Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Resch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Mag. Engelmaier und Dr. Bauer sowie die fachkundigen Laienrichter Peter Pulkrab und Dr. Franz Trabauer als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Margarete N***, 1100 Wien, Quellenstraße 111/22, vertreten durch Dr. Hans Schwarz, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei P*** DER A***, 1021 Wien, Friedrich
Hillegeist-Straße 1, vor dem Obersten Gerichtshof nicht vertreten, wegen Hilflosenzuschuß, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 10. Juli 1987, GZ 32 Rs 129/87-22, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 19. März 1987, GZ 18 b Cgs 238/86-18, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die Klägerin hat die Kosten des Revisionsverfahrens selbst zu tragen.
Text
Entscheidungsgründe:
Das Erstgericht wies das Klagebegehren, die beklagte Partei sei schuldig, der Klägerin den Hilflosenzuschuß zur Berufsunfähigkeitspension ab Antragstag (9. Mai 1986) zu gewähren, ab. Es stellte im wesentlichen folgenden Sachverhalt fest:
Die Klägerin ist nicht mehr in der Lage, die Wohnung groß gründlich zu machen, Leitern zu besteigen, Fenster zu putzen, längere Gehstrecken etwa über einen halben Kilometer zurückzulegen. Sie kann auch bei Kälte nicht einkaufen, bei einer Temperatur, die niedriger liegt als minus 5 Grad, kann die Klägerin höchstens einige Schritte gehen. Im übrigen besteht keine Beeinträchtigung zur Ausführung der Verrichtungen des täglichen Lebens.
Rechtlich beurteilte das Erstgericht den festgestellten Sachverhalt dahin, daß dann, wenn die Unterstützung des Pensionisten durch einen Dritten nur zur Besorgung von Lebensmitteln (und allenfalls Medikamenten) erforderlich sei, dieses Bedürfnis nicht als ständig im Sinn des § 105 a ASVG zu qualifizieren sei. Die Klägerin bedürfe wohl der Hilfe anderer, doch erreiche dies nicht die Grenze, die Gesetz und Judikatur für die Gewährung des Hilflosenzuschusses ziehen.
Das Berufungsgericht gab der von der Klägerin gegen dieses Urteil erhobenen Berufung nicht Folge. Es verneinte das Vorliegen von Verfahrensmängeln, billigte die Beweiswürdigung des Erstgerichtes und führte aus, der Umstand, daß die Klägerin nicht imstande sei, Lebensmittel herbeizuschaffen, stelle die Voraussetzung für die Gewährung des Hilflosenzuschusses nicht her, da zwischen diesen Hilfeleistungen große zeitliche Zwischenräume liegen, was eine wesentliche Unterbrechung im Bedarf nach fremder Hilfe zur Folge habe. Der Bedarf nach ständiger Beiziehung einer dritten Person für die der Hilfe zuzuordnenden lebenswichtigen Verrichtungen sei nicht gegeben.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der Klägerin aus dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, es im Sinne einer Klagestattgebung abzuändern; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Die beklagte Partei hat sich am Revisionsverfahren nicht beteiligt.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist nicht berechtigt.
Nach der grundlegenden Entscheidung des Obersten Gerichtshofes vom 22. Oktober 1976, 10 Ob S 46/87, liegt Hilflosigkeit im Sinn der Bestimmung des § 105 a ASVG dann vor, wenn der Rentner oder Pensionist nicht in der Lage ist, auch nur einzelne dauernd wiederkehrende lebensnotwendige Verrichtungen selbst auszuführen. Aus der Höhe und dem Zweck des Hilflosenzuschusses ergebe sich allerdings, daß ein Bedürfnis nach ständiger Wartung und Hilfe nur dann angenommen werden könne, wenn die für die notwendigen Dienstleistungen nach dem Lebenskreis des Leistungsbeziehers üblicherweise aufzuwendenden und daher nicht bis ins einzelne, sondern nur überschlagsmäßig (vgl. § 273 ZPO) festzustellenden Kosten im Monatsdurchschnitt mindestens so hoch seien wie der begehrte Zuschuß. Bei der Frage, ob es sich um notwendige Dienstleistungen handle, müßten die dem Hilfsbedürftigen tatsächlich zur Verfügung stehenden Hilfsmittel berücksichtigt werden. Da jedoch auch von einem Hilflosen erwartet werden müsse, daß er einen Standard halte, der unter nicht hilflosen Beziehern gleich hoher Einkommen im selben Lebenskreis üblich ist, sei bei der Schätzung des notwendigen Dienstleistungsaufwandes mindestens dieser Standard zugrunde zu legen.
Die in großstädtischen Verhältnissen lebende Klägerin kann von den lebensnotwendigen Verrichtungen nur das Einkaufen und das Großreinemachen sowie Putzen von Fenstern nicht allein ausführen. Alle diese Verrichtungen sind nur in - mehr oder weniger großen - Abständen notwendig. Dies gilt wegen der heute üblichen Ausstattung der Haushalte mit einem Kühlschrank auch für die Besorgung von Lebensmitteln. Es ist unter diesen Umständen auszuschließen, daß der Aufwand, der nach dem Lebenskreis der Klägerin üblicherweise entsteht, wenn die Verrichtungen durch Dritte besorgt werden, im Monatsdurchscnitt auch nur annähernd S 2.840,-- (so hoch wäre der derzeitige monatliche Durchschnitt des Mindesthilflosenzuschusses) erreicht. Der Klägerin gebührt daher kein Hilflosenzuschuß zu ihrer Pension, weshalb die Vorinstanzen das Klagebegehren mit Recht abgewiesen haben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG.
Anmerkung
E12912European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1988:010OBS00119.87.0112.000Dokumentnummer
JJT_19880112_OGH0002_010OBS00119_8700000_000