TE OGH 1987/12/17 13Os172/87

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Veröffentlicht am 17.12.1987
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 17.Dezember 1987 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Harbich als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Müller, Dr. Felzmann, Dr. Brustbauer und Dr. Kuch als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Mitterhöfer als Schriftführers in der Strafsache gegen Franz K***-G*** wegen des Verbrechens nach §§ 15, 146, 147 Abs 3 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz als Schöffengerichts vom 3.August 1987, GZ. 11 Vr 298/86-14, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Über die Berufung wird in einem Gerichtstag zur öffentlichen Verhandlung entschieden werden.

Text

Gründe:

Der am 15.August 1961 geborene Monteur Franz K***-G*** ist des Verbrechens des (versuchten) schweren Betrugs nach §§ 15, 146, 147 Abs 3 StGB schuldig erkannt worden. Darnach hat er in Graz durch Erstattung inhaltlich unrichtiger Schadensmeldungen über einen angeblichen Arbeitsunfall am 14.November 1985, bei dem er sich den Daumen der linken Hand mit einer Motorsäge abgetrennt hätte, getrachtet, betrügerisch entsprechende Versicherungsleistungen zu erlisten, nämlich am 19.November 1985 von der Allgemeinen Versicherungs-AG "DER A***" 600.000 S (1) und am 20.November 1985 von der E*** A*** Versicherungs-AG 200.000 S (2).

Gegen den Schuldspruch ergriff der Angeklagte eine auf § 281 Abs 1 Z. 4, 5 und 9 lit b StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde. Der Verteidiger des Angeklagten hat in der Hauptverhandlung Beweisanträge gestellt, und zwar auf Einvernahme des Dr.Erich H***, Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie (dessen Gutachten vom 2.Oktober 1986 unter einem vorgelegt wurde), und auf Beiziehung eines Sachverständigen aus dem Bereich der Unfallchirurgie zum Nachweis dafür, daß nach ärztlicher und unfallverhüterischer Erfahrung die Arbeitsanordnung im gegenständlichen Fall durch den Angeklagten so war, daß es mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zu einem Unfallgeschehen kommen mußte, ohne daß der Angeklagte hiebei noch etwas beitragen mußte oder konnte, sowie weiters, daß nach ärztlicher Ansicht ein Unfallgeschehen unvermeidlich und bereits beim Inbetriebnehmen der Kettensäge programmiert war; schließlich wurde die Wiederholung der vom Sachverständigen Dr.Peter L*** durchgeführten Leichenversuche unter Verwendung einer neuen oder neuwertigen Kettensäge der Type AEG-KAS 35 zum Beweis dafür beantragt, daß der linke Daumen in wesentlich kürzerer Zeit durchtrennt wird, als vom ärztlichen Sachverständigen ermittelt wurde (S. 186). In abweislicher Begründung, die der Beschwerdeführer als Verfahrensmangel (Z. 4) releviert, führte der Schöffensenat aus, daß die Einvernahme des sachverständigen Zeugen Dr.Erich H*** und die Beiziehung eines Sachverständigen aus dem Bereich der Unfallchirurgie entbehrlich seien, weil aus den unbedenklichen und widerspruchsfreien Gutachten der Sachverständigen Dr.Peter L*** und Dipl.Ing.Erwin C*** ausreichende Feststellungen zum Anklagevorwurf getroffen werden können und auch auf die neuerliche Vornahme von Versuchen mit einer neuen elektrischen Säge verzichtet werden könne, weil die beiden vernommenen Sachverständigen dazu bereits Stellung bezogen und diese Frage geklärt hätten (S. 187).

Rechtliche Beurteilung

Das Schöffengericht hat damit die vernommenen Sachverständigen für befähigt erachtet, einwandfreie Gutachten über den Fall abzugeben. Bedenken der in den §§ 125 f. StPO angeführten Art sind nicht zutage getreten. In der Abweisung des Antrags auf Beiziehung eines weiteren Sachverständigen liegt damit ein Akt freier Beweiswürdigung, der im Nichtigkeitsverfahren nicht anfechtbar ist (Mayerhofer-Rieder2 § 281 Abs 1 Z. 4 StPO Nr. 132, 133). Dazu kommt, daß vom Beweisthema her für den Angeklagten nichts zu gewinnen war, weil die jedenfalls auf den Willen des Angeklagten zurückgehende Einrichtung der "Arbeitsanordnung" in einer Weise, "daß es mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zu einem Unfallsgeschehen kommen mußte, .... ein Unfallsgeschehen unvermeidlich und bereits beim Inbetriebnehmen der Kettensäge programmiert" (!) war, in der von der Beschwerde selbst hervorgekehrten Zwangsläufigkeit des Eintritts der Verletzung weit eher für deren vorsätzliche Herbeiführung als für ihre fahrlässige Entstehung spräche.

Bemerkt sei noch, daß das in der Hauptverhandlung vorgelegte, aber nicht zu den Akten genommene Privatgutachten keine prozessuale Bedeutung beanspruchen kann und vom Schöffengericht zu Recht nicht weiter beachtet wurde (Mayerhofer-Rieder2, § 126 StPO Nr. 15). Da auch die Argumente des Schöffengerichts für die Ablehnung der Beweisaufnahme durch neuerliche Versuche an der Leiche durchaus stichhältig sind, war der Verfahrensrüge ein Erfolg zu versagen. Die Mängelrüge (Z. 5) greift aus den Urteilsgründen auf, daß darnach, gestützt auf das fundierte Gutachten des Sachverständigen Dr.Peter L***, die "Version des Angeklagten über den angeblichen Arbeitsunfall nicht nachvollziehbar ist" (S. 196) und meint, ein "Nachvollziehen" setze die Absicht voraus, einen Vorfall so zu rekonstruieren, wie er mit Absicht durchgeführt werden könne; ein fahrlässiger Vorgang lasse sich naturgemäß in einem Versuch nicht wiederholen (S. 218).

Auch dieser Einwand schlägt nicht durch, weil eine Version der fahrlässigen Herbeiführung eines Erfolgs einer Überprüfung auf ihren Wahrheitsgehalt durchaus zugänglich ist und eben dann, wenn aus einem behaupteten Geschehen der Eintritt des konkreten Erfolgs nicht zu erwarten ist, negative Rückschlüsse auf den Wahrheitsgehalt der Darstellung der Erfolgsursache möglich sind. Nichts anderes ist mit dem Begriff "Nachvollziehen" gemeint.

Wenn der Beschwerdeführer aber die Auffassung vertritt, ein Schuldspruch wäre nur möglich, wenn nach den Gutachten "zwingend" auf eine "absichtliche Verstümmelung" geschlossen werden müsse, also "zwangsläufig" angenommen werden müsse, daß die Selbstverstümmelung in betrügerischer Absicht vorgenommen wurde (S. 219), so verkennt er das Wesen der freien Beweiswürdigung (§ 258 Abs 2 StPO). Genug daran, daß das Schöffengericht aus den beiden wissenschaftlich fundierten Gutachten in Verbindung mit anderen Beweisresultaten (der äußerst schlechten finanziellen Situation des Angeklagten, dem Abschluß von Unfallsversicherungen mit hohen Versicherungssummen kurz vor der Tat, der pünktlichen Prämienzahlung dafür im Gegensatz zur Säumigkeit bei der Bezahlung anderer Versicherungsprämien:

S. 198) denkmögliche Schlüsse auf das Tatgeschehen gezogen hat, die nicht nur von der Erfahrung gedeckt, sondern auch von der Überzeugung des erkennenden Senats getragen sind. Die Mängelrüge, die diese Beweiswürdigung des Gerichts bekämpft, ist daher zum Scheitern verurteilt.

Der Beschwerdeführer greift im Rahmen seiner Rechtsrüge, zu der er einleitend einräumt, daß "der Beweiswürdigung der Gerichte im allgemeinen nicht vorgegriffen" werden könne (S. 219), abermals die relevanten Urteilsfeststellungen an, statt von ihnen auszugehen, wie es die prozeßordnungsgemäße Ausführung eines materiellen Nichtigkeitsgrunds verlangt, und ficht damit in Wiederholung seiner Einwände aus der Verfahrens- und Mängelrüge erneut die Beweiswürdigung der Tatrichter an.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher teils als offenbar unbegründet gemäß § 285 d Abs 1 Z. 2 StPO, teils als nicht gesetzmäßig ausgeführt nach § 285 d Abs 1 Z. 1 StPO in Verbindung mit § 285 a Z. 2 StPO schon in einer nichtöffentlichen Beratung zurückzuweisen.

Für die Verhandlung und Entscheidung über die des weiteren gegen den Strafausspruch ergriffene Berufung des Angeklagten wird ein Gerichtstag angeordnet werden (§ 296 Abs 3 StPO).

Anmerkung

E12934

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1987:0130OS00172.87.1217.000

Dokumentnummer

JJT_19871217_OGH0002_0130OS00172_8700000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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