TE OGH 1988/2/9 2Ob512/88

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Veröffentlicht am 09.02.1988
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Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Scheiderbauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kralik, Dr. Vogel, Dr. Melber und Dr. Kropfitsch als Richter in der Pflegschaftssache der mj. Claudia T***, geboren am 4. Jänner 1973, und der mj. Manuela T***, geboren am 8. März 1974, infolge Revisionsrekurses der Mutter Iris Margaretha T***, Friseurin, Maschl 40, 5600 St. Johann im Pongau, gegen den Beschluß des Kreisgerichtes Wels als Rekursgerichtes vom 14. Oktober 1987, GZ R 885/87-94, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Frankenmarkt vom 7. September 1987, GZ P 108/86-82, bestätigt wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Die am 4. Jänner 1973 geborene Claudia T*** und die am 8. März 1974 geborene Manuela T*** sind eheliche Kinder des Werner und der Iris Margaretha T***. Die Ehe der Eltern wurde mit Beschluß des Bezirksgerichtes Salzburg vom 12. Dezember 1984 gemäß § 55 a EheG geschieden. In dem anläßlich der Scheidung geschlossenen Vergleich vereinbarten die Eltern unter anderem, daß die beiden Kinder in Pflege und Erziehung der Mutter verbleiben, der auch das Recht der gesetzlichen Vertretung und Vermögensverwaltung für die Kinder zukommt. Dieser Vergleich wurde pflegschaftsbehördlich genehmigt.

Der Vater beantragte am 7. Oktober 1986 (ON 27) die Übergabe der Kinder in seine Pflege und Erziehung im wesentlichen mit der Begründung, die Mutter habe ihm am 26. September 1986 telefonisch mitgeteilt, er könne die Kinder abholen, weil sie sich nicht mehr länger von ihnen terrorisieren lasse, Über neuerliche Aufforderung der Mutter, die Kinder abzuholen, weil schon alles zusammengepackt sei, sei er dann am 27. September 1986 zur Mutter nach St. Johann im Pongau gefahren. Dort seien die Kinder abholbereit gewesen und er habe sie nach Vöcklamarkt mitgenommen. Die Mutter sei auf die Bedürfnisse und Wünsche der Kinder zu wenig eingegangen; sie denke primär an sich selbst und ihre eigenen Interessen.

Die Mutter sprach sich gegen diesen Antrag des Vaters aus und wendete im wesentlichen ein, daß es nicht im Interesse der Kinder wäre, wenn sie in Pflege und Erziehung des Vaters kämen, da sich dieser schon während der Ehe nicht um die Erziehung der Kinder gekümmert habe. Nach einem gemeinsam mit dem Vater in der letzten Ferienwoche im Sommer 1986 verbrachten Urlaub seien die Kinder so stark vom Vater gegen die Mutter beeinflußt gewesen, daß ein harmonisches Zusammenleben mit ihnen in der Folge nicht mehr möglich gewesen sei. Sie habe dem Vater die Kinder am 27. September 1986 nur deshalb mitgegeben, weil sie gewollt habe, daß die Kinder nach einer Aussprache mit dem Vater das gegen sie gerichtete Verhalten änderten. Auch unterbinde der Vater jeden Kontakt zwischen ihr und den beiden Kindern. Die mj. Claudia habe schon seit jeher Schwierigkeiten mit ihrem Vater gehabt. Die Kinder hätten in St. Johann bereits einen Freundeskreis und fühlten sich dort am wohlsten.

Das Erstgericht übertrug in Abänderung des zwischen den Eltern geschlossenen Scheidungsvergleiches die Elternrechte dem Vater allein.

Es stellte im wesentlichen folgenden Sachverhalt fest:

Nach der Scheidung wohnte die Mutter vorerst weiterhin in der früheren gemeinsamen Ehewohnung in Fuschl, Ellmau 34. Im Oktober 1985 verzog sie nach Salzburg, wobei die Kinder weiterhin in Fuschl bei der Großmutter blieben, um dort das Schuljahr zu beenden. Seit 1. Mai 1986 bewohnt die Mutter eine 60 m2 große Mietwohnung, bestehend aus zwei Zimmern, Küche und Bad, in St. Johann im Pongau, Maschl 40. Nach Beendigung des Schuljahres 1985/86 hielten sich auch die Kinder in dieser Wohnung auf.

Bis Februar 1986 bezog die Mutter Arbeitslosengeld und Notstandshilfe. Anschließend war sie vorübergehend halbtägig als Friseurin im Krankenhaus St. Johann im Pongau beschäftigt und verdiente dort monatlich etwa S 7.000,-- netto. Diese Stelle verlor sie aber in der Folge wieder, da sie keinen Gewerbeschein erhielt. Sie ist auf der Suche nach einer günstigen Halbtagsbeschäftigung, stellt aber sehr hohe Anforderungen an ihre zukünftige Arbeitsstelle. Die von ihr bewohnte Wohnung ist für drei Personen ausreichend groß. Bei der Anschaffung der Wohnungseinrichtung wurde die Mutter vom Sozialamt St. Johann im Pongau unterstützt; dennoch hat sie wegen dieser Anschaffungen sehr hohe Schulden. Der Vater ist als Handelsvertreter bei der Firma H*** GesmbH im Raum Salzburg beschäftigt und bezog 1986 ein monatliches durchschnittliches Nettoeinkommen von ca. S 16.550,--. Von diesem Betrag werden monatlich ca. S 4.000,-- im Exekutionswege abgezogen, da der Vater sowohl persönlich als auch mit einer von ihm betriebenen Gesellschaft m.b.H. in Konkurs gegangen ist, wobei Mitte 1986 noch etwa S 240.000,-- an Forderungen offen waren. Seit 1985 lebt der Vater bei seiner Lebensgefährtin Paula K***, die verwitwet ist und eine Witwenpension bezieht, in Vöcklamarkt, Mösenbergstraße 28. Das Haus ist einem zeitgemäßen Standard entsprechend eingerichtet, hat eine Wohnfläche von 120 m2 und wird von sechs Personen, und zwar vom Vater, dessen Lebensgefährtin, deren zwei Kindern im Alter von 17 bzw. 14 Jahren, sowie den mj. Kindern Claudia und Manuela T*** bewohnt. Claudia und Manuela sind gemeinsam in einem Zimmer untergebracht, wobei eines der Kinder im dort vorhandenen Bett und das andere auf einer Matratze schläft, da der Vater von der endgültigen Entscheidung über seinen "Änderungsantrag" keine Investitionen tätigen möchte. Zu der Zeit, als die Kinder noch bei der Mutter wohnten, äußerte sich der Vater gegenüber den Kindern oft kritisch über die Lebensweise der Mutter, insbesondere darüber, daß sie trotz geringen Einkommens einen sehr hohen Lebensaufwand betreibe. In der Folgezeit verschlechterte sich das Verhältnis zwischen den Kindern und der Mutter zusehends. In der ersten Septemberwoche des Jahres 1986 verbrachte der Vater mit den beiden Kindern einen einwöchigen Urlaub in Jugoslawien.

Nach der Rückkehr der Kinder vom Urlaub teilte die Mutter dem Vater am 26. September 1986 telefonisch mit, daß sie sich von den Kindern nicht mehr länger terrorisieren lasse und er die Kinder abholen solle. Am darauffolgenden Tag rief sie den Vater neuerlich an, wobei sie ihn aufforderte, die Kinder abzuholen, da schon alles gepackt sei. Bei der Abholung wurde dem Vater die Sommerbekleidung der Kinder, nicht aber deren Winterbekleidung mitgegeben. Die Mutter weigert sich, auch die Winterbekleidung der Kinder herauszugeben. Der Vater hatte ein Schriftstück vorbereitet, aus dem hervorging, daß die Mutter damit einverstanden wäre, daß die Kinder in seine Pflege und Erziehung kommen, und forderte die Mutter auf, dieses zu unterfertigen, was von ihr aber verweigert wurde. Subjektiv erlebten die Kinder dieses Ereignis als "endgültigen Hinauswurf" und als für sie entwürdigenden Vorgang, obwohl sie einsehen, daß sie sicherlich frech zur Mutter waren und vorher schon viel miteinander und auch mit der Mutter gestritten hatten.

Claudia und Manuela wollen beim Vater bleiben, wobei sie als Begründung dafür den "Hinauswurf" durch die Mutter anführen, Insbesondere das Selbstwertgefühl Claudias wurde durch die Ereignisse vom 26. und 27. September 1986 zutiefst verletzt. Es handelte sich bei dieser Aktion der Mutter zwar um eine Affekthandlung; diese hatte jedoch im Erleben der Kinder eine traumatische Wirkung, wobei die Angst der Kinder vor einer Wiederholung eines solchen Vorfalles, falls sie zur Mutter zurückkämen, nach wie vor besteht.

Nach der Übersiedlung der Kinder nach Vöcklamarkt besuchte die mj. Claudia die 4. Klasse und die mj. Manuela die 3. Klasse der dortigen Hauptschule. Die Lebensgefährtin des Vaters, gab sodann ihre Ganztagsbeschäftigung auf, um sich mehr ihren eigenen Kindern und den Kindern ihres Lebensgefährten widmen zu können. Seither ist sie nur mehr halbtags beschäftigt. Claudia beabsichtigt, ab Beginn des Schuljahres 1987/88 die Fachschule für wirtschaftliche Frauenberufe in Neumarkt bei Salzburg zu besuchen; auch Manuela möchte nach Beendigung des 4. Schuljahres diese Schule besuchen. Claudia ist ein durchschnittlich intelligentes Mädchen ohne Zeichen einer seelischen Störung. Sie ist in die Pubertätsentwicklung eingetreten und im Vergleich mit ihrer jüngeren Schwester wesentlich kontaktfreudiger und sicherer, während Manuela als Auswirkung der präpuberalen Hemmphase im Kontakt wesentlich gehemmter ist. Claudia ist mit der Scheidung der Eltern besser fertig geworden als Manuela, die derzeit noch als Folge der Scheidung zu subdepressiven Reaktionslage die Gefahr einer seelischen Gefährdung im Falle einer neuerlichen Umgebungsveränderung. Ein neuerlicher Wechsel der Bezugsperson könnte bei ihr zum Ausbruch einer Neurose führen. Der Umgebungswechsel von der Mutter zum Vater hat sich für die Kinder nicht psychisch belastend ausgewirkt; dieser Wechsel ist auf Grund der damit verbundenen Vorgänge für die Kinder eher befreiend gewesen. Bei der Mutter bestehen keine psychotischen oder psychopatischen Tendenzen, jedoch eine gewisse Angst mit neurotischer Verstimmung. Es sind dies präzipitierende Neurosefaktoren, sodaß besonders unter Belastungsdruck mit neurotischen Reaktionen ihrerseits gerechnet werden muß. Beim Vater bestehen keine Persönlichkeitsstörungen oder neurotische Belastungen, es fehlen auch präzipitierende Neurosefaktoren. Die Grundstimmung des Vaters ist ernst und subdepressiv, was durch heiteres Auftreten überspielt wird. Beide Elternteile sind aus psychologischer Sicht zur Erziehung der Kinder geeignet, wobei die Erziehungsfähigkeit der Mutter insofern eingeschränkt ist, als bei ihr unter psychischer Belastung die erhöhte Bereitschaft zu neurotischen Reaktionen besteht, was durch ihre Arbeitslosigkeit noch begünstigt wird. Die Erziehungsaufsicht und die Lernführung der Kinder beim Vater bzw. dessen Lebensgefährtin sind ausreichend. Durch diese Gesamtumstände ist der Vater als erziehungsfähiger zu betrachten als die Mutter. Beide Kinder haben eine gute Beziehung zueinander. Eine Trennung der Geschwister ist aus psychologischer Sicht abzulehnen. Nach der Übersiedlung der Kinder nach Vöcklamarkt weigerte sich der Vater zunächst, Besuchskontakte zwischen den Kindern und der Mutter zu ermöglichen, da er befürchtete, die Mutter werde die Kinder dann nicht mehr zu ihm zurückkommen lassen. Im März und April 1987 gab es einige Besuche der Kinder bei der Mutter, wobei diese mit dem Zug von Vöcklamarkt nach St. Johann im Pongau fuhren. Später kam es zu keinen Besuchskontakten mehr. Die Mutter stellte allerdings auch keinen Antrag, ihr bis zur Entscheidung über den Antrag des Vaters auf Zuweisung der elterlichen Rechte ein Besuchsrecht einzuräumen.

Rechtlich beurteilte das Erstgericht den festgestellten Sachverhalt im wesentlichen dahin, daß, wenn Kinder einem Elternteil rechtskräftig durch gerichtlich genehmigte Vereinbarung zugewiesen wurden, einem Änderungsantrag nur dann Berechtigung zukomme, wenn besonders wichtige Gründe dies im Interesse der Kinder dringend geboten erscheinen ließen, wobei ein strenger Maßstab anzulegen sei. Da die Kinder das Verhalten der Mutter am 26. und 27. September 1986 als "endgültigen Hinauswurf" verstünden, habe die Mutter damit eine Gefährdung des Kindeswohls herbeigeführt. Eine Rückkehr zur Mutter würde insbesondere bei der mj. Manuela die Gefahr des Ausbruches einer Neurose nach sich ziehen, sodaß jedenfalls diesem Kind ein neuerlicher Wechsel der Umgebung nicht zumutbar wäre. Im Hinblick darauf, daß die Trennung von Geschwistern nach Möglichkeit vermieden werden solle, sei auch eine Rückkehr der mj. Claudia zur Mutter abzulehnen, zumal zwischen den beiden Kindern eine gute Beziehung bestehe. Dem gegenüber habe der Grundsatz der Stetigkeit und Dauer der Erziehung zurückzutreten, weil die Mutter nach der Scheidung mehrmals den Wohnsitz gewechselt und die Kinder in St. Johann im Pongau nur ca. drei Monate bei sich gehabt habe. Außerdem hätten die Bezugspersonen der Kinder in den letzten Jahren mehrmals gewechselt. In Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Jugenwohlfahrtsbehörde sei daher dem Antrag des Vaters auf Übergabe der Kinder in seine Pflege und Erziehung stattzugeben.

Dem gegen diese Entscheidung des Erstgerichtes gerichteten Rekurs der Mutter gab das Rekursgericht mit dem angefochtenen Beschluß keine Folge.

Das Rekursgericht übernahm die vom Erstgericht getroffenen Feststellungen und führte rechtlich im wesentlichen aus, eine Änderung der Zuerkennung der elterlichen Rechte und Pflichten im Sinne der §§ 144, 177 ABGB sei nur dann vorzunehmen, wenn besonders wichtige Gründe dies im Interesse des Kindes dringend geboten erscheinen ließen, wobei ein strenger Maßstab anzulegen sei. Eine Änderung solle nur dann stattfinden, wenn der bisher pflege- und erziehungsberechtigte Elternteil seine Erziehungspflicht vernachlässige und dadurch eine Gefährdung des leiblichen, geistigen oder seelischen Wohles der Kinder zu besorgen sei oder sonst besonders wichtige Umstände vorlägen. Wegen der mit jeder Änderung der Unterbringung verbundenen Unterbrechung in der gebotenen Kontinuität der Pflege und Erziehung eines Heranwachsenden und wegen der von ihm zu verarbeitenden Umstellung auf andere Bezugspersonen sei eine bestehende Regelung im Sinne des § 177 ABGB grundsätzlich nur dann abzuändern, wenn besondere Umstände dafür sprächen, daß die durch die Persönlichkeit, den Charakter, die pädagogischen Fähigkeiten und die wirtschaftlichen Verhältnisse des vorgesehenen neuen Pflege- und Erziehungsberechtigten eröffneten Möglichkeiten aller Voraussicht nach zu einer beachtlichen Verbesserung der lage und der Zukunftserwartungen des Pflegebefohlenen führen würden. Maßgeblich für die Entscheidung müsse vor allem das Wohl der Kindern sein. Die Bedachtnahme darauf stelle das Grundprinzip des gesamten Pflegschaftsverfahrens dar. Ein wesentlicher Grundsatz jeder Erziehung sei ihre Stetigkeit und Dauer. Ein Wechsel der Pflege- und Erziehungsverhältnisse solle daher aus pädagogischen Gründen nur ausnahmsweise erfolgen, nämlich nur dann, wenn sich die Verhältnisse seit der letzten Verfügung des Pflegschaftsgerichtes derart geändert hätten, daß die zu treffenden Maßnahme im Interesse der Kinder gelegen und vor allem mit einer anzustrebenden kontinuierlichen Erziehung vereinbar sei. Ein weiterer wesentlicher Grundsatz bei der Entscheidung über die Zuteilung der Elternrechte bestehe darin, daß die Trennung von Geschwistern nach Möglichkeit vermieden werden solle. Im übrigen könne auch der Wunsch eines bereits 13 bzw. 14 Jahre alten Kindes, das nunmehr bei Vater leben möchte, nicht grundsätzlich unbeachtet bleiben. Insbesondere einem mündigen Kind solle nicht gegen seinen Willen die Erziehung durch einen Elternteil aufgezwungen werden.

Wende man diese Grundsätze auf den vorliegenden Fall an und gehe man weiter davon aus, daß sich die beiden Kinder seit 27. September 1986 ständig beim Vater befänden, wobei sie dieser weder gewaltsam noch eigenmächtig, sondern zunächst im Einvernehmen mit der Mutter bzw. sogar auf deren ausdrückliche Aufforderung zu sich nach Vöcklamarkt geholt habe, würde es dem Grundsatz der Stetigkeit und Dauer der Pflege und Erziehung widersprechen, sie nunmehr aus dieser Umgebung wieder herauszureißen, zumal bei einem neuerlichen Wechsel der Bezugsperson gerade bei der mj. Manuela, die die Scheidung ihrer Eltern nicht so gut verkraftet habe wie ihre ältere Schwester und zudem in die präpuberale Hemmphase eingetreten sei, die erhöhte Gefahr einer seelischen Gefährdung, insbesondere des Auftretens von Neurosen, bestünde. Auch wünschten die beiden Kinder eindeutig, beim Vater und dessen Lebensgefährtin bleiben zu können, da sie der Mutter ihr Verhalten vom

26. und 27. September 1986, das sie als endgültigen und für sie entwürdigenden "Hinauswurf" betrachteten und insoweit als traumatisches Erlebnis erlebt hätten, nicht verzeihen könnten, was aber nicht heißen solle, daß sie der Mutter etwa feindlich gesinnt wären. Zudem hätten sowohl der vom Erstgericht beigezogene Sachverständige als auch die Jugendwohlfahrtsbehörde die Auffassung vertreten, daß dem Wohl der Kinder durch den Verbleib beim Vater am besten entsprochen werde, zumal im Hinblick auf ihr Lebensalter auch der von ihnen eindeutig geäußerte Wille, beim Vater zu bleiben, entsprechend berücksichtigt werden müsse.

Für die Übergabe der Kinder in Pflege und Erziehung des Vaters spreche auch, daß die Erziehungsfähigkeit der Mutter insoweit eingeschränkt sei, als sie nach den Ausführungen des Sachverständigen unter psychischen Belastungsfaktoren, etwa beim Auftreten schwieriger Erziehungssituationen, verstärkt zu neurotischen Reaktionen neige, wie die Vorfälle vom September 1986 eindeutig zeigten, wobei die begründete Gefahr einer Wiederholung solcher Reaktionen nach Ansicht des Sachverständigen durchaus zu bejahen sei, wenn nicht zur Beseitigung der bei der Mutter bestehenden präzipitierenden Neurosefaktoren gezielte therapeutische Maßnahmen eingeleitet würden. Der Umstand, daß die Mutter sowohl vor Aufnahme ihrer Tätigkeit als Friseurin im Krankenhaus St. Johann im Pongau als auch nach deren Beendigung längere Zeit hindurch arbeitslos war und trotz finanzieller Unterstützung durch das Sozialamt St. Johann im Pongau aus der Anschaffung von Wohnungseinrichtungsgegenständen noch hohe Schulden hat, wobei sie offensichtlich ihre finanzielle Leistungsfähigkeit weitaus überschätzte, stelle unzweifelhaft eine weitere seelische Belastung der Mutter dar.

Da die Unterbringung der Kinder beim Vater sowohl in materieller als auch in ideeller Hinsicht, insbesondere auch durch die Beiträge seiner Lebensgefährtin, als günstig zu bezeichnen sei und konkrete Mängel in der Richtung, daß er sich nicht ausreichend um die Kinder kümmere, nicht einmal behauptet worden seien, komme auch das Rekursgericht zu dem Ergebnis, daß es offenkundig dem Wohl der Kinder am besten entspreche, wenn sie entsprechend ihrem Wunsch in Abänderung der bisherigen Regelung in Pflege und Erziehung des Vaters kämen und diesem die Elternrechte im Sinne der §§ 144, 177 ABGB übertragen würden, zumal das Verhalten der Mutter im September 1986, wenngleich sie sich der Tragweite ihrer Handlungsweise offensichtlich nicht bewußt gewesen sei, im Ergebnis doch als Gefährdung des Kindeswohles zu qualifizieren sei. Gegen diese Entscheidung des Rekursgerichtes richtet sich der Revisionsrekurs der Mutter mit dem Antrag, die Entscheidungen der Vorinstanzen im Sinne der Abweisung des Antrages des Vaters auf Übertragung der Elternrechte an ihn allein abzuändern.

Rechtliche Beurteilung

Dieses Rechtsmittel ist im Sinne des § 16 Abs 1 AußStrG unzulässig. Nach dieser Gesetzesstelle findet im außerstreitigen Verfahren gegen bestätigende Entscheidungen des Rekursgerichtes nur im Falle einer offenbaren Gesetz- oder Aktenwidrigkeit der Entscheidung oder einer begangenen Nullität die Beschwerde an den Obersten Gerichtshof statt.

Das Vorliegen der Anfechtungsgründe der Nichtigkeit oder der Aktenwidrigkeit wird im Rechtsmittel der Mutter nicht behauptet; dafür ergibt sich auch aus dem Akteninhalt kein Anhaltspunkt. Eine offenbare Gesetzwidrigkeit im Sinne dieser Gesetzesstelle liegt nach ständiger Rechtsprechung nur vor, wenn ein Fall im Gesetz ausdrücklich und so klar gelöst ist, daß kein Zweifel über die Absicht des Gesetzgebers aufkommen kann und trotzdem eine damit im Widerspruch stehende Entscheidung gefällt wurde (SZ 39/103 uva; zuletzt 2 Ob 636/87; 8 Ob 622/87; 6 Ob 651/87). Wenn die Mutter in ihrem Rechtsmittel die Ernstlichkeit der von den Kindern vor dem Erstgericht abgegebenen Erklärungen und die Richtigkeit des vom Erstgericht eingeholten fachpsychologischen Gutachtens bezweifelt, zeigt sie damit keine derartige offenbare Gesetzwidrigkeit auf. Im übrigen entspricht es ständiger Rechtsprechung, daß ein Wechsel in den Pflege- und Erziehungsverhältnissen eines Kindes im Sinne des § 176 ABGB auch dann vorgenommen werden kann, wenn besonders wichtige Gründe eine derartige Änderung geboten erscheinen lassen (EFSlg 35.997/3; EFSlg 43.323; EFSlg 45.847 uva). Das Rekursgericht hat nach den im vorliegenden Fall erhobenen Umständen unter Bedachtnahme auf das Wohl der Kinder das Vorliegen derartiger im Gesetz nicht näher definierter besonders wichtiger Gründe bejaht; darin kann eine offenbare Gesetzwidrigkeit im Sinne des § 16 Abs 1 AußStrG nicht gelegen sein.

Mangels Vorliegens eines im § 16 Abs 1 AußStrG normierten Anfechtungsgrundes ist daher der außerordentliche Revisionsrekurs der Mutter als unzulässig zurückzuweisen.

Auf die Frage der Rechtzeitigkeit dieses Rechtsmittels braucht daher nicht eingegangen zu werden.

Anmerkung

E13160

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1988:0020OB00512.88.0209.000

Dokumentnummer

JJT_19880209_OGH0002_0020OB00512_8800000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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