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32/02 Steuern vom Einkommen und Ertrag;Norm
EStG 1988 §34 Abs7 Z1 idF 1998/I/079;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bernard und die Hofräte Dr. Hargassner, Dr. Fuchs, Dr. Büsser und Dr. Mairinger als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Keidel LL.M., über die Beschwerde der Dr. W D in K, vertreten durch Dr. Helga Wagner, Rechtsanwalt in 1080 Wien, Lange Gasse 12/5, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland (Berufungssenat Va) vom 15. November 2001, Zl. RV/739-16/13/2001, betreffend Einkommensteuer 1999 und 2000, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von 381,90 EUR binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die Beschwerdeführerin erklärte für die Streitjahre 1999 und 2000 Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit als Diplomatin sowie Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung. Sie machte außergewöhnliche Belastungen in Höhe von 48.430 S (1999) und 167.020 S (2000) aus dem Titel der "Kinderbetreuung" geltend.
Mit Bescheiden vom 4. und 7. Mai 2001 setzte das Finanzamt die Einkommensteuer fest und ging von einem Einkommen von 326.895 S (1999) und 374.071 S (2000) aus. Die geltend gemachte außergewöhnlichen Belastung erkannte das Finanzamt nicht an, weil die Kinderbetreuung mit der Familienbeihilfe abgegolten sei und die Beschäftigung einer Haushaltshilfe keine außergewöhnliche Belastung darstelle.
Dagegen berief die Beschwerdeführerin. Zur "korrekten Betreuung" ihres Sohnes habe eine Kinderfrau eingestellt werden müssen, weil sie auf Grund ihres Dienstvertrages auch zur Ableistung von Überstunden verpflichtet worden sei. Die Beschwerdeführerin habe am 1. August 1997 ihren Dienst an der österreichischen Botschaft in Bonn angetreten und damit ihre Karenzzeit nach fünfzehn Monaten (der Sohn sei am 12. Dezember 1995 geboren worden) vorzeitig beendet. Laut Dienstvertrag sei sie zur Ableistung von Überstunden verpflichtet worden, die pauschaliert abgegolten worden seien. Für die Zeit des deutschen Ratsvorsitzes in der Europäischen Union im ersten Halbjahr 1999 sei diese Verpflichtung erhöht, danach wieder verringert worden. Zur Betreuung ihres eineinhalbjährigen Sohnes sei wegen der Berufstätigkeit ihres Ehemannes "eine Kinderfrau nach deutschem Recht" eingestellt und auch von ihrem Mann "in Deutschland steuerlich geltend gemacht" worden. Durch einen Wechsel der Kinderfrau sei am 20. September 1999 Frau L.H. nach den Richtlinien des deutschen Auswärtigen Amtes als private Hausangestellte im diplomatischen Dienst eingestellt worden, weshalb der diesbezügliche Aufwand von ihrem Mann nicht mehr habe steuerlich geltend gemacht werden können. Da ihr Sohn inzwischen auch den Kindergarten besuche, sei es Aufgabe der Kinderfrau gewesen, das Kind in den Kindergarten zu bringen und es auch wieder abzuholen, sowie es abends zu betreuen, wenn die Beschwerdeführerin beruflichen Verpflichtungen nachgegangen sei. Allein dieser Zeitaufwand habe 40 Stunden pro Woche betragen.
Auf Vorhalt des Finanzamtes legte die Beschwerdeführerin Auszüge des (deutschen) Einkommensteuerbescheides ihres Ehemannes für 1999 vor, woraus dessen zu versteuerndes Einkommen von
110.491 DM ersichtlich ist. Für das Jahr 2000 sei im Zeitpunkt der Vorlage (Schriftsatz vom 24. Juli 2001) noch kein Abschluss erstellt worden.
Mit Berufungsvorentscheidung vom 30. Juli 2001 wies das Finanzamt die Berufung hinsichtlich der Einkommensteuer 1999 als unbegründet ab. Kinderbetreuungskosten könnten nur dann Berücksichtigung als außergewöhnliche Belastung finden, wenn beide Eheleute aus Gründen einer sonstigen Existenzgefährdung der Familie zum Unterhalt beitragen müssten.
Die Beschwerdeführerin beantragte die Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz.
Mit Telefax vom 9. Oktober 2001 übermittelte die Beschwerdeführerin der belangten Behörde auf deren Aufforderung den Arbeitsvertrag mit dem Kindermädchen L.M. Der mit 23. September 1999 datierte Arbeitsvertrag wies als Tätigkeit "Hausangestellte", einen vereinbarten monatlichen Bezug von
1.900 DM und die Verpflichtung auf, dass der Arbeitgeber die gesetzliche Kranken- und Unfallversicherung abschließen werde. Die Arbeitszeit wurde mit "gleitend, je nach Arbeitsanfall" bezeichnet. Als Anschrift sowohl der Beschwerdeführerin als auch der Angestellten schienen Adressen in Köln auf. Im erwähnten Telefax führte die Beschwerdeführerin aus, dass das Gehalt der L.H. zuzüglich Kranken- und Unfallversicherung zur Gänze von ihr bezahlt worden sei. Zum Vorhalt der belangten Behörde, dass L.H. nach den Richtlinien des deutschen Auswärtigen Dienstes für private Hausangestellte angestellt worden sei, erläuterte die Beschwerdeführerin, dass dies wegen des in Deutschland gültigen Ausländeraufenthaltsgesetzes erfolgt sei. Während ihre früheren Kindermädchen aus Bosnien und aus Österreich stammten, weshalb die Beschwerdeführerin für diese eine "normale" Aufenthaltserlaubnis habe beantragen können, habe das aus Ungarn stammende Kindermädchen L.H. nur über den "Umweg" des deutschen Auswärtigen Amtes angestellt werden können. Eine Refundierung für die Haushaltshilfe habe sie nicht erhalten. Sie lege dem Telefax einen Erlass des Bundesministeriums für auswärtige Angelegenheiten vom 30. November 1999 bei, aus dem hervorgehe, dass ihr selbst während ihrer Zeit als interimistische Leiterin der Außenstelle Berlin der österreichischen Botschaft in Bonn kein Hauspersonalkostenbeitrag gewährt worden sei. Die Richtlinien sähen vor, dass Amtsleitern (Botschaftern, Generalkonsuln) und den Erstzugeteilten an Botschaften ein Hauspersonalkostenzuschuss gewährt werde. Die Bezeichnung "Außenstelle der Botschaft" bestehe nur im Zusammenhang mit Deutschland, sei erst 1998 auf Grund der spezifischen Situation der teilweisen Übersiedelung der Ministerien und der Bundesregierung von Bonn nach Berlin eingeführt worden und würde in den genannten einschlägigen Richtlinien keine besondere Erwähnung finden.
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde das Berufungsbegehren ab. Nach Wiedergabe des Verwaltungsgeschehens und von Auszügen des § 34 EStG 1988 führte die belangte Behörde aus, dass die Beschäftigung einer Haushaltshilfe im Haushalt berufstätiger Eheleute nur zu einer außergewöhnlichen Belastung führen könne, wenn beide Eheleute aus Gründen einer sonstigen Existenzgefährdung der Familie zum Unterhalt beitragen müssten oder eine Krankheit die Beschäftigung einer Haushaltshilfe notwendig werden lasse. Dies hänge "wohl damit zusammen, dass das Verhalten der Steuerpflichtigen zu dem sie sich letztlich freiwillig entschlossen habe - vorliegend die Entscheidung für die Berufstätigkeit als Bundesbedienstete anstelle einer persönlichen Kinderbetreuung unter Ausschöpfung der Karenzzeit - zu keiner Zwangsläufigkeit des Aufwandes führt". Die Beschwerdeführerin habe über steuerpflichtige Bezüge in Höhe von rund 355.000 S (1999) und rund 361.000 S (2000) verfügt. Das steuerpflichtige Einkommen des Ehemannes habe im Jahr 1999 rund 110.500 DM betragen. In Anbetracht dieser Einkommensverhältnisse könne von einer Notwendigkeit der Berufstätigkeit beider Elternteile bei sonstiger Existenzgefährdung der Familie nicht die Rede sein. Überdies sei im Hinblick auf die Außergewöhnlichkeit einer Belastung anzuführen, dass die Belastung höher sein müsse als jene, die der Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstandes erwachse. Die Einkommensverhältnisse der Beschwerdeführerin sowie deren Ehemannes würden die Beschäftigung einer Haushaltsgehilfin weder zwangsläufig noch außergewöhnlich erscheinen lassen, weil auch bei vergleichbaren Haushalten mit ähnlicher Vermögenslage die Beschäftigung einer Haushaltshilfe durchaus als üblich angesehen werden könne.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 34 Abs. 1 EStG 1988 sind bei der Ermittlung des Einkommens (§ 2 Abs. 2) eines unbeschränkt Steuerpflichtigen nach Abzug der Sonderausgaben (§ 18) außergewöhnliche Belastungen abzuziehen. Die Belastung muss außergewöhnlich sein, zwangsläufig erwachsen und die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit wesentlich beeinträchtigen. Die Belastung darf weder Betriebsausgaben noch Werbungskosten noch Sonderausgaben sein.
Unterhaltsleistungen für ein Kind sind nach § 34 Abs. 7 Z 1 EStG 1988 in der im Beschwerdefall anzuwendenden Fassung des BG BGBl. I Nr. 79/1998 durch die Familienbeihilfe sowie gegebenenfalls den Kinderabsetzbetrag gemäß § 33 Abs. 4 Z 3 lit. a und c abgegolten, und zwar auch dann, wenn nicht der Steuerpflichtige selbst, sondern sein mit ihm im gemeinsamen Haushalt lebender (Ehe)Partner Anspruch auf diese Beträge hat.
Der Verwaltungsgerichtshof hat im Erkenntnis vom 13. Dezember 1995, 93/13/0272, VwSlg 7.055/F, ausgesprochen, dass die Annahme der Außergewöhnlichkeit von Belastungen für die Beaufsichtigung von Kindern auf dem Gebiet des Einkommensteuerrechtes zu einer weiteren Ausdehnung ohnehin schon bestehender Diskriminierungen der auf das Einkommen nur eines der Ehepartner angewiesenen Familien führte. Dies deswegen, weil die im Gesetz ganz allgemein verankerte Verpflichtung der Eltern zur Beaufsichtigung ihres Kleinkindes für sie in jedem Falle (ob nun beide Elternteile oder nur ein Elternteil berufstätig sind) Belastungen mit sich bringe, die keinesfalls außergewöhnlich, sondern im Gegenteil der geradezu typische Fall einer "gewöhnlichen", dh unter gleichen Umständen alle Steuerpflichtigen treffenden, Belastung sind. Diese Belastung werde keineswegs dadurch zur "außergewöhnlichen", dass sie in einem konkreten Fall nicht durch Aufgabe oder Einschränkung der beruflichen Tätigkeit eines der Elternteile, sondern durch Aufnahme einer bezahlten Aufsichtsperson bewältigt wird, wenn dieser Weg nach den bestehenden Familien- und Erwerbsverhältnissen der leichter gangbare und vor allem für die Eltern wirtschaftlich vorteilhaftere ist
Aus der von der Beschwerdeführerin wiedergegebenen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes kann sie nichts für sich gewinnen. Ausdrücklich hat der Verfassungsgerichtshof im Erkenntnis vom 30. November 2000, B 1340/00, VfSlg 16.026, ausgesprochen, dass die von der Verfassung geforderte steuerliche Berücksichtigung der Unterhaltsleistungen für den Regelfall durch die Transferleistungen der Familienbeihilfe und des Kinderabsetzbetrages erfolgt. Der Verfassungsgerichtshof hat in der von ihm geprüften Bestimmung des § 34 Abs. 7 EStG 1988 in der auch für die Streitjahre im Beschwerdefall anzuwendenden Fassung des BG BGBl. I Nr. 79/1998 angesichts der vorgesehenen (erhöhten) Transferleistungen keine Verfassungswidrigkeit gesehen.
Dass für das Kind auf solche Transferleistungen (Familienbeihilfe und Kinderabsetzbetrag) grundsätzlich kein Anspruch bestanden hätte, behauptet die Beschwerdeführerin nicht. Ob sie Transferleistungen tatsächlich in Anspruch genommen hat oder im Hinblick auf ihren (dem Vorbringen nach nicht in Österreich unbeschränkt steuerpflichtigen) Ehemann nicht, ist dabei nicht entscheidend.
Der Verfassungsgerichtshof hat im erwähnten Erkenntnis weiters ausgesprochen, dass die Berücksichtigung vom Regelfall abweichender atypischer Aufwendungen in den durch § 34 EStG 1988 gezogenen Grenzen als außergewöhnliche Belastung zusätzlich möglich ist. Er hat auch seine frühere Rechtsprechung wiederholt und erwähnt, dass die Regelung der Kinderbetreuung (ob beide Eltern berufstätig sind und für die Kinderbetreuung anderweitig sorgen oder ob ein Teil, statt erwerbstätig zu sein, die Hauptlast der Kinderbetreuung übernimmt) grundsätzlich Sache der privaten Lebensgestaltung ist. Damit liegt auch kein Widerspruch zur erwähnten hg. Rechtsprechung betreffend die Außergewöhnlichkeit der Belastung bei Berufstätigkeit beider Eheleute vor.
Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.
Wien, am 21. September 2005
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2005:2002130002.X00Im RIS seit
15.11.2005