Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 22.Dezember 1987 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Piska als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kießwetter, Dr. Walenta, Dr. Felzmann und Dr. Rzeszut als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Samek als Schriftführerin in der Strafsache gegen Albert Josef K*** wegen des Vergehens des schweren Betruges nach den §§ 146, 147 Abs. 2 StGB über die von der Generalprokuratur gegen den Beschluß des Einzelrichters des Landesgerichtes Salzburg vom 19.März 1984, GZ 21 E Vr 846/82-24, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, des Generalanwaltes Dr. Wasserbauer, jedoch in Abwesenheit des Angeklagten zu Recht erkannt:
Spruch
Der Beschluß des Einzelrichters des Landesgerichtes Salzburg vom 19. März 1984, GZ 21 E Vr 846/82-24, mit welchem die dem Albert Josef K*** gewährte bedingte Strafnachsicht zwar nicht widerrufen, die Probezeit jedoch gemäß dem § 53 StGB auf insgesamt fünf Jahre (das ist bis zum 24.November 1987) verlängert wurde, verletzt das Gesetz in den Bestimmungen der §§ 495 Abs. 3; 270 Abs. 2 Z 5 StPO. Dieser Beschluß sowie alle ihm folgenden Beschlüsse, Anordnungen und Verfügungen, insbesondere der Beschluß des genannten Gerichtes vom 16.September 1987, GZ 21 E Vr 846/82-38, mit welchem die bedingte Strafnachsicht widerrufen wurde, werden aufgehoben und es wird gemäß den §§ 292, 288 Abs. 2 Z 3 StPO in der Sache selbst erkannt:
Der Antrag der Staatsanwaltschaft Salzburg vom 15.März 1984 auf Verlängerung der Probezeit auf fünf Jahre wird abgewiesen. Albert Josef K*** wird mit seiner Beschwerde gegen den Widerrufsbeschluß vom 16.September 1987 auf diese Entscheidung verwiesen.
Text
Gründe:
Mit dem in Rechtskraft erwachsenen Urteil des Landesgerichtes Salzburg vom 24.November 1982, GZ 21 E Vr 846/82-19, wurde der am 31. Mai 1945 geborene Albert Josef K*** des Vergehens des schweren Betruges nach den §§ 146, 147 Abs. 2 StGB schuldig erkannt und hiefür - unter Bedachtnahme gemäß den §§ 31, 40 StGB auf das Urteil des Bezirksgerichtes Salzburg vom 23.März 1981, AZ 27 U 620/81 - zu einer viermonatigen, gemäß dem § 43 Abs. 1 StGB unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe verurteilt; die Vorhaft vom 4.Oktober 1982, 15,30 Uhr, bis 24.November 1982, 11,15 Uhr wurde gemäß dem § 38 Abs. 1 StGB auf die verhängte Strafe angerechnet.
Auf Grund neuerlicher Verurteilung wegen des Vergehens der Körperverletzung nach dem § 83 Abs. 1 StGB mit Strafverfügung des Bezirksgerichtes Linz vom 23.Jänner 1984, GZ 18 U 108/84-5, faßte das Landesgericht Salzburg am 19.März 1984 in Entsprechung eines Antrages der Staatsanwaltschaft vom 15.März 1984 ohne Anhörung des Verurteilten den Beschluß, daß die bedingte Strafnachsicht nicht widerrufen, die Probezeit jedoch gemäß dem § 53 StGB auf insgesamt fünf Jahre, das ist bis zum 24.November 1987, verlängert wird (ON 24 des Aktes 21 E Vr 846/82 des Landesgerichtes Salzburg). Diese keine Begründung aufweisende Entscheidung erwuchs infolge Beschwerdeverzichtes durch die Staatsanwaltschaft Salzburg und mangels Erhebung einer Beschwerde durch Albert Josef K*** in Rechtskraft.
Zufolge mehrerer Nachverurteilungen widerrief das Landesgericht Salzburg mit Beschluß vom 16.September 1987 gemäß dem § 53 Abs. 1 StGB die bedingte Strafnachsicht (ON 38 des vorzitierten Aktes). Über die dagegen von Albert Josef K*** erhobene Beschwerde erging bisher keine Entscheidung.
Rechtliche Beurteilung
Der die Probezeit verlängernde Beschluß steht in zweifacher Hinsicht mit dem Gesetz nicht im Einklang:
Die Bestimmung des § 495 Abs. 3 StPO verpflichtet das Gericht im Widerrufsverfahren vor seiner Entscheidung, worunter auch die bloße Verlängerung der Probezeit (bei Abstandnahme vom Widerruf der bedingten Strafnachsicht) fällt (siehe Mayerhofer-Rieder StPO2, Anmerkung 3 zu § 495 StPO sowie § 498 Abs. 1 StPO), zum Parteiengehör; ein Absehen von der Anhörung des Verurteilten ist nur bei unverhältnismäßigem Aufwand zulässig. Die im vorliegenden Fall unterbliebene Anhörung des Verurteilten war jedoch im Hinblick auf die aktenkundige Kenntnis der inländischen Wohnadresse (die auch eine umgehende Zustellung des Beschlusses ermöglichte) nicht gerechtfertigt.
Darüberhinaus läßt der Beschluß des Landesgerichtes Salzburg die für die Verlängerung der Probezeit maßgebenden Gründe vermissen. Die bloße Bezugnahme auf die neuerliche Verurteilung kann die fehlende Begründung nicht ersetzen. Die in § 270 Abs. 2 Z 5 StPO normierte Begründungspflicht verurteilender Erkenntnisse ist nicht nur auf Urteile, sondern mangels einer anderweitigen gesetzlichen Regelung sinngemäß auch auf Beschlüsse anzuwenden, welche die für die Entscheidung maßgebenden Gründe gleichfalls bestimmt und unmißverständlich anzugeben haben (siehe hiezu Mayerhofer-Rieder StPO2 ENr 72 zu § 270 und die dort zitierte Judikatur; weiters ÖJZ-LSK 1987/30 = EvBl 1987/98 sowie Bertel, Grundriß des österreichischen Strafprozeßrechts2, RN 197; Harbich, Der Beschluß im Strafprozeß und seine Begründung, in RZ 1977 S 142 ff). Die aufgezeigte Unterlassung stellt somit einen Verstoß gegen die auch für Beschlüsse geltende Begründungspflicht dar.
Die formale Verletzung der Vorschriften des § 495 Abs. 3 StPO sowie des § 270 Abs. 2 Z 5 StPO hätten an sich nur eine entsprechende Feststellung des Obersten Gerichtshofes erfordert. Da die unterbliebene Anhörung des Verurteilten vor Verlängerung der Probezeit und die Verletzung der Begründungspflicht dem Verurteilten hier jedoch tatsächlich zum Nachteil gereichten, war der Entscheidung konkrete Wirkung zuzuerkennen. Nach Lage des Falles war - bei der gebotenen ex-ante Betrachtung - im Hinblick auf den relativ geringen Tatunwert des innerhalb der (ursprünglichen) Probezeit begangenen, nicht einschlägigen Deliktes (vgl ON 5 in 18 U 108/84 des Bezirksgerichtes Linz) auch ein Absehen von der Verlängerung bzw die Anordnung in geringerem Ausmaß denkbar bzw hätte eine Begründung des Beschlusses Albert Josef K*** zur Ausübung seines Beschwerderechts veranlassen können. Mit der Feststellung der Verletzung des Gesetzes in den angeführten Verfahrensvorschriften war daher gemäß dem § 292, letzter Satz, StPO die Aufhebung der die Probezeit verlängernden und die bedingte Strafnachsicht widerrufenden Beschlüsse zu verbinden. Eine neuerliche Entscheidung durch das Erstgericht kommt nicht mehr in Betracht, weil die Fristen des § 56 StGB inzwischen abgelaufen sind. Der von der Generalprokuratur gemäß dem § 33 Abs. 2 StPO erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes war daher stattzugeben und spruchgemäß zu erkennen.
Anmerkung
E12688European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1987:0110OS00166.87.1222.000Dokumentnummer
JJT_19871222_OGH0002_0110OS00166_8700000_000