TE OGH 1988/1/13 9ObA179/87

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Veröffentlicht am 13.01.1988
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Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon-.Prof.Dr. Kuderna als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Gamerith und Dr. Bauer sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Carl Hennrich und Dr. Bernhard Schwarz als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Robert F***, Schlosser, 4020 Linz, Dürerstraße 7, vertreten durch Dr. Bernhard S***, Kammer für Arbeiter und Angestellte für Oberösterreich, dieser vertreten durch Dr. Alfred Eichler, Rechtsanwalt in Linz, wider die beklagte Partei prot. Firma Felix W***, Tore- und Türenfabrik, 4020 Linz, Kapuzinerstraße 84, vertreten durch Dr. Hans Hochleitner, Dr. Josef Broingner und Dr. Johannes Hochleitner, Rechtsanwälte in Eferding, wegen S 22.133,43 brutto sA, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 27. August 1987, GZ 13 Ra 1054/87-14, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes Linz als Arbeits- und Sozialgericht vom 3. April 1987, GZ 14 Cga 25/87-8, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 2.719,20 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten S 247,20 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger war ab 10. Juli 1986 bei der beklagten Partei als Schlosser beschäftigt. Am Morgen des 16. Juli 1986 erlitt der Kläger auf dem Weg zur Arbeit einen Unfall, indem er mit dem Fuß umknickte. Er begab sich zunächst zu seiner Wohnung und versuchte vorerst, die Schwellung des Fußes mit Umschlägen zu behandeln, suchte jedoch am Vormittag desselben Tages das Unfallkrankenhaus auf, wo ihm ein Gipsverband angelegt wurde. Er war wegen dieser Verletzung vom 16. Juli 1986 bis 1. September 1986 im Krankenstand. Gegen Mittag des 16. Juli 1986 rief der Kläger die beklagte Partei an, ließ sich von der Telefonzentrale an seinen unmittelbaren Vorgesetzten, den Vorarbeiter und Gruppenleiter G*** verbinden und berichtete ihm von dem Unfall, ferner daß er deshalb einen Gipsverband erhalten habe und sich wieder melden werde, wenn er gesund sei. Ausdrücklich ersuchte er G***, die Erkrankung im Büro zu melden, was dieser auch zusagte. Dem für die Lohn- und Gehaltsverrechnung und das Personalwesen zuständigen Angestellten der beklagten Partei V*** wurde der Krankenstand des Klägers aber nicht gemeldet. Einige Tage später erfuhr V*** vom Angestellten H***, daß der Kläger nicht mehr zur Arbeit erschienen sei, worauf ein vorzeitiger Austritt angenommen und der Kläger per 15. August 1986 (ausgehend von einer Dauer des Arbeitsverhältnisses bis 15. Juli 1986) abgerechnet wurde. Diese Abrechnung wurde dem Kläger am 18. August 1986 zugesandt. Der Kläger begehrt die Zahlung des der Höhe nach nicht mehr strittigen Betrages von S 22.133,43 brutto an Entgeltfortzahlung bis 29. August 1986 zuzüglich anteiliger Sonderzahlungen und Urlaubsabfindung. Ein Teilbetrag des Klagebegehrens von S 414,-- brutto wird darauf gestützt, daß dem Kläger für die Zeit seiner tatsächlichen Arbeitsleistung (10. Juli 1986 bis 15. Juli 1986) eine zugesagte 20 %ige Zulage nicht ausgezahlt worden sei; in diesem Punkt blieb die stattgebende Entscheidung der Vorinstanzen im Revisionsverfahren unbekämpft.

Die beklagte Partei beantragte die Abweisung der Klage. Der Kläger habe keinen Anspruch auf Entgeltfortzahlung, weil er der beklagten Partei seinen Arbeitsunfall nicht gemeldet habe. Das Erstgericht gab dem Begehren des Klägers statt. Ausgehend von dem eingangs dargestellten Sachverhalt führte es aus, daß das krankheitsbedingte Fernbleiben des Klägers von der Arbeit nicht als vorzeitiger Austritt zu qualifizieren sei. Dem Kläger sei es nicht als Verschulden zuzurechnen, daß er seinen Krankenstand nicht im Büro, sondern seinem unmittelbaren Vorgesetzten G*** mitgeteilt habe. Die in der Zusendung der Arbeitspapiere am 18. August 1986 zu erblickende Entlassung sei wegen des Krankenstandes des Klägers ungerechtfertigt gewesen. Der Kläger habe daher mit Rücksicht auf die Kündigungsfrist des Kollektivvertrages Anspruch auf Entgeltfortzahlung bis 29. August 1986.

Das Berufungsgericht gab der Berufung nicht Folge und erklärte die Revision für zulässig. Es stellte ergänzend fest, daß bei der beklagten Partei während des Arbeitsverhältnisses des Klägers ca. 160 Dienstnehmer beschäftigt waren und billigte die Rechtsansicht des Erstgerichtes, daß die telefonische Bekanntgabe des Wegunfalles durch den Kläger an seinen unmittelbaren Vorgesetzten eine im Sinn des § 4 Abs 1 EFZG wirksame und ausreichende Mitteilung der Arbeitsverhinderung gewesen sei, zumal der Vorarbeiter G*** zugesagt habe, die Meldung an das Büro weiterzugeben.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der beklagten Partei aus dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung im Sinne einer Klageabweisung abzuändern.

Der Kläger beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Die Revisionswerberin wendet sich gegen die Rechtsansicht des Berufungsgerichtes, daß die fernmündliche Bekanntgabe des Unfalles durch den Kläger an seinen Vorarbeiter eine im Sinn des § 4 Abs 1 EFZG ausreichende Mitteilung der Arbeitsverhinderung gewesen sei. Bei Prüfung der Frage, ob dieser gesetzlichen Verpflichtung entsprochen worden sei, komme der Betriebsgröße - die beklagte Partei habe damals 160 Dienstnehmer beschäftigt - sowie der Betriebsstruktur - bei der beklagten Partei sei ein eigenes Personalbüro eingerichtet - wesentliche Bedeutung zu. Der Dienstnehmer werde seiner Verpflichtung nur dann gerecht, wenn er die Mitteilung von der Arbeitsverhinderung an die nach der inneren Organisation hiefür zuständige Stelle, hier die Personalabteilung, richte.

Diesen Ausführungen kann nicht gefolgt werden.

Die Anzeige einer Arbeitsverhinderung ist gemäß § 4 Abs 1 EFZG an den Dienstgeber zu richten. Nach den Feststellungen der Vorinstanzen - soweit die Revisionswerberin diese in Zweifel zieht, bekämpft sie in unzulässiger Weise die Tatsachengrundlage - hat der Kläger, der am 16. Juli 1986 einen Arbeitsunfall erlitten hatte, die dadurch bedingte Dienstverhinderung seinem Vorarbeiter G*** telefonisch mitgeteilt. Nach der Empfangstheorie des § 862 a ABGB ist eine Erklärung einem Adressaten dann zugekommen, wenn nach dem Einlangen der Erklärung im Machtbereich des Empfängers dessen Kenntnisnahme regelmäßig, also unter normalen Umständen erwartet werden kann (SZ 57/181 mwH) und Störungen, die sich ihr entgegenstellen sollten, nur mehr im Lebensbereich des Adressaten möglich sind (1 Ob 675/80). Wird eine Mitteilung über eine Dienstverhinderung an die in der betrieblichen Hierarchie unmittelbar übergeordnete Person gerichtet, so ist nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge, insbesonders wenn der Vorgesetzte wie im vorliegenden Fall die Weiterleitung zusagte, zu erwarten, daß sie auch der nach der inneren Organisation zuständigen Stelle zukommt. Auch der Umstand, daß die Größe des Unternehmens über den Umfang eines Kleinbetriebes hinausgeht und daß eine eigene Personalabteilung eingerichtet ist, ändert hieran nichts. Dafür, daß dem Kläger etwa ausdrücklich mitgeteilt worden wäre, daß er Meldungen dieser Art ausschließlich im Personalbüro zu erstatten habe, bietet das Verfahren keinen Anhaltspunkt, sodaß eine Auseinandersetzung mit der Frage, ob der Arbeitgeber von sich aus dem Kreis der Personen, an die solche Mitteilungen zu erstatten sind, wirksam beschränken kann, entbehrlich ist. Allein aus der Einrichtung eines Personalbüros, kann eine solche Beschränkung nicht abgeleitet werden. Wenn ein Betrieb eine unmittelbar überschaubare Größe übersteigt, so besteht, wie auch im vorliegenden Fall, durch die betriebliche Hierarchie eine direkte Verbindung des einzelnen Arbeitnehmers zur Leitung des Unternehmens, zu den in diesem Bereich bestehenden organisatorischen Zentralstellen und es kann regelmäßig davon ausgegangen werden, daß Informationen auf diesem Weg weitergeleitet werden. Wird dieser Informationsfluß dadurch unterbrochen, daß eine in diese Hierarchie eingeordnete Person eine Mitteilung nicht weitergibt, so handelt es sich um einen Umstand, der im Bereich des Unternehmens liegt und dem Arbeitgeber zuzurechnen ist. Der Kläger hat durch die Mitteilung seiner Dienstverhinderung an seinen Vorgesetzten seiner Verpflichtung nach § 4 Abs 1 EFZG entsprochen. Daß diese Mitteilung nicht an die innerbetrieblich zuständige Stelle weitergeleitet wurde, lag ausschließlich im Bereich der beklagten Partei.

Der Revision mußte daher ein Erfolg versagt bleiben. Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO.

Anmerkung

E13053

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1988:009OBA00179.87.0113.000

Dokumentnummer

JJT_19880113_OGH0002_009OBA00179_8700000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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