Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Petrasch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Hule, Dr. Warta, Mag. Engelmair und Dr. Angst als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Josef N***, Landwirt, Kitzbühel, Lutzenberg 18, vertreten durch Dr. Heinrich Schmiedt, Rechtsanwalt in Kitzbühel, wider die beklagte Partei Johann G***, Landwirt, Reith bei Kitzbühel Nr. 146, vertreten durch Dr. Manfred Trentinaglia, Rechtsanwalt in Kitzbühel, wegen Unzulässigkeit der Übergabe einer Liegenschaft, infolge der außerordentlichen Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Berufungsgerichtes vom 19.März 1987, GZ 1 a R 120/87-16, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Kitzbühel vom 29.Dezember 1986, GZ 2 C 1183/86-10, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird Folge gegeben.
Das angefochtene Urteil wird dahin abgeändert, daß es zu lauten hat:
"Das Klagebegehren, die vom Bezirksgericht Kitzbühel zu E 123/84 bewilligte Exekution durch zwangsweise Räumung der Liegenschaft EZ 90118 der Katastralgemeinde Kitzbühel Land sei unzulässig, wird abgewiesen."
Der Kläger ist schuldig, dem Beklagten die mit 8.490,08 S (darin 771,53 S Umsatzsteuer und keine Barauslagen) bestimmten Kosten des Verfahrens erster Instanz, die mit 8.750,55 S (darin 750,05 S Umsatzsteuer und 500 S Barauslagen) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens und die mit 5.743,80 S (darin 385,80 S Umsatzsteuer und 1.500 S Barauslagen) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Der Kläger war Hälfteeigentümer der Liegenschaft EZ 90118 der Katastralgemeinde Kitzbühel Land. Die andere Hälfte steht im Eigentum seiner Ehefrau. Über das Vermögen beider Ehegatten wurde der Konkurs eröffnet und derselbe Rechtsanwalt zum Masseverwalter bestellt. Der Hälfteanteil des Klägers wurde im Zug einer vom Erstgericht gemäß § 119 KO durchgeführten gerichtlichen Veräußerung dem Beklagten zugeschlagen.
Mit einem vom Masseverwalter der Ehefrau des Klägers mit dem Beklagten am 7.9.1984 geschlossenen Übergabsvertrag wurde dem Beklagten das Eigentumsrecht an der der Ehefrau des Klägers gehörenden Liegenschaftshälfte übertragen. Auf Grund des Übergabsvertrages wurde mit Beschluß des Erstgerichtes vom 12.4.1985 auf der Liegenschaftshälfte der Ehefrau des Klägers die Einverleibung des Eigentumsrechtes für den Beklagten bewilligt. Infolge eines Rekurses wurde der - von beiden Vertragsparteien gestellte - Antrag auf Einverleibung des Eigentumsrechtes des Beklagten jedoch abgewiesen, weil auf der dem Beklagten übergebenen Liegenschaftshälfte zugunsten des Klägers ein Veräußerungs- und Belastungsverbot eingetragen ist. Der entsprechende Beschluß des Rekursgerichtes wurde den Antragstellern am 29.4.1986 zugestellt und von ihnen mit Revisionsrekurs bekämpft; über diesen war zur Zeit des Schlusses der mündlichen Verhandlung erster Instanz noch nicht entschieden worden.
Das Erstgericht bewilligte auf Grund eines Antrags, der vom Masseverwalter im Konkurs über das Vermögen des Klägers und vom Beklagten als Ersteher gestellt worden war, mit Beschluß vom 7.4.1986, E 123/84-38, dem Masseverwalter gegen den Kläger "nach § 156 Abs 2 EO iSd § 349 EO die zwangsweise Räumung" der gesamten Liegenschaft. Der Räumungstermin wurde für den 5.6.1986 anberaumt. Die Räumung wurde jedoch nicht vollzogen, weil das Erstgericht die "Exekution durch zwangsweise Räumung" für den Hälfteanteil des Klägers aufschob.
Der Kläger begehrt mit seiner Klage den Ausspruch, daß die Exekution durch zwangsweise Räumung der angeführten Liegenschaft unzulässig sei. Er benütze die auf der Liegenschaft gelegene Wohnung auf Grund seines früheren Miteigentumsrechtes sowie auf Grund der Unterhaltspflicht seiner Ehefrau und der mit ihr getroffenen Vereinbarung. Er sei mittellos und daher nicht imstande, eine Ersatzwohnung zu finden. Die angeordnete zwangsweise Räumung sei überdies auch deshalb unzulässig, weil im § 349 EO, auf den § 156 Abs 2 EO verweise, die Übergabe eines ideellen Anteils nicht vorgesehen sei.
Der Beklagte wendete ein, daß ihm die passive Klagelegitimation fehle, weil die Räumung zugunsten des Masseverwalters bewilligt worden sei. Zur Zeit der Bewilligung der Räumung sei er überdies noch als Alleineigentümer der Liegenschaft eingetragen gewesen, weshalb das Erstgericht zu Recht die Räumung der gesamten Liegenschaft bewilligt habe. Dieses Alleineigentum sei auf Grund des Übergabsvertrages weiterhin anzunehmen, weil die "formale" Eintragung seines Eigentumsrechtes nur an dem zugunsten des Klägers einverleibten Veräußerungsverbot scheitere.
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Es folgerte aus dem wiedergegebenen Sachverhalt rechtlich, daß der Beklagte als Ersteher passiv legitimiert sei, weil nur der Ersteher den Antrag auf Räumung gemäß § 156 Abs 2 EO stellen könne. Abgesehen davon, daß die Räumung eines ideellen Anteils nicht möglich sei, könne der Ersteher eines Anteils nicht begehren, daß der Verpflichtete aus einer auf der Liegenschaft gelegenen Wohnung entfernt werde, wenn dieser sie auf Grund seines früheren Miteigentums und einer Rechtsbeziehung mit dem anderen Miteigentümer innehabe.
Das Berufungsgericht gab der Berufung des Beklagten nicht Folge und sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes, über den es entschieden hat, 60.000 S, nicht aber 300.000 S übersteigt und daß die Revision nicht zulässig sei. Die zwangsweise Räumung hätte nicht bewilligt werden dürfen, weil dies für einen Liegenschaftsanteil nicht zulässig sei und der Beklagte, soweit er den anderen Liegenschaftsanteil auf Grund eines Vertrages erworben habe, die zwangsweise Übergabe ohne besonderen Exekutionstitel nicht verlangen könne. Dies hätte allerdings schon mit Rekurs geltend gemacht werden müssen und könne daher nicht mehr Gegenstand der Klage sein. Im nachhinein sei aber ein Umstand eingetreten, der der Übergabe der Liegenschaft an den Beklagten entgegenstehe. Er sei nämlich nunmehr infolge der Abweisung seines Grundbuchsantrags nicht mehr Allein-, sondern nur mehr Hälfteeigentümer der Liegenschaft. Die zwangsweise Übergabe eines Hälfteanteils sei aber unzulässig.
Gegen dieses Urteil richtet sich die außerordentliche Revision des Beklagten wegen Nichtigkeit, Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens, Aktenwidrigkeit und unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, die Urteile der Vorinstanzen als nichtig aufzuheben und die Klage zurückzuweisen oder allenfalls das angefochtene Urteil im Sinn der Abweisung des Klagebegehrens abzuändern.
Der Kläger beantragte in der ihm gemäß § 508 a Abs 2 ZPO freigestellten Revisionsbeantwortung, der Revision nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Der Beklagte macht als Grund für die Zulässigkeit der Revision zutreffend die Frage der Prozeßfähigkeit des Klägers geltend. Wohl ist eine Rechtsprechung dazu vorhanden, daß der Verpflichtete im Verfahren zur kridamäßigen Versteigerung unabhängig vom Masseverwalter selbst Rechtsmittel ergreifen kann (SZ 34/165; EvBl 1973/118; 3 Ob 43/82). Sie fehlt aber zu der hier entscheidenden, nicht unbedingt gleich zu beantwortenden Frage, inwieweit dasselbe für die Klage des Verpflichteten gilt, der damit Einwendungen gegen eine gemäß § 156 Abs 2 EO bewilligte Übergabe der versteigerten Liegenschaft erhebt. Der Lösung dieser Frage kommt demnach im Sinn des § 502 Abs 4 Z 1 ZPO erhebliche Bedeutung zur Wahrung der Rechtsentwicklung zu.
Die Revision ist auch berechtigt.
Die geltend gemachte Nichtigkeit liegt allerdings nicht vor. Der Kläger hat eine unterschiedliche Rechtsstellung, je nachdem, ob sich seine Klage gegen die Übergabe seines Hälfteanteils oder gegen die Übergabe des Hälfteanteils seiner Ehefrau richtet. Im ersten Fall ist er Verpflichteter, im zweiten Fall ein am Verfahren nicht beteiligter Dritter. Als Verpflichteter ist ihm bloß der Einwand zuzurechnen, daß die zwangsweise Räumung eines Liegenschaftsanteils unzulässig sei. Dies kann aber auch mit Rekurs geltend gemacht werden. Es wurde schon erwähnt, daß dem Verpflichteten im Verfahren zur kridamäßigen Versteigerung das Rekursrecht zusteht. Es kann dahingestellt bleiben, ob dies auch für den Rekurs gegen einen Beschluß gilt, mit dem dem Ersteher die zwangsweise Übergabe der versteigerten Liegenschaft bewilligt wird, weil diese Übergabe hier nicht zugunsten des Erstehers, sondern zugunsten des die gerichtliche Veräußerung betreibenden Masseverwalters bewilligt wurde. Unter diesen Umständen muß dem Verpflichteten das Rekursrecht schon unter dem Gesichtspunkt zugebilligt werden, daß die Wahrung seiner Interessen durch den Masseverwalter nicht gewährleistet ist. Daraus folgt aber, daß der Verpflichtete auch legitimiert ist, den Umstand, den er mit Rekurs hätte geltend machen können, zum Gegenstand einer Klage zu machen, wobei es für die Prozeßfähigkeit nicht darauf ankommt, ob dieser Umstand den Gegenstand einer Klage bilden kann.
Diese Überlegungen treffen allerdings nicht auf jenen Teil der Klage zu, der sich gegen die Übergabe des der Ehefrau des Klägers gehörenden Liegenschaftsanteils richtet. Hier kommt es darauf an, ob der Kläger Ansprüche geltend macht, die zur Konkursmasse gehören. Ist dies nicht der Fall, so kann er hierüber verfügen und ist insoweit in seiner Prozeßfähigkeit durch die Eröffnung des Konkurses nicht beschränkt (§ 6 Abs 3 KO).
Der Kläger behauptet in diesem Zusammenhang, daß die Übergabe der Liegenschaftshälfte seiner Ehefrau wegen des Unterhaltsanspruchs, den er gegen sie habe, und wegen einer aus diesem Grund mit ihr über die Benützung der Liegenschaft getroffenen Vereinbarung unzulässig sei. Jedenfalls der Anspruch auf Naturalunterhalt ist der Exekution nicht unterworfen und gehört daher nicht zur Konkursmasse. Insoweit ist die Prozeßfähigkeit des Klägers gegeben. Es muß daher nicht geprüft werden, ob der aus dem Miteigentum abgeleitete Anspruch auf Benützung der Sache in die Konkursmasse fällt. Wird nämlich ein und dasselbe Klagebegehren auf mehrere Ansprüche gestützt, von denen zumindestens einer der Verfügung des Gemeinschuldners unterliegt, so ist er für dieses Klagebegehren prozeßfähig. Im Zusammenhang mit der Prüfung der Prozeßfähigkeit kann unerörtert bleiben, inwieweit bei der sachlichen Erledigung des Klagebegehrens auf Ansprüche Bedacht genommen werden darf, die der Verfügung des Gemeinschuldners entzogen sind.
Es liegt ferner auch eine vom Obersten Gerichtshof wahrzunehmende Mangelhaftigkeit oder Aktenwidrigkeit nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO).
In der Rechtsrüge weist der Beklagte darauf hin, daß die zwangsweise Räumung nicht zu seinen Gunsten, sondern zugunsten des die gerichtliche Veräußerung betreibenden Masseverwalters bewilligt wurde. Er beruft sich damit neuerlich auf den schon im Verfahren erster Instanz eingewendeten Mangel seiner passiven Klagelegitimation. Diese Frage wurde vom Berufungsgericht unrichtig gelöst.
Nach der jüngeren Rechtsprechung kann sich der Verpflichtete oder ein Dritter gegen die Übergabe einer versteigerten Liegenschaft mit einer exekutionsrechtlichen Klage (so EvBl 1976/70) bzw. mit einer Klage, die den §§ 35, 36 oder 37 EO nachgebildet ist (so JBl. 1968, 208; MietSlg 22.697 ua), zur Wehr setzen. Beklagter einer solchen Klage ist aber nur derjenige, dem die Liegenschaft nach dem Beschluß des Exekutionsgerichtes zu übergeben ist. Nun trifft es zwar zu, daß gemäß § 156 Abs 2 EO nur die Übergabe der Liegenschaft an den Ersteher bewilligt werden darf. Dies ändert aber nichts daran, daß hier aus der Bewilligung des Erstgerichtes bloß dem Masseverwalter ein Anspruch auf Übergabe zusteht, mag die Bewilligung auch gesetzwidrig gewesen sein. Nur der Masseverwalter kann daher Beklagter in einem Verfahren sein, das sich gegen die Übergabe der Liegenschaft richtet. Der Ersteher ist hingegen nicht passiv legitimiert, weil ihm die Übergabe der Liegenschaft nicht bewilligt wurde.
Das Klagebegehren ist daher schon wegen des Mangels der Sachlegitimation des Beklagten abzuweisen. Hierauf kann auch im Rahmen der außerordentlichen Revision Bedacht genommen werden, weil der richtigen Lösung der Frage der Klagelegitimation erhebliche Bedeutung zur Wahrung der Rechtssicherheit zukommt und die Entscheidung daher von der Lösung einer Rechtsfrage des materiellen Rechts im Sinn des § 502 Abs 4 Z 1 ZPO abhängt. Wegen des Mangels der passiven Klagelegitimation muß auch nicht dazu Stellung genommen werden, ob die Rechtsansicht, auf Grund welcher die Vorinstanzen dem Klagebegehren stattgaben, zutrifft.
Der Ausspruch über die Kosten des Verfahrens erster Instanz beruht auf § 41 ZPO, jener über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens außerdem auf § 50 ZPO (Pauschalgebühr für Revision s. § 16 Z 1 lit f GGG).
Anmerkung
E13186European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1987:0030OB00156.87.1216.000Dokumentnummer
JJT_19871216_OGH0002_0030OB00156_8700000_000