TE OGH 1988/1/27 3Ob149/87 (3Ob150/87)

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Veröffentlicht am 27.01.1988
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr. Petrasch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Hule, Dr. Warta, Dr. Klinger und Dr. Angst als weitere Richter in der Exekutionssache der betreibenden Partei Ingrid G***, Angestellte, Wien 8., Lerchenfelderstraße 50/26, vertreten durch Dr. Anton Pokorny und andere, Rechtsanwälte in Wien, wider die verpflichtete Partei D*** & Co Gesellschaft mbH, Wien 6., Gumpendorferstraße 14, vertreten durch Dr. Gerald Meyer, Rechtsanwalt in Wien, wegen restl. 573.835 S sA, infolge von Revisionsrekursen der betreibenden Partei gegen die Beschlüsse des Oberlandesgerichtes Wien als Rekursgerichtes vom 30. Oktober 1987, GZ 14 R 194/87-98 und 14 R 205/87-99, womit die Beschlüsse des Landesgerichtes für ZRS Wien vom 23. Juni 1987, GZ 54 Cg 165/84-84, und vom 13. August 1987, GZ 54 Cg 165/84-90, abgeändert wurden, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Den Revisionsrekursen wird Folge gegeben.

Die angefochtenen Beschlüsse, die im Umfang der Abweisung der Exekutionsanträge zur Sicherung einer Forderung von 409.805 S samt 4 % Zinsen seit 21. Juni 1978 sowie Kosten von 166.731,90 S und 53.237,35 S mangels Anfechtung unberührt bleiben, werden im übrigen dahin abgeändert, daß sie zu lauten haben:

"Der betreibenden Partei wird auf Grund des Urteils des Landesgerichtes für ZRS Wien vom 18.2.1986, 54 Cg 165/84-73, zur Sicherung der Forderung von S 573.835 samt 4 % Zinsen seit 21.6.1978, der Antragskosten von S 6.623,42 (darin S 493,04 an Umsatzsteuer und S 1.200 an Barauslagen) und S 5.593,83 (darin S 508,53 an Umsatzsteuer) für die Zeit, bis die Forderung infolge Rechtskraft des oben bezeichneten Urteils und Ablaufs der Leistungsfrist durch Zwangsvollstreckung geltend gemacht werden kann, gegen die verpflichtete Partei die Exekution durch

1. Pfändung und Verwahrung der in den Räumlichkeiten der verpflichteten Partei befindlichen beweglichen Sachen jeder Art, insbesondere der in § 296 EO angeführten Papiere und Einlagebücher, bewilligt, wobei als Exekutionsgericht das Exekutionsgericht Wien einzuschreiten und die Exekution unter Beteiligung der betreibenden Partei stattzufinden hat,

2. Pfändung der der verpflichteten Partei auf Grund bestehender Girokontoverbindung gegen den Drittschuldner B*** FÜR A*** UND W*** AG, Wien 1., Seitzergasse 2-4, Konto-Nummer 05610707787 zustehenden Forderung bewilligt; dem Drittschuldner wird verboten, zur Berichtigung der gepfändeten Forderung und auf Abschlag derselben an die verpflichtete Partei Zahlung zu leisten; dem Schuldner wird jede Verfügung über die gepfändete Forderung sowie über das für sie etwa bestellte Pfand verboten, insbesondere die gänzliche oder teilweise Einziehung dieser Forderung untersagt; mit Zustellung dieses Zahlungsverbotes an den Drittschuldner ist die bewilligte Pfändung als bewirkt anzusehen und zugunsten der Forderung der betreibenden Partei an der oben bezeichneten Forderung ein Pfandrecht erworben; als Exekutionsgericht hat das Exekutionsgericht Wien einzuschreiten."

Die Kosten der Revisionsrekurse werden mit einmal 16.568,67 S (darin 1.506,24 S Umsatzsteuer) als weitere Exekutionskosten bestimmt.

Text

Begründung:

Mit Urteil des Landesgerichtes für ZRS Wien vom 18. Februar 1986, 54 Cg 165/84-73, wurde die nun verpflichtete Partei schuldig erkannt, der betreibenden Partei 573.835 S sA zu bezahlen; das Mehrbegehren von 409.805 S sA wurde abgewiesen. Die Kosten des Verfahrens wurden gegenseitig aufgehoben.

Das Berufungsgericht hat nur der Berufung der betreibenden Partei gegen dieses Urteil Folge gegeben und die verpflichtete Partei schuldig erkannt, der betreibenden Partei 983.640 S sA zu bezahlen.

Die verpflichtete Partei hat gegen das Urteil des Berufungsgerichtes Revision erhoben, über die noch nicht entschieden worden ist.

Die betreibende Partei beantragte, ihr auf Grund des Urteils der zweiten Instanz zur Sicherung ihrer Geldforderung gemäß § 371 Z 1 EO die Fahrnis- und die Forderungsexekution zu bewilligen. Das Erstgericht bewilligte die beantragten Exekutionen. Das Rekursgericht wies die Exekutionsanträge ab. Bei dem "in zweiter Instanz bestätigten Urteil" iS des § 371 Z 1 EO müsse es sich um ein zur Gänze bestätigtes Urteil handeln. Ein nur teilweise bestätigtes Urteil könne nicht als tauglicher Titel für die Bewilligung der Exekution nach § 371 EO angesehen werden. Daran habe sich auch durch die Zivilverfahrens-Novelle 1983 nichts geändert. Mit zwei gleichzeitigen Revisionsrekursen bekämpft die betreibende Partei die Entscheidungen der zweiten Instanz insoweit, als ihr die Exekutionen nicht im Umfang des Zuspruches durch die erste Instanz bewilligt wurden.

Rechtliche Beurteilung

Die Revisionsrekurse sind berechtigt.

Nach § 371 Z 1 EO ist die Vornahme von Exekutionshandlungen zur Sicherung von Geldforderungen auf Antrag unter anderem auf Grund eines in zweiter Instanz bestätigten Urteils - ohne die im § 370 EO vorgesehene Bescheinigung - zu bewilligen, wenn wider das Urteil des Berufungsgerichtes Revision erhoben wurde. Diese Bestimmung wurde durch die 1. GEN (KaisV vom 1. Juni 1914, RGBl. 118) dem § 371 Z 1 EO angefügt und ist im Wortlaut dieses Satzteiles seither nicht, auch nicht durch das Konsumentenschutzgesetz oder die Zivilverfahrens-Novelle 1983, verändert worden. Sie hatte den letzten Satz des § 505 Abs 3 ZPO idF vor der 1. GEN ersetzt, wonach der Revision gegen ein bestätigendes Urteil der zweiten Instanz hemmende Wirkung nicht zukam. Hiezu wurde bereits im Plenissimarbeschluß vom 29. Jänner 1908, GlUNF 4.105 (Judikat 182) die Ansicht vertreten, daß nach § 505 Abs 3 ZPO (in der damaligen Fassung) durch die Erhebung der Revision gegen ein bestätigendes Urteil zweiter Instanz die Vollstreckbarkeit jenes Teiles desselben nicht gehemmt werde, welcher die gleichlautenden Aussprüche zweier Instanzen enthalte.

Gleichfalls seit der 1. GEN war nach § 502 Abs 3 ZPO gegen ein bestätigendes Urteil des Berufungsgerichtes die Revision unzulässig, wenn der Streitgegenstand, über den das Berufungsgericht entschieden hatte, an Geld oder Geldeswert (1.000 K) nicht überstieg. Unter einem bestätigenden Urteil im Sinne dieser Gesetzesstelle hatte der überwiegende Teil der Entscheidungen des Obersten Gerichtshofes bis zum Plenissimarbeschluß vom 8. Dezember 1951, Judikat 56 neu (SZ 24/335), auch eine bloß teilweise bestätigende Entscheidung verstanden. Der Oberste Gerichtshof gelangte in dem genannten Judikat jedoch zu dem Ergebnis, daß die Anwendung der Revisionsbeschränkungen des § 502 Abs 3 ZPO auf vollständig bestätigende Urteile der Berufungsgerichte, also solche, die den erhobenen Berufungen nicht Folge geben, beschränkt bleiben müsse. Die Grundsätze des Judikates 56 neu wurden in der Folge auch im Außerstreitverfahren angewendet (SZ 41/109 uva).

Ab den Entscheidungen JBl 1955, 453 und EvBl 1956/91 vertrat der Oberste Gerichtshof die (von Michlmayr, JBl 1955, 429, 434 übrigens abgelehnte) Ansicht, auch die Sicherungsexekution nach § 371 Z 1 EO habe ein Urteil zweiter Instanz zur Voraussetzung, das in sachlicher Beziehung mit dem der ersten Instanz vollständig übereinstimme. Es bestehe kein Grund, den Begriff des bestätigten Urteils in § 371 Z 1 EO anders zu verstehen als im § 502 Abs 3 ZPO (in diesem Sinn auch Heller-Berger-Stix 2654, die allerdings die Änderung des § 502 Abs 3 ZPO betreffend Nebengebühren durch das Gesetz BGBl. 1971/291 sinngemäß auch auf die Sicherungsexekution anwenden).

Durch die Zivilverfahrens-Novelle 1983 wurden die Bestimmungen der §§ 502 Abs 3 und 528 Abs 1 Z 1 ZPO neu gefaßt. Dabei wurde vom Gesetzgeber das ausdrücklich erklärte Ziel (RV 669 BlgNR 15. GP 58, AB 1337 BlgNR 15. GP 20) verfolgt, die Anfechtbarkeit teilweise bestätigender Entscheidungen abweichend von den Rechtssätzen des Judikates 56 neu zu regeln.

Die Neufassung der Bestimmungen der §§ 502 Abs 3 und 528 Abs 1 Z 1 ZPO muß, wie der Oberste Gerichtshof insbesondere in den Entscheidungen 1 Ob 513/84 (RpflSlgG 1984/9) und SZ 57/119 ausführte, zu einer Änderung der Rechtslage auch dort führen, wo das Judikat 56 neu bloß auf Grund einer Analogie angewendet wurde. In zwei nach Wirksamkeit der Zivilverfahrens-Novelle 1983 ergangenen Entscheidungen (EvBl 1986/69, 3 Ob 33/86) vertrat der Oberste Gerichtshof gleichwohl die Ansicht, es stelle weiterhin nur ein voll bestätigtes Urteil einen geeigneten Titel für die Sicherungsexekution nach § 371 Z 1 dritter Fall EO dar, weil eine Umformulierung dieser Bestimmung - anders als im Fall der Bestimmungen des § 502 Abs 3 und des § 528 Abs 1 Z 1 ZPO - durch die Zivilverfahrensnovelle nicht erfolgt sei.

Als diese Entscheidungen ergingen, hatte das Judikat 56 neu seine Wirksamkeit aber noch nicht gänzlich verloren. Durch Art. IX Z 4 ZVN 1983 war nämlich § 23 a ArbGerG dahin geändert worden, daß die alte Regelung der ZPO über die Zulässigkeit einer Revision als selbständige Regelung in das Arbeitsgerichtsgesetz übernommen wurde. So blieb das Judikat 56 neu im arbeitsgerichtlichen Verfahren weiterhin anwendbar (AB 1337 BlgNR 15. GP 27).

Das Arbeitsgerichtsgesetz ist jedoch nun mit Wirksamkeitsbeginn des ASGG, das ist der 1.Jänner 1987, außer Kraft getreten (§ 99 Z 1 ASGG). Das Revisionsverfahren wurde in den §§ 44 bis 48 ASGG neu und abweichend von den Bestimmungen des § 23 a Arbeitsgerichtsgesetz geregelt. Die Anwendbarkeit des Judikates 56 neu ist damit auch in diesem Verfahren fortgefallen.

Bei neuerlicher Überprüfung der Rechtslage hält daher der Oberste Gerichtshof seine Ansicht, nur ein voll bestätigtes Urteil stelle einen geeigneten Titel für eine Sicherungsexekution nach § 371 Z 1 dritter Fall EO dar, nicht mehr aufrecht. Hat das Judikat 56 neu, das für diese Ansicht ausschlaggebend war, seine Awendbarkeit im übrigen Rechtsbereich gänzlich verloren, erscheint es weder zweckmäßig noch sinnvoll, sie für die Voraussetzungen einer Sicherungsexekution nach der genannten Gesetzesstelle aufrecht zu halten. Vielmehr trifft das Argument der hohen Wahrscheinlichkeit der Richtigkeit übereinstimmender Entscheidungen zweier Instanzen, das mit zur Begründung der Ansicht, nur ein voll bestätigtes Urteil sei als bestätigtes Urteil iS des § 371 EO anzusehen, herangezogen wurde, durchaus auch auf ein teilweise bestätigtes Urteil im Umfang der Bestätigung zu. Ein bestätigtes Urteil iS des § 371 Abs 1 dritter Fall EO liegt demnach nicht nur vor, wenn die Entscheidungen der ersten und zweiten Instanz gänzlich übereinstimmen, sondern auch sonst, soweit die zweite Instanz die Entscheidung des Erstgerichtes teilweise bestätigt.

Im vorliegenden Fall lauten die Urteile der ersten und zweiten Instanz hinsichtlich des bereits vom Erstgericht mit Urteil vom 18. Februar 1986 erfolgten Zuspruches von 573.835 S samt 4 % Zinsen seit 21. Juni 1978 gleich.

Zwar hat die betreibende Partei die Exekution in verfehlter Weise auf Grund des Urteils der zweiten Instanz und nicht, wie aus dem unzweideutigen Wortlaut des Gesetzes - wonach Titel zur Exekution zur Sicherstellung nur das bestätigte, nicht das bestätigende Urteil ist (Heller-Berger-Stix 2.654) - hervorgeht, auf Grund des Urteils des Erstgerichtes beantragt. Dieser Umstand hindert jedoch mit Rücksicht darauf, daß die Exekution beim Titelgericht beantragt wurde - für das der Titel, auf Grund dessen die Exekution richtigerweise zu beantragen gewesen wäre, akten- und offenkundig war -, nicht eine Bewilligung der Exekution auf Grund der Entscheidung des Erstgerichtes.

Die Kostenentscheidung erfolgte nach § 74 EO. Zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung war ein einziger Revisionsrekurs (im Titelakt) notwendig.

Anmerkung

E13760

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1988:0030OB00149.87.0127.000

Dokumentnummer

JJT_19880127_OGH0002_0030OB00149_8700000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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