TE OGH 1988/1/20 1Ob40/87

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Veröffentlicht am 20.01.1988
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schragel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schubert, Dr. Hofmann, Dr. Schlosser und Dr. Kodek als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Mag. Gertraude P***, Apothekerin, Oberschützen, Hauptstraße 265, vertreten durch Dr. Johann Kölly, Rechtsanwalt in Oberpullendorf, wider die beklagte Partei Karl F***, Kaufmann, Bad Tatzmannsdorf, Parkstraße 4, vertreten durch Dr. Günther Bernhart, Rechtsanwalt in Oberwart, wegen S 20.381,07 s.A. infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Eisenstadt als Berufungsgerichtes vom 17. Juli 1987, GZ R 236/87-65, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Oberwart vom 15. April 1987, GZ 2 C 56/86-61, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Das angefochtene Urteil wird in seinem dem Klagebegehren auf Zuspruch von S 20.381,70 s.A. stattgebenden Teil dahin abgeändert, daß insoweit und im Kostenausspruch die Entscheidung des Erstrichters wiederhergestellt wird.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 6.168,90 bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens (hievon S 473,54 Umsatzsteuer und S 960 Barauslagen) binnen 14 Tagen zu bezahlen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die offene Handelsgesellschaft "Apotheke und Drogerie 'Zur göttlichen Vorsehung' Mag. pharm. Achilles P*** und Mag. pharm. Gertraude P***" (im folgenden: OHG) ist als Eigentümerin der Liegenschaft EZ 387 KG Bad Tatzmannsdorf mit den Grundstücken 300/8 und 300/9 sowie 303 einverleibt. Der Beklagte ist Eigentümer der benachbarten Liegenschaft EZ 386 KG Bad Tatzmannsdorf mit den Grundstücken 300/6 und 300/7. In den Grundstücken 300/7, 300/6 und 303 je KG Bad Tatzmannsdorf ist der Strang der Ortswasserleitung der Gemeinde Bad Tatzmannsdorf verlegt. Die Grundstücke des Beklagten wurden mit Bescheid des Bürgermeisters der Gemeinde Bad Tatzmannsdorf vom 26. September 1980 über Antrag des damaligen Eigentümers "Kurbad Tatzmannsdorf AG" zum Bauplatz erklärt. Als Bebauungsgrundlage wurde unter anderem vorgeschrieben:

"Die entsprechenden Ortsleitungen, die auf den Grundstücken vorhanden sind (Regen-, Schmutzwasserkanal, Wasserleitung) müssen bei einer Bauführung auf Kosten des Bauwerbers und im Einvernehmen mit der Gemeinde fach- und funktionsgerecht verlegt werden". Im November 1982 ließ der Beklagte auf seinem Grundstück 300/6 durch die Karl L*** & Co Baugesellschaft mbH, Pinkafeld, eine Stützmauer errichten, deren nordseitiges Ende über der Ortswasserleitung steht. Die Ortswasserleitung wurde nicht verlegt, eine Baubewilligung nicht eingeholt. Mit Bescheid vom 25. November 1982 untersagte der Bürgermeister der Gemeinde Bad Tatzmannsdorf als Baubehörde erster Instanz die Errichtung einer Stützmauer auf dem Grundstück 300/6. Am 17. Februar 1983 trat am Strang der Ringwasserleitung ein Schaden auf. Es wurde ein Flanschstück deformiert und ausgerissen, wodurch Wasser aus der Wasserleitung austrat und in die Geschäftsräumlichkeiten der Offenen Handelsgesellschaft eindrang. Als die Klägerin vom Schaden verständigt wurde, beauftragte sie das Installationsunternehmen Richard H*** Gesellschaft mbH mit der Behebung des Schadens. Es wurde sowohl der Schaden am Wasserrohr als auch in den Apothekenräumlichkeiten behoben. Die Richard H*** Gesellschaft mbH stellte der Klägerin am 23. Februar 1983 den Betrag von S 13.620,74 für Arbeiten zur Behebung des Rohrbruches und am 26. April 1983 den Betrag von S 6.760,33 für Isolier- und Anstreicharbeiten (im Geschäftslokal) in Rechnung. Die Rechnungen wurden der Klägerin jedenfalls im Jahre 1983 zugestellt, aber bisher nicht bezahlt. Mag. pharm. Achilles P*** ist während des Verfahrens erster Instanz verstorben.

Die Klägerin begehrt den Ersatz der Kosten der Schadensbehebung in der Höhe von S 20.381,07 samt 11 % Zinsen seit 12. Juli 1984 zuzüglich 20 % Umsatzsteuer aus den Zinsen. Der Beklagte habe durch die unsachgemäße Errichtung der Stützmauer den Wasserrohrbruch und damit den Schadenseintritt schuldhaft verursacht.

Der Beklagte beantragte Abweisung des Klagebegehrens. Ein Ersatzanspruch stehe der Klägerin nicht zu, weil die Ringwasserleitung, an der der Schaden eingetreten sei, im Eigentum der Gemeinde Bad Tatzmannsdorf stehe. Der Klägerin sei auch kein Schaden erwachsen, weil sie sich weigere, die Forderung der Richard H*** Gesellschaft mbH, die verjährt sei, zu bezahlen. Den Beklagten treffe kein Verschulden am Wasserrohrbruch, da die Wasserleitungsanlage fehlerhaft errichtet worden sei. Der Erstrichter wies das Klagebegehren ab und stellte fest, der Eintritt des Schadens an der Ringwasserleitung sei zu 80 % auf eine Setzung des Bodens im Zusammenhang mit der Errichtung der Stützmauer auf dem Grundstück des Beklagten und zu 20 % auf eine Hangrutschung, die mit der Errichtung der Stützmauer in keinem Zusammenhang stehe, zurückzuführen. Die Klägerin weigere sich, den Rechnungsbetrag von S 20.381,07 zu bezahlen.

In rechtlicher Hinsicht führte der Erstrichter aus, der eingetretene Schaden sei im Auftrage der Klägerin von der Richard H*** Gesellschaft mbH behoben worden. Auf Grund des abgeschlossenen Werkvertrages stehe der Richard H*** Gesellschaft mbH ein Anspruch auf Bezahlung des Werklohnes gegen die Klägerin zu. Diese Forderung sei jedoch verjährt. Die Klägerin sei auch nicht bereit, die (verjährte) Forderung zu bezahlen. Demnach habe sie keinen Vermögensnachteil erlitten, so daß das Klagebegehren nicht gerechtfertigt sei.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin Folge und erkannte den Beklagten schuldig, der Klägerin den Betrag von S 20.381,70 samt 4 % Zinsen seit 12. Juli 1984 zu bezahlen. Es bestätigte die Abweisung des Teilbegehrens auf Zuspruch von weiteren 7 % Zinsen und von 20 % Umsatzsteuer von den Zinsen. Das Berufungsgericht übernahm die Tatsachenfeststellungen des angefochtenen Urteils und führte in rechtlicher Hinsicht aus, Schaden sei nach § 1293 ABGB jeder Nachteil, der jemandem am Vermögen, an Rechten oder seiner Person zugefügt wird. Für das Entstehen eines konkreten Schadens genüge es im allgemeinen, wenn dem Geschädigten Verbindlichkeiten erwachsen. Schon das Entstehen der Verbindlichkeit beinhalte eine Verringerung des Vermögens und stelle den Schaden dar. Die Klägerin sei als Bestellerin der Instandsetzungsarbeiten zur Zahlung des Werklohns verpflichtet. Daß sie sich bisher geweigert habe, den Werklohn zu bezahlen, spiele für die Ersatzpflicht des Beklagten keine Rolle. Die Klägerin könne nicht verhalten werden, auch künftig die Einrede der Verjährung zu erheben. Da der Schaden jedenfalls zu 80 % auf die unsachgemäße Errichtung der Stützmauer durch den Beklagten zurückzuführen sei, sei das Klagebegehren gerechtfertigt.

Rechtliche Beurteilung

Der gegen den dem Klagebegehren stattgebenden Teil der Entscheidung des Berufungsgerichtes erhobenen Revision des Beklagten kommt Berechtigung zu.

Während des Verfahrens erster Instanz ist der offene Handelsgesellschafter Mag. pharm. Achilles P*** verstorben. Die Annahme des Berufungsgerichtes, die Klägerin sei nunmehr Alleininhaberin des Unternehmens, wird nicht bekämpft. Die Klägerin veranlaßte, offenbar um eine Vergrößerung des Schadens hintanzuhalten, die Reparatur der Gemeindewasserleitung durch das Installationsunternehmen Richard H*** Gesellschaft mbH. Es ist nicht strittig, daß die Werklohnforderung der Richard H*** Gesellschaft mbH verjährt ist. Die Klägerin erklärte auch ausdrücklich, diese Forderung nicht bezahlen zu wollen. Nach Rechtsprechung und Lehre sind dem Träger eines Rechtsgutes Aufwendungen, die er tätigte, um einen Schaden abzuwenden oder zu verringern, zu ersetzen, soweit sie zu dem genannten Zweck geeignet waren und in einem wirtschaftlich vertretbaren Verhältnis zum Schaden stehen (EvBl. 1970/279; SZ 31/55; Ehrenzweig-Mayrhofer, System3, II/1, 309, 255; Koziol, Österreichisches Haftpflichtrecht2 I 14, 15; Reischauer in Rummel, ABGB, Rz 10 zu § 1293 ABGB). Einen Aufwand hat die Klägerin selbst nicht getätigt, es ist aber dem Werkunternehmer aus der auftragsgemäß vorgenommenen Behebung des Schadens eine Werklohnforderung gegen die Klägerin erwachsen. Auch im Entstehen einer Verbindlichkeit liegt, wie das Berufungsgericht zutreffend erkannte, ein Nachteil am Vermögen und damit ein Schaden (SZ 53/107; JBl. 1966, 629; SZ 37/168; SZ 35/83;

SZ 10/320; Koziol a.a.O. 14; EhrenzweigMayrhofer a.a.O. 339;

Reischauer a.a.O. Rz 5 zu § 1293 ABGB). Ist die Forderung des Gläubigers aber verjährt und steht darüber hinaus fest, daß der Schuldner nicht gewillt ist, diese Forderung zu bezahlen, kann von einer Vermögensminderung nicht mehr gesprochen werden. Maßgebend sind die Verhältnisse im Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung erster Instanz. Auf die bloße Möglichkeit, daß die Klägerin in der Zukunft ihren Standpunkt ändern und die verjährte Forderung doch bezahlen könnte, ist nicht Bedacht zu nehmen. Demnach steht aber der Klägerin ein Anspruch auf Ersatz des Betrages von S 13.620,74 (Kosten der Behebung des Rohrbruches) nicht zu. Gleiches gilt im Ergebnis auch für die weitere Forderung der Richard H*** Gesellschaft mbH von S 6.760,33. Der Wasserschaden ist zwar zunächst im absolut geschützten Vermögen der Gesellschaft eingetreten. Grundsätzlich kann der Geschädigte auch den für die Wiedereinstellung nötigen Betrag unabhängig davon fordern, ob er die Wiederherstellung vornimmt oder nicht (ZVR 1983/36; ZVR 1981/95;

SZ 51/163; SZ 43/186 u.a.) Wird die Reparatur vom Geschädigten jedoch vorgenommen, kann er nur den eigenen konkreten (Koziol a.a.O. 177 mwN in FN 20) Aufwand ersetzt verlangen, eine objektiv abstrakte Schadensberechnung kommt nicht mehr in Betracht (SZ 51/7; Reischauer a. a.O. Rz 12 zu § 1323 ABGB). Im vorliegenden Fall wurde die Wiederherstellung des Schadens vom Geschädigten veranlaßt, der Schadensberechnung wird auch die dem Werkunternehmer erwachsene Forderung zugrundegelegt. Diese Forderung ist aber verjährt und wird auch von der Klägerin nicht bezahlt. Dann bestand aber im Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung erster Instanz ein Wiederherstellungsaufwand aus der über Veranlassung der Klägerin erfolgten Schadensbehebung nicht mehr.

Demzufolge ist spruchgemäß zu entscheiden.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO; zum Zuspruch der Barauslagen vgl. die Übergangsbestimmung des Art. VI Z 1 und 8 GGG.

Anmerkung

E13145

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1988:0010OB00040.87.0120.000

Dokumentnummer

JJT_19880120_OGH0002_0010OB00040_8700000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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