TE OGH 1988/1/27 3Ob91/86

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Veröffentlicht am 27.01.1988
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr. Petrasch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Hule, Dr. Warta, Dr. Klinger und Dr. Angst als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Felicitas W***, Hausfrau, 3420 Kritzendorf, Feldstraße 5, vertreten durch Dr. Karl Muzik, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei V*** K*** reg. Genossenschaft mbH, 3400 Klosterneuburg,

Stadtplatz 11, vertreten durch Dr. Franz Artmann, Rechtsanwalt in Klosterneuburg, wegen Einwendungen gegen den Anspruch nach § 35 EO (Wert des Streitgegenstandes: 533.000 S), infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes für ZRS Wien als Berufungsgerichtes vom 6. Mai 1986, GZ 46 R 191/86-25, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Klosterneuburg vom 30. Dezember 1985, GZ 2 C 106/84-21, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

Spruch

1)

Die Revisionsbeantwortung wird zurückgewiesen.

2)

Der Revision wird Folge gegeben.

Das Urteil des Berufungsgerichtes wird aufgehoben und die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung, allenfalls nach Ergänzung der Verhandlung, an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Die Revisionskosten sind als weitere Verfahrenskosten zu behandeln.

Text

Begründung:

Friedrich M***, früherer persönlich haftender Gesellschafter der früheren OHG (welche in eine KG umgewandelt wurde) M*** & Co (später wurde die M*** & M*** Gesellschaft mbH persönlich haftende Gesellschafterin), schenkte der Klägerin, seiner Lebensgefährtin, die Liegenschaft EZ 488 Grundbuch Kritzendorf. Er schuldete der beklagten Partei auf Grund zweier Wechselzahlungsaufträge 3,940.000 S sA. Unter Berufung auf diese Forderung begehrte die beklagte Partei mit ihrer zu 40 c Cg 203/79 des Landesgerichtes für ZRS Wien erhobenen Anfechtungsklage diesen Betrag von der Klägerin, wobei in der Klagserzählung geltend gemacht wurde, daß die Gesamtforderung gegen Friedrich M*** höher als 3,940.000 S sei. Mit Vergleich vom 24.November 1980 verpflichtete sich die Klägerin zur Zahlung von 2,500.000 S an Hauptsache und 100.000 S an Kosten an die beklagte Partei, dies binnen 14 Tagen bei Exekution in die Liegenschaft EZ 488. Die beklagte Partei erklärte in einem gesonderten Vergleichspunkt, von diesem Exekutionstitel bezüglich der 2,5 Mio S erst nach Verwertung der Liegenschaften EZ 1235 und 1300, beide Grundbuch Kritzendorf, spätestens jedoch am 1. Juli 1982, und bezüglich der Kosten frühestens ab 10. Jänner 1981 Gebrauch zu machen.

Auf Grund dieses Vergleiches führt die beklagte Partei gegen die klagende Partei zu E 32/82 des Bezirksgerichtes Klosterneuburg ein Zwangsversteigerungsverfahren über die Liegenschaft EZ 488 im eingeschränkten Betrag von 532.683,11 S sA.

Gegen diese Exekution richtet sich die Oppositionsklage der Klägerin, welche folgendes geltend macht: Sinn des Vergleiches sei es gewesen, daß die Klägerin der beklagten Partei nur einen etwaigen Differenzbetrag zwischen dem Vergleichsbetrag und einem niedrigeren Erlös aus der Verwertung der Liegenschaften EZ 1235 und 1300 schulden solle. Die Versteigerung dieser Liegenschaften habe zugunsten der beklagten Partei weit mehr als den Vergleichsbetrag ergeben. Der im Vergleich festgelegte Anspruch sei daher erloschen. Überdies habe die beklagte Partei aus den Verwertungen der Liegenschaften der Firma M*** & Co einen Betrag erhalten, der den in der Anfechtungsklage angeführten Forderungsbetrag von 5,114.438 S übersteige. Die Klägerin habe von der beklagten Partei nie eine Abrechnung erhalten und müsse daher annehmen, daß ihr die beklagte Partei auch Beträge anlaste, für welche auch der "Primärschuldner M***" nicht gehaftet habe.

Nicht schon in der Klage, sondern erst während des Rechtsstreites verwies die klagende Partei auf Beträge, die der beklagten Partei auf Grund verschiedener Verteilungsbeschlüsse aus anderen Liegenschaften zugekommen seien, welche teilweise höher als in den Kontoauszügen der beklagten Partei ausgewiesen seien, und machte geltend, es seien dem Konto der Firma M*** & Co verschiedene Posten zu Unrecht angelastet und eine Einlage durch Friedrich M*** (Sparbücher ?) und Eingänge aus Sicherungszessionen nicht berücksichtigt worden. Andererseits behauptete die Klägerin, sie sei nur Anfechtungsgegnerin der beklagten Partei und hafte daher höchstens bis zum Umfang des Anfechtungsanspruches.

Die beklagte Partei beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Sie bestritt vor allem, daß im Vergleich vereinbart worden sei, daß die Klägerin nur die Differenz zwischen dem Vergleichsbetrag und dem Erlös aus der Verwertung der beiden im Vergleich angeführten Liegenschaften zu zahlen habe.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab.

Es traf im wesentlichen folgende Tatsachenfeststellungen:

Bei den Vergleichsgesprächen war allen Beteiligten klar, daß die Klägerin an die beklagte Partei höchstens 2,5 Mio S (zuzüglich 100.000 S Kosten) zahlen müsse, die beklagte Partei aber bis zu den im Vergleich genannten Zeitpunkten mit der Exekution zuwarten müsse. Ohne daß dies im Vergleich festgehalten worden wäre, wurde zwischen den seinerzeitigen Parteienvertretern vereinbart, daß die Klägerin letztendlich (nur) den Differenzbetrag zahlen sollte, welchen die beklagte Partei als Ausfall ihrer sämtlichen Forderungen gegen die Firma M*** & Co erleiden werde. Es wurde hingegen nicht vereinbart, daß die Klägerin nur den Differenzbetrag zwischen dem Vergleichsbetrag und dem etwa geringeren Erlös aus der Verwertung der Liegenschaften EZ 1235 und 1300 schulden sollte. Der beklagten Partei flossen aus der Versteigerung der Liegenschaften EZ 1235 und 1300 mehr als 2,5 Mio S zu. Insgesamt schuldete die Firma M*** & Co der beklagten Partei am 10. Februar 1980, dem Tag vor der Konkurseröffnung über das Vermögen dieser Firma, 5,586.500 S. Dieser Betrag stieg durch verschiedene Belastungsposten und sank durch die Erlöse verschiedener Liegenschaftsverwertungen auf schließlich 532.683,11 S. In rechtlicher Hinsicht vertrat das Erstgericht die Auffassung, daß es infolge des zwischen den Streitteilen abgeschlossenen Vergleiches nicht mehr auf den Gegenstand der Anfechtungsklage ankomme. Maßgebend sei nur mehr, ob die beklagte Partei aus allen ihren Forderungen gegen die Firma M*** & Co noch einen Ausfall erleide.

Das Berufungsgericht bestätigte das Urteil des Erstgerichtes und sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes 300.000 S übersteigt. Es übernahm die Tatsachenfeststellungen des Erstgerichtes über die im Zusammenhang mit dem Vergleich getroffenen Vereinbarungen. Eine Erledigung der Mängel- und Beweisrüge zur Höhe der Gesamtforderung der beklagten Partei gegenüber der Firma M*** & Co und des für die beklagte Partei entstandenen Ausfalles unterließ das Berufungsgericht aus folgenden rechtlichen Erwägungen:

In der Oppositionsklage sei als Klagsgrund nur geltend gemacht worden, daß die betriebene Forderung erloschen sei, weil im Sinne des Vergleichsinhaltes die Verwertung der Liegenschaften EZ 1235 und 1300 einen den Vergleichsbetrag übersteigenden Erlös erbracht habe. Diese Vereinbarung sei aber nicht erwiesen. Daß die betriebene Forderung auch erlöschen sollte, wenn die beklagte Partei aus allen ihren Forderungen gegen die Firma M*** & Co keinen Ausfall erleide, habe die Klägerin hingegen nicht als Oppositionsgrund geltend gemacht. Das hilfsweise Vorbringen der Klägerin über die Höhe des Anfechtungsanspruches und über verschiedene Belastungen und Eingänge stehe mit dem allein geltend gemachten Klagsgrund in Widerspruch und sei nicht schlüssig. Ob die vom Erstgericht dazu getroffenen, teilweise auch überschießenden Tatsachenfeststellungen zutreffend seien, müsse daher nicht geprüft werden. Gegen das Urteil des Berufungsgerichtes wendet sich die Revision der klagenden Partei aus den Anfechtungsgründen nach § 503 Abs 1 Z 2, 3 und 4 ZPO mit dem Antrag, es im Sinne einer Klagsabweisung, offensichtlich gemeint natürlich Klagsstattgebung, abzuändern oder es aufzuheben.

Die beklagte Partei, der die Gleichschrift der Revision am 22. Juli 1986 zugestellt wurde, erstattete erst am 10. September 1986 eine Revisionsbeantwortung. Diese Revisionsbeantwortung ist verspätet, weil gemäß § 224 Abs 1 Z 5 ZPO die in den §§ 35 bis 37 EO bezeichneten Streitigkeiten Ferialsachen sind, bei denen die Gerichtsferien gemäß § 225 Abs 2 ZPO auf den Anfang und Ablauf der Notfristen des Rechtsmittelverfahrens keinen Einfluß haben. Die verspätete Revisionsbeantwortung war daher zurückzuweisen.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist berechtigt.

Die geltend gemachten Mangelhaftigkeiten und Aktenwidrigkeiten liegen, soweit damit nicht ohnedies nur die Beweiswürdigung bekämpft wird, unzulässige Neuerungen geltend gemacht werden oder die rechtliche Beurteilung des Berufungsgerichtes bekämpft wird, nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO).

Es ist damit von den Tatsachenfeststellungen der Vorinstanzen über die im Zusammenhang mit dem Vergleichsabschluß zum Teil neben dem Vergleichstext getroffenen Vereinbarungen auszugehen. Danach ist der von der klagenden Partei in erster Linie geltend gemachte Klagsgrund schon deshalb nicht gegeben, weil die von ihr behauptete Vereinbarung nicht erwiesen ist. Rein vom Wortlaut des Vergleiches her enthält dessen Punkt 2 lediglich die Vereinbarung einer Exekutionsstundung, deren Zeitraum längst verstrichen ist. Nur wenn zusätzlich zum Vergleichsinhalt etwas vereinbart worden wäre, könnten daher andere Vorgänge als die Tilgung der verglichenen Forderung u.dgl. mehr zum Erlöschen des betriebenen Anspruches geführt haben. Dies wird in der Revision zutreffend erkannt. Eine solche mögliche Zusatzvereinbarung hätte so lauten können, wie dies die Klägerin in ihrer Oppositionsklage in erster Linie geltend machte, sie ist aber nicht erwiesen.

Richtig ist, daß die Klägerin eine anders lautende Zusatzvereinbarung nie geltend gemacht hat. Was sie aber geltend machte, wenn auch in der Klage noch undeutlich, ist jedoch ein anderer Erlöschungsgrund: Die Klägerin vertrat den Standpunkt, daß sie sich nur über einen Anfechtungsanspruch verglichen habe und der verglichene Anspruch daher erloschen wäre, wenn auch der Anfechtungsanspruch deshalb erlöschen sollte, weil die beklagte Partei als anfechtende Gläubigerin auf anderem Wege volle Befriedigung erlangt habe, sodaß für die beklagte Partei kein Anfechtungsbedürfnis mehr vorliegen würde. Mit diesem Klagsgrund könnte die Klägerin auch ohne Abschluß einer Zusatzvereinbarung durchdringen.

Gemäß § 8 Abs 1 AnfO ist die Vollstreckbarkeit der Forderung gegen den Schuldner Voraussetzung der Geltendmachung des Anfechtungsanspruches durch Klage. Gemäß § 13 Abs 1 AnfO kann der Anfechtungsgläubiger die Anfechtung nur soweit beanspruchen, als sie zu seiner Befriedigung erforderlich ist. Gemäß § 17 AnfO kann sich der Anfechtungsgegner vom Anfechtungsanspruch durch Befriedigung der dem anfechtenden Gläubiger gegen den Schuldner zustehenden Forderung befreien. Aus allen diesen Bestimmungen folgt, daß der Anfechtungsanspruch materiell vom Bestand der primären Forderung des anfechtenden Gläubigers gegen den ursprünglichen Schuldner abhängig ist (Ehrenzweig, AnfO 485, vgl. auch 549). Wird daher die Schuld dieses Hauptschuldners erst nach Entstehung eines Exekutionstitels über einen Anfechtungsanspruch getilgt, so erlischt nicht nur die Hauptverbindlichkeit, sondern auch der Anfechtungsanspruch, und dem Anfechtungsgegner steht die Klage nach § 35 EO offen, falls der anfechtende Gläubiger trotzdem gegen ihn Exekution führt. Dies gilt nach redlicher Übung des Verkehrs auch für einen gerichtlichen Vergleich und entspricht offenbar auch dem Standpunkt der beklagten Partei, weil sie das Exekutionsverfahren ohnedies auf den ihren Berechnungen nach gegenüber dem Hauptschuldner noch offenen Saldobetrag einschränkte.

Was die Streitteile nach den Feststellungen des Erstgerichtes anläßlich des Vergleichsabschlusses zusätzlich vereinbart haben, entsprach dieser Rechtslage. Zwar nicht, weil dies vereinbart worden wäre - darauf hat sich die klagende Partei nie gestützt - , aber weil es auch ohne Abschluß einer Vereinbarung rechtens ist, muß daher geprüft werden, ob die Schuld des Friedrich M*** im Zeitpunkt des Schlusses der Verhandlung erster Instanz noch mit dem Betrag zu Recht bestand, auf den das bekämpfte Exekutionsverfahren eingeschränkt worden ist. Mit Recht verweist die Revision auf den Unterschied zwischen diesem Schuldner und der Gesellschaft M*** & Co. Friedrich M*** war für Verbindlichkeiten der Gesellschaft nur Bürge oder Mitschuldner. Mit dem Erlöschen der Hauptschuld erlosch aber auch seine Mithaftung. Aus diesem Grunde sind sowohl Zahlungen aus Exekutionen gegen die Gesellschaft, soweit sie Verbindlichkeiten betrafen, für die auch Friedrich M*** haftete, als auch Zahlungen aus Exekutionen gegen Friedrich M*** zu berücksichtigen.

Da das Berufungsgericht die Beweiswürdigung über die bisher erfolgten Zahlungen nicht geprüft hat und auch die dazu erhobene Mängelrüge nicht erledigte, ist die Sache derzeit nicht spruchreif. Das angefochtene Urteil war daher aufzuheben und die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, wobei es diesem anheimzustellen war, ob es zur neuen Entscheidung der neuerlichen Durchführung einer Berufungsverhandlung, etwa zwecks Ergänzung des Verfahrens iSd § 496 Abs 3 ZPO durch Einholung eines Sachverständigengutachtens, bedarf.

Sollte sich im zweiten Rechtsgang ergeben, daß im Zeitpunkt des Schlusses der Verhandlung erster Instanz der beklagten Partei gegen ihren Hauptschuldner noch eine Forderung von 532.683,11 S zustand, dann müßte die Oppositionsklage wieder abgewiesen werden. Auf andere Sicherheiten mußte die beklagte Partei nicht greifen, abgesehen davon, daß die klagende Partei hiezu in erster Instanz keine Einwendungen erhoben hat. Unrichtig ist auch der Standpunkt der klagenden Partei, daß schon der Eingang von insgesamt 3,940.000 S (Höhe der vollstreckbaren Forderung gegen Friedrich M***) ausreichend wäre. Im Zweifel, nämlich ohne Abschluß einer zusätzlich abgeschlossenen, hier aber nicht erwiesenen Vereinbarung, kann nur nach dem Inhalt des protokollierten Vergleiches nicht davon ausgegangen werden, daß bei der beklagten Partei einlangende Zahlungen jeweils auch der Befreiung des Anfechtungsgegners dienen sollten. Ähnlich wie bei einer Teilbürgschaft müßte vielmehr zunächst eine Verrechnung auf die nicht auch durch den Anfechtungsanspruch "gesicherten" Teile der Gesamtforderung erfolgen, ehe ein Erlöschen des Anfechtungsanspruches einträte. Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 52 Abs 1 ZPO.

Anmerkung

E13177

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1988:0030OB00091.86.0127.000

Dokumentnummer

JJT_19880127_OGH0002_0030OB00091_8600000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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