TE OGH 1987/12/16 9ObA202/87

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Veröffentlicht am 16.12.1987
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr. Kuderna als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Gamerith und Dr. Maier sowie die fachkundigen Laienrichter Mag.Dr. Walter Zeiler und Anton Degen als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Alexander P***, Werkarbeiter, Thörl 86, vertreten durch Dr. Reinhard Tögl, Rechtsanwalt in Graz, wider die beklagte Partei Johann P***, Draht- und Walzwerke, Thörl 5, vertreten durch Dr. Heinz Kallan, Rechtsanwalt in Graz, wegen S 2.001,-- brutto sA, infolge außerordentlicher Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 17. Juni 1987, GZ 7 Ra 1057/87-11, womit infolge Berufung beider Parteien das Urteil des Arbeitsgerichtes Graz vom 17. September 1986, GZ 2 Cr 162/86-4, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, dem Kläger die mit S 1.332,32 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (davon S 121,12 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger ist seit 1955 Arbeiter im Walzwerk "Margarethenhütte" der beklagten Partei. Auf dieses Arbeitsverhältnis findet der Kollektivvertrag für die eisen- und metallerzeugende und -verarbeitende Industrie (im folgenden kurz: KV) Anwendung. Infolge außergewöhnlich ergiebiger Schneefälle und behördlich angeordneter Straßensperren konnte der Kläger am 10. und 11. Februar 1986 seinen Arbeitsplatz nicht erreichen. Nur die in der Nähe des Walzwerkes wohnenden Arbeiter erschienen zur Arbeit und wurden von der beklagten Partei zum Schneeräumen eingesetzt. Da der für den Betrieb des Walzwerkes erforderliche Belegschaftsstand nicht erreicht wurde, "stand das Werk still"; für Schneeschaufler war aber genug Arbeit vorhanden.

Abschnitt XVI KV enthält folgende die Entgeltfortzahlung bei

Arbeitsverhinderung betreffende Bestimmungen:

" Andere Engeltfälle (§ 1154 b ABGB)

Nach einer ununterbrochenen Betriebszugehörigkeit von vier Wochen hat der Arbeitnehmer Anspruch auf Freistellung von der Arbeit unter Fortzahlung des Verdienstes, wenn er durch folgende Fälle an der Leistung seiner Dienste gehindert wird:

6. bis 10. ....... (Diese Punkte beinhalten Fälle der

Arbeitsverhinderung wegen familiärer Pflichten und wegen Teilnahme

an Begräbnissen).

Bis zum Höchstausmaß von 40 Stunden innerhalb eines Dienstjahres

hat der Arbeitnehmer auch Anspruch auf Freistellung von der Arbeit

unter Fortzahlung des Verdienstes, wenn er durch andere wichtige,

seine Person betreffende Gründe ohne sein Verschulden während einer

verhältnismäßig kurzen Zeit an der Leistung seiner Dienste gehindert

wird. Dies gilt insbesondere für nachstehende Fälle:

11. bis 15. ....... (Aufzählung weiterer familiärer und

persönlicher Hinderungsgründe).

Entgeltansprüche aus Gründen, die nicht vom Arbeitnehmer zu vertreten sind (§ 1155 ABGB):

16. Wird durch Umstände, die weder in der Person des Arbeitnehmers liegen noch von ihm zu vertreten sind, die gänzliche oder teilweise Stillegung des Betriebes, einzelner Abteilungen oder einzelner Arbeitsplätze notwendig und ist der Arbeitnehmer zur Arbeitsleistung bereit, so hat er bis zur Höchstdauer von 21 Tagen Anspruch auf 75 % seines Lohnes (Akkord-, Prämiendurchschnittsverdienst).

17. Dies gilt auch dann, wenn die Arbeitsleistung durch Witterungseinflüsse nicht erbracht werden kann und diese Tatsache einvernehmlich zwischen dem Arbeitgeber und dem Betriebsrat festgestellt wird.

18. Der Arbeitnehmer ist jedoch verpflichtet, bei Vorliegen der Voraussetzungen der Punkte 16. und 17. bei vollem Verdienstanspruch auch andere als seinem Arbeitsvertrag entsprechende, jedoch zumutbare Arbeiten zu verrichten.

19. Bei länger andauernden Arbeitsausfällen entfällt nach 21 Tagen jede Verdienstfortzahlung durch den Arbeitgeber.

20. Ansprüche im Sinne der Punkte 16. und 17. entstehen nicht, wenn die Erbringung der Arbeitsleistung durch Elementarereignisse (höhere Gewalt) unmöglich wird."

Der Kläger begehrt, gestützt auf Abschnitt XVI KV (Generalklausel nach Z 10) Zahlung des - der Höhe nach außer Streit stehenden - Entgeltausfalls von S 2.001,-- sA für den 10. und 11. Februar 1986.

Die beklagte Partei beantragte die Abweisung des Klagebegehrens, weil das Elementarereignis, das den Kläger am Erscheinen am Arbeitsplatz gehindert habe, nicht nur ihn, sondern die Allgemeinheit betroffen habe. Dieses Ereignis habe sich auch in der Sphäre des Dienstgebers ereignet. Es seien daher die Regeln über die Unmöglichkeit der Leistung anzuwenden.

Das Erstgericht sprach dem Kläger 75 % des Entgeltausfalls, das sind S 1.500,75 brutto sA zu und wies das Mehrbegehren von S 500,25 sA ab. Die Bestimmung des § 1154 Abs 1 Satz 2 ABGB sei eine dispositive Norm. Abschnitt XVI Z 6 bis 15 KV betreffe durchwegs Fälle, in denen der Arbeitnehmer durch ausschließlich seine Person betreffende Gründe an der Dienstleistung gehindert werde. Eine Hinderung durch außergewöhnliche Schneefälle falle nicht unter diese Bestimmungen. Gemäß Abschnitt XVI Z 17 KV gebühre jedoch dem Kläger 75 % seines Lohnes, weil er seine Arbeit infolge von Witterungseinflüssen nicht habe erbringen können. Ein Elementarereignis, das gemäß Abschnitt XVI Z 20 KV auch diesen Anspruch ausschließe, liege nicht vor.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der beklagten Partei nicht, wohl aber jener des Klägers Folge, sprach ihm den eingeklagten Betrag von S 2.001,-- sA zu und erklärte die Revision gemäß § 46 Abs 2 Z 1 ASGG für nicht zulässig.

Nach der auf § 1154 b Abs 1 ABGB zurückgehenden Bestimmung des Abschnittes XVI (Generalklausel nach Z 10 KV) bestehe ein Entgeltanspruch des Arbeitnehmers auch dann, wenn er durch andere wichtige, seine Person betreffende Gründe ohne sein Verschulden während einer verhältnismäßig kurzen Zeit an der Leistung seiner Dienste gehindert werde. Gründe im Sinne des § 1154 b ABGB seien nicht nur solche, die in seiner Person entstanden seien, sondern auch solche, die in angingen und ihn entweder durch ihre unmittelbare Einwirkung an der Dienstleistung hinderten oder nach Recht, Sitte oder Herkommen wichtig genug seien, um ihn davon abzuhalten. Ob der Grund nur die Person des Dienstnehmers oder als Massenerscheinung auch zahlreiche andere Dienstnehmer betreffe, wie zB eine Verkehrseinstellung, die es dem Dienstnehmer unmöglich mache, an den Arbeitsort zu gelangen, sei belanglos, da das Gesetz einen derartigen Unterschied nicht treffe. Nur wenn eine Naturkatastrophe ein solches Ausmaß annehme, daß sie in die Dienstnehmer- und Dienstgeberspähre gleichermaßen eingreife und somit keiner der beiden Sphären zugerechnet werden könne, hätten die Regeln über die Unmöglichkeit der Leistung Anwendung zu finden. Die außergewöhnlich ergiebigen Schneefälle und die deshalb verordneten Straßensperren hätten in die Dienstgeber- und Dienstnehmersphäre nicht gleichermaßen eingegriffen. Nur den weiter entfernt wohnenden Arbeitnehmern sei es nicht möglich gewesen, den an sich zugänglichen Betrieb der beklagten Partei zu erreichen. Der Betrieb des Walzwerkes hätte aufrecht erhalten werden können, wenn die erforderliche Zahl von Arbeitnehmern anwesend gewesen wäre. Die in der Nähe wohnenden Arbeiter seien erschienen und zum Schneeschaufeln eingeteilt worden. Die Unmöglichkeit, den Arbeitsort zu erreichen, also den Weg bis dorthin zurückzulegen, sei der Sphäre des Arbeitnehmers zuzurechnen. Der Kläger habe daher gemäß Abschnitt XVI (Generalklausel nach KV Z 10) Anspruch auf Fortzahlung des Entgelts für die verhältnismäßig kurze Hinderungsdauer von zwei Tagen. Der Abschnitt XVI Z 16 KV komme hingegen nicht zur Anwendung, weil der Kläger der beklagten Partei nicht zur Arbeitsleistung zur Verfügung gestanden sei.

Die beklagte Partei erhebt außerordentliche Revision, behauptet das Vorliegen einer Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung, macht als Revisionsgrund unrichtige rechtliche Beurteilung geltend und beantragt, die Entscheidung dahin abzuändern, daß das Klagebegehren zur Gänze abgewiesen werde.

Der Kläger beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig, weil die Fragen

a) ob ein Elementarereignis, das den Arbeitnehmer hindert (rechtzeitig) an den Arbeitsplatz zu gelangen, ein Hinderungsgrund iS des § 1154 b Abs 1 Satz 2 ABGB ist, und

b) ob ein über die Dienstgebersphäre hinaus die Allgemeinheit in vergleichbarer Weise treffendes Elementarereignis die Entgeltfortzahlungspflicht des Dienstgebers nach § 1154 b ABGB ausschließt,

Rechtsfragen des materiellen Rechts von erheblicher Bedeutung iS des § 46 Abs 2 Z 1 ASGG sind, zu denen eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes fehlt (siehe dazu Kuderna, ASGG, § 46 Anm. 7). Die Revision ist jedoch nicht berechtigt.

Abschnitt XVI KV verweist auf § 1154 b ABGB und gewährt den Arbeitnehmern in inhaltlicher und teilweise auch wörtlicher Übereinstimmung mit § 1154 b Abs 1 ABGB einen Anspruch auf Freistellung von der Arbeit unter Fortzahlung des Verdienstes (= Entgeltfortzahlungsanspruch), wenn ein Arbeitnehmer durch andere wichtige, seine Person betreffende Gründe ohne seine Verschulden während einer verhältnismäßig kurzen Zeit an der Leistung seiner Dienste gehindert wird. Die Z 6 bis 15 des Abschnittes XVI KV regeln verschiedene Fälle der Arbeitsverhinderung und legen fest, in welchem Umfang der Arbeitnehmer hiefür bezahlte Freistellung von der Arbeit in Anspruch nehmen kann. Dies stand den Kollektivvertragsparteien frei, weil § 1154 b ABGB, wie sich aus § 1164 Abs 1 und 2 ABGB iVm § 1154 Abs 1 Satz 2 ABGB ergibt, insoweit dispositives Recht ist (Krejci in Rummel, ABGB, Rz 9 zu § 1154 b; Rabofsky, ABGB und Arbeitsvertragsrecht4 218 f). Die Aufzählung der Z 6 bis 15 des Abschnittes XVI KV ist aber nur beispielsweise. Für alle nicht besonders geregelten Fälle deckt sich die allgemeine Anordnung des KV (Generalklausel nach Z 10) mit der gesetzlichen Regelung des § 1154 Abs 1 Satz 2 ABGB, so daß diese Kollektivvertragsbestimmung so auszulegen ist, wie Lehre und Rechtsprechung die inhaltsgleiche gesetzliche Norm verstehen. "Andere" (gemeint: neben den in § 1154 b Abs 1 Satz 1 geregelten Verhinderungsfällen "Krankheit oder Unglücksfall") wichtige, die Person des Arbeitnehmers betreffende Gründe iS des § 1154 b Abs 1 Satz 2 ABGB sind nach Lehre und Rechtsprechung nicht nur solche, die in seiner Person entstanden sind, sondern auch Gründe, die seine Person "betreffen", also ihn angehen und ihn entweder durch ihre unmittelbare Einwirkung an der Dienstleistung hindern oder nach Recht, Sitte oder Herkommen wichtig genug erscheinen, um ihn davon abzuhalten (Adler-Höller in Klang2 V 277;

Krejci in Rummel aaO Rz 10 zu § 1154 b ABGB; Schwarz-Löschnigg, Arbeitsrecht3 265; auch Rabofsky aaO 217, Arb. 8.147 = EvBl 1966/93;

Arb. 9.918 LGZ Wien). Um hervorzuheben, daß die Gründe nicht "in der Person des Dienstnehmers entstanden" sein müssen, wurden diese Worte (welche die als Vorbild dienende Regelung des § 616 BGB enthielt) bei der Schaffung des § 1154 b ABGB durch die Worte "seine Person betreffenden" ersetzt (Bericht der Kommission für Justizgegenstände, 78 BlgHH 21. Sess. = HHB 216; auch Adler-Höller aaO FN 9). Der Einwand der Revision, wichtig könnten überhaupt nur Gründe sein, die im Falle einer Pflichtenkollision zwischen höheren außerdienstlichen und anderen dienstlichen Pflichten ein Fernbleiben vom Dienst rechtfertigten, ist verfehlt. Ein Hinderungsgrund, der dem Arbeitnehmer gar keine Wahl läßt, sich für die Verrichtung der Arbeit oder die Erfüllung einer außerdienstlichen Pflicht zu entscheiden, sondern ihn wegen unmittelbarer Einwirkung faktisch daran hindert, Arbeit zu verrichten, ist ebenfalls als wichtiger Grund anzuerkennen. Das war auch schon Meinung des zitierten HHB, der als Beispiel einer gerade nicht in der Person des Arbeitnehmers entstandenen Ursache "eventuell auch Verkehrsstörungen" erwähnt. Von der bisherigen Rechtsprechung erster und zweiter Instanz, sowie der Spruchpraxis der Einigungsämter wurden daher Ereignisse, die durch ihre unmittelbare Einwirkung den Arbeitnehmer daran hinderten, seinen Arbeitsplatz zu erreichen, als Hinderungsgrund iS des § 1154 b Abs 1 Satz 2 ABGB anerkannt, wie etwa die vorübergehende Einstellung des zur Erreichung der Arbeitsstätte erforderlichen Massenverkehrsmittels (Arb. 4.990; SozM I a/b 115) oder ein Eisenbahnerstreik (Arb. 3.008, 8.097; dazu auch Krejci aaO Rz 13 zu § 1154 b und Martinek-Schwarz, AngG6 254). Da es dem Gesetzgeber nur auf die unmittelbare Einwirkung des Ereignisses auf den Arbeitnehmer und nicht auf das Entstehen des Ereignisses in seiner Person ankam, wird es von der Lehre auch für belanglos gehalten, ob es ein derartiger Grund (wie insbesondere eine Verkehrsstörung) als Massenerscheinung auch zahlreichen anderen Arbeitnehmern unmöglich macht, an den Arbeitsort zu gelangen, weil der Gesetzgeber diesbezüglich nicht unterscheide (Adler-Höller in Klang aaO 278;

Krejci in Rummel aaO Rz 13 zu § 1154 b ABGB;

Martinek-Schwarz aaO 254; zum Problem der Verkehrsstörungen ausführlich Holzer, Die Dienstverhinderung aus anderen wichtigen die Person des Dienstnehmers betreffenden Gründen, DRdA 1970, 107 118;

auch Gschnitzer, Schuldrecht bes T 79). Mit dem Einwand, der Arbeitsweg gehöre der Sphäre des Arbeitnehmers an, übersieht der Revisionswerber, daß alle in § 1154 b ABGB angeführten Entgeltfortzahlungsgründe der Arbeitnehmersphäre zuzuordnen sind, der Gesetzgeber aber dennoch das Risiko für diese Dienstverhinderungen in beschränktem Umfang, nämlich für eine verhältnismäßig kurze Zeit, dem Dienstgeber aufgebürdet hat, weil der Lohn die Existenzgrundlage für den Dienstnehmer bildet. Daß der Arbeitnehmer deswegen noch nicht für jegliche Verspätung auf dem Arbeitsweg Entgeltfortzahlung verlangen kann, ergibt sich schon daraus, daß er ohne sein Verschulden an der Arbeitsleistung verhindert worden sein muß. Daher muß der Arbeitnehmer etwa die üblichen Verspätungen im Individualverkehr infolge häufig vorkommender Verkehrsstockungen, sowie die (meist geringfügigen) gewöhnlichen Verspätungen im Massenverkehr fahrplanmäßiger Beförderungsmittel durch rechtzeitigen Antritt der Fahrt zur Arbeit einkalkulieren (Holzer aaO 118). Darauf muß hier aber nicht näher eingegangen werden, da außer Zweifel steht, daß der Kläger infolge der außergewöhnlichen Schneefälle den Arbeitsplatz überhaupt nicht erreichen konnte. Der Oberste Gerichtshof folgt daher der bisher in Lehre und Rechtsprechung vertretenen, in den Materialien zu § 1154 b ABGB erwähnten Ansicht, daß Verkehrsstörungen, die den Arbeitnehmer ohne sein Verschulden daran hindern, den Arbeitsplatz zu erreichen, als Hinderungsgrund iS des § 1154 b ABGB anzusehen sind, auch wenn es sich dabei um eine Massenerscheinung handelt, die auch zahlreiche andere Arbeitnehmer betrifft.

Zu prüfen ist aber auch noch, ob das Elementarereignis, das den Kläger daran hinderte, den Arbeitsplatz zu erreichen, nicht mehr den Sphären des Arbeitgebers und Arbeitnehmers, sondern als Ereignis "höherer Gewalt" der "neutralen Sphäre" zuzuordnen ist; dies hätte zur Folge, daß weder nach § 1154 b noch nach § 1155 ABGB ein Anspruch bestünde. Eine Zuordnung zu dieser Sphäre ist aber zu verneinen.

Zur Sphäre des Arbeitgebers gehören alle die Dienstverhinderung auslösenden Ereignisse und Umstände, welche die Person des Arbeitgebers, sein Unternehmen, Organisation und Ablauf des Betriebes, die Zufuhr von Rohstoffen, Energien und sonstigen Betriebsmitteln, die erforderlichen Arbeitskräfte, die Auftrags- und Absatzlage sowie die rechtliche Zulässigkeit der betrieblichen und unternehmerischen Tätigkeit betreffen. Dazu gehören auch Fälle "höherer Gewalt", sofern von ihnen das Unternehmen, aber nicht die Allgemeinheit berührt ist (vgl. Mayer-Maly, Österreichisches Arbeitsrecht2 129 f). Erst wenn ein Ereignis oder ein Umstand zwar auch auf Seite des Arbeitnehmers eintritt, jedoch in seiner Auswirkung über die Arbeitgebersphäre hinaus in vergleichbarer Weise die Allgemeinheit trifft, ist es gerechtfertigt, von einer Entgeltzahlungspflicht des Arbeitgebers abzusehen. Das ist zB bei umfassenden Elementarereignissen, aber auch bei Seuchen, Krieg, Revolution und Terror, der sich nicht nur gegen das Unternehmen richtet, der Fall (Krejci in Rummel, aaO Rz 18 zu § 1155;

Spielbüchler in Floretta-Spielbüchler-Strasser, Arbeitsrecht2 I 28;

Mayer-Maly aaO 129 f; Holzer aaO 112; Schwarz-Löschnigg aaO 254;

vgl. auch Binder, Die Beendigung arbeitsvertraglicher Bindungen bei Eintritt dauernder Leistungsunmöglichkeit in FS Strasser 271 286 ff), Schnorr (Entgeltansprüche bei Nichtleistung der Arbeit 34 in Tomandl, Entgeltprobleme aus arbeitsrechtlicher Sicht) bringt zur Abgrenzung zwischen § 1154 b ABGB und § 1155 ABGB unter Berufung auf Adler-Höller in Klang (aaO 258) folgendes Beispiel: Wurde durch ein Naturereignis der Betrieb in Mitleidenschaft gezogen, so daß aus diesem Grunde die Arbeit eingestellt werden muß, so ist § 1155 ABGB anzuwenden. Wurde aber durch dieses Naturereignis nur der Arbeitnehmer daran gehindert, den Betrieb zu erreichen, während dieser intakt blieb, so ist nicht § 1155, sondern allenfalls § 1154 b Abs 1 Satz 2 ABGB anzuwenden. Ob auch nach § 1155 ABGB kein Entgeltfortzahlungsanspruch besteht, hängt vom Ausmaß des Elementarereignisses ab (Binder aaO 289).

Im vorliegenden Fall haben die Elementarereignisse, die einerseits den Kläger hinderten, den Arbeitsplatz zu erreichen, andererseits aber auch den Betrieb durch die Abwesenheit (offenbar zahlreicher) weiterer Arbeiter in Mitleidenschaft zogen, nicht jenes Ausmaß erreicht, daß man von einer nicht mehr der Sphäre der Arbeitsvertragsparteien zuzurechnenden ausgedehnten "höheren Gewalt" sprechen könnte. Es waren nur der Kläger sowie andere Arbeiter des Betriebes infolge der Schneefälle außerstande, zur Arbeit zu kommen. Der Betrieb selbst wurde durch dieses Elementarereignis nicht unmittelbar betroffen. Die in der Nähe wohnenden Arbeiter erschienen zur Arbeit; es waren jedoch zu wenige, um die Produktion aufzunehmen. Die anwesenden Arbeiter wurden daher zu Schneeräumarbeiten eingesetzt. Das Werk hätte den Betrieb aufnehmen können, wenn genügend Arbeiter erschienen wären. Der Mangel an erschienenen Arbeitskräften ist daher, so wie eine Stockung bei anderen Produktionsvoraussetzungen, noch der Sphäre des Arbeitgebers zuzurechnen. Das Elementarereignis fällt noch in das betriebsspezifische Risiko des Arbeitgebers, zumal der Betrieb in einem Gebirgstal der oberen Steiermark liegt, wo im Winter erfahrungsgemäß häufig mit starken Schneefällen gerechnet werden muß. Eine dadurch verursachte vorübergehende Beeinträchtigung der Produktion ist daher als periodische wiederkehrende Erscheinung anzusehen, die dem typischen Betriebsrisiko angehört. In solchen Fällen ist der Arbeitgeber in der Lage, von vornherein vertretbare Regelungen über die Tragung des Entgeltrisikos zu treffen (Krejci in Rummel aaO Rz 18 zu § 1155).

Die auf § 1155 ABGB bezugnehmenden Regelungen des Abschnittes XVI Z 16 und 17 KV beziehen sich nicht auf den gegenständlichen Fall. Beide Bestimmungen setzen in Übereinstimmung mit § 1155 ABGB die Arbeitsbereitschaft (Verfügbarkeit) des Arbeitnehmers voraus. Diese Arbeitsbereitschaft war aber aus den dargelegten Gründen nicht gegeben. Da die Unterlassung der Arbeitsleistung der Sphäre des Klägers und jener des Beklagten zuzurechnen ist, kommt ein Wegfall oder eine Verminderung des Entgeltfortzahlungsanspruchs im Sinne des § 1155 ABGB oder der darauf beruhenden Z 16 oder 17 KV schon aus diesen Gründen nicht in Betracht. Da genug Arbeit bei der Schneeräumung vorhanden war, muß davon ausgegangen werden, daß auch der Kläger, hätte er den Betrieb erreichen können, beschäftigt und bezahlt worden wäre. Entscheidend ist daher die Verhinderung des Klägers an der Arbeitsleistung durch einen wichtigen, seine Person betreffenden Grund und damit das Vorliegen der Voraussetzungen des § 1154 b Abs 1 Satz 2 ABGB. Diese Voraussetzungen sind, wie das Berufungsgericht richtig erkannt hat, erfüllt.

Der Revision ist daher ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf §§ 41, 50 ZPO.

Anmerkung

E13051

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1987:009OBA00202.87.1216.000

Dokumentnummer

JJT_19871216_OGH0002_009OBA00202_8700000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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