauptmieter befinden (AS 18). Aus dem Akt geht hervor, daß das gegenständliche Verfahren, gegen dessen Zulässigkeit im Sinne des § 37 Abs. 1 Z 13 MRG keine Bedenken bestehen (vgl. Würth in Korinek-Krejci, HBzMRG 507), ohne die bei sonstiger Nichtigkeit gebotene Berücksichtigung der Parteistellung der anderen Hauptmieter der Liegenschaft durchgeführt worden ist (MietSlg. 35.429/29, 36.506 ua). Die Bedeutung einer solchen Berücksichtigung ist im gegenständlichen Fall besonders einsichtig, weil der Frage, ob alle auf einem Grundbuchskörper errichteten Bauwerke eine wirtschaftliche Einheit bilden, nicht nur bei der Erhöhung der Hauptmietzinse nach §§ 18 ff MRG (MietSlg. 38.379, 5 Ob 63/87), sondern auch bei der Vorschreibung eines Erhaltungs- und Verbesserungsbeitrages nach § 45 MRG eine Rolle spielt (einheitliche oder getrennte Verwendung und Verrechnung der Erhaltungs- und Verbesserungsbeiträge).
Im fortgesetzten Verfahren wird - wie aus prozeßökonomischen Gründen schon jetzt bemerkt sei, ohne die Rechtssache im derzeitigen Verfahrensstadium bereits abschließend beurteilen zu können - noch Nachstehendes zu beachten sein:
Die Einhebung von Erhaltungs- und Verbesserungsbeiträgen beruht auf einer eigenverantwortlichen Entscheidung des Vermieters. An Voraussetzungen für die Einhebung des Erhaltungs- und Verbesserungsbeitrages nennt das Gesetz abgesehen vom Fehlen eines Abbruchauftrages oder einer Abbruchbewilligung für das Gebäude, in dem die Mietgegenstände liegen, nur das Bestehen eines so geringen Hauptmietzinses, daß sich bei Anwendung der Bestimmung des § 45 Abs. 1 MRG ein Erhaltungs- und Verbesserungsbeitrag errechnet. Aus dem Wortlaut des § 45 Abs. 2 MRG ergibt sich, daß die Einhebung von Erhaltungs- und Verbesserungsbeiträgen im Interesse einer rechtzeitigen und vorausschauenden Sicherstellung der Finanzierung der Kosten der jeweils erkennbaren und in absehbarer Zeit notwendig werdenden Erhaltungsarbeiten sowie von nützlichen Verbesserungsarbeiten liegt. Die primäre Beurteilung dieser objektiven Voraussetzungen soll zunächst dem Vermieter überlassen sein; dieser hat jedoch die Folgen einer (bewußten oder unbewußten) Fehleinschätzung des Erhaltungszustandes des Gebäudes insoferne gegen sich gelten zu lassen, als er in diesem Fall verpflichtet ist, die eingehobenen Erhaltungs- und Verbesserungsbeiträge zuzüglich einer angemessenen Verzinsung dem Mieter zuückzuerstatten (vgl. die zu § 45 MRG aF ergangene Entscheidung 5 Ob 117/86). Die Zulässigkeit der Vorschreibung eines Erhaltungs- und Verbesserungsbeitrages könnte daher nicht allein mit dem Hinweis darauf verneint werden, daß die Antragsgegnerin vereinbarungsgemäß sämtliche Reparaturen und Erhaltungsarbeiten am Bestandobjekt (nach den bisherigen Verfahrensergebnissen offenbar gemeint: an dem Gebäudeteil, in dem der Mietgegenstand liegt) selbst zu finanzieren habe, wobei auch nicht ausreichend geklärt ist, ob die Antragsgegnerin aufgrund der Vereinbarung von der anteilsmäßigen Mitfinanzierung der Instandhaltung der übrigen Gebäudeteile über die Zahlung des in Geld vereinbarten Mietzinses hinaus befreit sein sollte. Es fehlt ferner an den erforderlichen Feststellungen, um beurteilen zu können, ob die vertragliche Übernahme sämtlicher Reparaturen und Erhaltungsarbeiten durch den Mieter rechtswirksam erfolgen konnte. Bejahendenfalls müßte der Geldwert dieser Verpflichtung bei Berechnung des Erhaltungs- und Verbesserungsbeitrages in Anschlag gebracht werden. Bei der Beantwortung der im Sinne des § 45 Abs. 1 Z 2 MRG bedeutsamen Frage, ob der für den Mietgegenstand der Antragsgegnerin nach Größe, Art, Beschaffenheit, Lage, Ausstattungs- und Erhaltungszustand angemessene Hauptmietzins (§ 16 Abs. 1 MRG) niedriger ist als der Betrag, der sich bei Zugrundelegung der Berechnungsvorschriften des § 16 Abs. 2 Z 1 und Abs. 4 MRG errechnet, ist vom Zeitpunkt der Vorschreibung des Erhaltungs- und Verbesserungsbeitrages auszugehen
(vgl. MietSlg. 38.591).
Anmerkung
E12996European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1987:0050OB00105.87.1215.000Dokumentnummer
JJT_19871215_OGH0002_0050OB00105_8700000_000