TE OGH 1988/1/14 6Ob510/88

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 14.01.1988
beobachten
merken

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Samsegger als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schobel, Dr. Melber, Dr. Schlosser und Dr. Redl als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. Dr. Friedrich A***, öffentlicher Notar,

2. Dr. Helene A***, Pensionistin, beide wohnhaft in Wien 9., Liechtensteinstraße 59/5, beide vertreten durch Dr. Theo Petter, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagten Parteien 1. Margit P***, Angestellte, Wien 9., Liechtensteinstraße 59/6,

2. Dr. Georg R***, Angestellter, Wien 9., Liechtensteinstraße 59/9, 3. Dr. Angelika R***, Ärztin, Wien 9., Liechtensteinstraße 59/8, 4. Dr. Evert G. W***, Chemiker, Weitenegg, Leiben 13 und 5. Arlette W***, im Haushalt, Weitenegg, Leiben 13, alle vertreten durch Dr. Michael Graff und Dr. Christian Kuhn, Rechtsanwälte in Wien, wegen Duldung und Unterfertigung eines Baugesuches (Streitwert S 60.001,--), infolge Rekurses und außerordentlicher Revision der klagenden Parteien gegen die Entscheidung des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgerichtes vom 5. November 1986, GZ 41 R 560/86-25, womit infolge Berufung der beklagten Parteien das Urteil des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 31. Juli 1986, GZ 44 C 449/85-20, teils unter gleichzeitiger Zurückweisung der Klage als nichtig aufgehoben und teils abgeändert wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Die angefochtene Berufungsentscheidung wird zur Gänze aufgehoben. Dem Berufungsgericht wird eine neuerliche Entscheidung über die Berufung der beklagten Parteien unter Abstandnahme von der Annahme eines teilweise der Sachentscheidung entgegenstehenden Prozeßhindernisses der Unzulässigkeit des streitigen Rechtsweges aufgetragen.

Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Kosten des Berufungsverfahrens.

Text

Begründung:

Die beiden Kläger sind Mitmieter einer Wohnung in einem im Stadtgebiet gelegenen Wohnhaus. Das Baujahr dieses Gebäudes steht nicht fest. Aus der Darstellung eines in einem früheren Rechtsstreit erstatteten Sachverständigengutachtens ergibt sich der Anschein, daß das Haus jedenfalls vor dem Jahre 1945 errichtet wurde. Gegenteiliges wurde im anhängigen Rechtsstreit nicht behauptet. Das unterkellerte, viergeschoßige Haus hat in jedem der drei Obergeschoße zwei selbständige Wohneinheiten, im ebenerdigen Geschoß außer zwei selbständigen Wohneinheiten noch eine als Hausbesorgerwohnung gewidmete Wohnung und im Kellergeschoß ein selbständiges Magazin.

Im Jahre 1962 stand die Liegenschaft mit dem beschriebenen Haus im Miteigentum zweier Personen. Mit diesen schlossen die Kläger einen Mietvertrag über die im ersten Obergeschoß gelegene Wohnung Nr. 5 mit einer Nutzfläche von rund 160 m2. Nach der mit 5. April 1962 datierten Mietvertragsurkunde sollte das Mietverhältnis mit 1. Mai 1962 beginnen und auf unbestimmte Zeit abgeschlossen sein. In einem besonderen Vertragspunkt wurde "festgestellt, daß die Mieter berechtigt sind, den an den von der Wohnung zur Gartenterrasse führenden Laufsteg anschließenden Gartenteil zu benützen" und verpflichtet seien, "diesen Gartenteil zu betreuen und in tadellosem Zustand zu halten".

Bei dieser Grünfläche handelt es sich um einen 59 m2 großen Teil einer hofseitig an den tiefer gelegenen Hof anschließenden, im Mittel etwa 4 m breiten Terrasse, die an der hausnahen Längsseite gegenüber dem tiefer gelegenen Hof durch eine teils bogenförmige Stützmauer und an der hausfernen Längsseite durch eine etwa 4 m hohe Stützmauer zur nächsthöher gelegenen Terrasse abgegrenzt wird. Die Höhenlage der zweiten Terrasse entspricht ungefähr der Bodenhöhe des zweiten Obergeschoßes. Die in diesem Geschoß oberhalb der Mietwohnung der Kläger gelegene Wohnung Nr. 6 stand in Eigenbenützung der einen Vermieterin, während die zweite in diesem Geschoß befindliche Wohnung Nr. 7 von der zweiten, älteren Hausmiteigentümerin bewohnt wurde.

Anfang des Jahres 1971 beabsichtigte die Inhaberin der Wohnung Nr. 6 die Errichtung eines Verbindungssteges von ihrer Wohnung zur oberen Gartenterrasse quer über die von den Klägern als Mieter der daruntergelegenen Wohnung benützten Gartenterrasse. Die Kläger sahen darin eine unzulässige Beeinträchtigung ihres Mietrechtes. Die Vermieterinnen brachten deshalb gegen die nunmehrigen Kläger im Mai 1971 eine Klage auf Feststellung ein, es stehe den Mietern "nicht das Recht zu, der Errichtung eines Laufsteges (Brücke) von der Wohnung top. Nr. 6 im ersten Stock des Hauses ... in den in gleicher Höhe befindlichen Terrassen-Garten zu untersagen". Sie seien vielmehr schuldig, "die Errichtung dieses Laufsteges (Brücke) zu dulden".

Bereits vor der Erhebung dieser Klage hatte die ältere Miteigentümerin ihren Liegenschaftsanteil an die jüngere verkauft, sich dabei aber das Wohnrecht an der im zweiten Obergeschoß gelegenen Wohnung Nr. 7 einräumen lassen.

Im Rechtsstreit trat am 26. April 1972 (offenkundig im Hinblick auf die am selben Tag vom Prozeßgericht als prätorischen Vergleich protokollierte Vereinbarung) Ruhen des Verfahrens ein. Der am 26. April 1972 protokollierte Vergleich zwischen der als klagende Partei bezeichneten Alleineigentümerin des Hauses und den als beklagte Parteien bezeichneten Mitmietern der Wohnung Nr. 5 lautete in seinen ersten beiden Punkten:

"1. Die beklagten Parteien dulden die Errichtung eines

Laufsteges (Brücke ohne Pfeiler) von der Wohnung top. Nr. 6 im

ersten Stock des Hauses ... in den in gleicher Höhe befindlichen

Terrassen-Garten.

2. Die beklagten Parteien sind berechtigt, diesen Laufsteg

(Brücke) frühestens 1 Jahr nach Erlöschen des Wohnrechtes der

Frau ..." (ehemalige Miteigentümerin) "... aus welchen Gründen immer

auf ihre Kosten zu entfernen und den früheren Zustand wieder herzustellen, wobei das Eigentumsrecht an dem Laufsteg samt Zugehör im Zeitpunkt der Entfernung auf die beklagten Parteien übergeht."

In drei weiteren Vertragspunkten wurden Regelungen über ein Mietrechtsweitergaberecht getroffen.

Der in der Vereinbarung vom 26. April 1972 behandelte Steg wurde in der Gestalt einer knapp 1 m breiten und etwa 4 m langen Stahlkonstruktion zwischen dem Badezimmer der Wohnung Nr. 6 und der oberen Gartenterrasse errichtet.

In den Jahren 1980 bis 1984 veräußerte die Vermieterin nach und nach anteilweise ihr Liegenschaftseigentum. Als erster verkaufte sie der Erstbeklagten mit dem Vertrag vom 18. März 1980 einen Liegenschaftsanteil. Die Erstbeklagte kannte beim Erwerb ihres Liegenschaftsanteiles die Vereinbarung vom 26. April 1972. Mit ihrem Miteigentumsanteil ist nunmehr Wohnungseigentum an der Wohnung Nr. 6 verbunden. Die Erstbeklagte bewohnt mit ihrer Familie diese Wohnung. Der quer über die von den Klägern benützte Gartenterrasse führende Steg bildet nunmehr die einzige Zugangsmöglichkeit zu dem der Wohnung Nr. 6 zugeordneten Teil der oberen Gartenterrasse, ohne daß eine andere Wohneinheit betreten werden müßte.

Der Zweitbeklagte kaufte mit Vertrag vom 3. April 1980 einen Liegenschaftsanteil, mit dem nunmehr Wohnungseigentum an der Wohnung Nr. 9 verbunden ist. Die Drittbeklagte kaufte mit Vertrag vom 6. Dezember 1984 einen Liegenschaftsanteil zur Begründung von Wohnungseigentum an der Wohnung Nr. 8. Der vierte Beklagte und die fünfte Beklagte kauften am 5. Dezember 1984 einerseits die Anteile, mit denen Wohnungseigentum an der Wohnung Nr. 7 verbunden ist, und andererseits alle restlichen Liegenschaftsanteile. Außer der Erstbeklagten hatten die nunmehrigen Liegenschaftsmiteigentümer beim Erwerb ihrer Anteile keine Kenntnis von der am 26. April 1972 geschlossenen Vereinbarung.

Die Berechtigte aus dem in der Vereinbarung vom 26. April 1972 erwähnten Wohnrecht ist im Juni 1983 gestorben.

Im August 1984 widersetzte sich die Erstbeklagte dem vorher angekündigten Versuch der Kläger, den über den von ihnen benützten Gartenteil führenden Steg entfernen zu lassen.

Mit der am 8. August 1985 eingebrachten Klage begehrten die Kläger die Verurteilung der Beklagten zur Duldung der Entfernung des Steges und zur Unterfertigung eines baubehördlichen Ansuchens um entsprechende Abbruchsbewilligung. Die Kläger stützten ihr Begehren bereits in der Klage auf das mit dem Mietvertrag vom 5. April 1962 begründete und durch die Vereinbarung vom 26. April 1972 abgeänderte Mietverhältnis. Dazu behaupteten die Kläger - entgegen ihrer späteren Außerstreitstellung -, daß sämtliche Beklagten beim Erwerb ihrer Liegenschaftsanteile vom Inhalt der Vereinbarung vom 26. April 1972 Kenntnis gehabt hätten.

Die Beklagten wendeten ein, aus der Vereinbarung vom 26. April 1972 stünde den Klägern kein vollstreckbarer Anspruch zu. Aus dieser Regelung könnten sie bestenfalls eine Naturalobligation ableiten. Die Verfolgung eines Anspruches aus der Vereinbarung vom 26. April 1972 sei Rechtsmißbrauch, weil der Erstbeklagten damit der einzige Zugangsweg zu dem Gartenteil entzogen würde, dessen ausschließliche Benützung Inhalt ihres Wohnungseigentums sei, sodaß ihr bei Entfernung des Steges ein Anspruch auf Einräumung eines Notweges zugestanden werden müßte, den Klägern andererseits aber aus der Belassung des Steges keinerlei faßbare Nachteile erwüchsen. Mit Ausnahme der ersten Beklagten hätten die übrigen Miteigentümer ihre Liegenschaftsanteile gutgläubig ohne Bindung an Verpflichtungen aus der Vereinbarung vom 26. April 1972 erworben.

In der Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung vom 17. Juni 1986, in der dann die Verhandlung erster Instanz geschlossen wurde, erklärten die Kläger - im sachlichen Zusammenhang mit der Außerstreitstellung über die Unkenntnis der Mehrzahl der Beklagten von der am 26. April 1972 getroffenen Regelung -, "das Klagebegehren nicht nur auf den Vergleich zu stützen, sondern auch auf den Mietvertrag", mit dem sie seinerzeit den Bestandgegenstand ohne Steg gemietet gehabt hätten.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt.

Nach seiner Beurteilung sei zwar die in der Vereinbarung vom 26. April 1972 getroffene Regelung über das Recht der Mieter auf Entfernung des Steges als Nebenabrede ungewÄhnlichen Inhaltes infolge Unkenntnis der zweiten bis fünften beklagten Parteien beim Erwerb ihrer Liegenschaftsanteile gemäß § 2 Abs 1 Satz 2 MRG kein Bestandteil des Mietverhältnisses, an das die Beklagten (in ihrer Gesamtheit) gebunden seien. Es gewähre aber schon das Mietrecht auf Grund des Vertrages vom 5. April 1962 den Klägern einen auf § 1096 ABGB beruhenden Entfernungsanspruch im Sinne des Klagebegehrens. Rechtsmißbrauch liege nicht vor. Eine Duldungspflicht der Kläger im Sinne des § 8 Abs 3 MRG in Ansehung des bestehenden Steges sei nicht anzunehmen, weil es jedenfalls eine die Mietinteressen der Kläger schonendere Möglichkeit zur Schaffung einer Zugangsmöglichkeit von der Wohnung Nr. 6 zu der dieser Wohneinheit zugeordneten Gartenfläche geben müsse.

Das Berufungsgericht teilte die erstrichterliche Ansicht zu § 2 Abs 1 Satz 3 MRG und wertete demgemäß die Vereinbarung vom 26. April 1972 nicht als taugliche Grundlage für den gegenüber den Beklagten klageweise erhobenen Anspruch. Zur Verfolgung eines aus dem Mietvertrag mit dem ursprünglichen Inhalt abgeleiteten Duldungs- und Leistungsanspruches im Sinne des Klagebegehrens erachtete das Berufungsgericht aber gemäß § 37 Abs 1 Z 5 MRG ausschließlich den Außerstreitweg als zulässig.

Es gab der wegen Nichtigkeit erhobenen Berufung der Beklagten insoweit Folge, als es das erstinstanzliche Urteil, "soweit es über die Klage insofern abspricht, als diese den geltend gemachten Anspruch auf den Mietvertrag stützt, als nichtig aufgehoben und die Klage insoweit zurückgewiesen" hat. Im übrigen änderte das Berufungsgericht das Urteil erster Instanz im Sinne der Klagsabweisung ab. Zum Ausspruch über die Teilzurückweisung sprach das Berufungsgericht aus, daß der Wert des davon betroffenen Streitgegenstandes S 15.000,-- übersteigt. Zum urteilsmäßigen Erkenntnis sprach es aus, daß der von der Abänderung betroffene Wert des Streitgegenstandes S 15.000,-- übersteigt, nicht aber S 300.000,--. Überdies sprach das Berufungsgericht aus, daß die Revisionszulässigkeitsvoraussetzung nach § 502 Abs 4 Z 1 ZPO nicht vorliege.

Die Kläger bezeichneten das von ihnen gegen die berufungsgerichtliche Entscheidung erhobene Rechtsmittel als außerordentlichen Revisionsrekurs gegen den beschlußmäßigen Ausspruch und als außerordentliche Revision gegen den urteilsmäßigen Ausspruch. Das Erstgericht verfügte die Zustellung einer Gleichschrift dieses Rechtsmittelschriftsatzes an den Beklagtenvertreter. Die Beklagten ließen die Frist zur Rekursbeantwortung ungenützt verstreichen. Nachdem ihnen das Revisionsgericht die Erstattung einer Revisionsbeantwortung freigestellt hatte, erstatteten sie einen entsprechenden Schriftsatz, mit dem sie in verfahrensrechtlicher Hinsicht die Beurteilung der angefochtenen Sachentscheidung entgegen ihrem Wortlaut als bestätigendes Berufungsurteil anstreben. Im übrigen beantragen sie eine Bestätigung der angefochtenen Entscheidung.

Rechtliche Beurteilung

Sowohl die Prüfung der formellen Entscheidungsart des Berufungsgerichtes, deren Rechtfertigung vom Vorliegen zweier (alternativ erhobener) selbständiger Klagsansprüche abhängt, als auch die verfahrensrechtliche Beurteilung der Rechtswegzulässigkeit hängt von der Wertung des auf § 1096 ABGB gestützten Begehrens als einer nach § 8 Abs 2 MRG qualifizierten Angelegenheit (§ 37 Abs 1 Z 5 MRG) ab. Diese Frage ist ebenso wie die sich als Folgeproblem ergebende materiellrechtliche Frage nach der Anwendung des § 2 Abs 1 Satz 3 MRG bei einer Mehrheit von Personen als Rechtsnachfolger im Eigentum am Mietgegenstand, wenn zumindest einer von ihnen, nicht aber allen, die Nebenabrede ungewÄhnlichen Inhaltes bekannt war oder sie diese kennen mußte, wegen ihrer allgemeinen Bedeutung mangels höchstrichterlicher Rechtsprechung hiezu nach § 502 Abs 1 Z 4 ZPO qualifiziert.

Der beschlußmäßige und der urteilsmäßige Ausspruch der angefochtenen berufungsgerichtlichen Entscheidung stehen insofern in einem untrennbaren Zusammenhang.

Nach dem festgestellten Sachverhalt und dem Abgang eines sachlich ausgeführten Vorbringens über die Erfüllung eines Ausnahmetatbestandes ist zunächst von der vollen Anwendbarkeit des Mietrechtsgesetzes auf das zwischen den Klägern und den seinerzeitigen Eigentümern der Liegenschft begründete Mietrechtsverhältnis auszugehen.

Ein solches Mietverhältnis hat zum Teil einen sondergesetzlich festgelegten Inhalt. Dazu zählt auch das nach Zweck und Art festgelegte Eingriffsrecht des Vermieters und die diesem entsprechende Duldungspflicht des Mieters nach § 8 Abs 2 MRG. Alle Angelegenheiten, die eine nähere Bestimmung der grundsätzlich festgelegten Rechte und Pflichten in einem konkreten Anlaßfall zum Gegenstand haben, sind nach § 37 Abs 1 Z 5 MRG in das mietrechtliche Außerstreitverfahren gewiesen. Bedarf es aber einer richterlichen Regelung über Inhalt, Umfang und Modalitäten einer vom Mieter nach § 8 Abs 2 MRG zu duldenden Eingriffshandlung nicht, weil darüber bereits privatautonom eine bindende Absprache erzielt wurde, steht zur Durchsetzung der sich daraus ergebenden Ansprüche der Rechtsweg offen (vgl. zu § 9 MRG MietSlg. Band XXXVIII Nr. 13). Diese ist mit der verfahrensrechtlichen Lage bei der nachehelichen Aufteilung oder der Besitzregelung unter Teilhabern einer gemeinschaftlichen Berechtigung vergleichbar.

In dem zur Entscheidung vorliegenden Fall hatten die Mieter (lange vor dem Inkrafttreten des Mietrechtsgesetzes) zur leichteren Benützbarkeit der von der Hauseigentümerin in Eigennutzung genommenen Wohnung eine Überspannung der von ihnen benützten Gartenfläche durch einen etwa vier Meter über dem Erdniveau verlaufenden Steg auf Zeit zugestimmt und dabei mit der Vermieterin die Beseitigung des Steges nach Ablauf der bedungenen Zeit im einzelnen geregelt. Nach der Errichtung des Steges war zwar für einen Außenstehenden nicht erkennbar, daß das einer bloß obligatorischen Dienstbarkeit vergleichbare Recht der Vermieterin auf Erhaltung und Benützung einer Brücke über den den Mietern zum Gebrauch überlassenen Gartengrund zeitlich begrenzt war, die Regelung war aber eher einer teilweisen Rückgabe des Nutzungsrechtes vom Mieter an den Vermieter mit Rückstellungsverpflichtung (etwa wie bei einer Untervermietung durch den Hauptmieter an den Vermieter) als einer Nebenabrede zum bestehenden Hauptmietvertrag vergleichbar. Als Rechtsnehmerin ihrer Mieter konnte die Vermieterin nicht mehr Rechte an ihre Rechtsnachfolger im Eigentum an der Liegenschaft (und auch im Benützungsrecht an der Wohnung Nr. 6) übertragen, als sie selbst hatte.

Aber auch nach der von den Vorinstanzen vorgenommenen

Betrachtung der beiden ersten Punkte der Vereinbarung vom

26. April 1972 als einer nachträglich zum Mietvertrag getroffenen

Nebenabrede ungewÄhnlichen Inhaltes hatte die Regelung keine

Maßnahme im Sinne des nunmehr geltenden § 8 Abs 2 Z 2 MRG zum

Inhalt gehabt, weil die Eingriffsmaßnahme nicht in der seinerzeit

von der Vermieterin benützten Wohnung, sondern außerhalb dieser

Wohneinheit ausschließlich im Luftraum vier Meter über dem von den Klägern als Mietern benützten Gartenteil erfolgte. Nach dem Entfall der vertraglich auf sich genommenen Beschränkung in der Mietrechtsausübung durch die Kläger hatten diese auch einen bloß auf § 1096 ABGB stützbaren Beseitigungsanspruch (hier eingeschränkt auf den Anspruch auf Duldung der Beseitigung durch die Mieter selbst und auf Unterfertigung eines entsprechenden Baugesuches). Dieser Anspruch war aber mangels Erfüllung eines im Katalog des § 37 Abs 1 MRG enthaltenen Tatbestandes im streitigen Verfahren zu verfolgen.

Vor allem ist die Duldungspflicht der Vermieter nach der Vereinbarung vom 26. April 1972 auch im Falle der Wertung als Nebenabrede ungewÄhnlichen Inhaltes für die nunmehr bestehende Personenmehrheit auf der Vermieterseite nicht untergegangen: Die Regelung vom 26. April 1972 hat die seinerzeitige Alleineigentümerin der Liegenschaft als Vertragspartnerin der Kläger gebunden. Die erste Käuferin eines Liegenschaftsanteiles, mit dem nunmehr das Wohnungseigentum an der Wohnung Nr. 6 verbunden ist und die das primäre Interesse an der Aufrechterhaltung der Stegverbindung hat, nahm die sich aus der erwähnten Vereinbarung ergebenden Vermieterpflichten ausdrücklich zur Kenntnis. Sie wußte im Zeitpunkt des Erwerbes ihres Miteigentumsanteiles um die strittigen Abreden. Dieses Wissen hat auch noch im Zeitpunkt des Erwerbes des letzten von der Alleineigentümerin veräußerten Anteiles bestanden. Zu einer Änderung des Mietvertrages in Ansehung unteilbarer Bestandgeberpflichten ist bei einer Personenmehrheit auf der Vermieterseite ein rechtsgeschäftliches Handeln erforderlich, das allen Vermietern zugerechnet werden kann. Wenn ein solches rechtsgeschäftliches Handeln durch die Erfüllung eines gesetzlichen Tatbestandes ersetzt wird, wie im § 2 Abs 1 Satz 3 MRG, dann muß der Tatbestand auch in Ansehung aller Vermieter erfüllt sein. Dies ist aber wegen der Kenntnis der Erstbeklagten im vorliegenden Fall zu verneinen. Damit hat der Mietvertrag der Kläger, auch wenn in der Vereinbarung vom 26. April 1972 eine unübliche Abänderung und Ergänzung ihres Mietvertrages aus dem Jahre 1962 gesehen wird, durch den sukzessiven Abverkauf von Liegenschaftsanteilen durch die Vermieterin keine Änderung in dem die Erwerber bindenden Inhalt erfahren.

Danach ist die Anspruchsgrundlage aber auch nicht in der vom Berufungsgericht vorgenommenen Weise in zwei selbständige Anspruchsgrundlagen mit der Folge aufzuspalten, daß zwei selbständige Klagsansprüche vorlägen. Schon daraus ergibt sich die Unzulässigkeit der teilweisen Nichtigerklärung des Verfahrens und Zurückweisung der Klage, soweit die Ableitung aus der um die Vereinbarung vom 26. April 1972 verminderten Anspruchsgrundlage gedacht wird.

Die berufungsgerichtliche Entscheidung wäre aber auch im gegenteiligen Fall, nämlich bei der Annahme zweier selbständiger Klagsansprüche für einen bloß auf § 1096 ABGB gestützten Anspruch mangels Erfüllung eines im § 37 Abs 1 MRG aufgezählten Tatbestandes unrichtig.

Die teilweise Klagszurückweisung durch das Berufungsgericht erfolgte daher zu Unrecht. Gegen sie war gemäß § 519 Abs 1 Z 2 ZPO ein - zweiseitiger - Rekurs an den Obersten Gerichtshof zulässig. Die zulässige und sachlich gerechtfertigte Anfechtung mußte wegen der verfahrensrechtlichen Einheit des Klagsanspruches nicht nur zur Aufhebung der in Beschlußform ausgesprochenen teilweisen Klagszurückweisung, sondern auch zur Aufhebung der urteilsmäßig ausgesprochenen Sachentscheidung führen.

Das Berufungsgericht wird sich daher einer neuerlichen Entscheidung über die Berufung der beklagten Parteien zu unterziehen haben und dabei an die Rechtsansichten gebunden sein, daß der klageweise erhobene Duldungs- und Leistungsanspruch aus der Gesamtheit der von den Klägern geltend gemachten Anspruchsgrundlagen im streitigen Rechtsweg zu verfolgen ist und die Vereinbarung vom 26. April 1972 auch die Beklagten in ihrer Eigenschaft als Rechtsnachfolger Personenmehrheit auf der Vermieterseite bindet. Der Ausspruch über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens beruht auf § 52 ZPO.

Anmerkung

E12824

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1988:0060OB00510.88.0114.000

Dokumentnummer

JJT_19880114_OGH0002_0060OB00510_8800000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten