TE OGH 1988/2/4 7Ob509/88

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Veröffentlicht am 04.02.1988
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Flick als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Wurz, Dr. Warta, Dr. Egermann und Dr. Niederreiter als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Franz H***, Landwirt, Stuhlfelden Nr. 40, vertreten durch Dr. Martin Stock, Rechtsanwalt in Zell am See, wider die beklagte Partei Sebastian R***, Unterkranzbauer, Mittersill, Burk 7, vertreten durch Dr. Herwig Grosch u.a., Rechtsanwälte in Kitzbühel, wegen Unterlassung (Streitwert 30.000 S), infolge Rekurses der klagenden Partei gegen den Beschluß des Landesgerichtes Salzburg als Berufungsgerichtes vom 25. November 1987, GZ 32 R 308/87-57, womit das Urteil des Bezirksgerichtes Zell am See vom 20. Mai 1987, GZ 2 C 38/86-42, aufgehoben wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Rekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluß wird aufgehoben und die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Die Kosten des Verfahrens vor dem Obersten Gerichtshof sind weitere Kosten des Berufungsverfahrens.

Text

Begründung:

Der Kläger ist Eigentümer der Liegenschaft EZ 89 KG Stuhlfelden, zu der auch das Grundstück 236/1 gehört. Der Beklagte ist Eigentümer der Liegenschaft EZ 53 KG Schloß Mittersill. Das Grundstück 236/1 kam im Zuge eines agrarischen Aufteilungsverfahrens zur EZ 89 KG Stuhlfelden. In der Agrarverhandlung haben die damaligen Eigentümer eine Vereinbarung getroffen, die in der Niederschrift vom 29. Jänner 1947 wie folgt festgehalten ist: "Das auf dem Durchfahrtsweg (Geh- und Triebweg) getriebene Großvieh muß geführt und die Schafe können getrieben werden (ohne Aufenthalt). Das Wölfellehen und Essigergut und Jochinger darf nicht mehr durchtreiben und durchfahren, wohl aber durchgehen". Mit dem sogenannten Durchfahrtsweg ist das Grundstück 236/1 gemeint gewesen.

Für die damaligen Eigentümer des sogenannten Unterkranzgutes (nunmehr Liegenschaft des Beklagten) hat der Hälfteeigentümer Johann S*** die erwähnte Vereinbarung getroffen. Er trat als Stellvertreter der Miteigentümerin Maria S***, seiner Schwester (ebenfalls zur Hälfte), auf, von der er auch bevollmächtigt war, doch hat die Verwaltungsbehörde wegen der ihr bekannten Familienverhältnisse von einem Nachweis der Bevollmächtigung abgesehen. Der Bescheid über die Aufteilung unter Hinweis auf die abgeschlossene Vereinbarung wurde Maria S*** jedoch zugestellt. Ein Rechtsmittel wurde von ihr nicht ergriffen.

Es kann nicht festgestellt werden, daß die Rechtsvorgänger des Beklagten und er selbst bzw. ihre Familienangehörigen und Mitarbeiter seit dem Jahre 1947 ständig Großvieh über das Grundstück 236/1 getrieben haben, ohne daß die Tiere am Bande geführt wurden und ohne daß zuvor beim Kläger bzw. seinen Angehörigen und Rechtsvorgängern um Erlaubnis zum Treiben der Tiere ohne Führen gefragt worden ist. Es konnte auch nicht festgestellt werden, daß die Leute des Unterkranzgutes in dieser Zeit das Großvieh stets oder wenigstens fallweise am Band geführt oder vor dem Treiben die Erlaubnis befugter Leute des Klägers oder seiner Rechtsvorgänger eingeholt hätten.

Mit der Behauptung, der Beklagte habe gegen die erwähnte Vereinbarung verstoßen, begehrt der Kläger, den Beklagten schuldig zu erkennen, das Treiben von Großvieh, ohne dieses einzeln zu führen bzw. ohne die Zustimmung des Eigentümers der Grundparzelle 236/1 zum Treiben ohne Führen über diese Parzelle zu unterlassen. Der Beklagte bestritt die Wirksamkeit der behaupteten Vereinbarung und wendeten deren Sittenwidrigkeit ein. In der Tagsatzung vom 13. Mai 1987 (ON 61) ergänzte der Beklagte sein Vorbringen dahin, daß unter dem Begriff des Führens von Großvieh in der Vereinbarung vom 29. Jänner 1947 nicht das Führen am Bande, sondern lediglich das zusätzliche Vorangehen einer Begleitperson vor dem Leittier zum Unterschied vom Treiben nur durch nachfolgende Begleitpersonen verstanden worden sei. Zu diesem Vorbringen bot der Beklagte Beweise an.

Das Erstgericht hat dem Klagebegehren stattgegeben und das zusätzliche Vorbringen des Beklagten in der Tagsatzung vom 13. Mai 1987 (ON 61) als in Verschleppungsabsicht erstattet für nicht zulässig erklärt.

In rechtlicher Hinsicht führt das Erstgericht aus, im Hinblick auf die getroffenen Feststellungen sei der Beklagte durch die Vereinbarung gebunden. Es sei der Beweis einer Ersitzung der Freiheit von der ihn treffenden Verpflichtung nicht gelungen. Das Berufungsgericht hob die erstgerichtliche Entscheidung unter Rechtskraftvorbehalt auf und sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes 15.000 S übersteigt. Es übernahm hiebei ausdrücklich die erstrichterlichen Feststellungen und führte in rechtlicher Hinsicht aus, es liege weder Schikane vor noch sei das Klagebegehren mangels Rechtsschutzinteresses abzuweisen. Die Art des Viehtriebes über die strittige Parzelle habe zwar nicht festgestellt werden können, doch habe der Beklagte durch beharrliche Bestreitung des Rechtes des Klägers hinreichenden Grund für die Unterlassungsklage geboten.

Das Berufungsgericht hat zwar wiedergegeben, daß das Erstgericht die Beweisanträge des Beklagten in der Tagsatzung vom 13. Mai 1987 (ON 61) als in Verschleppungsabsicht erstattet nicht berücksichtigt hat, jedoch ausgeführt, bei der Auslegung eines Vertrages sei nicht vom bloßen Wortlaut auszugehen, vielmehr müsse der Wille der Parteien erforscht werden. Soweit also das Beweisanbieten des Beklagten den angeblichen Parteiwillen bei Vertragsabschluß betreffe, sei es beachtlich. Da das Erstgericht sich mit dem Parteiwillen nicht ausreichend auseinandergesetzt habe, erweise sich sein Verfahren als mangelhaft.

Rechtliche Beurteilung

Der vom Kläger gegen die Entscheidung des Berufungsgerichtes erhobene Rekurs ist gerechtfertigt.

Mit Ausnahme der Frage des Parteiwillens bei Abschluß des Vertrages wurden vom Berufungsgericht sämtliche die Streitsache betreffenden Rechtsfragen in Übereinstimmung mit der Judikatur gelöst. Diesbezüglich wird die Entscheidung des Berufungsgerichtes von niemandem bekämpft. Zu prüfen ist daher nur, ob die Rechtsansicht des Berufungsgerichtes, die Frage des Parteiwillens bedürfe einer weiteren Erörterung, richtig ist oder nicht. Der Rekurs des Klägers enthält keine ausdrückliche Mängelrüge, was dem Obersten Gerichtshof ein Eingehen auf berufungsgerichtliche Verfahrensmängel verwehren würde. Hätte also das Berufungsgericht dem Erstgericht ohne Prüfung der Frage, ob die Zurückweisung des Beklagtenvorbringens in der Tagsatzung vom 13. Mai 1987 (ON 61) und der nachfolgenden Schriftsätze wegen Verschleppungsabsicht gerechtfertigt war, dem Erstgericht Beweisaufnahmen nur aufgrund dieser Anträge aufgetragen, so könnte der Oberste Gerichtshof dem nicht entgegentreten.

Das Berufungsgericht hat jedoch eine Erörterung der diesbezüglichen Verfahrensrüge in der Berufung mit der Begründung abgelehnt, schon aus rechtlichen Erwägungen erweise sich das erstgerichtliche Verfahren als mangelhaft, weil schon nach dem bisherigen Sachvorbringen eine Prüfung des Parteiwillens erforderlich gewesen wäre. Ob ein Parteivorbringen für die rechtliche Beurteilung eines Sachverhaltes in einer bestimmten Richtung ausreicht, ist eine Rechtsfrage. Die Richtigkeit der Lösung dieser Rechtsfrage kann der Oberste Gerichtshof auch ohne Vorliegen einer Mängelrüge prüfen. Er ist hiezu verpflichtet, wenn eine ordnungsgemäße Rechtsrüge erhoben worden ist. Da der Kläger in seinem Rekurs die erwähnte Rechtsansicht des Berufungsgerichtes ausdrücklich bekämpft, liegt eine ordnungsgemäße Rechtsrüge vor, die den Obersten Gerichtshof, wie bereits dargelegt, zu der Überprüfung des Vorgehens des Berufungsgerichtes verpflichtet.

Richtig hat das Berufungsgericht zunächst erkannt, daß nach § 914 ABGB bei der Auslegung von Verträgen nicht am buchstäblichen Sinn des Ausdrucks zu haften, sondern die Absicht der Parteien zu erforschen und der Vertrag so zu verstehen ist, wie es der Übung des redlichen Verkehrs entspricht (ImmZ 1987, 458, MietSlg 34.132 ua). Dies führt aber nicht dazu, daß dem buchstäblichen Sinn einer schriftlichen Willenserklärung keine Bedeutung zukommt. Es muß vielmehr zunächst vom Wortsinn in seiner gewöhnlichen Bedeutung ausgegangen werden. Ausgehend von diesem Wortsinn ist der Wille der Parteien, das ist die dem Erklärungsempfänger erkennbare Absicht des Erklärenden, zu erforschen. Letztlich ist die Willenserklärung so zu verstehen, wie es der Übung des redlichen Verkehrs entspricht (7 Ob 41/87, 6 Ob 579/87 ua). Die Buchstabeninterpretation darf jedoch der Ermittlung der Absicht der Parteien nicht im Wege stehen. Die Absicht der Parteien ist dem buchstäblichen Sinn des Ausdrucks keineswegs nachrangig (7 Ob 657/87). Die Erforschung des Parteiwillens darf als das schärfere Mittel erst dann verwendet werden, wenn das mildere Mittel der Beachtung des buchstäblichen Sinnes des Ausdruckes nicht mehr zum Ziel führt (SZ 54/46, JBl. 1971, 429 u.a.). Ist also der Wortsinn einer schriftlichen Erklärung eindeutig, so ist die Frage, ob der Parteiwille davon abgewichen sein könnte, nur dann zu prüfen, wenn irgendwelche im Verfahren hervorgekommene Umstände oder entsprechende Behauptungen der dafür beweispflichtigen Partei einen Hinweis auf einen solchen abweichenden Parteiwillen rechtfertigen.

Vorerst ist darauf zu verweisen, daß nach den getroffenen Feststellungen ohne das neue Vorbringen des Beklagten in der Tagsatzung vom 13. Mai 1987 (S 141 f des Aktes) dem Klagebegehren auf jeden Fall stattzugeben gewesen wäre. Der Beklagte hatte bis dahin nämlich grundsätzlich das uneingeschränkte Recht des Viehtriebes behauptet und jegliche einschränkende Verpflichtung gegenüber dem Kläger bestritten. Würde man von diesem Vorbringen des Beklagten ausgehen, so wäre es unerheblich, wie der Begriff des Führens auszulegen ist, weil der Beklagte auf dem Recht uneingeschränkten Treibens beharrte. Erst sein Vorbringen in der Tagsatzung vom 13. Mai 1987 (ON 61) kann bei sehr weitherziger Auslegung dahin verstanden werden, daß der Beklagte nun nicht mehr ein Recht zum uneingeschränkten Viehtrieb behauptete, vielmehr klarlegen wollte, daß er grundsätzlich das Recht zum Führen des Viehs anerkennt, hiebei der Begriff des Führens jedoch in dem von ihm aufgezeigten Sinn zu verstehen sei. Er bestritt demnach das Klagebegehren nur mehr insoweit, als der Kläger von ihm das Führen jedes einzelnen Tieres am Strick verlangte. Da eine solche Einschränkung der Einwendungen für sich allein mit keinem weiteren Verfahrensaufwand verbunden gewesen wäre, hätte sie für sich allein betrachtet, allerdings mit Kostenfolgen für den Beklagten, dem weiteren Verfahren zugrundegelegt werden müssen.

Im vorliegenden Fall hat jedoch der Beklagte nicht etwa nur seine bisherigen Einwendungen einschränkend interpretiert, sondern in der Tagsatzung vom 13. Mai 1987 (ON 61) und sogar nach Schluß der Verhandlung erster Instanz umfangreiche Beweisanträge gestellt und diesen Anträgen eine bisher nicht einmal angedeutete Behauptung über den Parteiwillen zugrundegelegt.

Entgegen der Rechtsansicht des Berufungsgerichtes war bis zum Vorbringen in der Tagsatzung vom 13. Mai 1987 (ON 61) überhaupt kein Grund für eine über den Wortlaut hinausgehende Interpretation der Vereinbarung vom 29. Jänner 1947 gegeben. Dort heißt es ausdrücklich, daß das Großvieh geführt werden muß. Nach dem allgemeinen Sprachgebrauch wird unter dem Führen eines Tieres das Herstellen eines direkten Kontaktes zu ihm, sei es durch eine Leine, durch ein Band oder auf sonstige Art, um hiedurch die unmittelbare physische Beeinflussung des Verhaltens des Tieres zu ermöglichen, verstanden. Daß dies gerade im vorliegenden Fall in der Natur der Sache lag, ergibt sich schon daraus, daß das Vieh über einen Weg befördert werden sollte. Berücksichtigt man das allgemein bekannte Verhalten von Rindern, nämlich ihr Bestreben, einander zu überholen und sich gegenseitig abzudrängen, wodurch selbstverständlich die Gefahr besteht, daß der von einer Viehherde benützte Weg auf die Dauer verbreitert und in größerem Umfang als beim Führen hintereinander beschädigt wird, so liegt es auf der Hand, daß der oben dargelegte Wortsinn dem Zweck der Vereinbarung entsprochen hat. Sollte in einem derartigen Fall jemand einen abweichenden Parteiwillen oder eine andere Verkehrssitte geltend machen wollen, so muß er dies in einem Prozeß behaupten und beweisen. Eine solche Behauptung wurde vom Beklagten bis zur Tagsatzung vom 13. Mai 1987 (ON 61) nicht aufgestellt. Vielmehr ergibt sich aus dem Vorbringen des Beklagten bereits in der Tagsatzung vom 23. Oktober 1985 (S 8 dA), daß auch der Beklagte unter Führen des Viehs im Sinne der vom Kläger geltend gemachten Vereinbarung nur ein Führen "an Band und Hand" verstanden hat, weil er eine derartige Verpflichtung ausdrücklich bestritt. Er hat nicht im geringsten zu erkennen gegeben, daß, wie er es nunmehr behauptet, unter dem Führen auch das bloße Voranschreiten einer Person vor der Herde zu verstehen wäre. Auch im Beweisverfahren wurde immer zwischen dem Führen jedes einzelnen Tieres an einem Band einerseits und dem Treiben des Viehs andererseits unterschieden. So hat zB der Zeuge Franz H*** in der Tagsatzung vom 17.Dezember 1986 (S 85 dA) ausgesagt, daß jedes einzelne Stück Großvieh geführt wurde, nur wenn vorher gefragt wurde, sei lediglich das Leittier geführt und das andere Vieh getrieben worden. Daß der Zeuge die letztere Art nicht als Führen im Sinne der Vereinbarung angesehen hat, ergibt sich aus der Aussage in ihrer Gesamtheit. Dem entspricht im wesentlichen auch die Aussage des Zeugen Siegfried S*** in der Tagsatzung vom 28. Jänner 1987 (S 114 dA). Auch die beiden Töchter des Beklagten Rosina R*** und Martina E*** (S 116 und 117 dA) haben von einem Treiben des Viehs gesprochen, wobei sie eine Vorgangsweise schilderten, die nach dem nunmehrigen Vorbringen des Beklagten angeblich dem Begriff des Führens nach der vom Kläger herangezogenen Vereinbarung entsprechen soll. Daraus ergibt sich aber, daß bis zu dem Vorbringen des Beklagten in der Tagsatzung vom 13. Mai 1987 (ON 61) beide Teile von einem Begriff des Führens ausgegangen sind, der dem eben dargelegten Wortsinn entspricht, jedoch dem vom Beklagten nunmehr behaupteten Parteiwillen entgegensteht. Bei dieser Sachlage bedurfte es keinerlei weiteren Erforschung des Parteiwillens. Vielmehr war nach den getroffenen Feststellungen davon auszugehen, daß der Beklagte für sich das Recht des Viehtriebes ohne vorherige Befragung des Klägers in Anspruch nimmt. Die Rechtsansicht des Berufungsgerichtes, auch ohne das Vorbringen des Beklagten in der Tagsatzung vom 13. Mai 1987 (ON 61) sei der Parteiwille weiter zu erforschen, ist demnach nicht zutreffend.

Es ist also davon auszugehen, daß eine weitere Erforschung des Parteiwillens die Wirksamkeit des klägerischen Vorbringens in der Tagsatzung vom 13. Mai 1987 (ON 61) voraussetzt. Das Erstgericht hat dieses Vorbringen nach § 179 ZPO für unstatthaft erklärt und hiefür sehr beachtliche Gründe angeführt. Insbesondere spricht auch für die Verschleppungsabsicht des Beklagten, daß sich dieser zum Beweis für einen angeblichen Parteiwillen auf ein sehr umfangreiches Beweisanerbieten beruft, insbesondere auf die erfahrungsgemäß mit großem Zeitaufwand verbundene Einholung eines Sachverständigengutachtens, das, wie das Berufungsgericht richtig erkennt, keinerlei entscheidende Ergebnisse in dieser Richtung bringen könnte. Ausgehend von seiner vom Obersten Gerichtshof nicht gebilligten Rechtsansicht hat das Berufungsgericht zu der diesbezüglichen Mängelrüge der Berufung nicht Stellung genommen. Nur wenn es die Rechtsansicht des Erstgerichtes, das zusätzliche Vorbringen wäre wegen Verschleppungsabsicht zurückzuweisen, nicht billigen sollte, was entsprechend zu begründen wäre, würde sich dieses Vorbringen als beachtlich erweisen. Dies wäre aber die Voraussetzung für eine Ergänzung des erstgerichtlichen Verfahrens. Die Unterlassung einer Entscheidung über die Mängelrüge der Berufung begründet demnach eine Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens. Da die Beurteilung angeblicher Mängel des erstgerichtlichen Verfahrens ausschließlich Sache des Berufungsgerichtes ist und der Oberste Gerichtshof in die diesbezüglichen Befugnisse des Berufungsgerichtes nicht eingreifen kann, ist ihm in einem Fall wie dem vorliegenden die Möglichkeit verwehrt, den Aufhebungsbeschluß des Berufungsgerichtes gemäß § 519 Abs 2 ZPO durch eine Entscheidung in der Sache selbst zu ersetzen. Vielmehr muß er in einem solchen Fall die angefochtene Entscheidung aufheben und dem Berufungsgericht die Beseitigung des Mangels seines Verfahrens auftragen. Allerdings geht es hiebei nicht an, daß das Berufungsgericht auf schriftliche "Aussagen" in nach Schluß der Verhandlung erstatteten Schriftsätzen Bedacht nimmt. Das diesbezügliche gesetzwidrige Vorgehen des Berufungsgerichtes hat nun dazu geführt, daß nunmehr der Kläger den ebenfalls unzulässigen Versuch der Fortsetzung eines schriftlichen Beweisverfahrens nach Schluß der Verhandlung erster Instanz unternimmt.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 52 ZPO.

Anmerkung

E13227

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1988:0070OB00509.88.0204.000

Dokumentnummer

JJT_19880204_OGH0002_0070OB00509_8800000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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