TE OGH 1988/1/26 5Ob381/87

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Veröffentlicht am 26.01.1988
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Marold als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Jensik, Dr.Zehetner, Dr.Klinger und Dr.Schwarz als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei I***-A***-F*** beim Bundesministerium für Soziale Verwaltung, vertreten durch die Finanzprokuratur in Wien 1., Singerstraße 17-19, wider die beklagte Partei Dr.Walter P***, Rechtsanwalt in Wien 1., Mahlerstraße 7, als Masseverwalter im Konkurs über das Vermögen der P*** Hans L*** Gesellschaft mbH in Wien 23., Breitenfurterstraße 118, wegen 317.044,-- S samt Anhang infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 23. Oktober 1987, GZ 3 R 61/87-8, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Handelsgerichtes Wien vom 8. Jänner 1987, GZ 20 Cg 588/86-4, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 9.787,50 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Über das Vermögen der P*** Hans L*** Gesellschaft mbH wurde mit Beschluß des Erstgerichtes vom 7.Juni 1985 der Ausgleich und nach dessen Einstellung gemäß § 67 Abs 1 Z 9 AO am 26. Februar 1986 der Anschlußkonkurs eröffnet.

Gerhard N***, ein Dienstnehmer der Gemeinschuldnerin, erklärte am 28.Februar 1986 seinen vorzeitigen Austritt gemäß § 25 KO. Sein Abfertigungsanspruch im Ausmaß von 12 Monatsgehältern beträgt 317.044,17 S netto. Er wurde in dieser Höhe als Masseforderung geltend gemacht, vom ehemaligen Masseverwalter anerkannt und von der klagenden Partei berichtigt, wodurch er gemäß § 11 IESG ohne Änderung des Rechtsgrundes, des Ranges oder der Bevorrechtung auf die klagende Partei übergegangen ist.

Da der Beklagte, der nunmehrige Masseverwalter, in der Folge die Qualifikation des Abfertigungsanspruches als Masseforderung bestritt, erhob die klagende Partei die vorliegende Klage, in welcher sie sich unter Berufung auf § 46 Abs 2 Z 2 KO auf den Standpunkt stellte, daß es sich um eine Masseforderung handle. Der beklagte Masseverwalter bestritt ausdrücklich nur die Rechtsnatur der Klageforderung als Masseforderung. Nach seiner Rechtsansicht fallen nur Ansprüche auf laufende Bezüge, nicht aber Abfertigungsansprüche unter § 46 Abs 2 Z 2 KO. Im übrigen sei eine unterschiedliche Regelung der sich aus § 25 KO ergebenden Dienstnehmerforderungen im Konkurs und Anschlußkonkurs gleichheitswidrig.

Das Erstgericht gab der Klage statt. Nach dem klaren Wortlaut des Gesetzes (§ 46 Abs 2 Z 2 KO) sei der klagegegenständliche Anspruch eine Masseforderung. Dieses Auslegungsergebnis stehe mit dem Bericht des Justizausschusses zum IRÄG im Einklang, wonach - anders als beim nicht als Anschlußkonkurs eröffneten Konkurs - eine Lösung der Arbeitsbeziehung nach § 25 KO nicht masseentlastend wirken könne (1147 BlgNR 15. GP 20 f). Das Berufungsgericht bestätigte die erstgerichtliche Entscheidung. Daß die bei Lösung des Arbeitsverhältnisses nach § 25 KO dem Arbeitnehmer zustehenden Ansprüche im Anschlußkonkurs anders als im gewöhnlichen Konkurs Masseforderungen seien, ergebe sich unzweifelhaft aus der Sonderbestimmung des § 46 Abs 2 Z 2 KO. Dies werde auch vom Beklagten nicht mehr ernstlich bestritten. Der Beklagte beharre aber weiter auf seinem bereits in erster Instanz vertretenen Standpunkt, daß die vorerwähnte unterschiedliche Regelung der Dienstnehmerforderungen im Konkurs und Anschlußkonkurs dem verfassungsrechtlichen Gleichheitsgrundsatz des Art. 7 B-VG widerspreche. Dem könne nicht gefolgt werden. Der Gesetzgeber habe die durch das IRÄG erfolgte verschiedene Behandlung der Dienstnehmerforderungen bei Lösung des Arbeitsverhältnisses nach § 25 KO im Konkurs einerseits und im Anschlußkonkurs andererseits mit dem erforderlichen Schutz der bei Eröffnung eines Ausgleichs über das Vermögen des Dienstgebers im Unternehmen verbleibenden Arbeitnehmer begründet, deren Entgeltansprüche durch das IESG grundsätzlich nur für die Dauer von 3 Monaten gesichert seien (§ 3 Abs 1 IESG). Die Entgeltansprüche dieser Arbeitnehmer seien einschließlich der ihnen allenfalls zustehenden Abfertigungsansprüche nach § 23 Abs 1 Z 3 AO bevorrechtet. Komme es zum Anschlußkonkurs, so ändere sich im Hinblick auf die Einheitlichkeit von Ausgleichs- und Anschlußkonkursverfahren (vgl. Bartsch-Heil4 Rz 215) an der einmal aufgrund des § 23 Abs 1 Z 3 AO erwachsenen Bevorrechtung nichts (Bericht des Justizausschusses zum IRÄG, 1147 BlgNR 15.GP 7 f, 20 f). Die während des Konkurses fällig werdenden Entgeltforderungen der Arbeitnehmer - und auch allfällige Abfertigungsansprüche seien Entgeltforderungen - seien nach § 46 Abs 2 Z 2 KO Masseforderungen. Die mit den unterschiedlichen Zielsetzungen der beiden Insolvenzverfahren (Ausgleich und Konkurs) im Einklang stehende Verschiedenbehandlung von Gläubigergruppen, insbesondere der Arbeitnehmer, im Ausgleich und Konkurs rechtfertige im Falle einer Überleitung des Ausgleiches in den Konkurs auch eine Differenzierung der Regelung der sich aus der Lösung des Arbeitsverhältnisses ergebenden Arbeitnehmerforderungen. Solche im Gesamtzusammenhang sachlich begründete Normierungsunterschiede verstießen nicht gegen das verfassungsrechtliche Gleichheitsgebot.

Gegen das Berufungsurteil richtet sich die auf den Revisionsgrund des § 503 Abs 1 Z 4 ZPO gestützte Revision des Beklagten mit dem Antrag, das angefochtene Urteil im Sinne der Klageabweisung abzuändern.

Die klagende Partei beantragt in ihrer Revisionsbeantwortung, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Der Umstand, daß der verfahrensgegenständliche, auf die klagende Partei übergegangene Abfertigungsanspruch des Gerhard N*** vom ehemaligen Masseverwalter als Masseforderung anerkannt wurde, hat auf die nunmehr vorzunehmende rechtliche Qualifikation dieses Anspruches als Masseforderung oder Konkursforderung keinen Einfluß (vgl. Bartsch-Pollak3 I 286; Petschek-Reimer Schiemer 539; Arb. 5.729, SZ 50/82, SZ 52/150, WBl. 1987, 130).

Die Rechtsauffassung der Vorinstanzen, daß der in Rede stehende Abfertigungsanspruch nach § 46 Abs 2 Z 2 lit a KO als Masseforderung zu qualifizieren ist, wird vom Beklagten nicht mehr in Zweifel gezogen; sie stimmt mit der Lehre (Bartsch-Heil4 Rz 215 aE; Holzhammer2, 35; Schwarz-Holzer-Holler, Die Rechte des Arbeitnehmers bei Insolvenz2, 457; Feil, Ausgleichsordnung, Konkursordnung, Anfechtungsordnung 184 f;

Chalupsky-Holzapfel-Straberger, Österreichisches Insolvenzrecht 144) und Rechtsprechung (5 Ob 314/86 = WBl. 1987, 130; 5 Ob 321/87) überein und wird vom erkennenden Senat aufrecht erhalten. Der Beklagte vertritt jedoch in der Revision nach wie vor den Standpunkt, daß die von der Behandlung der Arbeitnehmerforderungen im Konkurs des Arbeitgebers (§ 46 Abs 1 Z 3 KO) abweichende Einstufung der Arbeitnehmerforderungen im Anschlußkonkurs des Arbeitgebers (§ 46 Abs 2 Z 2 KO) - Qualifikation der Ansprüche des Arbeitnehmers, die sich aus der Lösung des Arbeitsverhältnisses durch vorzeitigen Austritt des Arbeitnehmers gemäß § 25 KO ergeben, im normalen Konkurs als Konkursforderung (§ 46 Abs 1 Z 3 KO) und im Anschlußkonkurs als Masseforderung (§ 46 Abs 2 Z 2 lit a KO) - wegen Verstoßes gegen den Gleichheitsgrundsatz des Art. 7 B-VG, d.h. wegen der - sowohl aus der Sicht des (Gemein-)Schuldners (Arbeitgebers) als auch aus der Sicht der übrigen (d.h. vom Arbeitnehmer bzw. I***-A***-F*** verschiedenen) Gläubiger gegebenen - Ungleichbehandlung von Gleichem oder nahezu Gleichem, verfassungswidrig sei. Der Zweck der vor dem IRÄG bestandenen Rechtslage - Qualifikation von Arbeitnehmerforderungen als Masseforderungen -, sozial Schwächere im Insolvenzverfahren möglichst zu schützen, sei mit der Einführung des IESG weggefallen. Wenn der Schuldner bei Vorliegen der Voraussetzungen für die Konkurseröffnung im Interesse der (dem Gesetzgeber erwünschten) Fortführung seines Unternehmens die Eröffnung des Ausgleichsverfahrens beantrage, würden er (und die übrigen Gläubiger, die den Schuldner an dieser Vorgangsweise nicht hindern könnten) dafür im Falle der Eröffnung des Anschlußkonkurses mit dem Entstehen von Arbeitnehmerforderungen als Masseforderungen bestraft; das im Ausgleichsverfahren bestehende Kündigungsprivileg der §§ 20 b und 20 c AO sei kein Äquivalent für das Kündigungs- und Austrittprivileg des § 25 KO und werde im Vorverfahren überhaupt nicht gewährt (§ 83 Abs 4 AO), wodurch sich die "Ungleichgewichtung" besonders kraß zeige. Der dem eine Unternehmenssanierung anstrebenden Schuldner offen stehende Weg, sich auf das Risiko eines Ausgleichsverfahrens oder Vorverfahrens nicht einzulassen, sogleich Konkurs anzumelden und im Konkurs eine 40 %ige Zwangsausgleichsquote anzubieten, sei wegen § 25 KO meist nicht praktikabel, weil der Schuldner weder den Masseverwalter an der Kündigung der Arbeitnehmer noch die Arbeitnehmer am vorzeitigen Austritt hindern könne, womit sich jede weitere Überlegung in Richtung Sanierung erübrige.

Diese Ausführungen sind nicht geeignet, die von § 46 Abs 1 Z 3 KO abweichende Qualifikation der Ansprüche des Arbeitnehmers, die sich aus der Lösung des Arbeitsverhältnisses durch vorzeitigen Austritt des Arbeitnehmers gemäß § 25 KO ergeben, im Anschlußkonkurs als Masseforderung (§ 46 Abs 2 Z 2 lit a KO) wegen Verstoßes gegen den Gleichheitsgrundsatz des Art. 7 B-VG verfassungsrechtlich bedenklich erscheinen zu lassen.

Wie der Beklagte in der Revision selbst einräumt, hat das IRÄG nichts daran geändert, daß primärer Zweck des Konkursverfahrens die kridamäßige Verwertung des gesamten Schuldnervermögens und die Verteilung des Erlöses unter die Gläubiger ist, während das Ausgleichsverfahren (und das in dieselbe Richtung zielende Vorverfahren) die Gesundung der Wirtschaft des Schuldners im Interesse der Gläubiger erstrebt, die dafür in der Form einer Stundung oder auch des endgültigen Verzichts auf einen Teil ihrer Forderungen Opfer bringen (vgl. Bartsch-Heil4 Rz 10). Die im Regelfall unterschiedlichen Ziele des Konkursverfahrens einerseits und des Ausgleichs-(Vor-)Verfahrens andererseits rechtfertigen eine Ungleichbehandlung der Möglichkeiten des Gemeinschuldners (Ausgleichsschuldners) als Arbeitgeber, die Arbeitsverhältnisse seiner Arbeitnehmer durch Kündigung zu lösen (§ 25 KO: §§ 20 b, 20 c AO), sowie der Möglichkeiten der Arbeitnehmer zahlungsunfähiger bzw. überschuldeter Arbeitgeber, ihr Arbeitsverhältnis durch vorzeitigen Austritt zu beenden (Recht zum vorzeitigen Austritt nach § 25 KO nur im Konkurs). Wird über das Vermögen des Arbeitgebers der Konkurs eröffnet, so kann der Arbeitnehmer das Risiko, Arbeitsleistungen erbringen zu müssen, ohne dafür Arbeitslohn zu erhalten, durch vorzeitigen Austritt nach § 25 KO vermeiden. Diese Möglichkeit hat der Arbeitnehmer auch im Anschlußkonkurs, doch bleibt ihm der Nachteil, daß er dieses Risiko während des vorangegangenen Ausgleichs(Vor-)Verfahrens tragen mußte, in dem er nicht das Recht zum vorzeitigen Austritt nach § 25 KO hatte. Zum Ausgleich dieses Nachteils erscheint es dem Obersten Gerichtshof sachlich gerechtfertigt, die Ansprüche des Arbeitnehmers, die sich aus der Lösung des Arbeitsverhältnisses durch vorzeitigen Austritt des Arbeitnehmers gemäß § 25 KO im Anschlußkonkurs ergeben, im Unterschied zum Fall eines "normalen" Konkurses als Masseforderung zu behandeln. Die Absicherung der Arbeitnehmer durch das IESG ändert daran nichts. Die klagende Partei weist in der Revisionsbeantwortung zutreffend darauf hin, daß unter anderem der Leistungsaufwand nach diesem Gesetz auch aus den Mitteln bestritten wird, die dem I***-A***-F*** aufgrund übergegangener Ansprüche

zufließen (§ 12 Abs 1 Z 1 IESG). Damit wird zugleich das Argument des Beklagten hinfällig, daß der Fonds nicht zu den sozial schwächeren Gläubigern gehöre. Die dem (Gemein-)Schuldner und den übrigen Gläubigern aus der Regelung des § 46 Abs 2 Z 2 lit a KO erwachsenen Nachteile machen diese Regelung noch nicht gleichheitswidrig.

Da der Oberste Gerichtshof sohin gleich dem Berufungsgericht (siehe auch die vom Beklagten zitierte Entscheidung des Oberlandesgerichtes Wien vom 29.Juli 1987, 6 6 5/87) die verfassungsrechtlichen Bedenken des Beklagten nicht teilt, war der Revision ein Erfolg zu versagen.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.

Anmerkung

E12993

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1988:0050OB00381.87.0126.000

Dokumentnummer

JJT_19880126_OGH0002_0050OB00381_8700000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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