TE OGH 1987/12/17 12Os87/87 (12Os88/87)

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Veröffentlicht am 17.12.1987
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 17.Dezember 1987 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Keller als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kral, Hon.Prof. Dr. Steininger, Dr. Hörburger und Dr. Rzeszut als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Samek als Schriftführer in der Strafsache gegen Manfred S*** wegen des Vergehens des schweren Diebstahls nach §§ 127 Abs. 1, 128 Abs. 1 Z 4 StGB und des Verbrechens des schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs. 3 StGB über den Antrag des Angeklagten auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Antragstellung auf Beigabe eines Verteidigers gemäß § 41 Abs. 2 StPO und zur Ausführung der Nichtigkeitsbeschwerde, die Beschwerde des Angeklagten gegen den Beschluß des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 21.April 1987, GZ 3 d Vr 819/86-146, die Fristerstreckungsanträge und die Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung des Angeklagten nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Antragstellung auf Beigabe eines Verteidigers gemäß § 41 Abs. 2 StPO und zur Ausführung der Nichtigkeitsbeschwerde wird bewilligt und der Beschluß vom 21.April 1987 aufgehoben. Mit seiner gegen diesen Beschluß erhobenen Beschwerde und den Fristerstreckungsanträgen vom 11.November 1987 und 17.November 1987 wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen. Über die Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung wird gesondert entschieden werden.

Text

Gründe:

Mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 31. Oktober 1986, GZ 3 d Vr 819/86-133, wurde Manfred S*** des Vergehens des schweren Diebstahls nach §§ 127 Abs. 1, 128 Abs. 1 Z 4 StGB und des Verbrechens des schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs. 3 StGB schuldig gesprochen und zu einer Freiheitsstrafe verurteilt. Von einem Anklagepunkt wurde er freigesprochen. Der Angeklagte hat nach Verkündung des Urteils in der Hauptverhandlung am 31.Oktober 1986 Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung angemeldet, jedoch keinen der im § 281 Abs. 1 Z 1 bis 11 StPO angegebenen Nichtigkeitsgründe bezeichnet (Band II S 215). Der Verteidiger des Angeklagten, Rechtsanwalt Dr.D***, hat die ihm erteilte Vollmacht mit Schriftsatz vom 5.März 1987, der bei Gericht am 6.März 1987 einlangte (ON 138), dem Angeklagten aber nicht bekanntgemacht wurde, gekündigt. Das Urteil wurde dem Angeklagten zu eigenen Handen zugestellt und am 20.März 1987 in Hohenems hinterlegt. Noch am selben Tag hat der Angeklagte laut eingeholter Postauskunft das Urteil am Postamt in Hohenems behoben (Band III S 1 und 13). Aus der dem Urteil beigefügten Rechtsbelehrung ging nicht hervor, daß die Zustellung des Urteils an den Angeklagten selbst und nicht (nur) an seinen Verteidiger deshalb erfolgte, weil der Wahlverteidiger die Vollmacht gekündigt hatte. Sie enthält auch keine Belehrung im Sinn des § 43 a StPO. In der Zeit vom 2.März 1987 bis 22. (23.) März 1987 hat der Angeklagte in der Pension H*** in Hohenems, Radetzkystraße 61, gewohnt. Anschließend wohnte er bis Ende April 1987 in Feldkirch. Der Verteidiger Dr.D*** hat dem Angeklagten die Vollmachtskündigung mit an die Adresse Allaudagasse 9/5/1, 1100 Wien, gerichteten Schreiben vom 9.März 1987, 24.März 1987 und 31. März 1987 (ON 163) mitgeteilt. Der Angeklagte hat sich in dieser Zeit nicht in Wien aufgehalten und hat erst am 6. oder 8.April 1987 von der Vollmachtskündigung in Feldkirch erfahren (Bd. III S 59). Am 14. April 1987 (Tag der Postaufgabe) hat Manfred S*** mit einem mit 13.April 1987 datierten Schriftsatz einen Antrag auf Verfahrenshilfe zur Ausführung der Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung gestellt (Band III S 11).

Mit dem angefochtenen Beschluß vom 21.April 1987 hat das Landesgericht für Strafsachen Wien die angemeldete Nichtigkeitsbeschwerde gemäß § 285 a Z 2 StPO zurückgewiesen (ON 146). Am 4.Mai 1987 wurde Rechtsanwalt Dr.Peter J*** gemäß § 41 Abs. 2 StPO zum Verteidiger des Angeklagten bestellt. Mit Schriftsatz vom 21.Mai 1987 (ON 150), der am selben Tag zur Post gegeben wurde, erhob der Verteidiger im Namen des Angeklagten Beschwerde gegen den Beschluß vom 21.April 1987, beantragte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Ausführung der angemeldeten Nichtigkeitsbeschwerde (nicht auch der Berufung) und führte gleichzeitig die Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung aus.

Rechtliche Beurteilung

Wenn der Angeklagte innerhalb der für die Ausführung eines Rechtsmittels oder für eine sonstige Prozeßhandlung offenstehenden Frist die Beigebung eines Verteidigers (§ 41 Abs. 2 StPO) beantragt, beginnt diese Frist gemäß § 43 a StPO mit der Zustellung des Bescheides über die Verteidigerbestellung sowie des Aktenstückes an den Verteidiger von neuem zu laufen.

Dem Angeklagten war die Wiedereinsetzung gegen den Ablauf dieser Frist zur Ausführung eines Rechtsmittels zu bewilligen, weil es ihm durch unabwendbare Umstände ohne sein oder seines Vertreters Verschulden unmöglich gemacht wurde, die Frist einzuhalten (§ 364 Abs. 1 Z 1 StPO). Aus der Tatsache der Zustellung des Urteils an den Angeklagten selbst und der diesem Urteil angeschlossenen Rechtsbelehrung konnte der nicht rechtskundige Angeklagte nicht entnehmen, daß sein Wahlverteidiger die Vollmacht gekündigt hat, er daher gemäß § 43 a StPO innerhalb von 14 Tagen nach Zustellung des Urteils den Antrag auf Beigebung eines Verteidigers stellen müsse, um den Fristenlauf zur Ausführung der Rechtsmittel mit der Zustellung des Bescheides über die Verteidigerbestellung neu in Gang zu setzen. Erst nach Kenntnis von der Vollmachtskündigung, also bereits nach Ablauf der 14-tägigen Rechtsmittelfrist, welche am 20. März 1987 zu laufen begann, war es dem Angeklagten möglich, den Antrag auf Beigebung eines Verteidigers gemäß § 41 Abs. 2 StPO zu stellen, was er am 14.April 1987, somit ohne unnötige Verzögerung getan hat.

Es war daher die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Antragstellung auf Beigabe eines Verteidigers gemäß § 41 Abs. 2 StPO und zur Ausführung der angemeldeten Nichtigkeitsbeschwerde zu bewilligen.

Mit seiner gemäß § 285 b Abs. 2 StPO gegen den Beschluß auf Zurückweisung der Nichtigkeitsbeschwerde eingebrachten Beschwerde und mit seinen Anträgen auf Erstreckung der Frist zur Vorlage von Unterlagen war der Angeklagte auf diese Entscheidung zu verweisen.

Anmerkung

E13458

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1987:0120OS00087.87.1217.000

Dokumentnummer

JJT_19871217_OGH0002_0120OS00087_8700000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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