TE OGH 1988/1/20 1Ob699/87

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Veröffentlicht am 20.01.1988
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schragel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schubert, Dr. Hofmann, Dr. Schlosser und Dr. Kodek als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. Karl F. E***, Rechtsanwalt in Wien 3., Esteplatz 4, als Masseverwalter im Konkurs über das Vermögen der

O***-T*** mbH, wider die beklagte Partei

I*** Textilhandelsgesellschaft mbH, Wien 2., Taborstraße 52/A, vertreten durch Dr. Sigmund Schmerz, Rechtsanwalt in Wien, wegen 392.969,50 S sA, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 9. Juli 1987, GZ 3 R 78/87-28, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Handelsgerichtes Wien vom 15.Jänner 1987, GZ 15 Cg 6/87-23, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 13.996,65 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (hievon 1.185,15 S Umsatzsteuer und 960 S Barauslagen) binnen 14 Tagen zu bezahlen.

Text

Entscheidungsgründe:

Über das Vermögen der O***-T*** mbH Wien

wurde mit dem Beschluß des Handelsgerichtes Wien vom 20. Dezember 1985, 6 S 103/85-1, der Konkurs eröffnet und der Kläger zum Masseverwalter bestellt.

Die O***-T*** (im folgenden: Gemeinschuldnerin) lieferte der beklagten Partei am 8.Juli 1983 über deren Bestellung Damenblusen, die ihr am 12.Juli 1983 mit 515.252,90 S in Rechnung gestellt wurden. Die Lieferung umfaßte u.a. je 500 Blusen und acht Musterblusen der Modelle Claudia und Sandra mit Patentknöpfen im Fakturenwert von 126.000 S. Der Rechnungsbetrag war 30 Tage nach Rechnungslegung zur Zahlung fällig. Am 17.August 1983 übermittele die beklagte Partei der Gemeinschuldnerin ein Fernschreiben folgenden Inhalts: "Betrifft: Blusen mit Patentknöpfen. Teilen Ihnen mit, daß wir wegen des oben genannten Artikels, den wir von Ihnen kauften, bereits viele Reklamationen erhalten haben. Wir werden Ihnen deshalb die noch im Lager befindlichen Blusen retournieren". Am 23.August 1983 stellte die beklagte Partei der Gemeinschuldnerin Blusen im Fakturenwert von 392.969,50 S, darunter 429 Blusen des Modells Sandra und 488 Blusen des Modells Claudia, zurück. Die Blusen wurden in Abwesenheit des Geschäftsführers der Gemeinschuldnerin Hubert W*** auf Anweisung des Gesellschafters der Gemeinschuldnerin Harald W*** von der Angestellten Lieselotte C***, die im Unternehmen der Gemeinschuldnerin als Lagerleiterin beschäftigt war, übernommen. Lieselotte C*** unterfertigte unter Verwendung einer Firmenstampiglie einen Gegenschein, mit dem sie die Übernahme der Ware "unter Vorbehalt" bestätigte. Am nächsten Tag hielt der Geschäftsführer der Gemeinschuldnerin Lieselotte C*** vor, daß sie, wie sie wisse, Waren nur mit seiner Genehmigung zurücknehmen dürfe und die von der beklagten Partei zurückgestellte Ware wieder zu retournieren sei. Am 24.August 1983 übermittelte die beklagte Partei die restlichen in ihrem Besitz befindlichen Blusen, doch wurde die Annahme dieser Lieferung von Mitarbeitern der Gemeinschuldnerin verweigert. Vom Fahrer des Transports wurde verlangt, daß er die am Vortag gelieferte Ware wieder zurücknehme, weil sie zu Unrecht zurückgestellt worden sei. Es ist nicht erwiesen, daß die der Gemeinschuldnerin zurückgestellten Blusen wieder an die beklagte Partei zurückgelangt sind. Am 24.August 1983 teilte die Gemeinschuldnerin der beklagten Partei mit, daß sie bereit sei, fehlerhafte Blusen zurückzunehmen, keinesfalls aber die gesamte Lieferung. Es könne in Anwesenheit eines Vertreters der beklagten Partei geprüft werden, welche Stücke fehlerhaft seien; diese werde die Gemeinschuldnerin zurücknehmen; im übrigen stehe die zurückgestellte Ware zur Verfügung der beklagten Partei. Die beklagte Partei stellte sich im Schreiben vom 25.August 1983 auf den Standpunkt, daß die gesamte Ware, nicht nur die fehlerhaften Stücke, zur Verfügung der Gemeinschuldnerin stehe. Da ihr von Kunden fehlerhafte Stücke zurückgegeben worden seien, werde sie die Ware nicht mehr zum Verkauf bringen. Die Gemeinschuldnerin wiederholte im Schreiben vom 31.August 1983 ihren Standpunkt, daß sie nur bereit sei, fehlerhafte Stücke der Artikel Sandra und Claudia (Blusen mit Patentverschlüssen) zurückzunehmen, auf keinen Fall aber die anderen Modelle, die einwandfrei seien. Im Schreiben ihres Rechtsvertreters vom 13.September 1983 verwies die Gemeinschuldnerin darauf, daß die Mängelrüge, die sich zudem nur auf einen kleinen Teil der Ware beziehe, verspätet gewesen sei. Nur soweit Mängel nachgewiesen wurden, sei die Gemeinschuldnerin zur Rücknahme der Ware bereit. Die beklagte Partei hingegen vertrat im Schreiben ihres Rechtsvertreters vom 19.September 1983 den Standpunkt, daß der gesamte Warenposten mangelhaft gewesen sei und die beklagte Partei der Obliegenheit zur Rüge zeitgerecht nachgekommen sei. Im Schreiben wurden die den gelieferten Blusen anhaftenden Mängel näher spezifiziert. Der Kläger begehrt den Betrag von 515.252,90 S sA für auftragsgemäß gelieferte Damenblusen. Die beklagte Partei habe erstmals 36 Tage nach Lieferung Mängel in Ansehung der Blusen mit Patentknöpfen, das seien die Artikel Sandra und Claudia, gerügt. Ungeachtet der verspäteten Mängelrüge habe sich die Gemeinschuldnerin mit Fernschreiben vom 24.August 1983 bereit erklärt, Blusen der Modelle Claudia und Sandra zurückzunehmen, sofern nach Prüfung der Ware deren Fehlerhaftigkeit festgestellt werde.

Die beklagte Partei beantragte Abweisung des Klagebegehrens. Die gesamte gelieferte Ware sei fehlerhaft gewesen, die Mängel seien auch sofort nach Ablieferung gerügt worden. Die beklagte Partei habe die Gemeinschuldnerin in Kenntnis gesetzt, daß sich bei den Modellen Claudia und Sandra die Metallknöpfe der Blusen lösten, die Modelle Velden und Genf komplett verschnitten und deren Paßform unrichtig sei und bei den Modellen Zug und Carola die Krägen der Blusen nicht die bestellten Farben hätten. Die Gemeinschuldnerin habe diese Mängel anerkannt und mit der beklagten Partei die Rücknahme der fehlerhaften Ware vereinbart. Am 23.August 1983 sei ein Großteil der Ware zurückgestellt worden, in der Folge habe sich die Gemeinschuldnerin entgegen der getroffenen Vereinbarung geweigert, die restliche Ware zurückzunehmen.

Das Erstgericht erkannte die beklagte Partei schuldig, dem Kläger den Betrag von 122.283,40 S sA zu bezahlen. Das weitere Begehren auf Zuspruch von 392.969,50 S wies es ab. Die erste Teilrücklieferung sei von der hiezu offensichtlich befugten Lagerangestellten der Gemeinschuldnerin Lieselotte C*** zurückgenommen worden. Die mangelnde interne Genehmigung hiezu könne der beklagten Partei nicht entgegengehalten werden. Für die zurückgestellten Waren sei die Gemeinschuldnerin allein verantwortlich. Sie trage daher den wirtschaftlichen Nachteil und könne von der beklagten Partei den Wert der zurückgestellten Ware weder aus dem Titel der fälligen Kaufpreisforderung noch aus dem Titel des Schadenersatzes begehren. Die beklagte Partei schulde demnach der Gemeinschuldnerin nur den Wert der nicht zurückgestellten Ware, weil die behaupteten offenen Mängel nicht rechtzeitig gerügt worden seien.

Das Berufungsgericht gab der gegen den das Klagebegehren abweisenden Teil des Urteils des Erstgerichtes erhobenen Berufung des Klägers Folge und gab auch diesem Teilbegehren statt. Das Erstgericht habe zutreffend erkannt, daß die beklagte Partei der sie nach § 377 HGB treffenden Obliegenheit zur unverzüglichen Untersuchung und Rüge der von der Gemeinschuldnerin gelieferten Blusen nicht entsprochen habe. Die beklagte Partei habe jedenfalls den ihr obliegenden Beweis, die Blusen unverzüglich nach Eingang untersucht und die Mängelanzeige erstattet zu haben, nicht erbracht. Die Ware gelte daher als genehmigt. Lieselotte C*** habe mit der ohne Ermächtigung des Geschäftsführers Hubert W*** erfolgten Rücknahme von Blusen keine Minderung der Kaufpreisforderung herbeiführen können. Die beklagte Partei habe auf eine entsprechende Vollmacht der Lieselotte C*** auch nicht vertrauen können, weil die Leitung eines Warenlagers es nicht erfordere, rechtsgeschäftliche Erklärungen zu Gewährleistungsansprüchen abzugeben. Selbst die Rücknahme bemängelter Waren in einem für den Verkehr mit dem Publikum bestimmten offenen Lager bedeute keine Anerkennung von Mängeln. Eine so zurückgelieferte Ware gelte nicht als zurückgenommen. Lieselotte C*** habe darüber hinaus den Gegenschein "unter Vorbehalt" unterschrieben und damit deutlich zum Ausdruck gebracht, daß mit der faktischen Rücknahme keine Anerkennung eines Gewährleistungsanspruches verbunden sei. Durch die einseitige Rückgabe eines Teils der Ware habe auch die auf die beklagte Partei übergegangene Gefahr des Verlustes der Ware nicht wieder auf die Gemeinschuldnerin überwälzt werden können. Wenn sich die beklagte Partei am 24.August 1983 geweigert habe, der Aufforderung der Gemeinschuldnerin, die am Vortag rückgelieferten Blusen wieder mitzunehmen, zu entsprechen, sei sie in Annahmeverzug geraten, so daß die widrigen Folgen gemäß § 1419 ABGB die beklagte Partei träfen. Insgesamt erweise sich daher die Kaufpreisforderung der Gemeinschuldnerin als gerechtfertigt.

Rechtliche Beurteilung

Die gegen das Urteil des Berufungsgerichtes in Ansehung des Teilbetrages von 392.969,50 S sA erhobene Revision der beklagten Partei ist im Ergebnis nicht gerechtfertigt.

Nach dem unbestrittenen Sachverhalt lieferte die Gemeinschuldnerin der beklagten Partei am 8.Juli 1983 die von ihr bestellten Blusen, die am 12.Juli 1983 mit 515.252,90 S in Rechnung gestellt wurden. Die beklagte Partei wendet sich nicht gegen die Beurteilung der Vorinstanzen, daß sie der sie gemäß § 377 HGB treffenden Obliegenheit, die Ware unverzüglich nach Ablieferung zu untersuchen und einen Mangel dem Verkäufer (substantiiert) unverzüglich anzuzeigen, nicht entsprochen hat; demgemäß galt die Ware gemäß § 377 Abs. 2 HGB als genehmigt, zumal auch nicht geltend gemacht wurde, daß die den gelieferten Blusen anhaftenden Mängel bei sofortiger Untersuchung nicht erkennbar waren. Die Fiktion der Genehmigung der Ware durch Unterlassung der unverzüglichen Mängelrüge tritt auch ohne Rücksicht auf den Parteiwillen ein und bewirkt den Verlust aller aus dem Mangel der Ware abgeleiteten Rechte (SZ 50/93; HS 10.865, 10.860, 10.857; Kramer in Straube, Komm.z.HGB, Rz 50 zu § 377 mwN). Die Gemeinschuldnerin erklärte sich freilich ungeachtet der verspäteten Mängelrüge bereit, die Blusen mit Patentknöpfen (Artikel Claudia und Sandra), soweit in Anwesenheit eines Vertreters der beklagten Partei die Ware als fehlerhaft festgestellt wird, zurückzunehmen. Diese Erklärung der Gemeinschuldnerin kann nicht dahin verstanden werden, daß sie auf die Einrede der verspäteten Erhebung der Mängelrüge in Ansehung dieser Blusen überhaupt verzichtete (vgl. HS 10.867, 10.865; Kramer aaO Rz 27 zu § 377 HGB); sie bot der beklagten Partei nur an, einvernehmlich festgestellte Mängel zu berücksichtigen und die als mangelhaft festgestellten Waren zurückzunehmen. Dieses Anbot lehnte die beklagte Partei, die den Standpunkt vertrat, daß die gesamte Warenlieferung mangelhaft und von der Gemeinschuldnerin zurückzunehmen sei, ab. Eine einvernehmliche teilweise Aufhebung des Kaufvertrages ist demnach nicht zustandegekommen.

Der teilweisen Rücknahme von Waren "unter Vorbehalt" durch die Lagerleiterin der Gemeinschuldnerin Lieselotte C*** kam nicht die Bedeutung der Anerkennung eines Gewährleistungsanspruches in Ansehung der zurückgestellten Ware zu. Mit Recht verwies das Berufungsgericht darauf, daß selbst die Rücknahme bemängelter Ware durch den in einem für den Verkehr mit dem Publikum bestimmten offenen Lager Angestellten - ob die Gemeinschuldnerin ein offenes Lager unterhielt, steht nicht fest - keine Anerkennung von Mängeln bedeutet. Die bemängelte Ware gilt dann zwar als zurückgeliefert, aber nicht als zurückgenommen (Friedl-Schinko in Straube aaO Rz 3 und 4 zu § 56 HGB). Von dieser Rechtslage geht auch die Revisionswerberin aus. Die Revisionswerberin erachtet die Berechtigung des Klagebegehrens im Umfang der Anfechtung deshalb als nicht gegeben, weil die faktisch zurückgestellte Ware wieder in den Gewahrsams- und Gefahrenbereich der Gemeinschuldnerin gelangt sei und diese die Gefahr des (verschuldeten) Verlustes der Ware treffe. Ob der beklagten Partei aber eine Gegenforderung aus dem Rechtsgrund des Schadenersatzes daraus erwachsen sein konnte, daß der Gemeinschuldnerin Ware zurückgestellt wurde, deren Verbleib ungeklärt geblieben ist, kann dahingestellt bleiben, weil die beklagte Partei eine solche ihr erwachsene Gegenforderung im Verfahren erster Instanz nicht geltend gemacht hat. Durch die bloße Zurückstellung eines Teils der verkauften Ware an die Lagerleiterin der Gemeinschuldnerin wurde die der Gemeinschuldnerin erwachsene Kaufpreisforderung in ihrem Bestande nicht berührt. Die behauptete Vereinbarung der Rückabwicklung des Kaufvertrages ist nicht erwiesen. Auf die Frage, ob sich die beklagte Partei in Annahmeverzug befand, weil sich der Chauffeur der beklagten Partei weigerte, die am 23.August 1983 der Gemeinschuldnerin zurückgestellten Blusen zu übernehmen, ist nicht einzugehen. Aus den dargelegten Gründen ist der Revision der Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO.

Anmerkung

E13132

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1988:0010OB00699.87.0120.000

Dokumentnummer

JJT_19880120_OGH0002_0010OB00699_8700000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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