TE OGH 1988/1/26 8Ob604/87

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Veröffentlicht am 26.01.1988
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Scheiderbauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kralik, Dr.Vogel, Dr.Melber und Dr.Kropfitsch als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Johann S***, Landwirt, Landesbahnsiedlung 24, 2285 Leopoldsdorf im Marchfeld, vertreten durch Dr.Elisabeth Fechter-Petter, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Dipl.Ing.Georg P***, Landwirt, Hauptstraße 45, 2285 Leopoldsdorf im Marchfeld, vertreten durch Dr.Egon Sattler, Rechtsanwalt in Wien, wegen S 1,066.905,60 s.A., infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 16.Februar 1987, GZ 14 R 323/86-45, womit das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien vom 27. Oktober 1986, GZ 52 Cg 141/84-40, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 19.677,74 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin Barauslagen von S 2.400,-- und Umsatzsteuer von S 1.570,70) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger begehrte die Verurteilung des Beklagten zur Zahlung von S 1,066.905,60 s.A. im wesentlichen mit der Begründung, er selbst sei Pächter eines den Gutsbestand der Liegenschaft EZ 86 KG Leopoldsdorf bildenden Ackers, der beklagte Pächter und Nutzungsberechtigter eines den Gutsbestand der Liegenschaft EZ 87 KG Leopoldsdorf bildenden Ackers. Diese beiden Grundstücke seien unmittelbar benachbart und nur durch einen Feldweg getrennt. Am 6.5.1982 sei über Auftrag des Beklagten auf dessen Acker, einem Getreidefeld, eine Spritzung mit dem Wuchsstoffmittel Dicopur vorgenommen worden. Da sich an diesem Tag der Wind mehrfach gedreht habe, seien am benachbarten Feld des Klägers 231.936 Stück Kopfsalat durch ds Wuchsstoffmittel beschädigt worden, wodurch dem Kläger ein Schaden in der Höhe des Klagsbetrages entstanden sei. Der Beklagte habe diesen Schaden verschuldet. Jeder, der eine Gefahrenquelle schaffe, habe dafür zu sorgen, daß ein Dritter dadurch nicht geschädigt werde. Der Beklagte hätte den Schaden auch durch den Einsatz eines anderen, allerdings teueren Spritzmittels verhindern können. Bei richtiger Anwendung des vom Beklagten verwendeten Spritzmittels wäre eine Schädigung des Salatfeldes des Klägers überhaupt nicht oder wenigstens nicht in einem derartigen Ausmaß erfolgt.

Der Beklagte wendete im wesentlichen ein, die Witterungsverhältnisse am 6.5.1982 seien dem Beklagten für die Spritzung des Getreidefeldes günstig erschienen. Der Kläger sei der gleichen Ansicht gewesen und habe der Spritzung zugestimmt. Die Spritzung sei mit dem Unkrautbekämpfungsmittel TM-Rasant vorgenommen worden und habe bis längstens 11,30 Uhr gedauert. Das Salatfeld des Klägers liege westlich des Getreidefeldes des Beklagten und sei durch einen Windschutzgürtel von diesem getrennt. In der ersten Tageshälfte des 6.5.1982 hätten geringfügige Winde aus nordwestlicher Richtung geherrscht. Die Spritzung könne daher am Salat des Klägers keinen Schaden im behaupteten Ausmaß angerichtet haben. Im geschädigten Salat hätten keine Spuren des gespritzten Unkrautbekämpfungsmittels festgestellt werden können. Es seien Flachstrahldüsen verwendet worden. Bei der damals herrschenden geringen Luftbewegung hätten Abtriftschäden ausgeschlossen werden können. Zwischen der Spritzung und dem schadhaften Salatwuchs bestehe kein ursächlicher Zusammenhang. Für den Fall, daß ein Verschulden des Beklagten vorliegen sollte, werde ein gleichteiliges Mitverschulden des Klägers eingewendet, weil er die Spritzung genehmigt habe. Der Traktorfahrer J***, der die Spritzung durchgeführt habe, sei ein seit langer Zeit beim Beklagten beschäftigter Mitarbeiter, der im Umgang mit diesem Spritzmittel seit langem vertraut sei. Der Beklagte bestritt auch die Höhe des vom Kläger behaupteten Schadens.

Das Erstgericht wies - im zweiten Rechtsgang - das Klagebegehren ab.

Es stellte im wesentlichen folgenden Sachverhalt fest:

Eigentümerin der Liegenschaft EZ 87 KG Leopoldsdorf ist die Schwester des Beklagten. Die Gutsverwaltung P***, zu dem das am 6.5.1982 gespritzte Getreidefeld gehört, wird von einer Gesellschaft nach bürgerlichem Recht betrieben, deren Gesellschafter der Beklagte und seine Schwester sind. Der Beklagte ist Leiter der Gutsverwaltung. Er beschäftigt sich hauptsächlich mit der kaufmännischen Seite des Betriebes und übernimmt nur bei Abwesenheit des Verwalters Josef S*** dessen Agenden. S***, der vom 1.3.1957 bis 1.2.1964 im Betrieb tätig war und nach einer Tätigkeit als Prüfinspektor einer Zuckerfabrik seit 1.1.1967 wieder als Verwalter in der Gutsverwaltung arbeitet, ist für den Bereich "Produktion" zuständig. Er begann seine Berufslaufbahn als Landwirtschaftslehrling, absolvierte eine einjährige Fachschule und arbeitete sich unter Ausübung praktisch jeglicher Tätigkeit, die in einem landwirtschaftlichen Betrieb auftauchen kann, bis zum Verwalter hoch. Im Winter besucht er Forbildungsveranstaltungen. Die Auswahl der jeweiligen Unkrautbekämpfungsmittel und Spritzmittel bespricht er mit dem Beklagten, wobei eine Begehung der Felder im Beisein eines Pflanzenschutzberaters stattfindet.

Das Mittel TM-Rasant wurde in der Gutsverwaltung P*** bereits vor dem 6.5.1982 verwendet.

Karl J*** ist bereits seit 1973 in der Gutsverwaltung P*** tätig. Seit ca. 10 Jahren fällt in seinen Arbeitsbereich die Durchführung der Unkrautbekämpfung am Feld. Er erhält vom Verwalter S*** am Morgen eines jeden Tages seine Arbeitsanweisungen.

Am 6.5.1982 vormittags wehten im Raum Leopoldsdorf Winde überwiegend aus nordwestlichen Richtungen mit Geschwindigkeiten von 5 - 15 km/h. Vereinzelte kurzzeitige Böenspitzen konnten auch 30 km/h erreichen. Am Morgen dieses Tages wurde J*** von S*** angewiesen, das dem Salatfeld des Klägers benachbarte Getreidefeld mit dem Mittel TM-Rasant zu spritzen. Der Kläger wurde durch S*** um 7 Uhr morgens von der bevorstehenden Spritzung informiert und erteilte auf Grund der zu diesem Zeitpunkt herrschenden Witterungsverhältnisse die Zustimmung zur Spritzung, wobei er der Meinung war, daß sie bis längstens 10 Uhr vormittags beendet sein werde.

Ab etwa 7 Uhr früh bis gegen Mittag versprühte J*** mit dem Traktor mittels Flachstrahldüsen mit einem Druck von 2,1 atü das Pflanzenschutzmittel TM-Rasant. Auch ihm erschienen die Windverhältnisse günstig. Zuerst umrundete J*** das Getreidefeld und fuhr dann mit dem Traktor jeweils im rechten Winkel zum Salatfeld des Klägers das Getreidefeld ab. J*** fiel keine Winddrehung auf; er nahm fast keinen Wind wahr. Der Sprühnebel beschlug nie die hintere Scheibe der Traktorkabine. Weder J*** noch S***, der die Tätigkeit des Traktorfahrers ca. dreimal kontrollierte, fiel auf, daß der Sprühnebel abgetrieben wurde. S*** fiel anläßlich seiner Kontrollen keine Änderung der Windverhältnisse und der Windrichtung auf, sodaß er keine Weisung gab, die Spritzung vorzeitig zu beenden.

Das Feld, von dem der Kläger ab Mitte Mai 1982 Salat ernten wollte, grenzt in einer Länge von 250 m mit seiner Breitseite an die nordwestliche Grenze des Getreidefeldes und ist nur durch einen schmalen Feldweg und einen aus Büschen bestehenden Windschutzgürtel von diesem getrennt. Der Windschutzgürtel weist einige Lücken mit einer Gesamtlänge von 62 m auf.

Einige Tage nach der Spritzung stellte der Kläger Schäden am Salat fest. Die geschädigten Salatköpfe befanden sich auf einer Fläche von ca. 3 ha. In der Nähe des Weizenfeldes des Beklagten und zwar dort, wo der Windschutzgürtel die großen Lücken hat, war der Schaden am stärksten; er nahm nach Nordwesten hin immer mehr ab. Die Bodenuntersuchung ergab keinen Nachweis des verwendeten Unkrautvertilgungsmittels, eines Esterpräparates. Der Salat reagiert auf dieses Mittel empfindlich. Der Salat des Klägers zeigte die für dieses Mittel typischen Schadenssymptome. Ein Abtriftschaden kann eintreten, wenn kurzfristig die Düsen verstopft sind und der Sprühdruck ansteigt oder wenn bei höheren Windgeschwindigkeiten gespritzt wird. Es kommt zu keinem Abtriftschaden, wenn bei einer Windgeschwindigkeit von 10 km/h ein Sicherheitsabstand von 20 m eingehalten wird. Treten Spitzenböen von 25 km/h auf, sollte der Sicherheitsabstand auf 50 m erhöht werden. Wuchsstoffmittel wie TM-Rasant sollen besser nicht in der Nähe von empfindlichen Kulturen verwendet werden und wenn, dann nur unter besonderen Vorsichtsmaßnahmen. Darauf wird von der chemischen Industrie, der landwirtschaftlichen Beratung und im öffentlichen Pflanzenschutzdienst seit vielen Jahren hingewiesen. Der eingetretene Schaden kann nur von der Spritzung am Feld des Beklagten stammen. Der Traktorfahrer muß einen kurzen Windstoß nicht bemerkt haben. Ein geringer Prozentsatz des Sprühmittels ist mit freiem Auge nicht sichtbar. Er steigt durch die Bodenwärme in die Höhe und wird - durch die Thermik theoretisch auch über den Windschutzgürtel hinweg - abgetriftet. Bei diesem gefährlichen Mittel hätte der Spritzvorgang früher begonnen, vorsichtshalber aber um 9 Uhr abgebrochen werden müssen, weil danach Temperatur- und Windrichtungsänderungen zu erwarten waren.

Die Kenntnis, daß sich etwa zwischen 8.45 und 9 Uhr auf Grund der Temperatursteigerung auch eine Änderung der Windverhältnisse ergeben könne, ist bei einem Traktorfahrer, der bloß Befehle ausführt, nicht üblich, wohl hingegen bei einem Verwalter wie Josef S***. Ein solches Wissen ist aber auch bei J***, der bereits so lange im Betrieb und mit solcher Tätigkeit betraut ist, vorauszusetzen. Bei S*** ist auch das Wissen vorauszusetzen, daß bei der Unkrautbekämpfung mit dem eingesetzten Herbizid Hedonal TM-Rasant eine Spritzung äußerst vorsichtig vorzunehmen ist. Bei einem derartigen Spritzmittel ist der Spritzbeginn so früh wie möglich anzusetzen. Die Gefahr der Thermikabtriftung ist geringer, je kühler Boden-, Pflanzen- und Lufttemperaturen sind. Ungünstig ist eine Spritzung wegen der Bodenerwärmung in den Abendstunden auch bei Windstille.

Auf den Packungen der Herbizide sind zwar die Gebrauchsanweisung und der Hinweis auf eventuell gefährdete Nachbarkulturen abgedruckt, nicht jedoch, zu welcher Tageszeit dieses Mittel plaziert werden sollte. Diese Kenntnis erwirbt man durch Ausbildung in einem landwirtschaftlichen Betrieb und in Fachschulen.

Rechtlich beurteilte das Erstgericht den festgestellten Sachverhalt im wesentlichen dahin, der Kläger könne als Bestandnehmer nicht den nachbarrechtlichen Schutz in Anspruch nehmen. Ein Ausgleichsanspruch des Klägers in Analogie zu § 364 ABGB komme daher nicht in Betracht.

Es könne nicht zweifelhaft sein, daß durch eine großflächige Spritzung eine Gefahrenquelle geschaffen werde. Daraus folge, daß derjenige, der diese Gefahrenquelle schaffe, die zur Abwendung der daraus drohenden Gefahren nötigen Vorkehrungen zu treffen und den Beweis, die nötige Sorgfalt nicht vernachlässigt zu haben, zu erbringen habe.

Für das Verschulden des Traktorfahrers hafte der Beklagte nicht. Der Kläger habe weder behauptet noch bewiesen, daß sich der Beklagte einer untüchtigen oder wissentlich einer gefährlichen Person bedient habe (§ 1315 ABGB). Ohne Rücksicht auf die Tüchtigkeit seines Dienstnehmers hafte nur der Unternehmer eines gefährlichen Betriebes. Eine Ausdehnung der Gehilfenhaftung über § 1315 ABGB hinaus in Analogie zu den Haftpflichtgesetzen könne nur in Fällen höherer und besonderer Gefährlichkeit gebilligt werden. Ein landwirtschaftlicher Betrieb sei aber kein gefährlicher Betrieb. Der Beklagte habe hauptsächlich die kaufmännische Seite des Unternehmens betreut; das Gebiet "Produktion" sei S*** zugefallen. Auf Grund des beruflichen Werdeganges und der langjährigen Tätigkeit des Josef S*** als Verwalter in diesem Betrieb habe sich der Beklagte darauf verlassen können, daß dieser seine Mitarbeiter, insbesondere J***, über die Anwendung der Pflanzenschutzmittel so weit unterweisen werde, daß Schädigungen benachbarter Kulturen vermieden würden. Ein Organisationsverschulden oder Überwachungsverschulden könne daher dem Beklagten nicht angelastet werden.

Der gegen diese Entscheidung gerichteten Berufung des Klägers gab das Berufungsgericht mit dem angefochtenen Urteil keine Folge. Es führte, ausgehend von den unbekämpft gebliebenen erstgerichtlichen Feststellungen, rechtlich im wesentlichen aus, bei dem festgestellten beruflichen Werdegang und der langjährigen Erfahrung des Verwalters S*** in seinem Betrieb habe der Beklagte durchaus darauf vertrauen können, daß S*** die nötige und ausreichende Information über den Einsatz der chemischen Unkrautbekämpfungsmittel, insbesondere des Hedonal TM-Rasant besitze, zumal dieses Mittel in seiner Gutsverwaltung bereits vor dem 6.5.1982 verwendet worden sei. Er habe somit keinen wie immer gearteten Anlaß gehabt, Verdacht zu schöpfen, daß die Spritzung des Getreidefeldes am 6.5.1982 nicht sachgemäß durchgeführt werde. Der Einsatz von chemischen Pflanzenschutzmitteln in der Landwirtschaft sei derzeit nicht rechtswidrig. Der Beklagte sei seiner diesbezüglichen Sorgfaltspflicht dadurch nachgekommen, daß er sich hinsichtlich des Einsatzes der Pflanzenschutzmittel seines qualifizierten Verwalters S*** bedient und mit diesem die Auswahl der jeweiligen Unkrautbekämpfungs- und Spritzmittel besprochen habe, wobei sogar eine Begehung der Felder mit einem Pflanzenschutzberater stattgefunden habe. Ein höheres Maß an Sorgfalt könne vom Beklagten nicht verlangt werden, zumal er auch davon ausgehen habe können, daß S*** als einem erfahrenen landwirtschaftlichen Verwalter, der mit den Verhältnissen in der Natur vertraut sein mußte, eine Änderung der Windverhältnisse und der Windrichtung auffallen würde und er erforderlichenfalls die Weisung geben würde, die Spritzung vorzeitig zu beenden. Aus der Behauptung des Klägers, daß sich weder der Beklagte noch sein Verwalter S*** bis heute daran hielten, nach 9 Uhr vormittags keine Spritzung mit Herbiziden mehr durchzuführen, sei - abgesehen davon, daß es sich dabei um eine unzulässige Neuerung handle - für ihn nichts zu gewinnen, weil sich aus einem Verhalten des Beklagten und seines Verwalters nach dem bereits eingetretenen Schaden keine rechtlichen Konsequenzen ziehen ließen.

Die Verneinung eines Organisations- oder Überwachungsverschuldens des Beklagten durch das Erstgericht sei daher frei von Rechtsirrtum.

Gegen diese Entscheidung des Berufungsgerichtes richtet sich die Revision des Klägers. Er bekämpft sie aus dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil im Sinne der Stattgebung des Klagebegehrens abzuändern. Der Beklagte hat eine Revisionsbeantwortung mit dem Antrag erstattet, die Revision als verspätet zurückzuweisen, allenfalls ihr nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist entgegen der in der Revisionsbeantwortung geäußerten Vermutung des Beklagten rechtzeitig. Das Urteil des Berufungsgerichtes wurde dem Kläger am 31.3.1987 zugestellt, die Revision am 28.4.1987 zur Post gegeben. Die Revision ist im Hinblick auf die Höhe des Streitgegenstandes, über den das Berufungsgericht entschieden hat, ohne die im § 503 Abs 2 ZPO normierte Einschränkung der Revisionsgründe zulässig, sachlich aber nicht berechtigt. Der Kläger bestreitet in seinem Rechtsmittel nicht die Richtigkeit der der ständigen Judikatur entsprechenden Rechtsansicht der Vorinstanzen, daß ihm als Pächter nachbarrechtliche Ausgleichsansprüche im Sinne der §§ 364 ff ABGB nicht zustehen (SZ 41/84; SZ 47/140; SZ 52/5 uva), versucht aber darzutun, daß der Beklagte deswegen verschuldensunabhängig für den entstandenen Schaden hafte, weil er durch die Anwendung des von ihm gewählten Spritzmittels eine besondere Gefahrenquelle innerhalb seines Unternehmens geschaffen habe; überdies treffe ihn ein Organisations- und Überwachungsverschulden.

Dem kann nicht gefolgt werden.

Es wurde wohl in der Rechtsprechung die vom Gesetzgeber in einzelnen Fällen (RHG, EKHG usw) angeordnete erweiterte Haftung des Unternehmers für die spezifische Betriebsgefahr analog auf andere gefährliche Betriebe ausgedehnt. Dabei darf jedoch der Begriff des "gefährlichen Betriebes" nicht zu weit ausgelegt werden. Der Grund für die erweiterte Haftung des Unternehmers bei gefährlichen Betrieben liegt darin, daß ihm bei einem solchen Betrieb Handlungen gestattet werden, die verboten wären, wenn die Rechtsordnung nur die gefährdeten Interessen Dritter im Auge hätte. Die Gefährlichkeit muß in der Art des Betriebes begründet sein. Es muß sich also um einen Betrieb handeln, bei dem nicht bloß infolge zufälliger konkreter Umstände, sondern infolge seiner allgemeinen Beschaffenheit die Interessen Dritter schon dadurch in einer das normale Maß der im modernen Leben stets bestehenden Gefährdung wesentlich übersteigenden Art beeinträchtigt werden, daß der Betrieb zur Erreichung seines Zweckes überhaupt im Gange ist. Die besondere Haftung des Betriebsinhabers tritt nicht schon dann ein, wenn ein an sich ungefährlicher Betrieb im Einzelfall unter gewissen Umständen zu einem gefährlichen wird; sie ist vielmehr erst dann zu bejahen, wenn eine solche Gefahr nach der Art des Betriebes regelmäßig und allgemein vorhanden ist (SZ 39/69; SZ 46/36 und die dort zitierte Judikatur; SZ 48/131; JBl.1986, 525 uva).

Ausgehend von diesen Gesichtspunkten wurde es in der Rechtsprechung bereits mehrmals abgelehnt, eine Landwirtschaft als gefährlichen Betrieb in diesem Sinne zu qualifizieren (ZVR 1957/178; EvBl 1960/318). Davon abzugehen besteht nach den dargestellten rechtlichen Kriterien auch bei der Verwendung von Spritzmitteln in der Landwirtschaft, die Schäden an Nachbarkulturen herbeiführen können, kein Anlaß, zumal dabei bei entsprechender Vorsicht der Eintritt von Schäden durchaus hintangehalten werden kann. Eine verschuldensunabhängige Haftung des Beklagten für den dem Kläger entsandenen Schaden analog den Bestimmungen für andere Bereiche geltender Haftpflichtgesetze (EKHG, RHG usw) kommt daher nicht in Betracht.

Aber auch eine Haftung für ein Fehlverhalten seiner Besorgungsgehilfen S*** und J*** im Sinne des § 1315 ABGB ist dem Beklagten nicht anzulasten. Abgesehen davon, daß gar nicht behauptet wurde, daß es sich bei ihnen um untüchtige oder gefährliche Personen im Sinne dieser Gesetzesstelle gehandelt hätte, ist ihnen nach den getroffenen Feststellungen ein schuldhaftes Fehlverhalten, das den Schaden des Klägers herbeiführte, nicht vorzuwerfen.

Nach den Feststellungen der Vorinstanzen wehte am 6.5.1982 vormittags im Raum Leopoldsdorf der Wind mit Geschwindigkeiten von 5 bis 15 km/h überwiegend aus nordwestlichen Richtungen, wobei vereinzelte kurzzeitige Böenspitzen bis zu 30 km/h erreichten. Da das Grundstück des Klägers nordwestlich an das Grundstück, auf dem die Spritzung vorgenommen wurde, angrenzt, wehte daher der Wind aus der Richtung des Grundstückes des Klägers gegen das Grundstück, auf dem die Spritzung vorgenommen wurde. Wenn diese Windverhältnisse vom Verwalter S*** und vom Traktorfahrer J*** als geeignet angesehen wurden, um den Eintritt eines Schadens an der Salatpflanzung des Klägers zu vermeiden, ist darin keine Fehlbeurteilung zu erkennen, zumal der Kläger, der vom Verwalter des Beklagten vor Beginn der Spritzung informiert und um Zustimmung gefragt wurde, die gegebenen Verhältnisse in gleicher Weise beurteilte und daher der Spritzung zustimmte. Es mag durchaus sein, daß sich nach Erfahrungswerten zwischen 8,45 und 9 Uhr vormittags eine Änderung der Windverhältnisse ergeben kann; nach den getroffenen Feststellungen traf dies aber nicht zu, sondern herrschten die festgestellten Windverhältnisse während des gesamten Vormittags, also während der gesamten Dauer der Spritzung. Es mag auch durchaus sein, daß die Gefahr einer Thermikabtrift (siehe dazu Neururer, Probleme der Abtrift von Herbiziden, Beilage K, und derselbe, Maßnahmen zur Vermeidung der Abtrift von Pflanzenschutzmitteln bei Verwendung von Feldspritzgeräten in Der Förderungsdienst, Jg 1977, 75 f, Beilage 4) bei geringeren Temperaturen geringer ist und daß es daher im Regelfall geboten ist, den Spritzvorgang vorsichtshalber um 9 Uhr abzubrechen, nur setzt auch eine solche Thermikabtrift eine Luftbewegung von der gespritzten Fläche zur geschädigten Nachbarkultur voraus, die nach den getroffenen Feststellungen am Vormittag des 6.5.1982 eben erkennbar nicht vorlag. Aus diesen Gründen kann ein Fehlverhalten des Verwalters und des Traktorfahrers des Beklagten auch nicht daraus abgeleitet werden, daß sie den Spritzvorgang erst gegen Mittag beendeten. Nach den Feststellungen der Vorinstanzen entstand der Schaden an den Salatpflanzen des Klägers dadurch, daß der Traktorfahrer einen kurzen Windstoß (entgegen der sonstigen allgemeinen Windrichtung, der ausgebrachtes Sprühmittel auf das angrenzende Salatfeld des Klägers wehte) nicht bemerkte. Eine derartige Wetteranomalie war aber weder für alle Beteiligten vorhersehbar noch für den im geschlossenen Führerhaus des Traktors sitzenden Traktorfahrer J*** bei aller von ihm zu fordernden Sachkenntnis erkennbar.

Unter diesen Umständen ist dem Beklagten aber auch kein Organisations- oder Überwachungsversehen anzulasten. Er hat sich nach den getroffenen Feststellungen zur Durchführung der Spritzung durchaus geeigneter Personen bedient, wobei der Traktorfahrer im Rahmen der bestehenden Betriebsorganisation vom Verwalter wiederholt kontrolliert wurde. Bei den festgestellten Windverhältnissen bestand kein erkennbarer Grund zum vorzeitigen Abbruch der Spritzung; die Vertragung von Sprühmitteln auf das Nachbargrundstück durch einen kurzen Windstoß entgegen der sonstigen Windrichtung wäre auch bei noch rigoroserer Kontrolle des Traktorfahrers durch den Verwalter oder den Beklagten selbst nicht zu vermeiden gewesen. Mit Recht haben unter diesen Umständen die Vorinstanzen das Klagebegehren abgewiesen. Der Revision des Klägers mußte daher ein Erfolg versagt bleiben.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.

Anmerkung

E13351

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1988:0080OB00604.87.0126.000

Dokumentnummer

JJT_19880126_OGH0002_0080OB00604_8700000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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