TE OGH 1987/12/17 13Os143/87

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Veröffentlicht am 17.12.1987
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 17.Dezember 1987 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Harbich als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Müller, Dr. Felzmann, Dr. Brustbauer und Dr. Kuch als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Mitterhöfer als Schriftführers in der Strafsache gegen Herbert I*** wegen des Verbrechens nach § 87 Abs. 1 StGB. und einer anderen strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengerichts vom 22.Juli 1987, GZ. 6 b Vr 11.113/86-44, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Die Akten werden zur Entscheidung über die Berufung dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Text

Gründe:

Herbert I***, der zuletzt keiner Beschäftigung nachging, ist des Vergehens der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs. 1 StGB. (I) und des Verbrechens der absichtlichen schweren Körperverletzung nach § 87 Abs. 1 StGB. (II) schuldig erkannt worden. Darnach hat er in Wien am 12.Juli 1986 den Pesach B*** durch die Äußerung:

"W*** ist jetzt an der Regierung, W*** ist mein Onkel, alle Juden müssen von Österreich verschwinden, wir wollen sie nicht, wir bringen alle Juden um, wir machen dein Geschäft kaputt, am Montag siehst du dein Geschäft nicht", zumindest mit einer Verletzung am Körper (§ 74 Z. 5 StGB.) gefährlich bedroht, um ihn in Furcht und Unruhe zu versetzen (I) sowie am 9.April 1987 dadurch, daß er Karl I*** ein Fixiermesser "Military" (Klinge 7,5 cm) gegen den linken Unterarm sowie drei Querfinger unter der rechten Brustwarze (in den Körper) stieß, (dem Genannten) eine schwere Körperverletzung (§ 84 Abs. 1 StGB.) absichtlich zugefügt, wobei die Tat eine Durchtrennung der Sehnen der Beugemuskulatur der linken Hand und Finger sowie eine komplette Durchtrennung des Mediannervs und eine Eröffnung des Brustkorbs, Verletzung der Lungen und eine Ansammlung von Luft und Blut in der rechten Brustfellhöhle zur Folge hatte (II). Diese Schuldsprüche bekämpft der Angeklagte (ohne Aufgliederung des Vorbringens nach den geltend gemachten Nichtigkeitsgründen) aus § 281 Abs. 1 Z. 5, 9 lit. a und lit. b und 10 StPO. mit Nichtigkeitsbeschwerde.

Rechtliche Beurteilung

Zum Schuldspruch wegen gefährlicher Drohung (I) ist der Mängelrüge (Z. 5) infolge der Berichtigung des Hauptverhandlungsprotokolls (ON. 43, S. 281 unten) mit dem Beschluß des Erstgerichts vom 3.Dezember 1987, ON. 58 (S. 333 f.), der Boden entzogen. Damit ist klargestellt, daß der Angeklagte die Verwirklichung des angedrohten Übels u.a. durch ihn selbst (und nicht durch W***) in Aussicht gestellt hat. Die Rechtsrüge vernachlässigt in ihrem ersten Teil (Z. 9 lit. a) mit der Behauptung, der Wortlaut der inkriminierten Äußerung erfülle als gefährliche Drohung "zumindest mit einer Verletzung am Körper" den Tatbestand des § 107 StGB. nicht, den viel weitergehenden Urteilssachverhalt (".... wir bringen alle Juden um ...."). Der zweite Teil der Rechtsrüge (Z. 9 lit. b) geht mit der Behauptung einer Volltrunkenheit des Angeklagten gleichfalls nicht von den Urteilsprämissen aus.

Auch die gegen den Schuldspruch wegen der absichtlichen schweren Körperverletzung (II) gerichtete Beschwerde greift nach keiner Richtung hin. Sie bestreitet nämlich bloß die schöffengerichtliche Beweiswürdigung, wenn sie der vom Senat als unglaubwürdig und lebensfremd abgelehnten Verantwortung des Angeklagten (S. 305 oben) zum Durchbruch verhelfen und auf dieser Basis für ihn Notwehr oder Putativnotwehr reklamieren will.

Auf dieses Beschwerdevorbringen (Bedrohung durch den Bruder mit dem Kopfabschneiden, Bereitlegen eines Küchenmessers zur beabsichtigten Verteidigung, Notwehr, Putativnotwehr) brauchte daher auch in Erledigung einer Rechtsrüge nicht weiter eingegangen zu werden, weil es auf einer urteilsfremden Grundlage beruht. Die Absicht des Angeklagten, seinen Bruder Karl I*** schwer zu verletzen, wurde nicht nur, wie die Beschwerde einräumt (S. 314), sowohl im Urteilstenor wie auch in den Gründen festgestellt; diese Konstatierung zur subjektiven Tatseite (§ 5 Abs. 2 StGB.) wurde vielmehr mit den zwei Verletzungen (S. 309; gemeint: den zwei Messerattacken: Stichen bzw. Schnitt: S. 302, 306 unten) der Beschwerde zuwider auch begründet. In diese Richtung zielt gleichermaßen der "gewisse Druck auf die Messerschneide", den der Angeklagte bei der Tat ausgeübt hat (S. 306; so der gerichtsärztliche Sachverständige: S. 293, der hier die Anwendung eines solchen Mittels auf solche Weise bejaht hat, womit in der Regel Lebensgefahr verbunden ist: S. 293 unten, 294 oben). Das von der Beschwerde vermißte Tatmotiv erblickte das Gericht darin, daß der Angeklagte über die Beschimpfungen durch seinen Bruder erbost war (S. 302). Schließlich wurde die Absicht des Angeklagten, seinen Gegner schwer zu verletzen, wie oben aufgezeigt, aus beiden Messerattacken abgeleitet. Es werden daher beide Angriffe auf Vorsatz zurückgeführt. Für eine Auseinandersetzung damit, daß "zumindest eine Verletzung ... durch eine unabsichtliche Reaktion" des Bruders "entstanden sein könnte" (S. 315), bestand demnach, weil sie angesichts des Vorgesagten auf eine Negativbegründung hinausliefe, keine Veranlassung (Harbich in RiZ. 1977 S. 146, rechte Spalte).

Da sohin weder die angerufenen noch sonst ein im § 281 Abs. 1 Z. 1 bis 11 StPO. aufgezählter Nichtigkeitsgrund zu prozeßordnungsgemäßer Darstellung gebracht wurde, war die Beschwerde schon bei einer nichtöffentlichen Beratung zurückzuweisen (§ 285 d Abs. 1 Z. 1 StPO. in Verbindung mit § 285 a Z. 2 StPO.). Mangels einer Sachentscheidung über die Nichtigkeitsbeschwerde entfällt die - ausnahmweise - Zuständigkeit des Obersten Gerichtshofs für die Erledigung der Berufung (§ 296 StPO.), weshalb die Akten dem Oberlandesgericht Wien als zuständigem Gerichtshof zweiter Instanz zur Entscheidung über die Berufung zuzuleiten waren (RiZ. 1970 S. 17, 18; 1973 S. 70; EvBl. 1981 Nr. 46; JBl. 1985 S. 565; RiZ. 1987/48 S. 180, linke Spalte, u.a.).

Anmerkung

E12702

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1987:0130OS00143.87.1217.000

Dokumentnummer

JJT_19871217_OGH0002_0130OS00143_8700000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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