TE OGH 1988/1/26 10ObS9/88

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 26.01.1988
beobachten
merken

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Rekursgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Resch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Mag. Engelmaier und Dr. Angst als weitere Richter sowie durch die fachkundigen Laienrichter Dr. Peter Wolf und Anton Korntheuer in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Sabit V***, Pensionist, YU-38240 Podujevo, Selo Svetlje, vertreten durch Mag. Dr. Lothar Wiltschek, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei P*** DER A***, 1090 Wien, Roßauer

Lände 3, vor dem Obersten Gerichtshof nicht vertreten, wegen Invaliditätspension, infolge Rekurses der klagenden Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 28. September 1987, GZ 34 Rs 158/87-66, womit die Berufung der klagenden Partei gegen das Urteil des Schiedsgerichtes der Sozialversicherung für Wien in Wien vom 17. Dezember 1986, GZ 15 a C 31/85-47, (nunmehr AZ 15 Cgs 31/85 des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien) zurückgewiesen wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Rekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluß wird aufgehoben.

Dem Berufungsgericht wird aufgetragen, über die Berufung unter Abstandnahme vom gebrauchten Zurückweisungsgrund zu entscheiden. Die Rekurskosten sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung:

Das klageabweisende Urteil des Schiedsgerichtes der Sozialversicherung für Wien in Wien vom 17. Dezember 1986 wurde dem Kläger - bei wirksamer Ersatzzustellung - am 20. Jänner 1987 zugestellt. Dem Rückschein ist nicht zu entnehmen, ob der Urteilsausfertigung eine - in der Zustellverfügung nicht angeführte - Rechtsmittelbelehrung angeschlossen war. Am 16. Februar 1987, also innerhalb der vierwöchigen Berufungsfrist, gab der Kläger eine an das Schiedsgericht der Sozialversicherung für Wien in Wien gerichtete Eingabe in serbokroatischer Sprache zur Post, die er als "Zalba" (= Beschwerde) bezeichnete. Darin erklärte er ohne Angabe von Gründen, gegen das mit der Geschäftszahl zitierte, eingangs erwähnte Urteil Beschwerde einzubringen. Der Eingabe waren mehrere fachärztliche Befunde angeschlossen; die Übermittlung eines neurologischen Befundes wurde angekündigt.

Diese Eingabe wurde dem Kläger mit am 15. April 1987 zugestelltem Beschluß des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 30. März 1987 unter Hinweis auf den notwendigen Inhalt einer Berufungsschrift zur Verbesserung binnen 4 Wochen zurückgestellt. Am 30. April 1987, also innerhalb dieser Verbesserungsfrist, gab der Kläger eine an das letztgenannte Gericht adressierte, in serbokroatischer Sprache verfaßte Eingabe zur Post. Darin teilte er unter anderem mit, daß es ihm nicht möglich sei, einen Rechtsanwalt zu bezahlen, weil er außer einer Rente von 15.198 Dinar kein Einkommen habe. Der Eingabe sind 2 neurologische Befunde angeschlossen.

Am 13. Juni 1987 wurde dem Kläger entsprechend einer richterlichen Verfügung vom 1. Juni 1987 ein ZPForm 1 mit der Aufforderung zur Rücksendung binnen 14 Tagen zugestellt. Das ausgefüllte Vermögensbekenntnis wurde am 17. Juni 1987 an das Arbeits- und Sozialgericht Wien zur Post gegeben. Dieses bewilligte nunmehr dem Kläger die Verfahrenshilfe und die Beigebung eines Rechtsanwalts für das Berufungsverfahren. Der Bewilligungsbeschluß und eine Ausfertigung des Urteils wurden dem bestellten Rechtsanwalt, Mag. Dr. Lothar Wiltschek, am 6. Juli 1987 zugestellt, der am 3. August 1987 eine Berufung an das genannte Arbeits- und Sozialgericht zur Post gab.

Das Berufungsgericht wies die Berufung zurück. Der Kläger habe den ihm mit Beschluß vom 30. März 1987 erteilten Verbesserungsauftrag nicht eingehalten und während dieser ersten Verbesserungsfrist auch keinen Antrag auf Verfahrenshilfe gestellt. Daß ihm nach Ablauf der ersten Frist zur Vorlage des Vermögensbekenntnisses eine neuerliche Verbesserungsfrist gesetzt worden sei, in der er das Vermögensbekenntnis vorgelegt habe, könne daran nichts ändern.

Rechtliche Beurteilung

Der auf Aufhebung des berufungsgerichtlichen Zurückweisungsbeschlusses gerichtete Rekurs des Klägers ist nach § 519 Abs.1 Z 1 ZPO zulässig.

Das Rechtsmittel ist schon deshalb berechtigt, weil schon die am 30. April 1987, also während der ersten Verbesserungsfrist zur Post gegebene Eingabe des Klägers, in der er zur im Verbesserungsauftrag erteilten Information, daß zur Vertretung im Berufungsverfahren (neben den im § 40 Abs.1 Z 2 ASGG genannten anderen qualifizierten Personen) nur Rechtsanwälte zugelassen seien, mitteilte, daß es ihm wegen seiner kleinen Rente nicht möglich sei, einen Rechtsanwalt zu bezahlen, und in der er um wohlwollende Erledigung ersuchte, ein Antrag auf Verfahrenshilfe durch Beigebung eines Rechtsanwalts für das Berufungsverfahren ist.

Daß diesem Antrag kein Vermögensbekenntnis im Sinne des § 66 Abs.1 ZPO angeschlossen war, stellte nur ein Formgebrechen dar, das nach dem letzten Satz der zitierten Gesetzesstelle zu beheben war und vom Kläger innerhalb der dafür gesetzten Frist auch behoben wurde.

Der Kläger hat daher innerhalb der ihm zur Verbesserung seiner als Berufung aufgefaßten, am 16. Februar 1987 zur Post gegebenen Eingabe gesetzten vierwöchigen Frist die Beigebung eines Rechtsanwalts für das Berufungsverfahren beantragt, weshalb diese Verbesserungsfrist nach § 85 Abs.2 Satz 2 ZPO mit der Zustellung des Bescheides über die Bestellung des Rechtsanwalts am 6. Juli 1987 (neu) zu laufen begann.

Innerhalb dieser Frist nahm der bestellte Rechtsanwalt die Verbesserung des vom Kläger eingebrachten Schriftsatzes durch Einbringung einer dem Verbesserungsauftrag entsprechenden Berufungsschrift vor. Dabei war er an den den Verbesserungsauftrag auslösenden Schriftsatz nicht gebunden, weil dieser mangels Postulationsfähigkeit des Klägers im Berufungsverfahren keinen wirksamen Rechtsmittelinhalt haben konnte. Weil daher nicht geprüft werden muß, ob der vom Rechtsanwalt unterfertigte (neu) Berufungsschriftsatz inhaltlich mit dem dadurch "verbesserten", vom Kläger selbst unterfertigten ersten Schriftsatz übereinstimmt, war es hier ausnahmsweise nicht erforderlich, diesen ursprünglichen Schriftsatz wieder vorzulegen. Die "Wiederanbringung" im Sinne des § 85 Abs.2 ZPO liegt vielmehr in einem solchen Fall in der Einbringung des von einem Rechtsanwalt unterfertigten Schriftsatzes, mag es sich dabei um den - allenfalls verbesserten und/oder ergänzten - ursprünglichen oder - wie im vorliegenden Fall - um einen völlig neuen Schriftsatz handeln.

Diese Auslegung der durch die Zivilverfahrens-Novelle 1983 erweiterten Verbesserungsbestimmungen gewährleistet, daß die Zwecke, die durch den für schriftliche Rechtsmittel in der Regel bestehenden Anwaltszwang verfolgt werden, vor allem der Schutz des rechtsunkundigen Rechtsmittelwerbers, erreicht werden können (so auch 28. Mai 1986, 3 Ob 50/86, AnwBl. 1987, 296; Mayr, Die Einmaligkeit des Rechtsmittels nach der Zivilverfahrens-Novelle 1983, RZ 1987, 265 f).

Dem gegen den Zurückweisungsbeschluß gerichteten Rekurs war daher Folge zu geben, der angefochtene Beschluß aufzuheben und dem Berufungsgericht eine Entscheidung unter Abstandnahme vom gebrauchten Zurückweisungsgrund aufzutragen.

Der Entscheidungsvorbehalt hinsichtlich der Rekurskosten beruht auf § 52 Abs.1 ZPO.

Anmerkung

E13411

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1988:010OBS00009.88.0126.000

Dokumentnummer

JJT_19880126_OGH0002_010OBS00009_8800000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten