TE OGH 1988/2/9 10ObS10/88

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Veröffentlicht am 09.02.1988
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Rekursgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Resch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Mag. Engelmaier und Dr. Bauer sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Johann Herbst und Reinhold Ludwig als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Maria H***, Pensionistin, 4721 Altschwendt 17, vertreten durch Dr. Karl Wagner, Rechtsanwalt in Schärding, wider die beklagte Partei P*** DER A***, Friedrich

Hillegeist-Straße 1, 1021 Wien, vertreten durch Dr. Erich Proksch und Dr. Richard Proksch, Rechtsanwälte in Wien, wegen Ausgleichszulage, infolge Rekurses der beklagten Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 29. Oktober 1987, GZ 13 Rs 1086/87-25, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Schiedsgerichtes der Sozialversicherung für Oberösterreich in Linz vom 13. November 1986, GZ 7 a C 159/86-8 (5 Cgs 11/87 des Kreisgerichtes Ried im Innkreis), aufgehoben wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die Rekurskosten bilden weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung:

Mit Urteil des Landesgerichtes Salzburg vom 23. Juni 1975 (6 Cg 347/75-5) wurde die zwischen Rudolf H*** und Maria H*** am 16. Mai 1949 geschlossene Ehe geschieden und ausgesprochen, daß das Verschulden an der Scheidung die beklagte Ehefrau treffe. Mit Vergleich vom selben Tag verpflichtete sich Rudolf H*** an Maria H***, beginnend ab 1. Juli 1975, einen monatlichen Unterhaltsbetrag von 1.500 S zu bezahlen. In einem am 10. November 1986 vor dem Bezirksgericht Salzburg zu 21 C 146/86 abgeschlossenen Vergleich stellten Rudolf H*** und Maria H*** übereinstimmend fest, daß der anläßlich der Ehescheidung zu 6 Cg 347/75 des Landesgerichtes Salzburg vereinbarte, an Maria H*** zu zahlende monatliche Unterhaltsbetrag von 1.500 S erloschen sei. Die Nettoeinkünfte des Rudolf H*** aus einem Ruhegenußanspruch gegenüber dem Amt der Salzburger Landesregierung betrugen im Jahr 1985 monatlich 18.266,80 S.

Das Erstgericht wies das auf Gewährung der Ausgleichszulage zur Alterspension gerichtete Begehren der Klägerin ab. Der Anspruch auf Ausgleichszulage zur Pension nach § 292 ASVG habe zur Voraussetzung, daß die Pension zuzüglich des aus übrigen Einkünften des Pensionsberechtigten erwachsenden Nettoeinkommens und der gemäß § 294 ASVG zu berücksichtigenden Beträge die Höhe des geltenden Richtsatzes nicht erreiche. Nach § 294 ASVG seien Unterhaltsansprüche des Pensionsberechtigten gegen den geschiedenen Ehegatten mit 15 % des monatlichen Nettoeinkommens desselben zu berücksichtigen. Durch diese Regelung solle verhindert werden, daß zu Lasten der Ausgleichszulage auf Unterhalt verzichtet werde. Der Gesetzgeber habe dabei in Kauf genommen, daß diese Regelung auch dazu führen könne, daß der Ausgleichszulagenempfänger de facto nicht über jenes Mindesteinkommen verfüge, das ihm an sich zugedacht sei. Unbeachtlich sei, ob der Unterhalt der Klägerin durch Vergleich anläßlich der Ehescheidung und in welcher Höhe er festgestellt worden sei, sofern nur dem Grunde nach ein Unterhaltsanspruch bestehe. Daß die Klägerin nach elf Jahren auf den ihr zustehenden Unterhaltsbetrag verzichtet habe, dürfe nicht zu Lasten der beklagten Partei gehen. Für das Ausgleichszulagenrecht sei es unbeachtlich, aus welchen Gründen die auf einen Unterhaltsanspruch gegründete tatsächliche Unterhaltsleistung mit der fiktiv anzurechnenden Unterhaltsleistung nicht übereinstimme. Der Anspruch auf Ausgleichszulage sei subsidiär gegenüber dem Unterhaltsanspruch; es stehe dem Pensionsbezieher nicht frei, zu Lasten des Trägers der Ausgleichszulage auf Unterhaltsansprüche zu verzichten. Da der Klägerin ab 1. Juli 1985 ein Unterhaltsanspruch gegen ihren geschiedenen Mann zugestanden sei, sei die beklagte Partei berechtigt, 15 % des monatlichen Nettoeinkommens des Unterhaltspflichtigen ungeachtet der tatsächlichen Höhe des Unterhaltsanspruches zu berücksichtigen. Da die Bruttopension der Klägerin und ihr fiktiver Unterhaltsanspruch den Rechtssatz überstiegen, sei das Klagebegehren nicht gerechtfertigt. Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin Folge und hob das Urteil des Erstgerichtes unter Beisetzung eines Rechtskraftvorbehaltes auf. Dem Pensionsberechtigten stehe es nicht frei, zu Lasten des Trägers der Ausgleichszulage auf Unterhaltsansprüche zu verzichten. Jede freiwillige Begebung des Anspruches auf Unterhalt sei im Ausgleichszulagenrecht unbeachtlich. Der von der Klägerin mit Rudolf H*** am 10. November 1986 abgeschlossene Vergleich, wonach der seinerzeit vereinbarte Unterhaltsanspruch der Klägerin von 1.500 S monatlich erloschen sei, sei einem Unterhaltsverzicht gleichzuhalten und daher gegenüber der beklagten Partei unwirksam, so daß weiterhin vom Bestehen eines Unterhaltsanspruches der Klägerin gegenüber Rudolf H*** im Betrag von 1.500 S auszugehen sei. Nach § 294 Abs 1 lit b ASVG seien wohl Unterhaltsansprüche des Pensionsberechtigten gegen den geschiedenen Ehegatten, gleich viel ob und in welcher Höhe die Unterhaltsleistung tatsächlich erbracht werde, dadurch zu berücksichtigen, daß dem Nettoeinkommen 15 v. H. des monatlichen Nettoeinkommens des geschiedenen Gatten zuzurechnen sei. Unter Unterhaltsansprüchen im Sinn des § 294 Abs 1 ASVG seien allerdings nur gesetzliche, nicht aber bloß vertraglich eingeräumte Unterhaltsansprüche zu verstehen. Nur für sie komme die in § 294 ASVG vorgesehene Pauschalanrechnung in Betracht, während Bezüge, die auf Grund anderer als gesetzlicher Unterhaltsverpflichtungen bezahlt werden, als Nettoeinkünfte gemäß § 292 Abs 3 ASVG in der tatsächlichen Höhe zu berücksichtigen seien. Die Ehe zwischen Rudolf und Maria H*** sei gemäß § 49 EheG aus dem Alleinverschulden der Klägerin geschieden worden. Der Klägerin stehe daher gegenüber ihrem geschiedenen Gatten ein gesetzlicher Unterhaltsanspruch nicht zu. Bei dem von Rudolf H*** der Klägerin im Scheidungsverfahren vergleichsweise eingeräumten Unterhaltsanspruch handle es sich daher nicht um einen gesetzlichen, sondern ausschließlich um einen vertraglich vereinbarten Unterhaltsanspruch, der nicht der Pauschalanrechnung unterliege sondern nur in der betraglich eingeräumten Höhe von 1.500 S als Nettoeinkommen der Klägerin im Sinn des § 292 Abs 1 und 3 ASVG zu berücksichtigen sei. Ausgehend hievon komme aber der Frage, inwieweit die Klägerin weitere anrechenbare Nettoeinkünfte aus dem in ihrem Hälfteeigentum stehenden oder gestandenen und inzwischen übergebenen landwirtschaftlichen Betrieb habe, ausschlaggebende Bedeutung zu. In dieser Richtung erweise sich das Verfahren als ergänzungsbedürftig.

Gegen diesen Beschluß richtet sich der Rekurs der beklagten Partei mit dem Antrag, ihn zu beheben und das Urteil des Erstgerichtes wieder herzustellen.

Die Klägerin begehrt, dem Rekurs nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist nicht berechtigt.

Gegenstand des Rekursverfahrens ist die Frage, ob die Pauschalanrechnung gemäß § 294 Abs 1 ASVG nur in Fällen Platz zu greifen hat, in denen ein gesetzlicher Unterhaltsanspruch besteht. Die Rekurswerberin vertritt dazu die Ansicht, daß nach dieser Bestimmung auch Unterhaltsansprüche privater Art zu berücksichtigen seien und stützt ihren Standpunkt auf die erläuternden Bemerkungen zur Regierungsvorlage. Aus den Gesetzesmaterialien ergäbe sich, daß Unterhaltsbeiträge pauschal abzurechnen seien. Eine Reduzierung der Pauschalanrechnung auf die Fälle einer gesetzlichen Unterhaltsverpflichtung finde in den Bestimmungen des § 294 Abs 1 ASVG keine Deckung.

Diesen Ausführungen kann nicht beigetreten werden. Soweit die Rekurswerberin darauf verweist, daß die Judikatur des Oberlandesgerichtes Wien letztlich diesen Standpunkt vertreten habe, übersieht sie, daß in dem der zitierten Entscheidung SSV 25/130 zugrundegelegenen Fall die Ehe der Klägerin aus dem Alleinverschulden des Ehegatten geschieden worden war; damit bestand in diesem Fall ein gesetzlicher Unterhaltsanspruch gemäß § 66 EheG. Die Begründung der Entscheidung bietet daher für die Rechtsansicht der Rekurswerberin keine Stütze.

Gemäß § 294 Abs 1 ASVG sind bei Anwendung des § 292 ASVG u.a. Unterhaltsansprüche des Pensionsberechtigten gegen den geschiedenen Gatten, gleich viel ob und in welcher Höhe die Unterhaltsleistung tatsächlich erbracht wird, dadurch zu berücksichtigen, daß dem Nettoeinkommen des Pensionsberechtigten 15 v.H. des monatlichen Nettoeinkommens des geschiedenen Gatten zuzurechnen ist. Anknüpfungspunkt für die Anrechnung ist hiebei nicht die gegenüber dem Pensionsberechtigten bestehende Unterhaltsverpflichtung sondern der gesetzliche Unterhaltsanspruch (Teschner in Tomandl System 3. Erg.Lfg, 408). Binder (ZAS 1981, 96) vertritt die Ansicht, daß die Bestimmung des § 294 Abs 1 ASVG nicht nur die gesetzlichen sondern auch vertraglich vereinbarte Unterhaltsansprüche umfasse; dies ergebe sich ohne weiteres aus dem jegliche Einengung unterlassenden Gesetzeswortlaut, der auf das Vorliegen eines Rechtsanspruches auf Unterhalt abstelle; immer wenn ein gesetzlicher oder vertraglicher Unterhaltsanspruch gegenüber den im § 294 ASVG bezeichneten Personen feststehe, greife die Pauschalanrechnung ein. Dieser Ansicht vermag sich der erkennende Senat nicht anzuschließen. Die Bestimmungen des § 294 ASVG in der heute in Geltung stehenden Fassung wurden durch die 29. ASVG-Novelle BGBl. 1973/31 geschaffen. Die Gesetzesmaterialien nehmen auf die davor bestandene Rechtslage Bezug. Es wird ausgeführt, die Judikatur habe aus dem Wortlaut "Unterhaltsverpflichtung" abgeleitet, daß es sich dabei nicht um die im Gesetz normierte Verpflichtung handle, sondern daß eine Unterhaltsverpflichtung nur vorliege, wenn dem Pensionsberechtigten tatsächlich ein Rechtsanspruch auf Unterhalt zustehe. Auf einen solchen Unterhaltsanspruch könne verzichtet werden. So sei gemäß § 863 Abs 2 ABGB ein stillschweigender Verzicht anzunehmen, wenn ein solcher Anspruch jahrzehntelang nicht geltend gemacht worden sei. Ein Verzicht auf die Unterhaltsverpflichtung sei gegenüber dem Sozialversicherungsträger nur dann wirkungslos, wenn er im Hinblick auf die Bestimmungen über die Ausgleichszulage in der Absicht, den Pensionsversicherungsträger zu schädigen, abgegeben worden sei. Hiezu verweisen die Gesetzesmaterialien auf eine Entscheidung des Oberlandesgerichtes Wien. Da unter Berücksichtigung dieser Judikatur die Bestimmungen des § 292 a in der vor der 29. ASVG-Novelle in Geltung gestandenen Fassung nicht geeignet erschienen seien, Unterhaltsverzichte zu Lasten der Ausgleichszulage zu verhindern, sollte nach dem zur Begutachtung versendeten Entwurf der neuen Bestimmungen des § 294 das Bestehen eines Unterhaltsanspruches nicht Voraussetzung für die Pauschalanrechnung eines fiktiven Unterhaltsbetrages anstelle des Unterhaltsanspruches sein. Im Begutachtungsverfahren seien dagegen aber begründete Einwände erhoben worden. Es erscheine insbesonders nicht gerechtfertigt, jedem pensionsberechtigten Kind ohne Rücksicht auf die Selbsterhaltungsfähigkeit und jedem geschiedenen Ehegatten einen fiktiven Unterhaltsanspruch in Rechnung zu stellen. Nach dem überarbeiteten Entwurf der Bestimmungen des § 294 solle daher eine Pauschalanrechnung von Unterhaltsbeträgen nur möglich sein, wenn auch ein Rechtsanspruch auf Unterhalt bestehe. Die Pauschalanrechnung bestimmter Hundertsätze des Nettoeinkommens der im Abs 1 unter lit a bis c angeführten Personen, die nach dem Gesetz als Unterhaltspflichtige in Betracht kommen könnten, werde aber ohne Rücksicht darauf zu erfolgen haben, ob Unterhaltsleistungen tatsächlich erbracht werden (404 Blg NR XIII. GP 115). Daraus ergibt sich, daß der Gesetzgeber mit der Schaffung der Bestimmungen über die Pauschalanrechnung die Absicht verfolgte, die Berücksichtigung von gesetzlichen Unterhaltsansprüchen im Ausgleichszulagenrecht sicherzustellen. Die Anwendung der Bestimmungen über die Pauschalanrechnung auch auf Fälle, in denen nicht gesetzliche, sondern bloß vertragliche Unterhaltsansprüche bestehen, würde überdies zu keinem sinnvollen Ergebnis führen. Gemäß § 294 Abs 3 zweiter Satz ASVG hat eine Zurechnung zum Nettoeinkommen in dem Ausmaß zu unterbleiben, in dem die Unterhaltsforderung trotz durchgeführter Zwangsmaßnahmen einschließlich gerichtlicher Exekutionsführung uneinbringlich oder die Verfolgung eines Unterhaltsanspruches offenbar aussichtslos ist. In Fällen, in denen kein gesetzlicher, sondern bloß ein vertragsmäßiger Anspruch auf Unterhalt besteht, müßte aber immer davon ausgegangen werden, daß die Verfolgung einer den vertraglich festgelegten Betrag übersteigenden Unterhaltsforderung offenbar aussichtslos ist, weil für einen höheren Anspruch die Rechtsgrundlage fehlt.

Zutreffend ist daher das Berufungsgericht zum Ergebnis gelangt, daß dann, wenn ein gesetzlicher Unterhaltsanspruch nicht besteht und Unterhaltsansprüche bloß auf vertragsmäßiger Basis zustehen, die Voraussetzungen für die Pauschalanrechnung nicht vorliegen. Der Unterhaltsbeitrag stellt in diesem Fall keinen nach § 294 Abs 1 ASVG zu berücksichtigenden Bezug aus Unterhaltsleistungen privatrechtlicher Art dar. Damit kommt auch die Ausnahmsbestimmung des § 292 Abs 4 lit e ASVG nicht zur Anwendung. Vertragliche Unterhaltsansprüche sind bei Prüfung des Anspruches auf Ausgleichszulage in der entsprechend dem Vertrag zustehenden Höhe gemäß § 292 Abs 1 und 3 ASVG zu berücksichtigen.

Dem Rekurs mußte daher ein Erfolg versagt bleiben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 52 ZPO.

Anmerkung

E13406

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1988:010OBS00010.88.0209.000

Dokumentnummer

JJT_19880209_OGH0002_010OBS00010_8800000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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