Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichshofes Dr. Resch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Mag. Engelmaier und Dr. Angst als weitere Richter sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Johann Herbst und Reinhold Ludwig in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Elfriede S***, Pensionistin, 1150 Wien, Schweglerstraße 45/16, vertreten durch Dr. Hans Schwarz, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei P*** DER A***,
1021 Wien, Friedrich Hillegeist-Straße 1, vertreten durch Dr. Alfred Kasamas, Rechtsanwalt in Wien, wegen Hilflosenzuschuß, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 16.September 1987, GZ 31 Rs 153/87-16, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 24.April 1987, GZ 12 Cgs 1016/87-11, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die Klägerin hat die Kosten des Revisonsverfahrens selbst zu tragen.
Text
Entscheidungsgründe:
Das Erstgericht wies das auf Gewährung des Hilflosenzuschusses im gesetzlichen Ausmaß gerichtete Klagebegehren ab. Es stellte im wesentlichen folgendes fest:
Die Klägerin ist auf Grund ihres - im einzelnen näher beschriebenen - körperlichen Zustands imstande, sich allein an- und auszukleiden, zu essen, sich zu waschen, ihre Notdurft zu verrichten, eine Mahlzeit zuzubereiten und den Ofen bei bereitliegendem Brennmaterial zu warten. Lebensmittel und Brennmaterial kann sie hingegen nicht allein herbeischaffen. Rechtlich beurteilte das Erstgericht den von ihm festgestellten Sachverhalt dahin, daß die Klägerin nicht hilflos im Sinn des § 105 a ASVG sei, weil sie bloß ihrem Wesen nach aufschiebbare und in längeren Zeitabständen vorzunehmende Verrichtungen nicht mehr ausführen könne.
Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin nicht Folge und vertrat im Sinn seiner ständigen Rechtsprechung als damaliges Höchstgericht in rechtlicher Hinsicht die Auffassung, daß die Klägerin deshalb nicht hilflos im Sinn des § 105 a ASVG sei, weil hiefür neben der Notwendigkeit ständiger Hilfe auch die Notwendigkeit ständiger Wartung gegeben sein müsse. Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der Klägerin wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, es im Sinn des Klagebegehrens abzuändern.
Die beklagte Partei beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist nicht berechtigt.
Der Oberste Gerichtshof hat sich zwar der vom Oberlandesgericht Wien als damaligem Höchstgericht vertretenen Auffassung, die Ausdrücke "Wartung" und "Hilfe" im § 105 a Abs 1 ASVG seien nicht gleichzusetzen und es müßten sowohl Wartung als auch Hilfe für die Verrichtung lebenswichtiger Funktionen notwendig sein, nicht angeschlossen. Er vertritt vielmehr die Auffassung (JBl 1988, 64 ua), daß Hilflosigkeit im Sinn der angeführten Gesetzesstelle dann vorliege, wenn der Rentner oder Pensionist nicht in der Lage sei, auch nur einzelne dauernd wiederkehrende, lebensnotwendige Verrichtungen selbst auszuführen. Diese Voraussetzung wäre bei der Klägerin allerdings erfüllt.
Der Oberste Gerichtshof vertrat in der bezogenen Rechtsprechung aber auch die Auffassung, aus der Höhe und dem Zweck des Hilflosenzuschusses ergebe sich, daß ein Bedürfnis nach ständiger Wartung und Hilfe nur dann angenommen werden könne, wenn die für die notwendigen Dienstleistungen nach dem Lebenskreis des Leistungsbeziehers üblicherweise aufzuwendenden und daher nicht bis in einzelne, sondern nur überschlagsmäßig (vgl. § 273 ZPO) festzustellenden Kosten im Monatsdurchschnitt mindestens so hoch wie der begehrte Zuschuß seien. Bei der Frage, ob es sich um notwendige Dienstleistung handelt, müßten die dem Hilfsbedürftigen tatsächlich zur Verfügung stehenden Hilfsmittel berücksichtigt werden. Da jedoch auch von einem Hilflosen erwartet werden müsse, daß er einen Standard hält, der unter nicht hilflosen Bezieher gleich hoher Einkommen im selben Lebenskreis üblich sei, sei bei der Schätzung des notwendigen Dienstleistungsaufwandes mindestens dieser Standard zugrundezulegen.
Die Verrichtungen, welche die Klägerin nicht selbst ausführen kann, sind nur in - mehr oder weniger großen - Zeitabständen notwendig. Dies gilt wegen der heute üblichen Ausstattung der Haushalte mit Kühlschränken auch für die Besorgung von Lebensmitteln. Es kann unter diesen Umständen ausgeschlossen werden, daß die Kosten, die der Klägerin dadurch entstehen können, daß sie für die Ausführung der ihr nicht möglichen lebensnotwendigen Verrichtungen eine Hilfskraft verwendet, den Betrag des von ihr begehrten Hilflosenzuschusses erreichen könnten. In den Jahren 1986 und 1987 hätte der Hilflosenzuschuß unter Berücksichtigung der Sonderzahlungen im Durchschnitt nämlich mindestens etwa zwischen
2.700 und 2.800 S monatlich betragen. Ohne daß geprüft werden muß, inwieweit die der Klägerin nicht mehr möglichen Verrichtungen nicht auch deshalb außer Betracht zu bleiben haben, weil sie gewöhnlich durch Dritte besorgt werden (vgl. hiezu JBl 1988, 64 ua), steht daher fest, daß die Klägerin einen Anspruch auf Hilflosenzuschuß nicht hat.
Der Ausspruch über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG.
Anmerkung
E13431European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1988:010OBS00153.87.0209.000Dokumentnummer
JJT_19880209_OGH0002_010OBS00153_8700000_000