TE OGH 1987/12/16 9Os164/86

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Veröffentlicht am 16.12.1987
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 16.Dezember 1987 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Faseth als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Steininger, Dr. Lachner, Dr. Massauer und Dr. Rzeszut als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Plachy als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Günther B*** wegen des Verbrechens der Veruntreuung nach § 133 Abs. 1 und Abs. 2 zweiter Fall StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 28.August 1986, GZ 2 b Vr 12507/83-60, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Hauptmann, und des Verteidigers Dr. Grün, jedoch in Abwesenheit des Angeklagten zu Recht erkannt:

Spruch

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil, das im Freispruch sowie im Ausspruch über den Verfolgungsvorbehalt unberührt bleibt, im übrigen aufgehoben und gemäß § 288 Abs. 2 Z 3 StPO im Umfang der Aufhebung in der Sache selbst erkannt:

Günther B*** wird von der Anklage, er habe in Wien ein Gut in einem insgesamt 100.000 S übersteigenden Wert, das ihm anvertraut war, nämlich im Sicherungseigentum der Postsparkasse stehende Kraftfahrzeuge, sich mit dem Vorsatz zugeeignet, sich dadurch unrechtmäßig zu bereichern, und zwar

1. im Jahre 1983 einen LKW Marke Mercedes 206 L (Baujahr 1977) im Wert von ca 40.000 S,

2. am 21.April 1983 einen PKW Marke BMW 318 (Baujahr 1981) im Wert von ca 90.000 S,

und er habe hiedurch das Verbrechen der Veruntreuung nach § 133 Abs. 1 und Abs. 2 zweiter Fall StGB begangen,

gemäß § 259 Z 3 StPO freigesprochen.

Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der 46-jährige Autohändler Günther B*** wegen des im Spruch beschriebenen Verhaltens des Verbrechens der Veruntreuung nach § 133 Abs. 1 und Abs. 2 zweiter Fall StGB schuldig erkannt und hiefür zu einer (bedingt nachgesehenen) Freiheitsstrafe verurteilt; hinsichtlich des weiteren Anklagevorwurfs, im Jahre 1983 überdies einen PKW Marke Ford Taunus Turnier (Baujahr 1981) im Wert von ca 50.000 S zum Nachteil der Postsparkasse veruntreut zu haben, erging ein (unangefochten in Rechtskraft erwachsener) Freispruch gemäß § 259 Z 3 StPO. Im übrigen wurde im Urteil der Staatsanwaltschaft gemäß § 263 Abs. 2 StPO die selbständige Verfolgung des Günther B*** wegen Vergehens nach § 24 Abs. 1 lit b DevG vorbehalten.

Nach den zum Schuldspruch getroffenen Feststellungen bestand zwischen dem Angeklagten, der seit dem Jahre 1979 in Wien einen Gebrauchtwagenhandel betrieb, und der P***-Bank ein Kreditrahmenvertrag mit einem zuletzt (am 19.Feber 1981) auf 800.000 S aufgestockten Kreditrahmen, der die Grundlage des Geschäfts des Angeklagten bildete. Nach der Neufassung dieses Vertrages (am 29.September 1981) sollte der Kreditrahmen nur in der Weise ausgenützt werden, daß die (vom Angeklagten erworbenen) Kraftfahrzeuge jeweils mittels gesonderter Erklärung des Angeklagten der P***-Bank ins Sicherungseigentum übertragen werden, wobei als äußeres Zeichen dieser von den Vertragsparteien beabsichtigten Eigentumsübertragung die Typenscheine der Fahrzeuge an die P***-Bank zu übergeben und für jedes einzelne Kraftfahrzeug anzulegende Karteikarten zu unterfertigen waren. Für diese Fahrzeuge sollte dem Angeklagten jeweils ein Kredit in der Höhe von maximal 80 % des Ankaufswertes gewährt werden. Der Refinanzierungsbetrag bezüglich jedes einzelnen Fahrzeuges zuzüglich aller Spesen und Zinsen war vom Angeklagten innerhalb von 90 Tagen ab (Kredit-)Antragstellung der P***-Bank zu überweisen. Der Angeklagte gab gegenüber der P***-Bank die Erklärung ab, daß bis zur vollständigen Berichtigung seiner jeweiligen Kreditverbindlichkeiten inklusive Zinsen und sonstiger Nebenansprüche die beliehenen Kraftfahrzeuge im Eigentum der P***-Bank verbleiben sollten, und verpflichtete sich, diese Fahrzeuge (ohne Einwilligung der Bank) weder zu verleihen noch zu verpfänden oder zu veräußern oder sonstige Veränderungen vorzunehmen, welche die "Eigentumsrechte" der Bank beeinträchtigen könnten. Es war ihm lediglich gestattet, das jeweilige Fahrzeug Kaufinteressenten vorzuführen und mit diesen Probefahrten durchzuführen. Der Angeklagte durfte sich zur Abwicklung eines Geschäftes einen (der P***-Bank übergebenen) Typenschein von der Bank "ausborgen"; er war jedoch vereinbarungsgemäß verpflichtet, den Typenschein bis zur endgültigen Rückzahlung des Kreditbetrages wieder an die P***-Bank zurückzustellen; erst dann hatte die Bank den Typenschein (endgültig) herauszugeben.

Am 13.April 1983 überbrachte der Angeklagte der P***-Bank die Typenscheine des LKW Marke Mercedes 206 L und des PKW Marke BMW 318, für welche Fahrzeuge ihm Kredite in der Höhe von 40.000 S bzw 90.000 S gewährt worden waren, in der Absicht, diese Fahrzeuge in das Sicherungseigentum der P***-Bank zu übertragen. Am 21.April 1983 verkaufte der Angeklagte den PKW Marke BMW 318 um 120.000 S an Rudolf V***, wobei das Fahrzeug dem Käufer auch übergeben wurde, ohne daß eine Genehmigung der P***-Bank vorlag. Um den Verkauf weiter abzuwickeln, "borgte" sich der Angeklagte am 22.April 1983 bei der P***-Bank den Typenschein dieses Fahrzeuges aus, den er nicht an die P***-Bank zurückstellte, sondern dem Käufer ausfolgte. Den Verkaufserlös von 120.000 S verbrachte er in die Schweiz und verwendete ihn dort für sich bwz seinen Schweizer Betrieb. Gleichfalls im Jahre 1983 "borgte" sich der Angeklagte den Typenschein des LKW Marke Mercedes 206 L bei der P***-Bank aus, und zwar in der Absicht, das Fahrzeug in der Schweiz anzumelden und dort vertragswidrig beruflich zu verwenden. Nach der Anmeldung des LKW stellte der Angeklagte den Typenschein wieder an die P***-Bank zurück, ohne diese jedoch von der Verbringung des Fahrzeuges ins Ausland in Kenntnis zu setzen. Er ließ die Bank auch in der Folge über den Verbleib des Fahrzeuges im unklaren.

Da der Angeklagte seinen Kreditrückzahlungsverpflichtungen nicht nachkam, wurde infolge Terminverlusts der gesamte zum 7. November 1983 aushaftende Kreditbetrag fällig gestellt. In der Folge kam es am 10.Juli 1984, somit nach Einleitung des gegenständlichen Strafverfahrens (25.November 1983) zu einem Vergleich zwischen dem Angeklagten und der P***-Bank über den noch offenen Betrag von 268.717,04 S samt Anhang. Der Angeklagte hielt die Zahlungen unregelmäßig ein; mit Anrechnung eines Verkaufserlöses von 50.000 S (für einen sichergestellten PKW Marke Ford Taunus Turnier, hinsichtlich dessen der Angeklagte vom Vorwurf der Veruntreuung rechtskräftig freigesprochen wurde) wurde der P***-Bank der Schaden ersetzt.

In rechtlicher Hinsicht ging das Schöffengericht davon aus, daß der Angeklagte sich die in der wirtschaftlichen Verfügungsmacht der P***-Bank stehenden und ihm von dieser anvertrauten beiden Fahrzeuge mit Bereicherungsvorsatz zugeeignet und daher Veruntreuung zu verantworten habe; auch wenn davon ausgegangen werde, daß die Übergabe des Typenscheines allein keinen tauglichen Modus für die Übertragung von Eigentum, die Begründung von Pfandrechten und auch nicht zur Sicherungsübereignung darstellt, sodaß die Fahrzeuge weiterhin im Eigentum des Angeklagten verblieben seien, sei auf Grund des Kreditrahmenvertrages zumindest die wirtschaftliche Verfügungsmacht bis zur gänzlichen Kreditrückzahlung ausschließlich der P***-Bank zugeordnet gewesen und es habe der Angeklagte vertraglich auf die Ausübung irgendwelcher Eigentumsrechte verzichtet: indem er vertrags- und rechtswidrig über die beiden Fahrzeuge verfügte, habe er die (alleinige) wirtschaftliche Verfügungsmacht der P***-Bank beeinträchtigt, die beiden Fahrzeuge mithin veruntreut.

Der Angeklagte bekämpft den Schuldspruch mit einer auf die Z 9 lit a des § 281 Abs. 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, mit welcher er - abgesehen von der unsubstantiierten Behauptung, der subjektive Tatbestand des § 133 StGB sei nicht erfüllt - geltend macht, daß mangels körperlicher Übergabe der Fahrzeuge zivilrechtlich ein Pfand- oder Eigentumsrecht der P***-Bank nicht entstanden sei; ein nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts gar nicht entstandenes derartiges Recht könne auch keine gemäß § 133 StGB schutzwürdige Position begründen, zumal der in Rede stehende Straftatbestand keinesfalls die Funktion habe, alle möglichen Vertragswidrigkeiten zu pönalisieren.

Der Beschwerde kommt - entgegen der Stellungnahme der Generalprokuratur - Berechtigung zu.

Rechtliche Beurteilung

Den objektiven Tatbestand der Veruntreuung erfüllt, wer ein Gut, das ihm anvertraut ist, sich zueignet. Anvertraut ist ein Gut, wenn es jemandem auf Grund eines Rechtsgeschäftes oder eines vertragsähnlichen Rechtsverhältnisses in seinen ausschließlichen Gewahrsam mit der Verpflichtung überlassen wird, es entsprechend der vereinbarten Rückstellungs- oder Verwendungspflicht nur im Sinne des Anvertrauenden, zu dessen Vermögen es wirtschaftlich weiterhin gehört, zu verwenden (vgl hiezu Bertel im WrKomm Rz 4, Kienapfel BT II Rz 25; Leukauf-Steininger Komm2 RN 4 jeweils zu § 133 StGB; EBRV 281; SSt 31/126, 34/7; EvBl 1959/192, 1967/357 uam). Gewöhnlich erfolgt dieses Anvertrauen durch Übertragung des Gewahrsams, mithin Gewahrsamswechsel; das Anvertrauen kann aber auch dadurch geschehen, daß das Gut im Gewahrsam des anderen belassen wird (vgl SSt 5/83, 25/43; Evbl 1967/357; Rittler II2 164). Im Falle der Pfandrechtsbegründung ebenso wie im (hier aktuellen) Falle der Begründung von Sicherungseigentum setzt dies allerdings voraus, daß die für die Pfandbestellung und damit gleichermaßen auch für die Sicherungsübereignung, die wirtschaftlich keinen anderen Zweck verfolgt wie eine Pfandbestellung, im Gesetz vorgesehenen Formen eingehalten werden (vgl abermals SSt 25/43 sowie EvBl 1967/357 und jüngst EvBl 1987/172 = ÖJZ-LSK 1987/40). Die Sicherungsübereignung ist aber nur dann wirksam zustandegekommen, wenn ein Gewahrsamswechsel erfolgte oder - sofern dies nicht möglich oder tunlich ist - eine Übergabe durch Zeichen vorgenommen wurde. In Ansehung von Kraftfahrzeugen ist ein Gewahrsamswechsel weder unmöglich noch untunlich; zur wirksamen Begründung von Sicherungseigentum an einem Kraftfahrzeug ist daher Gewahrsamswechsel (§§ 426, 451 ABGB) unabdingbar (SZ 38/190; JBl 1958, 309; RZ 1964, 140 uam). Die nur mit der Übergabe des Typenscheines verbundene Erklärung, ein Kraftfahrzeug zur Sicherung zu übereignen (oder zu verpfänden), begründet demnach kein (wirksames) Sicherungseigentum und stellt somit kein Anvertrauen des Fahrzeuges im Sinne des § 133 StGB dar (JBl 1985, 247 = ZVR 1986/99; 10 Os 46/87; vgl auch Mayerhofer-Rieder StGB2 ENr 37 zu § 133). Daran vermag eine anderslautende Absicht der Vertragsparteien, wie sie das Gericht vorliegend konstatierte, nichts zu ändern; die an sich gewollte Sicherungsübereignung ist unwirksam geblieben und es kann ein Eigentumsrecht (ebenso wie ein Pfandrecht), das zivilrechtlich gar nicht entstanden ist, auch keine gemäß § 133 StGB schutzwürdige Position begründen (vgl abermals EvBl 1987/172 = ÖJZ-LSK 1987/40 sowie Bertel aaO Rz 10 und Kienapfel aao Rz 40). Aus der allgemeinen (obligatorischen) Pflicht aber, einen Vertrag zu erfüllen, läßt sich allein noch keine den Erfordernissen des § 133 StGB genügende sachbezogene Fürsorgepflicht in bezug auf fremde Vermögensinteressen ableiten, zumal der in Rede stehende Straftatbestand nicht die Aufgabe hat, Vertragswidrigkeiten als solche zu pönalisieren (EvBl 1987/85). Eben darauf läuft aber die Argumentation der Generalprokuratur - die meint, es bleibe im Einzelfall zu prüfen, ob nicht etwa ungeachtet der Unwirksamkeit der Abrede über die Einräumung des dinglichen Rechtes dem Inhaber des Gewahrsames eine sachbezügliche Fürsorgepflicht, also eine Verpflichtung, bestimmte fremde Vermögensinteressen hinsichtlich des Gutes zu wahren, auferlegt ist, die der Angeklagte vorliegend verletzt hat, sodaß es unerheblich sei, daß die Fahrzeuge nicht auch zivilrechtlich in das Eigentum der P***-Bank übertragen worden sind - hinaus.

So gesehen mangelt es aber (bereits) am Tatbildmerkmal des Anvertrauens in Ansehung beider verfahrensgegenständlicher Kraftfahrzeuge, sodaß der Schuldspruch wegen Veruntreuung - wie die Beschwerde im Ergebnis zutreffend aufzeigt - rechtsirrig ergangen ist.

Nach den Verfahrensergebnissen hat sich der Angeklagte die Typenscheine der beiden Kraftfahrzeuge von der P***-Bank ersichtlich zwar durch Täuschung über die Tatsachen verschafft, daß er den PKW Marke BMW 318 bereits am Vortag verkauft hatte und beabsichtigte, den LKW Marke Mercedes 206 L auf seinen Namen zuzulassen, um ihn in die Schweiz (zur Verwendung in seinem dortigen Betrieb) zu verbringen. Unter dem Gesichtspunkt eines Betruges käme es aber zudem darauf an, ob der Angeklagte im Zeitpunkt der Herauslockung der Typenscheine den Vorsatz hatte, seiner vertraglich übernommenen Rückzahlungsverpflichtung hinsichtlich der ihm gewährten Kredite gegenüber der P***-Bank nicht nachzukommen und solcherart die Bank am Vermögen zu schädigen. Ein solcher Vorsatz - bezogen auf den Zeitpunkt der Verschaffung der Typenscheine - wurde nicht festgestellt. Für eine derartige Annahme bietet die Aktenlage keine hinreichenden Anhaltspunkte. Damit kommt aber eine Tatbeurteilung als Betrug nicht in Betracht. Für eine (allfällige) Beurteilung des Sachverhaltes in bezug auf die Erlangung der Typenscheine unter dem Gesichtspunkt einer Täuschung gemäß § 108 StGB fehlt es (von vornherein) an der zur Verfolgung erforderlichen Ermächtigung seitens des in seinen Rechten Geschädigten (§ 108 Abs. 2 StGB), sodaß darauf nicht weiter einzugehen ist.

In Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde war demnach sogleich in der Sache selbst spruchgemäß zu erkennen, woraus folgt, daß der Angeklagte mit seiner Berufung auf die getroffene Entscheidung zu verweisen war.

Anmerkung

E12640

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1987:0090OS00164.86.1216.000

Dokumentnummer

JJT_19871216_OGH0002_0090OS00164_8600000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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