TE OGH 1988/1/12 2Ob703/87

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Veröffentlicht am 12.01.1988
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Scheiderbauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kralik, Dr. Melber, Dr. Kropfitsch und Dr. Huber als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Silvia L***, geboren am 18. Mai 1942 in Wien, Haushalt, Staglgasse 3/8, 1150 Wien, vertreten durch Dr. Wolfgang Völkl, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Gerhard L***, geboren am 17. April 1941 in Wien, derzeit arbeitslos, Staglgasse 3/8, 1150 Wien, vertreten durch Dr. Hildegard Hartung, Rechtsanwalt in Wien, wegen Ehescheidung, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 31. August 1987, GZ 14 R 130/87-14, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien vom 11. Februar 1987, GZ 22 Cg 270/86-7, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei hat der klagenden Partei die mit S 3.397,35 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten S 308,85 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Streitteile haben am 30. Juli 1980 vor dem Standesamt Wien-Hietzing die Ehe geschlossen. Bei der Klägerin ist es dritte, beim Beklagten die zweite Ehe. Beide sind österreichische Staatsbürger. Der Ehe entstammen keine Kinder. Der letzte gemeinsame gewÄhnliche Aufenthaltsort der Ehegatten ist in Wien 15., Staglgasse 3.

Die Klägerin begehrte die Scheidung der Ehe aus dem Verschulden des Beklagten. Sie brachte vor, der Beklagte konsumiere seit langer Zeit übermäßig Alkohol. Aus diesem Grund komme es zu Streitigkeiten, bei denen der Beklagte gegen sie auch tätlich geworden sei. Der Beklagte beteiligte sich nicht am Verfahren erster Instanz. Das Erstgericht schied die Ehe aus dem Verschulden des Beklagten. Es stellte folgenden wesentlichen Sachverhalt fest:

Der Beklagte befand sich von Dezember 1980 bis Oktober 1981 wegen Diebstahls in Haft. Er hatte schon vorher fallweise dem Alkohol zugesprochen, was von der Klägerin vorerst aber nicht als störend empfunden wurde. Nach seiner Haftentlassung begann er dem Alkohol regelmäßiger zuzusprechen, insbesondere nach Arbeitsschluß. Wegen Trunkenheit am Steuer wurde dem Beklagten der Führerschein entzogen. Der Beklagte kam in der Folge fast täglich nach der Arbeit betrunken nach Hause und attackierte die Klägerin ohne Grund oder aus nichtigen Anlässen mit Worten aggressiv und beschimpfte sie mit Ausdrücken wie Hure, Schlampe etc. In der Zeit vom 19. Oktober bis 25. November 1983 unterzog sich der Beklagte einer Entziehungskur, nahm nach 14 Tagen aber seine Trinkgewohnheiten wieder auf und setzte sein geschildertes Verhalten fort. Am 31. Jänner 1984 überreichte die Klägerin die Scheidungsklage. Da der Beklagte Besserung versprach, ließ die Klägerin mehrmals Ruhen des Verfahrens eintreten und gewährte dem Beklagten jeweils eine Chance zur Änderung seiner Trinkgewohnheiten. Nach kurzfristigen Unterbrechungen nahm der Beklagte seine Trinkgewohnheiten immer wieder auf.

Rechtlich beurteilte das Erstgericht diesen Sachverhalt dahin, der Beklagte habe schwere Eheverfehlungen begangen, durch seine Trunksucht sei die Ehe unheilbar zerrüttet worden.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Beklagten nicht Folge. Es gelangte zu dem Ergebnis, das Verfahren sei nicht deshalb mangelhaft, weil der Beklagte als Partei und eine von der Klägerin beantragte Zeugin nicht vernommen worden seien. Da der Beklagte am erstgerichtlichen Verfahren nicht teilgenommen habe, habe er es verhindert, daß für seinen Standpunkt sprechende Beweise aufgenommen worden seien. Auf das in der Berufung enthaltene Tatsachenvorbringen könne wegen des Neuerungsverbotes nicht Bedacht genommen werden. Die Beweiswürdigung des Erstgerichtes sei unbedenklich. Zur Rechtsfrage führte das Berufungsgericht aus, Trunksucht als Verletzung der Pflicht zur anständigen Begegnung oder als ehrloses und unsittliches Verhalten, selbst wenn es öffentlich nicht in Erscheinung trete, stelle grundsätzlich eine schwere Eheverfehlung dar, wobei es allerdings auf die Umstände des Einzelfalles ankomme. Im vorliegenden Fall habe der Beklagte dem Alkohol in einem exzessiven Ausmaß zugesprochen, obwohl er aus Erfahrung habe wissen müssen, daß er sich in trunkenem Zustand zu verbotenen und handgreiflichen Aggressionsakten gegen die Klägerin hinreißen lassen würde. Die vom Erstgericht als erwiesen angenommene Trunksucht des Beklagten stelle somit zweifellos eine schwere Eheverfehlung dar, die auch in den Kreisen der Streitteile bei einem selbst mit rechter ehelicher Gesinnung erfüllten und dabei auch zur Nachsicht bereiten Ehegatten eine völlige Entfremdung herbeiführen würde. Daß die Klägerin zur Nachsicht bereit gewesen sei, zeige der Umstand, daß sie wegen der Trunksucht des Beklagten die Ehescheidungsklage bereits am 31. Jänner 1984 eingebracht, das Verfahren aber mehrmals ruhen gelassen habe, weil der Beklagte eine Besserung des Verhaltens versprochen habe, ohne daß jedoch eine solche eingetreten wäre. Der Beklagte bekämpft das Urteil des Berufungsgerichtes mit Revision, macht die Anfechtungsgründe der Mangelhaftigkeit des Verfahrens und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung geltend und beantragt, das angefochtene Urteil dahin abzuändern, daß das Klagebegehren abgewiesen werde. Hilfsweise stellt der Beklagte einen Aufhebungsantrag.

Die Klägerin beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Mit den Ausführungen zum Revisionsgrund der Mangelhaftigkeit des Verfahrens werden Mängel des Verfahrens erster Instanz gerügt, die vom Berufungsgericht nicht als solche erkannt worden sind. Derartige Mängel können nach ständiger Rechtsprechung mit der Revision nicht neuerlich geltend gemacht werden, und zwar auch nicht im Ehescheidungsverfahren, welches nicht mehr der Offizialmaxime unterliegt (EFSlg. 49.388 uva, zuletzt 6 Ob 616/87). Die Behauptung, das Berufungsgericht habe in der Berufung enthaltene Ausführungen zu Unrecht mit der Begründung, es handle sich um Neuerungen, nicht beachtet, ist nicht richtig. Da der Beklagte in erster Instanz kein Vorbringen erstattete, keine Beweismittel anbot und keine Anträge stellte, verstoßen seine Berufungsausführungen, die zwischen den Ehegatten bestehenden Spannungen seien auf das Verhalten der Klägerin und ihres Sohnes aus erster Ehe zurückzuführen, tatsächlich gegen das Neuerungsverbot, weshalb das Berufungsgericht darauf mit Recht nicht eingegangen ist. Soweit der Beklagte bei der Rechtsrüge davon ausgeht, bei seinem Hang zum Alkohol handle es sich nur um Reaktionen auf das Verhalten der Beklagten, die Klägerin habe die Beschimpfungen nicht als ehezerstörend empfunden, geht er nicht vom festgestellten Sachverhalt aus und führt den Anfechtungsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung daher nicht dem Gesetz entsprechend aus. Daß Alkoholmißbrauch eine schwere Eheverfehlung und einen Ehescheidungsgrund nach § 49 EheG darstellt, entspricht der ständigen Rechtsprechung (EFSlg. 43.610, 48.730, 1 Ob 717, 718/85 uva). Der Umstand, daß der Beklagte nahezu täglich betrunken nach Hause kam und die Klägerin in diesem Zustand grundlos oder aus nichtigen Anlässen beschimpfte, rechtfertigt daher das Ehescheidungsbegehren. Die Ausführungen des Revisionswerbers, er sei nicht uneinsichtig und unbelehrbar, sind schon deshalb nicht zielführend, weil die Klägerin ohnedies mehrmals das Verfahren ruhen ließ, um dem Beklagten Gelegenheit zu geben, sich zu ändern, der Beklagte sein ehewidriges Verhalten aber immer wieder nach kurzer Zeit fortsetzte. Den Ausführungen, eine Wiederherstellung einer dem Wesen der Ehe entsprechenden Lebensgemeinschaft sei nicht ausgeschlossen, weil der Beklagte sein Verhalten erkenne und ein solches in Zukunft vermeiden möchte, ist zu erwidern, daß eine unheilbare Ehezerrüttung anzunehmen ist, wenn die geistige, seelische und körperliche Gemeinschaft zwischen den Ehegatten objektiv und wenigstens bei einem Ehegatten auch subjektiv zu bestehen aufgehört hat (EFSlg. 43.629, 48.763 ua). Es genügt, daß der klagende Ehegatte die eheliche Gesinnung verloren hat (EFSlg. 48.764 ua). Die Absicht des Beklagten, die Ehe fortzusetzen und sein Verhalten zu ändern, vermag an der unheilbaren Zerrüttung der Ehe daher nichts zu ändern.

Aus diesen Gründen mußte der Revision ein Erfolg versagt bleiben. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.

Anmerkung

E12745

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1988:0020OB00703.87.0112.000

Dokumentnummer

JJT_19880112_OGH0002_0020OB00703_8700000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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