TE OGH 1988/2/9 10Ob525/87

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Veröffentlicht am 09.02.1988
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Rekursgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Resch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Mag. Engelmaier, Dr. Angst, Dr. Bauer und Dr. Kellner als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Firma R*** K***-K***, 2700 Wr.Neustadt, Neuklosterplatz 2, vertreten durch Dr. Norbert Kosch, Dr. Ernst Schilcher, Dr. Jörg Beirer und Dr. Roman Kosch, Rechtsanwälte in Wr. Neustadt, wider die beklagte Partei Walter K***, Kaufmann, 3100 St. Pölten, Julius-Raab-Promenade 22/II/12, vertreten durch Dr. Stefan Gloß und Dr. Hans Pucher, Rechtsanwälte in St. Pölten, wegen S 150.000,-- sA, infolge Revisionsrekurses der beklagten Partei gegen den Beschluß des Kreisgerichtes Wr.Neustadt als Berufungsgerichtes vom 2. September 1987, GZ R 233/87-20, womit das Urteil des Bezirksgerichtes Wr.Neustadt vom 11.März 1987, GZ 2 C 1348/86-13, aufgehoben wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die Kosten des Rekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung:

Die klagende Partei ist Eigentümerin eines Liegenschaftsanteils, mit dem Wohnungseigentum an einem Geschäftslokal verbunden ist. Sie vermietete einen Teil dieses Geschäftslokales dem Beklagten, der darin eine Videothek betrieb. Der Punkt VIII des von ihm unterschriebenen Mietvertrages lautet:

"VIII. Die erforderlichen Umbauarbeiten, die zur Abtrennung des vom Vermieter gemieteten Geschäftsraumes führen, gehen kostenmäßig zu Lasten des Vermieters.

Festgestellt wird, daß diese Umbauarbeiten eine erhebliche Investition des Mieters nötig gemacht haben. Es ist daher dem Vermieter daran gelegen, daß gegenständlicher Mietvertrag mindestens Jahre andauert.

Kündigt der Mieter gegenständlichen Mietvertrag vor dem 31.1.1990 auf, ohne daß den Vermieter ein schuldhaftes Verhalten an der Aufkündigung trifft, so vereinbaren die Parteien, daß in diesem Fall eine dem richterlichen Mäßigungsrecht nicht unterliegende Pönalzahlung von S 150.000,-- vom Vermieter an den Mieter innerhalb von 14 Tagen nach Aufkündigung bezahlt werden muß.

Gleiches gilt auch für den Fall, daß vom Vermieter ein Kündigungsgrund im Sinne des § 30 Mietrechtsgesetz, welcher im Sinne der gegenständlichen Vereinbarung erweitert wurde bzw. im Sinne des § 1118 ABGB gesetzt wird."

Nachdem der Beklagte den Mietvertrag im Frühjahr 1986 gekündigt hatte, zog er am 31.8.1986 aus dem gemieteten Geschäftslokal aus. Die klagende Partei begehrt vom Beklagten auf Grund der wiedergegebenen Bestimmung des Mietvertrages die Bezahlung von S 150.000,-- sA.

Der Beklagte wendet ein, daß er zur Zahlung eines Pönales nicht verpflichtet sei, weil dieses nach dem Wortlaut des Vertrages der Vermieter und somit die klagende Partei zu zahlen habe. Vorsichtshalber verlangt er als Minderkaufmann die richterliche Mäßigung der Vertragsstrafe.

Die klagende Partei brachte hiezu vor, daß im Punkt VIII des Mietvertrages ein Schreibfehler unterlaufen sei. Es sei das Gegenteil vereinbart worden.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es stellte zusätzlich zu dem wiedergegebenen Sachverhalt im wesentlichen noch folgendes fest:

Der Entwurf für den Mietvertrag wurde vom Rechtsfreund der klagenden Partei verfaßt. Dabei wurden infolge eines Mißgeschicks im Punkt VIII in drei Fällen die Wörter "Mieter" und "Vermieter" vertauscht. Dieser Irrtum wurde bei Unterfertigung des Vertrages von keiner der Vertragsparteien bemerkt. Bei der Unterfertigung des Vertrages wurden inhaltlich Details, insbesondere der Punkt VIII und allfällige Pönaleansprüche, nicht näher besprochen. Es kann nicht festgestellt werden, daß der Beklagte bei Abschluß des Mietvertrages darüber Bescheid wußte, daß er nach dem Willen der klagenden Partei im Falle eines frühzeitigen Auszugs S 150.000,-- bezahlen müsse. Rechtlich beurteilte das Erstgericht den von ihm festgestellten Sachverhalt dahin, daß mangels Kenntnis des Beklagten vom Willen der klagenden Partei nicht davon ausgegangen werden könne, die Parteien seien über den Inhalt der Vereinbarung des Pönales einig gewesen und hätten bloß eine falsche Formulierung gewählt. Der Punkt VIII des Vertrages sei daher allein keiner vernünftigen Auslegung zugänglich, weil sich daraus nicht eindeutig ergebe, ob die durchgeführten Investitionen vom Mieter oder vom Vermieter bezahlt worden seien. Der Vertrag sei gemäß § 915 ABGB zum Nachteil der klagenden Partei auszulegen, weil sie sich der undeutlichen Äußerung bedient habe. Das Berufungsgericht gab der Berufung der klagenden Partei Folge und hob das Urteil des Erstgerichtes mit einem Rechtskraftvorbehalt auf. Der klagenden Partei sei ein Erklärungsirrtum unterlaufen. In der Rechtsprechung (MietSlg 31.085) sei schon entschieden worden, daß die Erklärung des Irrenden so gelte, wie sie gewollt gewesen sei, wenn der Erklärungsempfänger das, was der Irrende erklären wollte, erkannt habe. Dies müsse (nach Ansicht des Berufungsgerichtes) auch dann gelten, wenn der Erklärungsempfänger den Irrtum zwar nicht erkannt habe, aber hätte erkennen können, wenn er die Erklärung einer objektiven Beurteilung nach den Grundsätzen des redlichen Verkehrs unterzogen hätte. Es wäre ein Wertungswiderspruch, denjenigen, der den Erklärungsirrtum schon bei Vertragsunterfertigung erkannte, an den Erklärungswillen des Erklärenden zu binden, nicht aber denjenigen, der den Erklärungswillen erst nach der Vertragsunterfertigung erkenne, weil er sich vorerst mit dem Vertragstext unzureichend befaßt habe. Punkt VIII des zwischen den Parteien geschlossenen Mietvertrages sei daher in dem Sinn zu verstehen und habe auch in dem Sinn zu gelten, daß der Beklagte bei vorzeitiger Aufkündigung ein Pönale zu zahlen habe. Die Rechtssache sei jedoch noch nicht spruchreif, weil der Beklagte die Mäßigung der Vertragsstrafe verlangt habe, die Entscheidung des Erstgerichtes aber nicht ausreiche, um beurteilen zu können, ob er im maßgebenden Zeitpunkt des Vertragsabschlusses Minderkaufmann gewesen sei. Überdies ließen es die Feststellungen nicht zu, gegebenenfalls über den Umfang der Mäßigung zu entscheiden. Der Rechtskraftvorbehalt sei auszusprechen, weil eine Rechtsprechung zur Frage fehle, ob bei einem Erklärungsirrtum des Offerenten, den der Erklärungsempfänger bei pflichtgemäßer Sorgfalt hätte erkennen können, das gelte, was der Erklärende wirklich gewollt habe.

Gegen diesen Beschluß richtet sich der Rekurs des Beklagten mit dem Antrag, das Urteil des Erstgerichtes "zu bestätigen". Die klagende Partei beantragt, dem Rekurs nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist nicht berechtigt.

Bei der Lösung der Rechtsfrage, auf die das Berufungsgericht seinen Rechtskraftvorbehalt gründet, kann ihm allerdings nicht gefolgt werden. Wäre die strittige Erklärung der klagenden Partei so zu verstehen, wie der Beklagte sie nunmehr verstehen will und wie sie auch das Berufungsgericht versteht, so wäre der klagenden Partei ein Erklärungsirrtum unterlaufen. Die Folgen eines solchen Irrtums sind in den §§ 871 und 872 ABGB geregelt und führen unter bestimmten Voraussetzungen zur Anfechtbarkeit oder Anpassung des Vertrages. Eine dieser Voraussetzungen ist, daß der Irrtum dem Anderen aus den Umständen offenbar auffallen mußte. Daraus ergibt sich aber, daß der Vertrag in diesem Fall nicht mit dem Inhalt, den der in Irrtum befindliche Erklärende wollte, zustandegekommen sein kann, weil dann für eine Anfechtung oder Anpassung kein Grund bestünde. Daran ändert nichts, daß im Schrifttum und in der Rechtsprechung bei einem Erklärungsirrtum das Zustandekommen eines Vertrages mit dem vom Erklärenden tatsächlich gewollten Inhalt angenommen wird, wenn der Erklärungsempfänger den Irrtum erkannt hat (vgl. die Übersicht bei Koziol-Welser I8 123, Schlemmer, JBl 1986, 149 ff und Zemen, JBl 1986, 763 f). Es kann dahingestellt bleiben, ob sich dieses Ergebnis nach den Grundsätzen der falsa demonstratio oder der Mentalreservation oder ob es sich im Weg einer (berichtigenden) Auslegung der Erklärung des Irrenden ergibt (vgl hiezu zuletzt Koziol-Welser, Schlemmer und Zemen jeweils aaO; ferner Rummel, JBl 1988, 1 ff). Jede dieser Lösungen setzt nämlich voraus, daß der Erklärungsempfänger den Willen des Erklärenden erkannt hat. Es reicht hingegen in keinem Fall aus, daß der Erklärungsempfänger den Irrtum erkennen konnte (ebenso für seine Ansicht Schlemmer aaO 154). Für die Annahme des vom Berufungsgericht angeführten Wertungswiderspruches fehlt daher die Grundlage, weil die von ihm ins Auge gefaßte Lösung aus dogmatischen Gründen nicht in Betracht kommt.

Ein Erklärungsirrtum, den der Empfänger nicht erkannte, der ihm aber auffallen mußte, kann daher nur zur Anfechtbarkeit des Vertrages wegen Irrtums oder zur Anpassung führen, nicht aber dazu, daß das vom Irrenden Gewollte als Inhalt des Vertrages gilt. Die Entscheidung des Berufungsgerichtes ist jedoch aus folgenden Gründen richtig:

Da ein übereinstimmender abweichender Parteiwille nicht festgestellt wurde, ist bei der Auslegung des Punktes VIII des zwischen den Parteien geschlossenen Mietvertrages von dessen Wortlaut auszugehen (vgl § 914 ABGB). Dabei darf die Bedeutung eines Wortes nur im Zusammenhang betrachtet werden (vgl den insoweit sinngemäß geltenden § 6 ABGB).

In der zitierten Vertragsbestimmung wurde ein "Pönale" vereinbart, dem der Charakter einer unechten Vertragsstrafe zukommt (vgl hiezu Harrer in Schwimann, ABGB, Rz 6 zu § 1336; Reischauer in Rummel, ABGB, Rz 21 zu § 1336; RZ 1974/42; SZ 48/88 ua). Dem angeführten Wort kommt daher jedenfalls die Bedeutung von "Strafe" zu. Eine "Strafe" muß aber denknotwendig im Zusammenhang mit einem durch die Strafe verbotenen Verhalten desjenigen stehen, den sie trifft, weil andernfalls nicht von einer Strafe gesprochen werden kann. Daraus folgt hier, daß nach dem allgemeinen Sprachgebrauch nur diejenige Person zur Zahlung des Pönales verpflichtet sein kann, der das verpönte Verhalten, das hier in der Kündigung (Punkt VIII Abs 3) oder in der Verwirklichung eines Kündigungs- oder Auflösungsgrundes (Punkt VIII Abs 4) bestehen kann, zuzurechnen ist. Unabhängig von der Bedeutung, welche die Wörter "Vermieter" oder "Mieter" in anderem Zusammenhang haben, können sie im Zusammenhang mit der Umschreibung des Zahlungspflichtigen daher nur so verstanden werden, daß damit derjenige gemeint ist, dem das die Zahlungspflicht auslösende Verhalten anzulasten ist.

Im Absatz 4 des Punktes VIII ist eindeutig, daß als Zahlungspflichtiger nur der Mieter in Betracht kommt, weil nur er einen der in dieser Vertragsbestimmung bezogenen Kündigungs- und Auflösungsgründe setzen kann. Da die Regelung des Absatzes 4 in der Frage der Zahlungspflicht mit der des Absatz 3 übereinstimmt (arg "gleiches gilt"), ist also auch in dem im Absatz 3 geregelten Fall der Mieter als Zahlungspflichtiger zu sehen. Die im Rekurs in diesem Zusammenhang vertretene Auffassung, die Gleichstellung beziehe sich nur auf die Tatsache der Zahlungspflicht, nicht aber auch auf die Person des Zahlungspflichtigen, findet im Wortlaut des Vertrages keine hinreichende Stütze; es kann ihr daher nicht gefolgt werden. Betrachtet man die Absätze 3 und 4 des Punktes VIII des Mietvertrages in ihrem Zusammenhang, so ergeben sie demnach nur dann einen vernünftigen Sinn, wenn man daraus ableitet, daß damit eine Strafe für ein bestimmtes Verhalten des Mieters vereinbart werden sollte, die er bei Eintritt der näher umschriebenen Voraussetzungen an den Vermieter zu zahlen hat. Dies ist also der Sinn, in dem der strittige Teil des zwischen den Parteien geschlossenen Mietvertrages auszulegen ist. Der Fall liegt nicht anders, wie wenn in einem Kaufvertrag bestimmt wird, daß der Verkäufer den Kaufpreis zu bezahlen hat. Auch dann muß schon aus dem Wortlaut des Vertrages abgeleitet werden, daß es sich in Wahrheit um eine Verpflichtung des Käufers handelt, und dieser kann sich nicht mit Erfolg darauf berufen, daß ein Erklärungsirrtum des Verkäufers vorliege, den er nicht erkannt habe, weil über seine Zahlungspflicht nicht ausdrücklich gesprochen worden sei und er die entsprechende Vertragsbestimmung nicht gelesen habe. Gerade darauf beruft sich aber der Beklagte in seinem Rekurs.

Das Berufungsgericht erkannte daher richtig, daß die eingeklagte Forderung dem Grunde nach zu Recht besteht. Der Antrag zu ergänzenden Feststellungen, den es dem Erstgericht für die Höhe der Forderung erteilte, ist vom Obersten Gerichtshof nicht zu prüfen, weil hiezu im Rekurs nichts vorgebracht wurde und überdies dabei erhebliche Rechtsfragen im Sinn des § 519 Abs 2 iVm § 502 Abs 4 Z 1 ZPO nicht zu lösen sind.

Der Ausspruch über die Kosten des Rekursverfahrens beruht auf § 52 Abs 1 ZPO.

Anmerkung

E13409

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1988:0100OB00525.87.0209.000

Dokumentnummer

JJT_19880209_OGH0002_0100OB00525_8700000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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