TE OGH 1988/1/21 7Ob725/87

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Veröffentlicht am 21.01.1988
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Flick als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Wurz, Dr. Warta, Dr. Egermann und Dr. Niederreiter als Richter in der Sachwalterschaftssache des Betroffenen Dipl.Ing. Arnold B***, geboren am 15. November 1916, Neulengbach, Haag 44, infolge Revisionsrekurses der Renate B***, Hausfrau, Wien 13, Fasangartengasse 109/3, vertreten durch Dr. Johann Subarsky, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Beschluß des Landesgerichtes St. Pölten als Rekursgerichtes vom 15. Oktober 1987, GZ R 487/87-35, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Neulengbach vom 14. Juli 1987, GZ Sw 24/86-28, bestätigt wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Auf Grund einer Mitteilung des Pflegeheimes B*** vom 21. Juli 1986 leitete das Erstgericht ein Verfahren über die Bestellung eines Sachwalters für Dipl.Ing. Arnold B*** ein. Da die Frau des Betroffenen, Renate B***, erklärte, sie sei nicht bereit, das Amt eines vorläufigen Sachwalters bzw. dann eines Sachwalters zu übernehmen und auch ihre Kinder seien hiezu nicht bereit, wurde Leopoldine K*** zur einstweiligen Sachwalterin bestellt. Am 16. April 1987 führte das Erstgericht eine mündliche Verhandlung durch, in der ein Sachverständiger Befund aufnahm und sein Gutachten vortrug.

In dem am 20. Mai 1987 eingelangten, von der Frau des Betroffenen geschriebenen und von ihm selbst unterfertigten Schriftsatz ON 24 wird vorgebracht, Renate B*** sei von Anfang an gegen die Entmündigung des Betroffenen gewesen. Aus diesem Grund habe sie auch erklärt, nicht zur Sachwalterin bestellt werden zu wollen. Sie sei nicht darüber aufgeklärt worden, daß ein einstweiliger Sachwalter auch gegen ihren Willen bestellt werden könne. Nunmehr, nach rechtlicher Aufklärung, sei die Frau des Betroffenen bereit, als einstweiliger Sachwalter zu fungieren. Der Betroffene mache deshalb gemäß § 238 AußStrG Renate B*** als seinen selbstgewählten Vertreter namhaft und beantrage, sie zum einstweiligen Sachwalter zu bestellen.

Mit Beschluß vom 14. Juli 1987 (ON 28), bestellte das Erstgericht Leopoldine K*** - die seitens des Niederösterreichischen Landesvereins für Sachwalterschaft als Sachwalterin für den Betroffenen namhaft gemacht worden war - gemäß § 273 ABGB zum Sachwalter für den Betroffenen, betraute sie mit der Besorgung aller Angelegenheiten (§ 273 Abs 3 Z 3 ABGB) und verpflichtete den Betroffenen zum Ersatz der Kosten im Betrag von S 3.000,--. Bei Dipl.Ing. Arnold B*** bestehe eine höhergradige Abschwächung wesentlicher geistiger Funktionen, insbesondere des Gedächtnisses, der Urteils- und Kritikfähigkeit. Es sei auch ein Abbau der übrigen Persönlichkeitsfunktionen gegeben. Die psychisch-geistigen Defekte seien Folge einer fortschreitenden Hirnschlagaderverkalkung. Mit einer entscheidenden Besserung des Zustandsbildes sei in Zukunft keinesfalls zu rechnen. Der Betroffene sei in einem beträchtlichen Ausmaß psychisch krank und bedürfe der Hilfe und des Schutzes einer Sachwalterschaft iS des § 273 ZPO. Renate B*** habe sich nicht bereit erklärt, das Amt eines Sachwalters zu übernehmen. Zwar sei in der Folge in dem von Renate B*** geschriebenen und vom Betroffenen unterschriebenen Schriftsatz ON 24 beantragt worden, Renate B*** zum einstweiligen Sachwalter zu bestellen. Dieser Antrag sei jedoch zu einem Zeitpunkt gestellt worden, da die gerichtsärztliche Untersuchung bereits stattgefunden habe und nicht mehr ein einstweiliger Sachwalter, sondern ein Sachwalter zu bestellen gewesen sei. Zwischen dem Betroffenen und seiner Frau seien finanzielle Probleme zu regeln.

Es erscheine daher günstiger, wenn eine außenstehende Person, wie sie vom Niederösterreichischen Landesverein für Sachwalterschaft namhaft gemacht worden sei, die Stelle eines Sachwalters übernehme. Die zweite Instanz gab dem Rekurs der Frau des Betroffenen nicht Folge. Es nahm Einsicht in Anhaltungsakten aus den Jahren 1978, 1982 und 1983, vertrat jedoch die Ansicht, daß diese gar nicht geeignet seien, das vom Erstgericht eingeholte Sachverständigengutachten zu entkräften. Die im Verfahren 3 L 4/83 des Bezirksgerichtes Fünfhaus eingeholte Begutachtung des Betroffenen liege drei Jahre zurück. Da sich Renate B*** geweigert habe, die Sachwalterschaft zu übernehmen, und das Erstgericht zutreffend eine die Bestellung hindernde Interessenkollision in vermögensrechtlicher Hinsicht, wie etwa bei der Regelung des Unterhalts oder der Verwaltung des gemeinsamen Sparguthabens, als möglich erachtet habe und Konflikte auch in persönlicher Hinsicht denkbar seien, sei die Bestellung einer Vereinssachwalterin gerechtfertigt.

In ihrem Revisionsrekurs macht Renate B*** Nullität der Entscheidung des Rekursgerichtes geltend und stellt den Antrag, diese dahin abzuändern, daß ihrem Rekurs gegen den Beschluß des Erstgerichtes Folge gegeben werde.

Die Rekurswerberin erachtet sich zunächst dadurch beschwert, daß dem angefochtenen Beschluß nicht zu entnehmen sei, ob die Beschwerdeführerin entsprechend den Ausführungen im Schriftsatz ON 24 nun einstweilige Sachwalterin geworden sei oder nicht. Sei sie es geworden, wäre dem Rekurs - mit dem Renate B*** letztlich ihre Bestellung zum Sachwalter für sämtliche Angelegenheiten des Betroffenen beantragt hat - im Ergebnis Folge zu geben gewesen. Sei sie es nicht geworden, widerspreche dies dem Subsidiaritätsprinzip. Die Darstellung der zweiten Instanz, Renate B*** habe (in ON 24) nur erklärt, sie sei zur Übernahme der vorläufigen Sachwalterschaft bereit, nicht auch, daß sie zur Sachwalterin bestellt werden wolle, sei eine durch nichts begründete Haarspalterei. Durch die Beischaffung von Akten seien die Entscheidungsgrundlagen verändert worden, ohne daß für die am Verfahren Beteiligten die Möglichkeit bestanden habe, hiezu Stellung zu nehmen.

Mit diesen Ausführungen - ausgenommen jenen des letzten Satzes - behauptet die Beschwerdeführerin nicht das Vorliegen einer Nullität, sondern einer offenbaren Gesetzwidrigkeit (iS des § 16 AußStrG), wie insbesondere durch den Hinweis auf ihre Rekursanträge an die zweite Instanz deutlich wird.

Rechtliche Beurteilung

Der Beschluß der zweiten Instanz ist jedoch weder offenbar gesetzwidrig, noch leidet er an einer Nullität.

Hat der Betroffene keinen gesetzlichen oder selbst gewählten Vertreter, hat ihm das Gericht gemäß § 238 Abs 1 AußStrG für das Verfahren einen einstweiligen Sachwalter zu bestellen. ..... Die Vertretungsmacht des einstweiligen Sachwalters für das Verfahren erlischt, wenn der Betroffene dem Gericht die Bevollmächtigung eines selbstgewählten Vertreters ermittelt. Renate B*** hat sich bei ihrer Befragung durch das Erstgericht nicht bereit erklärt, die Stellung eines einstweiligen Sachwalters für den Betroffenen - der keinen gesetzlichen oder selbstgewählten Verteidiger hatte - zu übernehmen. Die Vertretungsmacht der vom Erstgericht daraufhin bestellten einstweiligen Sachwalterin Leopoldine K*** ist mit dem Schriftsatz ON 24, der als Mitteilung der Bevollmächtigung eines selbstgewählten Vertreters durch den Betroffenen anzusehen ist, erloschen. Verfehlt ist jedoch die Auffassung des Rekursgerichtes, Renate B*** sei mit ihrer Bestellung selbstgewählte Vertreterin des Betroffenen Verfahrenssachwalterin bzw. einstweilige Sachwalterin geworden. Richtig ist allerdings, daß die Vertretungsmacht des einstweiligen Sachwalters gem. § 238 Abs 1 AußStrG erlischt, wenn der Betroffene dem Gericht die Bevollmächtigung eines selbst gewählten Vertreters anzeigt. Durch diese Anzeige wird dieser jedoch noch nicht seinerseits zum einstweiligen Sachwalter. Daß sich die Bevollmächtigung seiner Frau durch den Betroffenen im Verfahren vor dem Erstgericht nicht mehr ausgewirkt hat, weil das Erstgericht die mündliche Verhandlung bereits durchgeführt hatte, vermag nichts daran zu ändern, daß Renate B*** ab dem Zeitpunkt der Mitteilung ON 24 als selbstgewählte Vertreterin des Betroffenen für das Verfahren anzusehen war. Rückschlüsse auf eine Bestellung zum Sachwalter gemäß § 273 ABGB können aus diesem Umstand jedoch nicht gezogen werden.

Die Bestellung von Leopoldine K*** zum Sachwalter des Betroffenen gemäß § 273 ABGB erfolgte auch nicht offenbar gesetzwidrig.

Gemäß § 281 ABGB ist einer behinderten Person, wenn ihr Wohl nichts anderes erfordert, eine geeignete, ihr nahestehende Person, ist sie minderjährig, der bisherige gesetzliche Vertreter, zum Sachwalter zu bestellen (Abs 1). Erfordert es das Wohl der behinderten Person, so ist, soweit verfügbar, ein Sachwalter aus dem Kreis der von einem geeigneten Verein namhaft gemachten Personen zu bestellen (Abs 2).

Beherrschender Grundsatz bei der Auswahl des Sachwalters ist das Wohl der behinderten Person. Im einzelnen soll das Gericht überlegen, ob Eltern, Kinder ein Ehegatte oder sonstige dem Behinderten nahestehenden Personen vorhanden sind, die als Sachwalter geeignet sind, oder ein von einem Verein zur Verfügung gestellter Sachwalter zu bestellen ist. Bei der Beurteilung der Eignung einer dem Behinderten nahestehenden Person zum Sachwalter ist auf mögliche Interessenkollisionen Bedacht zu nehmen (742 der Beilagen zu den stenografischen Protokollen des Nationalrats, XV. GP, 20). § 281 ABGB räumt kein subjektives Recht auf das Amt des Sachwalters ein (1420 der Beilagen, 2).

Daß das Wohl des Betroffenen durch die Bestellung der vom Sachwalterverein namhaft gemachten Leopoldine K*** zur Sachwalterin gemäß § 273 ABGB außer Acht gelassen und damit gegen Grundprinzipien des Rechts verstoßen worden wäre, so daß aus diesem Grund ungeachtet des Vorliegens einer Ermessensentscheidung offenbare Gesetzwidrigkeit vorläge, wird nicht geltend gemacht und kann nach der Aktenlage auch nicht ersehen werden. Es müßte allerdings im Hinblick auf den Wortlaut des § 281 ABGB als Ermessensmißbrauch und Willkür und damit als offenbar gesetzwidrig angesehen werden, wenn ohne jeden ersichtlichen Grund nicht eine dem Betroffenen nahestehende, sondern eine von einem Verein namhaft gemachte Person zum Sachwalter bestellt worden wäre. Denn es ergibt sich aus § 281 ABGB, daß grundsätzlich - sofern die Besorgung der Angelegenheit der behinderten Person nicht vorwiegend Rechtskenntnisse erfordert (Abs 3) - primär der gesetzliche Vertreter (wenn der Behinderte minderjährig ist) bzw. eine dem Behinderten nahestehende Person als Sachwalter zu bestellen ist, eine vom Sachwalterverein namhaft gemachte Person dagegen erst mangels einer nach § 281 Abs 1 ABGB geeigneten Person (vgl. Pichler in Rummel, ABGB II, XXXII, Rz 3 und 4 zu § 281, sowie Maurer, Sachwalterrecht, Anm. 9 zu § 281 ABGB).

Ermessensmißbrauch oder Willkür der Vorinstanzen ist jedoch nicht gegeben. Die Vorinstanzen haben ausführlich dargelegt, daß und weshalb sie eine Interessenkollision des Behinderten und seiner Frau als möglich und deshalb die Bestellung einer Vereinssachwalterin als dem Wohl des Behinderten entsprechend ansehen. Der Hinweis der zweiten Instanz darauf, daß das Schicksal der am 30. April 1977 überwiesenen Abfertigung des Behinderten in der Höhe von S 878.729,-- ungeklärt ist, daß sein Girokonto in den Monaten März und April 1987 einen bisher nicht aufgeklärten Sollstand aufwies und daß auch in persönlicher Hinsicht Konflikte denkbar sind, zumal im Verfahren Eheschwierigkeiten hervorgekommen sind, entspricht der Aktenlage und läßt es angezeigt erscheinen, daß nicht die Frau des Behinderten, Renate B*** sondern eine außenstehende dritte Person zum Sachwalter bestellt wurde. Die Bestellung einer Vereinssachwalterin ist daher weder offenbar gesetzwidrig erfolgt, noch kann darin eine Nullität erblickt werden.

Das Gericht zweiter Instanz hat die Feststellungen des Erstgerichtes weder ergänzt, noch auch ist es von diesen abgewichen. Es hat vielmehr die Ansicht vertreten, daß jene Akten aus den Jahren 1978 bis 1983, deren Beischaffung die Rechtsmittelwerberin in dem an die zweite Instanz gerichteten Rekurs beantragt hat, gar nicht geeignet seien, das vom Erstgericht im Jahre 1987 eingeholte Sachverständigengutachten zu entkräften. Der Umstand, daß das Gericht zweiter Instanz gemäß § 250 Abs 1 AußStrG das Verfahren, wenn der Betroffene dies beantragt oder das Gericht dies für erforderlich hält, nach den §§ 239 bis 242 AußStrG (mündliche Verhandlung) zu ergänzen oder neu durchzuführen hat und nach Abs 2 dieser Gesetzesstelle die Feststellungen des Erstgerichtes nur insoweit ergänzen oder von diesen abweichen darf, als es das Verfahren ergänzt, bzw. neu durchgeführt hat, ist daher ohne Belang für die Entscheidung des Rekursgerichtes geblieben. Ein Verfahrensverstoß vom Range einer Nichtigkeit, ist daher nicht gegeben.

Der Revisionsrekurs erweist sich damit mangels Vorliegens eines Rekursgrundes iS des § 16 AußStrG als unzulässig und war daher zurückzuweisen.

Anmerkung

E14349

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1988:0070OB00725.87.0121.000

Dokumentnummer

JJT_19880121_OGH0002_0070OB00725_8700000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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