TE OGH 1988/1/27 15Os3/88

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Veröffentlicht am 27.01.1988
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 27.Jänner 1988 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Bernardini als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Friedrich, Dr. Reisenleitner, Dr. Kuch und Dr. Massauer als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Plachy als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Rainer P*** wegen des Vergehens nach § 1 Abs 1 lit. a und c PornG über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Linz als Jugendschöffengericht vom 18. August 1987, GZ 34 b Vr 856/87-17, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Mit seiner Berufung wird der Angeklagte darauf verwiesen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Rainer P*** des Vergehens nach § 1 Abs 1 lit. a und c PornG schuldig erkannt. Darnach hat er im April 1987 in gewinnsüchtiger Absicht unzüchtige Laufbilder, nämlich etliche (im Spruch mit Titeln bezeichnete) Videokassetten

1. in Lenzing und St. Georgen anderen überlassen sowie 2. in Mondsee, St. Georgen, Lenzing und Schneegattern zum Verleihen, sohin zum Zwecke der Verbreitung, vorrätig gehalten.

Den Schuldspruch bekämpft der Angeklagte mit Nichtigkeitsbeschwerde aus § 281 Abs 1 Z 4, 5 und 9 lit. a StPO, der Berechtigung nicht abgesprochen werden kann.

Das Erstgericht hat zu diesem Schuldspruch, gegründet auf die von der Sicherheitsbehörde (mit Inhaltsangaben, die aber bloß schlagwortartig gehalten sind) pauschal ausgeführt, alle inkriminierten Videokassetten enthielten die jedes darüber hinausgehenden Gedankeninhaltes entkleidete Wiedergabe sexueller Betätigungen aller Art, der Großteil derselben beinhalte in anreißerisch verzerrter und das Obszöne betonender Weise die Wiedergabe intensiven gleichgeschlechtlichen lesbischen Unzuchtstreibens, die restlichen Videos zeigten in exzessiver aufdringlicher und abstoßender Weise die Wiedergabe von Formen sexueller Gewalttätigkeiten, es seien daher sämtliche Laufbilder als absolut unzüchtig im Sinn des Pornographiegesetzes zu qualifizieren. Schon mit der Verfahrensrüge (Z 4) ist der Beschwerdeführer im Recht, sofern er die Abweisung des in der - mit Urteil beendeten - Hauptverhandlung am 18.August 1987 gestellten Antrages auf Durchführung eines Augenscheins an den inkriminierten Videokassetten durch Vorführung derselben zum Beweis dafür, daß es sich dabei nicht um unzüchtige Laufbilder im Sinn des Pornographiegesetzes handle, mit der Behauptung rügt, es liege eine Verkürzung von Verteidigungsrechten vor.

Das Schöffengericht begründete sein ablehnendes Zwischenerkenntnis damit, daß der Beschwerdeführer die von der Sicherheitsbehörde erstellten Inhaltsangaben hinsichtlich ihrer sachlichen Richtigkeit nicht bezweifelt hätte und die Vorführung der Videokassetten "wohl zu einer Verlängerung der Hauptverhandlung um viele Stunden führen, nichts aber zur Wahrheitsfindung beitragen" würde.

Rechtliche Beurteilung

Nun trifft es zwar zu, daß der Nichtigkeitswerber die in der Anzeige der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich festgehaltene Inhaltsangabe der Laufbilder an sich zwar nicht ausdrücklich in Zweifel gezogen hat; er hat aber im gegenständlichen Beweisantrag behauptet und ausdrücklich unter Beweis gestellt, daß der Inhalt der inkriminierten Kassetten nicht "unzüchtig" im Sinn des § 1 PornG sei. Damit aber hat er sehr wohl unverkennbar und unmißverständlich die Richtigkeit der erwähnten Inhaltsangabe (S 81 bis 123) bestritten und dafür auch ein Beweismittel, nämlich die Vorführung der Laufbilder angeboten.

Dem Grundsatz der Unmittelbarkeit des Strafverfahrens entsprechend - dessen Verletzung der Beschwerdeführer in seinem Rechtsmittel zutreffend rügt - hätte das Erstgericht diesen Beweisantrag jedoch nicht abweisen dürfen. Vielmehr hätte es sich selbst unmittelbar davon überzeugen müssen, ob die in Rede stehenden Videokassetten unzüchtigen Inhalt aufweisen, wie dem Beschwerdeführer in der Anklageschrift angelastet wird, oder ob das Gegenteil zutrifft, wie dieser, seine Schuldlosigkeit behauptend, unter Beweis stellt.

Festzuhalten ist in diesem Zusammenhang überdies, daß sich das Erstgericht mit dem oben wiedergegebenen Sachverhaltssubstrat darauf beschränkt, lediglich die als (absolut) unzüchtig befundenen Darstellungen bloß mit der Wiedergabe von Rechtssätzen aus Entscheidungen von verstärkten Senaten des Obersten Gerichtshofes (Mayerhofer-Rieder, Nebenstrafrecht2, ENr. 5 zu § 1 PornG ua), welche die rechtlichen Kriterien des Unzuchtsbegriffes erfassen, zu beschreiben. Dabei wird aber nicht auf die tatsächlichen Gegebenheiten eingegangen, sodaß demnach - nach der derzeitigen Aktenlage - überhaupt keine geeignete Grundlage für einen Schuldspruch nach § 1 Abs 1 lit. a und c PornG vorliegt. Gerade in bezug auf die tatsächlichen Gegebenheiten läßt die angefochtene Entscheidung nämlich jegliche Ausführungen darüber vermissen, in welchen konkreten Darstellungen es mit Beziehung auf die vom Schuldspruch umfaßten Videokassetten eine absolute Unzüchtigkeit erblickt. Die Anzeige der Sicherheitsbehörde, auf die im Urteil Bezug genommen wird, reicht hiezu in keiner Weise aus, zumal auch die - zudem gar nicht in das Urteil übernommenen - schlagwortartigen Inhaltsangaben keineswegs in eindeutiger Weise auf Handlungen von absoluter Unzüchtigkeit bezüglich sämlicher vom Schuldspruch umfaßten Videokassetten hinweist. Präzise Sachverhaltsfeststellungen aber wären Voraussetzung für eine verläßliche rechtliche Subsumtion des Inhaltes der von der Anklage umfaßten Laufbilder (vgl. 11 Os 154/79, 11 Os 155/82 = Mayerhofer-Rieder, StPO2, ENr. 107 b zu § 270, 15 Os 171/87). Das Urteil ist daher insofern mit einem in der Beschwerde allerdings nicht - oder allenfalls (vgl. die kursorischen Ausführungen im zweiten Absatz auf S 205) nur gänzlich unsubstantiiert - gerügten Feststellungsmangel (Z 9 lit. a) behaftet. Daß eine Beweisaufnahme viele Stunden dauern mag, ist überdies kein tauglicher Grund, sie nicht durchzuführen. In dem Zusammenhang ist aber darauf zu verweisen, daß sich am unzüchtigen Charakter einer Videokassette dann nichts ändert, wenn die pornographischen Darstellungen im Vergleich zum übrigen Inhalt des Films im Umfang nur gering wären (vgl. SSt. 50/44 = EvBl 1979/231; 10 Os 131/83 uva).

Die angebotenen Beweise (ohne weitere Begründung) bloß deswegen abzulehnen, weil sie nichts zur Wahrheitsfindung beitragen würden, ist aber auf jeden Fall unzulässig, handelt es sich bei dieser Argumentation doch um einen - sogar als eklatant zu bezeichnenden - Fall vorgreifender Beweiswürdigung (Mayerhofer-Rieder2, ENr. 79 ff zu § 281 Abs 1 Z 4 StPO uva). Der aufgezeigte Verfahrensmangel macht eine gänzliche Kassierung des Ersturteils und eine Neudurchführung des Verfahrens unumgänglich, sodaß ein Eingehen auf die weiteren Beschwerdepunkte entbehrlich ist.

Anzumerken ist jedoch, daß das - konform mit dem Antrag in der Anklageschrift gemäß § 33 MedienG ergangene - Einziehungserkenntnis dem Gesetz widerspricht, weil Videokassetten (die ebenso wie Filme und Tonbandkassetten nicht unter den Druckwerksbegriff des § 1 Z 4 und 5 MedienG fallen; vgl. hiezu Hartmann-Rieder, MedienG, Anm. 1 zu § 1 Z 4; dieselben, Kommentar zum Mediengesetz, S 29) unzüchtigen Inhalts nach § 3 Abs 1 PornG für verfallen zu erklären sind (EvBl 1984/31; unrichtig bei Hartmann-Rieder, Kommentar zum MedienG das Entscheidungszitat S 238 !Abschnitt VIII am Ende EvBl 1984/32; RZ 1986/9). Nur Druckwerke sind seit der Geltung des MedienG gemäß § 33 Abs 2 MedienG einzuziehen (Hartmann-Rieder, Kommentar zum MedienG S 237 f).

Sollte im erneuerten Verfahren wiederum ein Schuldspruch nach § 1 (oder § 2) PornG ergehen, werden die dem Urteil zu Grunde liegenden Videokassetten gemäß § 3 Abs 1 PornG für verfallen zu erklären sein. Dadurch würde keine Schlechterstellung des Beschwerdeführers erfolgen, weil jener das auf § 33 Abs 1 MedienG gestützte Einziehungserkenntnis uneingeschränkt unangefochten ließ und im Rechtsmittelverfahren keine der gelinderen - im Abs 4 l.c. vorgesehenen - Modalitäten begehrt hat. Das Verschlimmerungsverbot erstreckt sich nämlich immer bloß auf den Sanktionenbereich, es verbietet nur die Verhängung einer materiell strengeren Sanktion, nicht aber die formelle Anwendung einer strengeren Bestimmung (LSK 1986/17; 10 Os 166/86).

Der zum Vorteil des Angeklagten ergriffenen Nichtigkeitsbeschwerde war daher schon bei einer nichtöffentlichen Beratung sofort Folge zu geben (§ 285 e StPO).

Mit seiner Berufung war der Angeklagte auf die kassatorische Entscheidung zu verweisen.

Anmerkung

E13484

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1988:0150OS00003.88.0127.000

Dokumentnummer

JJT_19880127_OGH0002_0150OS00003_8800000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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