TE OGH 1988/1/13 9ObS35/87

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Veröffentlicht am 13.01.1988
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon-.Prof.Dr. Kuderna als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Gamerith und Dr. Bauer sowie die fachkundigen Laienrichter aus dem Kreise der Arbeitgeber Dr. Carl Hennrich und Dr. Pipin Henzl als Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Friedrich F***, Kaufmann, Hermagor, Hauptstraße 42, vertreten durch Dr. Franz Glantschnig, Rechtsanwalt in Hermagor, wider die beklagte Partei A*** U***, Wien 2., Adalbert Stifter-Straße 65,

vertreten durch Dr. Adolf Fiebich, Dr. Vera Kremslehner und Dr. Josef Milchram, Rechtsanwälte in Wien, wegen Versehrtenrente (Schwerversehrtenzuschlag), infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 22. Juli 1987, GZ 8 Rs 1081/87-59, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt als Arbeits- und Sozialgerichtes vom 10. März 1987, GZ 31 Cgs 69/87-54, in der Hauptsache bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Der Kläger hat die Kosten des Revisionsverfahrens selbst zu tragen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger erlitt im zweiten Weltkrieg einen Schußbruch des linken Oberschenkels. Wegen der Folgen dieser Verletzung sowie einer Arthrose des linken Kniegelenkes und ausgedehnter Narben am linken Unterschenkel bezieht er eine Invalidenrente nach dem KOVG, wobei die Minderung der Erwerbsfähigkeit mit 50 v.H. festgelegt wurde. Am 8. Februar 1983 brach er sich den linken Oberschenkel neuerlich im Bereich des knöchern verheilten Schußbruches. Die Minderung der Erwerbsfähigkeit des Klägers während seiner stationären Behandlung im Allgemeinen Unfallkrankenhaus Klagenfurt in der Zeit vom 8. Februar 1983 bis 16. Mai 1983 betrug 100 v.H. vom 17 Mai 1983 bis 31. Juli 1986 unter Berücksichtigung der schon vor dem Unfall vom 8. Februar 1983 bestandenen geminderten Erwerbsfähigkeit 20 v.H. und für die Zeit danach 10 v.H.

Der Kläger begehrte die beklagte Partei zu verpflichten, ihm eine Versehrtenrente (neben einer Beschädigtenrente von 50 v.H.) von 50 v.H. für die Zeit vom 1. Mai 1983 bis 14. November 1983, von 20 v.H. für die Zeit vom 14. November 1983 bis 1. Juli 1984, von 50 v.H. vom 2. Juli 1984 bis 4. Februar 1985, von 20 v.H. vom 5. Februar 1985 bis 30. Juli 1986 und von 10 v.H. vom 1. August 1986 sowie eine Zusatzrente für Schwerversehrte in der Höhe von 20 v.H. der Summe seiner Versehrtenrenten zu leisten.

Das Erstgericht gab dem Begehren des Klägers teilweise statt, verpflichtete die beklagte Partei zur Leistung einer Versehrtenrente in der Höhe der Vollrente für die Zeit vom 9. April 1983 bis 16. Mai 1983, einer Teilrente im Ausmaß von 20 v.H. der Vollrente für die Zeit vom 17. Mai 1983 bis 31. Juli 1986 und einer Versehrtenrente im Ausmaß von 10 v.H. der Vollrente ab 1. August 1986. Das Mehrbegehren auf Gewährung einer Zusatzrente (Schwerversehrtenzuschlag) nach § 205 a ASVG für die Zeit ab 17. Mai 1983 wies es ab, weil die Beschädigtenrente nach dem KOVG nicht als Versehrtenrente im Sinn des § 205 a Abs 4 ASVG anzusehen sei und für die Zeit vom 9. April 1983 bis 16. Mai 1983 die Voraussetzungen für die Gewährung einer solchen Zusatzrente deshalb nicht vorlägen, weil dieser Zeitraum drei Monate nicht übersteige. Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers nicht Folge. Eine Beschädigtenrente nach dem KOVG sei keine Versehrtenrente im Sinn des § 205 Abs 4 ASVG. Das Vorliegen einer anerkannten Schädigung nach dem KOVG sei zwar bei Festsetzung einer Versehrtenrente nach § 210 ASVG zu berücksichtigen, könne aber nicht die Eigenschaft als Schwerversehrter im Sinn des § 205 Abs 4 ASVG begründen. Wenn der Gesetzgeber eine anerkannte Schädigung nach dem KOVG in die Bestimmung des § 205 Abs 4 ASVG hätte einbeziehen wollen, so hätte dies entsprechend zum Ausdruck gebracht werden müssen, wobei sich eine sinngemäß mit § 210 ASVG gleichlautende Formulierung angeboten hätte.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision des Klägers aus dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, die Entscheidung dahingehend abzuändern, daß dem Begehren auf Gewährung einer Zusatzrente für Schwerversehrte stattgegeben werde; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt. Die beklagte Partei beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Der Revisionswerber bekämpft die Rechtsansicht der Vorinstanzen, daß eine Beschädigtenrente nach dem KOVG nicht als Rentenleistung nach § 205 Abs 4 ASVG anzusehen und daher eine Zusammenrechnung mit nach dem ASVG gewährten Versehrtenrenten nicht möglich sei. Nach der inneren Logik und Systematik des ASVG spreche alles dafür, daß Folgen einer Kriegsverletzung bei Zusammentreffen mit Folgen eines Unfalles, die zu einer Berentung nach dem ASVG führten, mit diesen gemeinsam zu betrachten und einzuschätzen seien. Die unterschiedliche Textierung der Bestimmungen des § 205 Abs 4 ASVG und des § 210 ASVG spreche nicht für ein differentes Regelungsziel, sondern sei nur das Ergebnis einer historischen Entwicklung; der genauen Ausformulierung des § 205 Abs 4 ASVG sei offenbar vom Gesetzgeber nicht diesselbe Aufmerksamkeit zuteilgeworden wie der Fassung des § 210 ASVG.

Diesen Ausführungen kann nicht beigetreten werden. In der Stammfassung hatte § 205 Abs 4 ASVG folgende Fassung: "Versehrte, die Anspruch auf eine Versehrtenrente von mindestens 50 v.H. oder auf mehrere Versehrtenrenten haben, deren Hundertsätze zusammen die Zahl 50 erreichen, gelten als Schwerversehrte." Eine Berücksichtigung mehrerer Renten bei Prüfung der Schwerversehrteneigenschaft war nach dieser im ASVG getroffenen Bestimmung, die eine Grundlage für die Berücksichtigung von Versehrtenrenten nach anderen Gesetzen nicht enthielt, nur möglich, wenn es sich um mehrere Versehrtenrenten nach dem ASVG - etwa mehrere Versehrtenrenten in der Zeit vor der Gesamtrentenbildung (§ 210 Abs 2 ASVG) handelte.

Die Neufassung des § 205 Abs 4 ASVG durch die 41. ASVG-Novelle hatte den Zweck, im Rahmen der Feststellung der Schwerversehrteneigenschaft in Analogie zu § 103 Abs 3 B-KuVG auch auf Versehrtenrenten nach dem B-KuVG Bedacht zu nehmen (774 BlgNr. XVI GP, 40). Seit Inkrafttreten dieser Bestimmung ist daher eine nach dem B-KuVG gewährte Versehrtenrente im Fall des § 205 Abs 4 ASVG in die Zusammenrechnung einzubeziehen und daher bei der Prüfung der Schwerversehrteneigenschaft zu berücksichtigen. Wohl wird im § 205 Abs 4 ASVG nF das B-KuVG nicht ausdrücklich genannt - das Gesetz spricht nur von einer Versehrtenrente nach einem anderen Bundesgesetz -, doch ergibt sich aus den Gesetzesmaterialien deutlich, daß nur dieser Regelungsinhalt angestrebt wurde.

Die Grundlage für die Gewährung von Rentenleistungen nach dem ASVG wie auch dem B-KuVG bilden die Folgen von

Arbeitsunfällen - nach dem B-KuVG Dienstunfällen - sowie von gleichgestellten Unfällen. Die Voraussetzungen für die Gewährung der Rentenleistungen sind im ASVG und im B-KuVG im wesentlichen gleich (§§ 203 - 210 ASVG, §§ 101 - 108 B-KuVG). Das B-KuVG sieht für die in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis stehenden, sowie die sonst im § 1 dieses Gesetzes genannten Personen Leistungen aus der Unfallversicherung unter im wesentlichen völlig gleichen Bedingungen vor, wie das ASVG für Personen, die in die Unfallversicherung nach diesem Bundesgesetz einbezogen sind. Beide Gesetze enthalten diesbezüglich fast durchwegs idente Regelungen und unterscheiden sich nur durch den Kreis der betroffenen Personen. Das KOVG unterscheidet sich wesentlich von den beiden oben genannten Gesetzen. Abgesehen davon, daß bereits der Zweck der gesetzlichen Regelung von der des ASVG und des KOVG verschieden ist, weicht auch der Leistungskatalog beträchtlich ab. Die Feststellung des Ausmaßes der Minderung der Erwerbsfähigkeit (§ 7 KOVG), die Festlegung der Höhe der Rentenleistung (§ 11 KOVG) - teilweise auch Altersstaffelung (§ 11 Abs 3 KOVG) -, und die Schwerstbeschädigtenzulage (§ 11 a KOVG) unterliegen ganz anderen Grundsätzen als sie für Leistungen nach dem ASVG und B-KuVG gelten.

Nach dem KOVG sind nicht Versehrtenrenten sondern Beschädigtenrenten zu leisten. Bereits diese Begriffsverschiedenheit spricht ebenso wie die sowohl dem Zweck wie der inneren Ausgestaltung nach von den Bestimmungen des ASVG und des B-KuVG abweichende Regelung des KOVG gegen eine Auslegung des § 205 Abs 4 ASVG - diese Bestimmung spricht nur von Versehrtenrenten - in dem vom Revisionswerber gewünschten Sinn. Der Regelungsinhalt des § 205 Abs 4 ASVG bezieht sich nach dem Inhalt der Gesetzesmaterialien ausschließlich auf das B-KuVG. Nach diesem Gesetz werden sie dargestellt unter, im wesentlichen gleichen Voraussetzungen, im Bereich der Unfallversicherung Leistungen erbracht wie nach dem ASVG. Dies bildet auch den teleologischen Hintergrund der Bestimmung des § 205 Abs 4 ASVG in der neuen Fassung.

Zutreffend sind die Vorinstanzen daher zum Ergebnis gelangt, daß die Voraussetzungen für die Gewährung des Schwerversehrtenzuschlages nicht vorliegen.

Der Revision mußte daher ein Erfolg versagt bleiben. Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 77 Abs 1 lit b ASGG; Umstände die einen Anspruch auf Kostenzuspruch trotz Unterliegen rechtfertigen können, wurden weder geltend gemacht noch sind solche Umstände aus dem Akteninhalt ersichtlich.

Anmerkung

E13049

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1988:009OBS00035.87.0113.000

Dokumentnummer

JJT_19880113_OGH0002_009OBS00035_8700000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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