Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Flick als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Wurz, Dr. Warta, Dr. Egermann und Dr. Niederreiter als Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1.) Adolf M***, Maler und 2.) Veronika M***, Arbeiterin, beide Bad Gams, Feldbaum 3, vertreten durch Dr. Robert Kronegger und Dr. Rudolf Lemesch, Rechtsanwälte in Graz, wider die beklagte Partei Josefa F***, Landwirtin, Groß St. Florian, Krottendorf 19, vertreten durch Dr. Josef Faulend-Klauser, Rechtsanwalt in Deutschlandsberg, wegen restl. 26.702 S s.A., infolge Revision der klagenden Parteien gegen das Urteil des Landesgerichtes für ZRS Graz als Berufungsgerichtes vom 4.November 1987, GZ 3 R 255/87-45, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Deutschlandsberg vom 6.August 1987, GZ 2 C 215/86-38, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluß
gefaßt:
Spruch
Der Revision wird Folge gegeben.
Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden im Umfang der Anfechtung (Klagsabweisung mit 26.702 S s.A.) und im Kostenpunkte aufgehoben. Diesbezüglich wird die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.
Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.
Text
Begründung:
Mit Vertrag vom Mai 1985 haben die Kläger von der Beklagten das instandsetzungsbedürftige Objekt Krottendorf 18 um einen monatlichen Mietzins von 2.000 S auf unbestimmte Zeit gemietet. Das Mietverhältnis sollte nach Beendigung der Adaptierungsarbeiten beginnen. Die Beklagte hat den Klägern die Mietzinse für die Monate Mai, Juni und Juli 1985 erlassen, wenn sie die Adaptierungsarbeiten auf eigene Kosten durchführen.
Die Kläger begannen im Mai 1985 mit Adaptierungsarbeiten. Mit Schreiben vom 29.7.1986 erklärte die Beklagte das Mietverhältnis zum 31.12.1986 für aufgelöst. Hierauf erfolgte eine einvernehmliche Auflösung des Bestandverhältnisses zum 31.10.1986 (der vom Berufungsgericht angegebene Termin 31.12.1986 beruht offenbar auf einem Schreibfehler und widerspricht dem diesbezüglich einvernehmlichen Vorbringen der Parteien).
Die Kläger verlangen 31.000 S für ihre Adaptierungsarbeiten. Die Beklagte wendete von ihr behauptete Schadenersatzforderungen in der Höhe von 31.000 S kompensando ein. Im übrigen wurde das Klagebegehren bestritten.
Das Erstgericht hat ausgesprochen, daß die Klagsforderung mit 28.630 S und die eingewendete Gegenforderung mit 1.928 S zu Recht bestehen. Es hat daher den Klägern unter Abweisung eines Mehrbegehrens von 4.298 S 26.702 S s.A. zugesprochen. Der abweisende Teil dieser Entscheidung ist in Rechtskraft erwachsen. Das Berufungsgericht hat das gesamte Klagebegehren abgewiesen. Es verneinte im Hinblick auf die zwischen den Parteien getroffene Vereinbarung, daß die Instandsetzungsarbeiten von den Klägern vorzunehmen waren, einen Ersatzanspruch nach § 1097 ABGB. Zwar könne ein Rückforderungsanspruch eines Mieters, der Aufwendungen auf das Bestandobjekt gemacht habe, gemäß § 1435 ABGB auch bei Wegfall der Geschäftsgrundlage bestehen, doch wäre dies nur dann der Fall, wenn das Vertragsverhältnis gegenüber der vereinbarten Dauer nur kurze Zeit bestanden hätte. Da im vorliegenden Fall das Vertragsverhältnis über ein Jahr bestanden habe, könne von einer kurzen Dauer keine Rede sein.
Das Berufungsgericht hat die Revision für zulässig erklärt.
Rechtliche Beurteilung
Die von den Klägern gegen die Entscheidung des Berufungsgerichtes aus den Revisionsgründen des § 503 Z 3 und 4 ZPO erhobene Revision ist gerechtfertigt.
Die behauptete Aktenwidrigkeit ist, wie die Beklagte in der Revisionsbeantwortung zugesteht, tatsächlich gegeben, weil das Berufungsgericht, entgegen der unbekämpften Feststellung des Erstgerichtes, daß das Vertragsverhältnis zum 31.10.1986 einvernehmlich aufgelöst worden ist, von einer Beendigung des Bestandverhältnisses vom 31.12.1986 ausgeht. Für die vorliegende Entscheidung ist dieser Umstand jedoch nicht von entscheidender Bedeutung.
Auf den ursprünglich geltend gemachten Rechtsgrund des § 1097 ABGB muß nicht mehr eingegangen werden, weil die diesbezüglichen Ausführungen des Berufungsgerichtes der Rechtslage und der Judikatur entsprechen und dagegen seitens der Kläger kein Einwand erhoben wird. Richtig hat das Berufungsgericht erkannt, daß auch eine aufgrund einer Vereinbarung zwischen Mieter und Vermieter erbrachte Leistung auf das Bestandobjekt gemäß § 1435 ABGB unter Umständen zurückgefordert werden kann. Der Rückforderungsanspruch ist nur ausgeschlossen, wenn der Leistende den Eintritt des Geschäftszweckes gegen Treu und Glauben verhindert hat (Rummel, Rz 9 zu § 1435, MietSlg.35.269, 24.205, SZ 46/62 u.a.). Selbst nach den Parteienbehauptungen ist dies hier nicht der Fall.
Richtig ist, daß ein Rückforderungsanspruch des Mieters nach § 1435 ABGB nicht unter allen Umständen aus der Beendigung des Bestandverhältnisses abgeleitet werden kann. Das Berufungsgericht bejaht einen solchen Anspruch nur, wenn das Bestandverhältnis kurz gedauert hat (vgl. Rummel Rz 3 zu § 1435 u.a.). Aus dem Ausdruck "kurz" kann jedoch allein nichts gewonnen werden, weil er nicht klarlegt, wann ein Bestandverhältnis "kurz" oder länger gedauert hat. Ein Ersatzanspruch nach § 1435 ABGB wird dann gegeben sein, wenn ein Entgelt in Erwartung eines weitergehenden Erfolges erbracht wurde, der dann nicht eingetreten ist (Rummel Rz 4 zu § 1435), so beispielsweise beim vorzeitigen Erlöschen eines Mietverhältnisses (Wilburg in Klang2 VI, 465 f). In Übereinstimmung mit der Judikatur (MietSlg.38.239 u.a.) hat das Berufungsgericht auch richtig dargelegt, daß der Rückforderungsanspruch nur zu Recht besteht, wenn eine Leistung in der Erwartung gegeben wurde, daß ein Dauerschuldverhältnis längere Zeit Bestand haben werde, dieses Rechtsverhältnis aber in der Folge nach verhältnismäßig kurzer Zeit beendet wurde. Der Ausdruck "verhältnismäßig" zeigt aber, daß aus der tatsächlichen Dauer des Dauerschuldverhältnisses allein auf die Berechtigung des Rückforderungsanspruches noch nicht geschlossen werden kann. Vielmehr kommt es nicht auf die absolute Kürze, sondern auf das Verhältnis zwischen der tatsächlichen und der ursprünglich vereinbarten Dauer an. Ein gänzlicher oder teilweiser Rückforderungsanspruch wird dann bestehen, wenn die Leistungen nur in der für den anderen Teil erkennbaren Erwartung einer bestimmten Dauer des Dauerschuldverhältnisses erbracht wurden, die tatsächliche Dauer aber in einem auffallenden Mißverhältnis zu dieser erwarteten Dauer steht. Wurde beispielsweise eine "längere Dauer" des Schuldverhältnisses vereinbart, so wird es bei der Beurteilung der Unverhältnismäßigkeit der Leistung auf die Verkehrsauffassung ankommen, was unter einer solchen Dauer zu verstehen ist. Im vorliegenden Fall haben die Kläger bereits in der Klage behauptet, sie seien zur Vornahme von Renovierungs- und Adaptierungsarbeiten überhaupt nur bereit gewesen, weil ihnen seitens der Beklagten eine langjährige Nutzung des Mietobjektes zugesagt worden sei (S.4 d.A.). Die Beklagte hat das gesamte Klagsvorbringen, demnach auch die erwähnte Behauptung in der Klage, bestritten. Auf diese Behauptung kommen die Kläger in der Revision zurück, wobei sie sie dahin präzisierten, daß ein Bestandverhältnis von nicht weniger als 10 Jahren ins Auge gefaßt gewesen sei (S.213 d. A.). Letztere Präzisierung ist eine im Rechtsmittelverfahren unzulässige Neuerung. Immerhin liegt aber die erwähnte Klagsbehauptung vor. Darüber haben die Vorinstanzen keinerlei Feststellungen getroffen. Sie haben nur festgestellt, daß das Bestandverhältnis auf unbestimmte Zeit abgeschlossen wurde. Dem steht aber nicht entgegen, daß von beiden Teilen jeweils erkennbar für die Gegenseite eine bestimmte oder doch eine "lange Dauer", bezüglich derer die Verkehrsauffassung Aufschlüsse geben könnte, ins Auge gefaßt worden ist. Wäre diese Behauptung richtig, so könnte die auf § 1435 ABGB gestützte Forderung der Kläger dann berechtigt sein, wenn die tatsächliche Dauer des Bestandverhältnisses in einem deutlichen Mißverhältnis zu der ins Auge gefaßten Vertragsdauer stünde.
Da sohin eine entscheidende Rechtsfrage im erstgerichtlichen Verfahren überhaupt nicht erörtert worden ist, erweist sich eine Aufhebung der vorinstanzlichen Entscheidungen als unumgänglich. Bei dieser Sachlage erübrigt sich derzeit ein Eingehen auf die Höhe einer allfälligen Forderung der Kläger. Es sei nur darauf verwiesen, daß die berechtigte Forderung nicht im selben Verhältnis zum Aufwand bestehen muß wie die tatsächliche Dauer des Bestandverhältnisses zur vereinbarten. Hier wird es auf die Umstände des Falles, etwa auch auf die Art der Aufwendungen und ihre Amortisationsdauer nach der Verkehrsauffassung ankommen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 52 ZPO.
Anmerkung
E13229European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1988:0070OB00508.88.0204.000Dokumentnummer
JJT_19880204_OGH0002_0070OB00508_8800000_000